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Familie Undercover 02/12: Annäherung

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„Gut. Das halte ich auch so", nickte er und wagte ein Grinsen. „Als du mich so heftig geküsst hast, da dachte ich, du wolltest mich an Ort und Stelle verführen. Und für eine Sekunde war ich drauf und dran, direkt einzusteigen und mitzumachen."

Sollte ich jetzt lachen? Schreien? Den Kopf gegen eine Wand rammen? Ich verstand immer weniger. Er hatte doch mich befingert, oder? Mit Verspätung wurde mir bewusst, dass er mich erwartungsvoll ansah. Doch mir fiel beim besten Willen keine passende Antwort ein. Also schwieg ich und hoffte, das kam überlegen und vielsagend rüber.

„Naja. Wie dem auch sei." Er wandte sich ab und wischte den Dreck von einer Fensterscheibe. „Ich werde dir nicht mehr zu nahe kommen, Siena. Außer..." -- ein schneller Seitenblick -- „...du willst es."

Ich schluckte. „In Ordnung", hörte ich mich sagen. „Das wird sich wohl im Laufe der Zeit herausstellen."

„Das wird es." Sein Grinsen verbreiterte sich. Ich reagierte automatisch und lächelte zurück. Mein Vater schien doch ganz nett zu sein. Jedenfalls nicht der Scheißkerl, als der er mir am Vortrag vorkam.

„Nur damit du es weißt:", fügte er mit einem verschwörerischen Zwinkern an. „Du bist ein wunderschönes und superheißes Mädchen, Siena. Ich würde mich mehr als geehrt fühlen, wenn ein alter Kerl wie ich Chancen bei dir hätte."

Mein Kopf nickte von selbst. Ich brachte nichts heraus. Gerade hatten wir es einigermaßen geklärt, und jetzt fing er schon wieder damit an? Doch unwillkürlich zollte ich seiner Beharrlichkeit Respekt. Anscheinend blieb er hinter seinen Zielen her, wenn er sich welche gesteckt hatte. Diese Qualität wusste ich zu schätzen. Und nicht zuletzt: Verhielt ich mich nicht gerade ganz ähnlich? Glich ich nicht auch in dieser Beziehung meinem Vater?

Ich erwiderte sein Grinsen, so düster ich nur konnte. Er zuckte zurück und blinzelte.

„Wir gehen besser runter und kümmern uns um die Einkäufe", meinte er mit einem Räuspern.

***

Wir schafften es, den Rest des Tages in einer Art von stillschweigender Harmonie zu verbringen. Mike fuhr mit mir in die Stadt und setzte mich im Zentrum ab. Ich verbrachte drei Stunden damit, mir noch ein paar Klamotten, Schminksachen und ein paar andere Dinge zu kaufen. Nur Sonderangebote und günstiges Zeug. Ich wusste ja noch nicht, was ich überhaupt verdiente.

Dann holte er mich am Treffpunkt wieder ab und ich verspürte Erleichterung, als wir endlich wieder durch den Torbogen rollten. Die ganzen Leute hatten mich nervös gemacht. Die Burg kam mir dagegen schon vor wie ein vertrauter Rückzugsort. Komisch, wie schnell einem ein Ort ans Herz wachsen kann.

„Wir müssen noch deinen Arbeitsvertrag machen", sagte Mike, als wir ausstiegen. „Komm nachher um fünf ins Büro, ich bereite alles vor."

„Ja, gerne." Ich schnappte meine Einkaufstüten und brachte mich erst einmal in meinem Zimmer in Sicherheit. Hinter Maras Tür lärmte Musik, und ab und zu sang sie mit, ebenso falsch wie begeistert. Das beruhigte mich erstaunlich rasch. Nach ein paar Minuten ertappte ich mich selbst, wie ich die bekannten Songs mitsummte. Ich ließ die Leggins sinken, die ich erstanden hatte, und lachte unsicher. Das kannte ich gar nicht so von mir.

Punkt fünf Uhr marschierte ich ins Büro und ignorierte geflissentlich den Flur davor, den Ort meines Zusammenbruchs gestern. Daran wollte ich jetzt nichts wissen.

„Setz dich. Bin gleich soweit." Mike hackte auf seiner Tastatur herum, dann summte der Drucker. Er kam zu mir an den Besprechungstisch und schob mir zwei Sätze von Druckseiten zu. „Lese dir in Ruhe alles durch. Ich habe noch zu tun. Wenn du fertig bist und Fragen hast, können wir darüber reden, ja?"

„Ist gut." Ich nickte ihm dankbar zu. Etwas Abstand zu ihm würde mir bei der Konzentration helfen. Er verschanzte sich wieder hinter dem Schreibtisch und dem Bildschirm, ich widmete mich dem Dokument. Das meiste verstand ich sogar auf Anhieb. Ein befristeter Arbeitsvertrag über drei Monate, von Juli bis September. Arbeitszeit: dreißig Stunden pro Woche, fällig nach Absprache. Samstag und Sonntag frei. Anspruch auf sechs Urlaubstage. Das klang entspannt.

Dann kam der Abschnitt mit der Entlohnung. Mindestlohn, neun Euro neunzehn für die Stunde, also knapp zwölfhundert Euro pro Monat. Allerdings wurden für „freie Kost und Logis" vierhundert abgezogen. Das schien mir fair. Zumal ich die Stelle auch angetreten hätte, wenn ich gar nichts dafür bekommen hätte. Ich war ja nicht wegen des Geldes hier. Da hätte ich mir was ganz anderes gesucht.

Kündigungsfristen, Gerichtsstand, blablabla. Ich nahm den Stift, kritzelte meinen Namen unter die letzten Seiten beider Ausdrucke und brachte sie ihm an den Schreibtisch.

„Schon fertig?" Er sah hoch. „Keine Fragen?"

„Keine. Alles klar." Ich lächelte zurückhaltend. „Ich freue mich auf den Job. Ehrlich."

„Na gut." Er unterschrieb eine Ausfertigung, tackerte sie zusammen, und reichte sie mir zurück. „Dann willkommen auf Burg Strackenfels, dem letzten Hort aufrechten Handwerks in diesem Land! Am Montag um acht geht es los. Genieße das Wochenende." Er blinzelte mich kumpelhaft an.

„Werde ich." Ich blinzelte genau auf die gleiche Art und Weise zurück. Es war so leicht, ihn zu mögen. Und ich wollte es so sehr.

Hoffentlich war das kein Fehler.

***

Samstags fand das Familienfrühstück erst um halb neun statt. Ansonsten lief alles identisch ab wie an den Werktagen. Ich freute mich schon darauf und konnte es kaum erwarten, endlich wieder mit in der Tischrunde zu sitzen. Immer noch schien mir das wie aus „Hanni und Nanni" oder so. Eine heile Welt, in der nette, freundliche Leute so tun, als wäre alles in bester Ordnung. Wie gern wäre ich ein Teil davon gewesen.

Klar, es gab Risse in der Fassade. Ein paar hatte ich schon am ersten Tag bemerkt, und sie wurden tiefer. Joss und Mara kriegten sich wegen einer Kleinigkeit in die Wolle und schrien sich an, bis ihr Vater beide andonnerte. Silvia bekam manchmal einen starren Blick und war dann kaum ansprechbar, völlig in ihre Gedanken versponnen. Die anderen ignorierten das, offenbar schon gewohnt daran, auch wenn es mitten in einem Gespräch geschah. Nur Mike schaute dann ab und zu gequält drein. Ihn ertappte ich auch mehrfach dabei, wie er mir heimlich auf den Hintern glotzte.

Alles normale, fehlbare Menschen also. Und dennoch! Das war kein Fake. Die Familienbande waren echt, das spürte ich. Sie bemühten sich nach Kräften, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Meistens klappte es, manchmal eben nicht. Ich kam mir vor wie eine Forscherin von einem fremden Planeten, als ich meine neue Familie so studierte.

„Also. Was steht heute an?", fragte Mike nach der zweiten Tasse Kaffee.

„Ich bin bei den Jungs von ´Greyhound Run´ und helfe beim Aufbau für heute Abend", kam es gleich von Joss. „Als Groupie hat man bessere Karriereaussichten denn als Handwerker, habe ich gehört." Er blinzelte seinen Vater vielsagend an.

„Bestimmt", sagte der, ohne eine Miene zu verziehen. „Wahrscheinlich bekommst du Unsummen an Geld für die Stunden am Mischpult, oder?"

Joss lächelte gequält und sagte nichts mehr.

„Ich backe", schloss sich Mara an. „Wittmeier hat zwölf Torten bestellt, die will ich alle heute fertigkriegen. Die Küche gehört also mir."

„Du machst Torten auf Bestellung?", fragte ich sie verwundert.

„Wittmeier ist der hiesige Konditor", warf Silvia ein. „Mara ist inzwischen so gut, dass er ihr unbesehen jeden Kuchen abkauft. Die muss er schon selbst nicht backen, und den Leuten verkauft er sie genauso teuer in seinem Café."

„Er bezahlt mich ja auch. Vielleicht mache ich ja im Herbst doch eine Konditorenausbildung anstatt eines Studiums", meinte sie leichthin und schenkte sich noch einen Kaffee ein. Ihr Vater schnaubte nur. Anscheinend war dieses Thema schon häufiger diskutiert worden.

„Ich habe einen Termin beim Verlag", erklärte Silvia. „Ich fahre mit dem Zug nach Frankfurt und werde erst spät zurücksein. Ich treffe mich noch mit Sigrid zum Abendessen."

„Gut", nickte Mike. „Dann werde heute ich die monatliche Flurbegehung einlegen."

„Was hast du vor, Siena?", wandte sich Silvia an mich.

„Weiß nicht." Ich zuckte die Schultern. „Was kann man denn an einem Wochenende hier machen? Im Ort wird nicht viel los sein, oder?"

„In Strackenfels?" Joss brach in ostentatives Hohngelächter aus. „Hier ist nur dreimal im Jahr was los: An Kirchweih, beim Weinfest, und an Weihnachten, wenn sich der Bürgermeister öffentlich mit seiner Frau streitet."

„Das war nur einmal", warf Mike ein, musste aber grinsen. „Aber man sollte wirklich eine Tradition daraus machen, wie sich die beiden quer über den Park angiften, vor der versammelten Wählerschaft."

Ich wollte gerade vorschlagen, dass ich Mara beim Backen helfen könnte, als Silvia sagte: „Warum nimmst du Siena nicht zur Flurbegehung mit, Mike? So sieht sie ein wenig von der Gegend. Und vielleicht muss sie ja mal zu einer der Außenstellen fahren. Sie weiß dann schon, wo die liegen."

„Außenstellen? Flurbegehung?" Ich sah von ihr zu Mike.

„Der Graf hat etliche Grundstücke in der Gegend", erklärte er mir. „Einmal pro Monat schaue ich überall nach dem Rechten, das gehört zu den Aufgaben hier. Das heißt, ich prüfe, ob die Türen der Weinberghäuschen ordentlich abgeschlossen sind, ob sich Tiere eingenistet haben, oder ob etwas beschädigt wurde. Im Prinzip fahre ich ein paar Stunden durch die Gegend und tue so, als würde ich arbeiten."

„He! Warum werden mir diese Aufgaben eigentlich nie angeboten?", maulte Joss. „Ich darf nur wieder den Dreckskram machen."

„Jeder, was er am besten kann", versetzte Mike ungerührt. „Willst du mit, Siena?"

Ich schwankte. Stundenlang zu zweit mit meinem Vater? „Ja, gerne", entschied ich schnell. „Rumfahren und die Gegend ansehen, das klingt gut."

„Schön", nickte Silvia. „Es wird heiß heute. Zieh was Leichtes an, ihr werdet ein paar Meter laufen müssen."

Eine halbe Stunde später stiegen wir in den verbeulten Audi Kombi und fuhren erst Silvia zum Bahnhof. Dann brachen wir zur „Flurbegehung" auf. Ich nahm neben Mike auf dem Beifahrersitz Platz, er drehte das Radio auf und wir brausten über die kurvigen Sträßchen.

„Erste Station ist der Weinberg, gleich über dem Fluss", erklärte Mike. „Das Häuschen für die Werkzeuge dort wird ab und zu von Jugendlichen geknackt, die dort saufen."

Wir fanden das Häuschen fest verschlossen und in Ordnung vor. Mike nahm sich ein wenig Zeit und erzählte mir von der Geschichte von Strackenfels, von der Grafenfamilie und dem Hintergrund der Ländereien. Hier wurde schon seit Generationen Riesling angebaut. Anfangs fühlte ich mich ein wenig befangen mit ihm, doch bald kam es mir wie einer der Ausflüge mit Reiseleitung, die das Internat manchmal organisiert hatte.

Weiter ging es mit einem umfangreichen Waldstück und einer Baracke, ebenfalls unversehrt. Von hier stammten viele der Balken in der Burg, auch schon seit Jahrhunderten. Danach fuhren wir zu einer verpachteten Fischzucht an einem Bachlauf und zu einer Obstplantage. Dem Grafen gehörte wirklich die halbe Gegend.

„Das nächste ist vielleicht der schönste Fleck", meinte Mike mit einem Lächeln, als wir wieder auf der Straße waren. „Du wirst es lieben."

„Bestimmt. Ich finde alles toll", lächelte ich zurück, legte den Arm in die offene Fensteröffnung und ließ mir den Fahrtwind um die Nase wehen. Mike lachte leise und drehte die Musik lauter. Ich schloss die Augen und kam mir vor wie in einem Traum. Ja, es bedurfte nur wenig, um mir vorzustellen, dass er längst wusste, wer ich war. Wir düsten als Vater und Tochter über das Land, erledigten samstägliche Aufgaben, genossen die Sonne, das Wochenende...

Mara und Joss hatten das immer, überlegte ich müßig. Für sie war dies das normale Leben. Seltsamerweise verspürte ich keinen Neid deshalb, nur ein wenig Traurigkeit. Je näher ich die Familie Linnemann kennenlernte, umso besser gefiel sie mir. Zu schade, dass sie nicht meine war. Nicht wirklich. Aber hey - niemand hat gesagt, das Leben sei immer gerecht, oder? Ich war ein großes Mädchen. Ich kam zurecht.

Mike hielt am Waldrand und stieg aus. „Wir müssen ein paar Meter durch den Wald, auf den Hügel. Ich hoffe, du hast ordentliche Schuhe. Der Weg ist nicht allzu gut in Schuss."

„Wird schon gehen." Ich warf einen skeptischen Blick auf meine alten Sneakers.

„Na gut." Er wies auf einen schmalen Schotterpfad, der zwischen den Bäumen verschwand. „Hier lang."

Ich nickte und schritt voran, um ihn mit meiner zähen, sportiven Ausdauer zu überraschen. Natürlich stellte es kein Problem für ihn dar, mit mir Schritt zu halten. Erst mit Verzögerung wurde mir klar, dass er mir so die ganze Zeit auf den Po schauen konnte. Hm -- machte mir das was aus? Nein, entschied ich. Ich war drei Monate hier. Wenn mir die Blicke unangenehm wären, hätte ich den Vertrag nicht unterschreiben dürfen.

Meine Kleidung bestand aus der kurzen Jeans von gestern und einem engen, quergestreiften Top in hellgrau und blau, das ich mir am Tag zuvor zugelegt hatte. Nichts allzu Aufreizendes also, aber die Jeans brachte meinen Hintern gut zur Geltung. Ach, sollte er es doch genießen. Ich grinste in mich hinein und schritt forscher aus.

Der Weg führte immer steiler aufwärts und nach ein paar Minuten schnauften wir beide. Bevor wir wirklich außer Puste geraten konnten, mündete der Pfad auf dem Plateau des Hügels. Dort stand ein Turm, ähnlich quadratisch wie der Bergfried der Burg. Doch dem Zweck einer Aussichtsplattform wurde er nicht mehr gerecht. Einige der Bäume ringsum waren höher gesprossen als die Zinnen und überragten ihn.

„Der Wachturm für das untere Senntal", erklärte Mike und sah an dem Mauerwerk hoch. „Hier war eine kleine Garnison, die mit der Burg kommunizierte. Nachts mit Feuersignalen, tagsüber mit Spiegeln und großen Flaggen. Damals wurde die Kuppe frei von Bäumen gehalten."

„Und heute?", fragte ich.

„Die Gemeinde würde den Turm gerne mieten und hier eine Waldschänke für Ausflügler bauen lassen. Aber dem Grafen sind zu viele Touristen auf seinem Boden ein Graus, deshalb hat er das bisher immer zurückgewiesen."

„Finde ich auch besser so."

Mike grinste und suchte den richtigen Schlüssel aus dem großen Bund und öffnete die Tür aus dicken Eichenbohlen. Wir traten ein, er schloss die Tür und ging diesmal selbst voran. Der Turm bestand aus meterdicken Mauern, nur im Zentrum spiralte eine Wendeltreppe hoch. Ich fröstelte zwischen den kühlen Steinen und hielt mich dicht hinter ihm.

Dabei unterdrückte ich ein Grinsen. Jetzt konnte ich ihm mal auf den Arsch gucken. Der sah auch nicht übel aus. Überhaupt gefiel mir mein Vater recht gut, rein körperlich. So groß und stark und massiv, das hatte doch was. Fasziniert studierte ich das Spiel in den Wadenmuskeln, als er Stufe auf Stufe nahm. Heute trug er Shorts mit Seitentaschen und ein helles Hemd anstelle der Arbeitskleidung.

Oben drückte er einen Verschlag aus verzinktem Stahl auf, was ein fürchterliches Quietschen durch den Turm hallen ließ. Wir zwängten uns ins Freie und ich blinzelte ins Sonnenlicht. Die Aussichtsplattform des Turms maß vielleicht drei mal drei Meter und war von einer mannshohen Mauer mit Schießscharten umgeben. Neugierig spähte ich zu allen Seiten durch die Lücken. Ein unwirklicher Eindruck, denn überall blieb der Blick in dicht belaubten Baumkronen hängen. Man kam sich vor, als würde man in einem grünen Meer treiben, umgeben von Korallen und Wasserpflanzen.

„Das ist fantastisch hier!" Ich rannte von Seite zu Seite. „Alles ist so ruhig. So friedlich. Wie verzaubert."

„Joss sagt, die Bäume ringsum sind eigentlich Ents", lachte Mike. Er hatte sich an die Brüstungsmauer gelehnt und sah mir zu, wie ich mich ereiferte.

„Ents?"

„Diese Baumwesen aus ´Der Herr der Ringe´"

„Ah, richtig. Stimmt -- es sieht fast so aus, als würden sie sich jeden Augenblick in Bewegung setzen und den Turm überwältigen."

„Dafür brauchen sie wohl noch ein paar Jahrzehnte. Wenn sie zu groß werden, muss sie jemand fällen. Aber vorläufig ist das nicht notwendig."

„Gut." Ich mochte den Gedanken nicht, dass die majestätischen Stämme durchgehackt wurden.

„Gefällt es dir hier?"

„Und wie!"

Er nickte und hielt den Schlüssel hoch. „Hier oben ist man völlig ungestört, wenn man die Tür unten geschlossen hat", erklärte er ernst. „Ich bin auch schon ab und zu hierhergekommen, um nachzudenken. Falls du das mal brauchen solltest: Du kannst mich jederzeit nach dem Schlüssel fragen."

„Oh. Vielen Dank", lächelte ich ihn an. „Das ist schön. Im Internat hatte ich auch so ein Plätzchen, das niemand kannte. Auf dem Dach der Wäscherei. Man konnte durch eine Dachgaube leicht rausklettern und die Stelle war von keiner Seite einsehbar."

Mein Vater nickte und steckte den Schlüssel wieder ein. Dann sah er mich an, ohne etwas zu sagen. Schlagartig wurde mir bewusst, dass wir uns gerade zu zweit hier an diesem Platz befanden. Völlig ungestört. Hatte er etwa genau das geplant?

Ich tat nichts, sondern erwiderte seinen Blick einfach auf dieselbe Weise. Ein Lächeln trat auf seine Lippen und er ließ seine Augen an mir hinabwandern, ohne das zu verheimlichen. Mir wurde warm, und das nicht nur wegen der Sonne.

Was nun? Ich war mir sicher: Eine Bemerkung von mir, und wir würden nach unten gehen. Er würde sich nicht über mich hermachen, gegen meinen Willen. Was zu der Frage führte: Wie sah es denn aus mit meinem Willen?

Das Schweigen zwischen uns verdichtete sich, bis man es mit Händen greifen konnte. Ich spürte seinen Blick auf den Brüsten, und dann tiefer. Er betrachtete ungeniert die Kontur meines Venushügels in der eng geschnittenen Jeans. Die Hitze schwappte nach unten, in meinen Schoß. Ich musste trocken schlucken und fühlte mich wie gelähmt. Mit äußerster Anstrengung tat ich äußerlich ungerührt und besah mir seine Gestalt.

Anfangs konnte ich mir selbst vorspielen, dass ich ihn nur studierte. Ihn nur besser kennenlernen wollte. Auch äußerlich eben. Aber dann zog eine Bewegung meine Aufmerksamkeit auf sich. Da rührte sich etwas in den Shorts, so wie wenn ein Tier erwachen würde...

Erschreckt sah ich auf, ihm in die Augen. Seine dunklen Augen glitzerten.

„Ich habe es dir gestern schon gesagt. Du bist sehr hübsch, Siena", sagte er leise. „Sehr hübsch, wirklich."

„Danke", brachte ich heraus, deutlich gemessener, als ich mich fühlte.

„Und ich habe den Eindruck, es stört dich nicht, wenn ich dich anschaue und das so sage, oder?"

„N-nein." Eine steile Behauptung.

„Gut. Mich stört es auch nicht." Er wies nach unten und spannte den Schwanz an. Der drängte sich von innen als längliche Kontur gegen den Stoff. Ich konnte nur darauf glotzen. Mein Atem ging schwerer. Vor Panik, oder?

„Jetzt sind wir wohl beide hart geworden, hm?" Mike blinzelte in Richtung meines Busens. Ein Blick zeigte mir, dass sich die Nippel supergroß unter dem Top abzeichneten. Oh -- der neue BH, auch eine Erwerbung von gestern, fiel doch dünner aus als gedacht. Für ihn musste es so aussehen, als sei ich total geil auf ihn.

War ich das? Chaos rauschte in meinem Kopf. Gleich würde er rüberkommen. Mich anfassen. Was dann? Warum musste alles immer so kompliziert sein? Ich wollte doch einfach nur an dem Frühstückstisch sitzen und mich als Teil dieser Familie fühlen. Auch, wenn ich eigentlich nicht dazu gehörte. Oder nur auf Zeit.

Mein Vater drückte sich von der Mauer ab und schlenderte auf mich zu. Die Aufregung schnürte mir den Hals zu, doch gleichzeitig zogen sich meine Nippel noch härter zusammen, bis sie im Pulsschlag puckerten. Was sollte ich nur tun? Verzweifelt hielt ich an dem Bild des Frühstückstisches fest. Das Geflachse. Das Lachen. Diese beinahe unerträgliche Bindung, die dabei so spürbar war.

Ich öffnete den Mund. „Ich bin deine Tochter", wollte ich schon hervorstoßen, als mir eine Sache klar wurde. Mit diesem Satz würde ich den Frühstückstisch zerstören. Ihn ein für alle Mal abschießen. Nichts würde hinterher so sein wie zuvor. Vorhaltungen von Silvia gegenüber ihrem Mann. Offene Verachtung von Mara für ihren Vater. Joss würde sich abwenden, sein eigenes Ding machen. In der Mitte Mike, verzweifelt und machtlos, wegen eines Fehlers vor vielen Jahren. Wegen eines Fehlers, der ihn nun eingeholt hatte und vernichtete.