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Grober Sand 04

Geschichte Info
Langes Intermezzo. Bitte dranbleiben.
5.6k Wörter
4.36
4.4k
00
Geschichte hat keine Tags

Teil 4 der 9 teiligen Serie

Aktualisiert 06/10/2023
Erstellt 08/18/2021
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Wahrscheinlich ist noch keine Stunde vergangen, aber es kommt mir vor wie eine kleine Ewigkeit, in der ich einfach nur dahänge und auf seinen nächsten Zug warte. Unter dem Stoffsack kleben mir die Haare im Gesicht. Die Nase juckt. Wo meine nackte Haut die Gitterstäbe berührt, laufen kleine Schweißperlen den Körper hinunter.

Ich habe einen neuen Feind. Den Colonel. Verbissen arbeite ich daran, das Gefühl seiner Hand zu verdrängen und mich stattdessen auf das geistige Bild meines Bewachers zu konzentrieren, auf seinen sorgfältig rasierten Schädel, seine kühlen Hände. Und auf die Lachfalten. Mir ist völlig klar, was mein Kopf gerade macht, aber für den Augenblick ist es mir recht.

Ich weiß, dass der Sergeant noch da ist. Ich höre ihn hin- und hergehen, mit den Fingern knacken. Mal setzt er sich, dann steht er wieder auf. Er ist ruhelos.

Irgendwann döse ich weg. Wenigstens mein Körper weiß die Zeit sinnvoll und kräftesparend zu nutzen. Ich träume sogar. Zumindest sehe ich Bilder. Ich befinde mich in dieser wirren Phase zwischen Wachen und Schlaf, in der das Unterbewusstsein den Geist mit ungefilterten Eindrücken flutet. Einen kurzen Moment lang bin ich zuhause auf meiner Stube. Dann wieder in dem Dorf. Jemand spielt mit meinen Haaren. Ich rieche Regen. Durst. Nichts trinken, nein ... Nicht meine Schuld. Der Hauptfeldwebel lacht. „Ich habe es Ihnen doch gesagt ...". Ich stehe nackt auf dem Exerzierplatz. „Alle Weiber, die zum Militär gehen, lassen irgendwann einen Offz drüberrutschen." Ich bin so furchtbar wütend! Milad will wissen, warum ich nichts esse. Der Geruch von Regen und Stroh. Die Taliban kommen!

Mit einem heftigen Zucken wache ich wieder auf und hole Luft. Meine Kehle ist staubtrocken. Der Hauptfeldwebel ... Gnh. Ich würde gern weiterschlafen. Doch ich darf nicht, weil, weil ... Dann kommt die Erinnerung. Ein Adrenalinschub.

Ich spitze die Ohren. So tief kann ich nicht geschlafen haben, dass er unbemerkt nach draußen gegangen ist. Aber da sind keine Geräusche mehr. „Sergeant?"

„Hm?"

Ich fahre zusammen. Er steht ganz nah vor mir. Allerdings muss er sich ebenso erschrocken haben, denn ich höre, wie er einen schnellen Schritt rückwärts macht.

„Was?"

Ich habe Durst, aber ich kann ihn nicht um Wasser bitten. Das gibt ihm nur ein Druckmittel an die Hand. „Nichts." Ich schüttle den Kopf. „Wollte nur wissen, ob Sie noch da sind."

Er setzt sich wieder. Nach einigen Minuten ertönt ein Kugelschreiber auf Papier. Aber es klingt nicht nach Schreiben. Ich glaube er zeichnet etwas. Dann legt er den Stift weg und seufzt. Er steht auf und beginnt wieder hin- und herzugehen.

„Wer ist Roya?", fragt er plötzlich.

Unter meinem Stoffsack reiße ich die Lider auf. Scheiße. „Keine Ahnung. Wie kommen Sie darauf?" Sofort läuft mir Schweiß in die Augen und lässt mich blinzeln.

„Du hast vorhin gesprochen. Ich nehme an im Schlaf." Er bleibt stehen. „Roya, lauf weg!"

„Vielleicht hat Siegfried ihn geärgert. Oder die Tiger waren los."

Der Sergeant schnaubt. „Netter Versuch." Ich höre seine Schritte näher kommen. Er bleibt stehen und jetzt spüre ich seinen Atem auf meiner Brust.

„Wer ist Roya?"

Ich lege den Kopf schief. „Die Queen möglicherweise?"

Er packt den Gürtel und zieht. Mein Oberkörper wird gegen das Gitter gepresst und mit einem keuchenden Geräusch entweicht die Luft aus meinen oberen Lungen.

„Roya ist ein arabischer Frauenname." Er zerrt noch ein wenig fester. „Vor wem sollte Roya weglaufen?"

Ich stemme meine gefesselten Arme und Beine gegen das Gitter und mache es damit nur schlimmer. Der Stab zwischen meinen Brüsten quetscht mir das Brustbein und jetzt droht der Gürtel eine meiner hinteren Rippen zu brechen. Also gebe ich nach. „Roya ..." Meine Stimme dringt gequält hervor. „Roya ist bloß ein ... ein kleines Mädchen ...

Endlich lässt er locker. Ich huste und drehe die Schultern so gut es geht, um den Schmerz aus meinem Burstkorb zu vertreiben.

„Erzähl mir von Roya. Wenn mir die Geschichte gefällt, bekommst du vielleicht sogar Wasser."

„Vielleicht?"

„ERZÄHLE!"

Okay, okay! Als ich wieder atmen kann, rufe ich mir widerwillig das schwarzäugige Kind in Erinnerung. Es wird ihm keine wertvollen Informationen verschaffen, ihn wissen zu lassen, wie ich es kennenlernte. Und die Zeit vergeht dann vielleicht ein wenig schneller. Also beginne ich zu erzählen. „Sie ist die Tochter des Mannes, der mich gefangengenommen hat. Acht, vielleicht neun Jahre alt. Da war sie sich selbst nicht ganz sicher."

Vor meinem geistigen Auge taucht das Dorf auf. Völlig benommen und krank wie ein Hund lag ich in meiner Stellung und beobachtete die Lehmhäuser. Die Nacht bahnte sich ihren Weg über die Berge und ich glitt hinunter. Wenn ich nicht so am Ende gewesen wäre, hätte ich mich niemals in diese Situation manövriert. Seit Wochen war ich da draußen und ich hatte mich wirklich gut geschlagen. Und dann musste dieses beschissene kleine Tierchen kommen ... Ich brauchte Wasser ...

Es ist stockdunkel und ich taste nach dem Euter der Ziege vor mir ... Endlich. Die Milch tröpfelt in meine Feldflasche und ich mahne mich zur Geduld. Nach ein paar Minuten habe ich den Dreh raus. Als die Flasche voll ist, taste ich umher. Irgendwo muss hier ein Wassertrog sein ... Er ist leer. Verdammt. Ich schleiche wieder nach draußen und sehe mich um. Im fahlen Mondlicht drücke ich mich an der Mauer des Hauses entlang und entdecke den Brunnen. So leise wie möglich kurble ich das Seil herauf und kann mein Glück kaum fassen, als ein Eimer mit klarem Wasser am Ende hängt. Aber es ist nur wenig. Damit komme ich gerade ein paar Tage durch ... Die Seilwinde quietscht zu sehr, als dass ich den Eimer noch einmal hinunterlassen könnte. Ich muss zurück in den Stall und noch mehr Milch besorgen.

Die Ziege leckt mir durchs Gesicht, als würde sie sich freuen, mich wiederzusehen. Dummerweise bringt sie mich damit aus dem Gleichgewicht und die Feldflasche fällt scheppernd zu Boden. Das weckt das Maultier auf -- sie müssen wohlhabend sein, sie haben einen Hengst. Sein Huf trifft meine Schläfe.

Als ich wieder zu mir komme, dröhnt mir der Kopf. Das grelle Licht macht es nicht besser. Ich taste nach der Platzwunde und finde Stoffbahnen, die mir um die Stirn gewickelt wurden. Der Versuch, mich aufzurichten, versetzt die Welt in wildes Torkeln. Ich falle leblos zurück ins Stroh.

„Warum warst du allein in der Wüste?"

„Ich hatte lange nichts gegessen, außerdem musste ich zwei Tage zuvor die Bekanntschaft eines kleinen Skorpions machen. Wenn ich nicht an Wasser und Nahrung gekommen wäre, ..."

„... wärst du krepiert. Schon klar." Er bleibt stehen. „Aber warum warst du allein in der Wüste?"

„Das geht Sie nichts an."

Ich erwarte eine Bestrafung für meine frechen Worte, die nicht kommt.

„Das Maultier hat dir also die Lichter ausgetreten. Bist du rechtzeitig wieder aufgewacht?"

„Nein."

Jemand schüttelt mich. Ich öffne die Augen einen Spalt, aber es ist zu anstrengend. Mir wird Wasser an die Lippen gehalten. Ich huste, würge, und erbreche die wenigen Schlucke sofort wieder. Eine raue Stimme begleitet die Fußtritte, mit denen mein Verhalten belohnt wird. Doch er gibt nicht auf. Immer wieder flößt er mir Wasser, Milch oder einen warmen, undefinierbaren Brei ein, bis ich mich nach Tagen endlich selbst aufrecht halten kann.

Sein Name ist Milad. Er ist das Familienoberhaupt, ein unglaublich alt aussehender Mann, der aber wohl nicht weit jenseits der Vierzig ist. Sein Sohn, Muhammad, hat dafür gesorgt, dass ich nirgendwohin gehe. Schnell muss ich feststellen, dass der Lederriemen um meinen Hals so kunstvoll geflochten ist, dass ich ihn ohne ein Messer nicht loswerde. Die Tiere, mit denen ich von nun an mein Zuhause teile, werden jeden Tag ins Freie geführt. Die Kette, die mein Halsband mit einem Eisenring in der Wand verbindet, lässt mich nicht einmal die Stalltür erreichen.

„Du warst angebunden wie ein Hund?" Er klingt entsetzt. Ich muss lachen, denn meine Zeit im Stall war größtenteils angenehmer als die Situation, in der ich mich jetzt befinde.

„Ja, so könnte man es beschreiben. Es war am Anfang sehr..." Ich schlucke. „... demütigend." Ich schaudere bei dem Gedanken an die ersten Tage an der Kette. Das Gefühl der Scham kehrt einen Augenblick lang zurück. Ich erinnere mich daran, wie ich nachts in völliger Verzweiflung die Füße gegen den Lehm stemmte, an der Kette und dem Ring zerrte. Wie ich mit den Fingernägeln in die Wand zu graben versuchte und sich meine Leine keinen Millimeter bewegte. Ich muss kurz innehalten, bevor ich weitersprechen kann.

Es vergehen einige Tage, bis sie mir verständlich gemacht haben, dass sie mich an die „Aufständischen" verkaufen wollen. Arme Irre. Die werden das ganze Dorf abschlachten und mich dann einfach mitnehmen.

Aber die Taliban kommen nicht. Und die beiden Männer haben wohl auch nicht den Mut, zu ihnen in die Berge zu gehen. Also friste ich meine Tage bei den Ziegen, dem Maultier und einem Kalb. Ich lerne Muhammads Frau kennen. Yasemin hat Angst vor mir, aber sie ringt sich dazu durch, mir Essen zu bringen. Ich frage mich, welche Horrorgeschichten ihr die Männer über mich erzählt haben. Sie spricht nicht, sieht mir nicht in die Augen und vermeidet es peinlichst, mich zu berühren. Doch sie sorgt gut für mich.

Ich höre, wie er sich wieder an den Schreibtisch setzt. Die Tastatur des Computers klappert. Langweile ich ihn? Ich erzähle weiter, hauptsächlich um mich selbst zu beschäftigen.

Ich ritze mit den Fingernägeln Striche in die Lehmwand, um das Zeitgefühl nicht zu verlieren. Die Tage vergehen schleppend. Mit einem rostigen Stück Draht habe ich versucht, mein Lederband zu durchtrennen. Malid hat es schnell gemerkt und mir das Ende der Eisenkette mit einem Hängeschloss um den Hals gelegt. Als seine Schwiegertochter die Schürfwunden von dem rauen Metall sieht, gibt sie mir meinen Schal zurück, den ich mir von nun auch wieder über das Gesicht schlinge, denn Yasemin findet mich dadurch weniger furchterregend.

Mit der Zeit dämmert es mir, dass es keine Flucht geben wird, und ich verfalle in Apathie. Ich verweigere Essen und Trinken. Es ist keine bewusste Entscheidung, es passiert einfach. Ich werde wieder krank. Sie zwingen mir Wasser und Brei zwischen die Lippen, ich lebe weiter, aber ich verliere mich in einem katatonischen Zustand.

Bis ich irgendwann in der Dämmerung aufwache und ein kleines Mädchen neben mir im Stroh kniet. Sie betrachtet mich aus großen, schwarzen Augen voller Staunen. Ich halte sie für eine Halluzination.

Doch am nächsten Morgen ist sie wieder da. Und am Tag darauf erneut. Jedes Mal traut sie sich etwas näher heran, bis ich irgendwann von einem Ziehen in meinen Haaren geweckt werde. Da sitzt sie neben mir und dreht eine Strähne zwischen ihren Fingern.

Ich betrachte sie. Bevor ich in die Wüste gegangen bin, habe ich genug ihrer Sprache gelernt, um sie nach ihrem Namen zu fragen. Aber als sie meine Stimme hört, springt sie verängstigt auf und rennt hinaus.

Es vergehen mehrere Tage, bis sie kurz vor Sonnenaufgang wieder neben mir sitzt und mich mit ihren dunklen Augen studiert. Ich sehe sie unter halb geschlossenen Lidern heimlich an und sage nichts. Sie legt den Kopf schief, will meine Haare anfassen, traut sich nicht. Ich lächle leicht. Sie fasst sich ein Herz und greift danach. „Gold. Schön!", sagt sie in gebrochenem Englisch. Ich halte ganz still, während sie mit kindlicher Begeisterung aus meinen Haaren ein kleines Nest für ihre Puppe baut. Nach einer Weile stupst sie mich zaghaft an. „Wie heißt Du?", fragt sie mich. Ich sehe sie vorsichtig aus dem Augenwinkel an und sage ihr ganz leise meinen Namen.

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Ich wickle den Stoffsack, der ihren Kopf umhüllt, soweit nach oben, dass ich ihr die Wasserflasche vor den Mund halten kann. „Langsam", weise ich sie an. Vorsichtig trinkt sie einige Schlucke. Ihre malträtierte Kehle hat zu kämpfen, aber sie kann alles unten behalten.

Ich nehme die Flasche wieder weg. Sie atmet tief durch und legt die Stirn an die Gitterstäbe.

Ihr Gesicht, zumindest das Wenige, das ich davon sehen kann, ist fahl und schweißgebadet. Die Lippen sind fast so weiß wie der Rest ihrer Haut.

„Ich nehme an, sie haben es nicht geschafft, dich zu verscherbeln. Sonst wärst du jetzt nicht hier."

Sie schüttelt den Kopf. „Nein, sie haben mich nicht verkauft. Sie fürchteten sich zu sehr vor den Taliban." Ein leises, kaltes Lachen.

Ich gehe vor ihr auf und ab. Nun kenne ich ihren Namen. „Diana", sage ich leise. „Die Göttin der Jagd."

Ihre Lippen kräuseln sich, dann lächelt sie resigniert. „Und dieses Mal ist es die Wahrheit."

Ich höre eine leise Spur von Angst in ihrer Stimme. Es lässt sich nicht gänzlich verstecken: Sie will nicht wieder geschlagen werden.

„Nun, vielleicht nicht ganz die Wahrheit. In deiner Muttersprache klingt der Name bestimmt anders." Ich bleibe vor ihr stehen. „Woher kommst du?"

Sie streckt den Zeigefinger aus. „Aus dieser Richtung, gar nicht weit."

Ihr Sarkasmus nervt mich. Ich trete etwas näher an sie heran, so dass sie meinen Atem auf ihrer nackten Haut spürt. „Du hast so viel durchgemacht. Willst du nicht nach Hause? Zu deinen Leuten?"

„Ich dachte eigentlich, ich wäre schon bei meinen Leuten." Es klingt bitter und zynisch. Ich kann ihr nur auf gleiche Weise antworten: „Du bist keine Amerikanerin. Egal was sie daheim, am anderen Ende der Welt, über unsere Koalitionskräfte sagen -- hier kämpft jeder für sich selbst." Ich betrachte ihre bleichen Lippen. „Für wen bist du in diesen Krieg gezogen?"

Sie schweigt. Ich gehe in die Zelle und trete ganz nah hinter sie. In den letzten Stunden, in denen ich hier saß und sie angestarrt habe, ist die Frustration zurückgekehrt. Meine neu aufgekeimte Wut braucht ein Ziel und sie ist hier. Allein. Mit mir. Sie ist so verdammt widerspenstig. Wenn sie nur endlich reden würde! Ich betrachte ihre weißen Schultern und die kleinen Schweißperlen, die sich darauf sammeln, um zu Tropfen werden und ihren rot gestreiften Rücken hinunterzurinnen. „Haben sie dich misshandelt?"

Sie schüttelt langsam den Kopf.

Sacht zeichne ich mit dem Zeigefinger eine Strieme auf ihren Rippen nach. Sie lässt sich nichts anmerken.

„Du bist eine schlanke, schöne, westliche Frau. Sie haben dich nicht angefasst?"

Sie atmet tief ein. Der Brustkorb hebt und senkt sich schneller. Ich halte mit dem Finger in der Kuhle ihrer Wirbelsäule an. „Sie wollten nicht wissen, wie sich ein Dämon anfühlt?" Langsam lasse ich meinen Atem über ihre Schultern streichen und beobachte fasziniert die Gänsehaut, die sich dort bildet. Ich will mit der flachen Hand ihren Rücken hinabfahren, zu ihrem süßen, kleinen Hintern.

Stattdessen greife ich nur links und rechts von ihr an die Gitterstäbe und lege meine Lippen an den Stoff über ihrem Ohr. „Du warst wer weiß wie lange allein da draußen, du hast die Gefangenschaft überstanden, dich durch die Wüste hierher durchgeschlagen, und das alles, ohne dass du angerührt wurdest?"

„Ja."

„Für eine Frau in diesem Land eine erstaunliche Leistung." Ich senke meine Stimme zu einem Flüstern. „Warum willst du das unbedingt ändern?"

Sie sagt nichts. Aber ich sehe, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellen. Es ist vermutlich eine unbewusste Geste, in der sich ihr Kopf einige Millimeter von meinem Gesicht wegbewegt, als wollte sie mir ausweichen. Doch sie kann nirgendwohin.

„Warum warst du allein in der Wüste? Wie lautete dein Auftrag?"

Ein Zittern geht durch sie hindurch und sie schließt die gefesselten Hände fest um die Eisenstäbe. „Ich darf nicht antworten."

Mit aller Kraft werfe ich meinen ganzen Körper gegen sie. Ich presse sie gewaltsam an das Gitter, und ein erschrockener, schmerzerfüllter Laut entwischt ihr.

„Du musst es furchtbar nötig haben, wenn du dich weiter weigerst!"

Ich lasse ein wenig locker, damit ich ihr mit einem Ruck den Sack vom Kopf ziehen kann. Sie blinzelt gegen die plötzliche Helligkeit an, während ich ihr die nassen Haare aus dem Gesicht wische. Sie will wieder ausweichen, um der Berührung zu entgehen, aber ich halte ihren Kopf fest und drücke ihr Gesicht gegen meine Brust. „Rede!"

Sie wehrt sich, soweit ihre Fesseln es zulassen, doch es ist sinnlos. Es gibt kein Entkommen. Ich fahre mit der Hand über ihre Wange und greife um ihr Kinn, zwinge ihren Kopf in den Nacken und sehe in ihre geweiteten Augen hinab. „Sag mir, wo du herkommst!" Sie will meine Hand abschütteln, von mir wegkommen, aber ich presse sie nur noch fester gegen mich. Ihr Atem wird flacher. Die leicht geöffneten Lippen zucken und ganz langsam senke ich mein Gesicht immer weiter auf das ihre. Sie wendet den Blick ab. Meine rechte Hand gleitet über ihre Kehle hinunter zu ihrer Brust und sie reißt an ihren Fesseln.

Ich weiß nicht, welcher Schalter sich in diesem Moment in meinem Kopf umlegt, aber ich lasse unvermittelt los und stoße mich mit aller Kraft von ihr weg. Sie wird hart gegen das Gitter geworfen und ich taumle einige Schritte rückwärts. Die Zellenwand fängt mich auf.

Ich atme in schnellen Stößen und mein Magen verkrampft sich. Der Raum beginnt sich zu drehen und ich muss den Kopf schütteln, um wieder zu Sinnen zu kommen. Oh Gott. Was ... Wer bin ich? Was passiert mit mir? Ich stürme aus der Zelle und weiß in diesem Augenblick nicht, wohin mit mir, also trete ich den Schreibtischstuhl wutentbrannt durch den Wachraum. Scheiße ... Meine Faust ballt sich und hinterlässt einen gesplitterten Abdruck in der Wand der Baracke. Es dauert einige Sekunden, bis der Schmerz in meinen Fingerknöcheln einsetzt und mich wieder zu Sinnen bringt.

Ich starre sie an, dieses kleine Biest, das aus irgend einem Grund zum Zentrum meines Universums geworden ist und wie ein schwarzes Loch jeden Funken meines Verstands aufsaugt, zum Erlöschen bringt. Was tut sie mit mir? Was wird aus mir? Meine Gedanken wirbeln durcheinander, dann fällt mein Blick auf den Rekruten, der plötzlich in der Tür steht und mich verschreckt anblinzelt.

„Sir?"

Ich schließe für einen Moment die Augen und als ich sie wieder öffne, bin ich die Ruhe selbst. „Ja, Private."

„Ich soll Sie ablösen, damit Sie zum Abendessen gehen können."

„Danke Private." Er weicht mir sofort aus, als ich zielstrebig an ihm vorbei nach draußen strebe, und sieht mir verstört nach. Ich drehe mich noch einmal kurz zu ihm um. „Wenn Sie wollen, können Sie die Gefangene losmachen und ihr etwas zu trinken geben."

„Ja, Sir."

Ich lasse die Baracke hinter mir und laufe durch das Lager in Richtung Kantine. Niemandem, der mich in diesem Moment beobachtet, würde etwas Ungewöhnliches an mir auffallen. Aber ich bin wie ferngesteuert. Nicht mehr ich selbst.

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Der Private bleibt in der Wachstube stehen und sieht mich unschlüssig an. Oh, wenn er doch nur verschwinden würde. Ich kann nicht ... ich ... scheiße. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Ich bin noch ganz tief im Zombie-Modus. Alle Gefühle auf einmal und gleichzeitig ganz taub.

Mein Körper hängt einfach da. Mir tun alle Knochen weh. Scheißegal. Macht mit mir, was ihr wollt. Lasst mich einfach in Ruhe. Ich will allein sein.

Private Hobbes hat andere Pläne. Er kommt etwas näher und lugt mich verschämt aus dem Augenwinkel an. „Ähm ..." Er räuspert sich. „Haben Sie Durst?"

Unter schweren Lidern versuche ich, ihn zu fokussieren. Konzentriere Dich! Ja, du hast Durst. Also antworte ihm.

„Ja, danke Private."

„Okay ... Wenn ich Ihnen die Fesseln abnehme, benehmen Sie sich?"

Ich nicke automatisch. „Ja, versprochen."

Er traut sich tatsächlich, meine Zelle zu betreten und die Gürtel zu lösen. Ich atme tief ein und lasse meine Wirbel knacken, was dem Jungen ein angewidertes Geräusch entlockt. Wofür er sich sofort entschuldigt.

Er schneidet die Kabelbinder an meinen Füßen und meinem linken Arm los, aber an die Fessel um meine rechte Hand traut er sich nicht heran. „Tut mir leid, Ma'am."

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