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Krieg und Liebe - Catalina

Geschichte Info
WW2: Ein Flugboot-Pilot verliebt sich in eine zivile Pilotin.
13.4k Wörter
4.78
11.1k
10

Teil 2 der 9 teiligen Serie

Aktualisiert 11/23/2023
Erstellt 06/22/2023
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JoeMo1619
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© JoeMo1619 -- Juli 2023

Royal Air Force, Vereinigtes Königreich, vor und zu Beginn des

2. Weltkriegs

Ich, Charles M. Watts, hatte die Leidenschaft für die Fliegerei im Allgemeinen und für Flugboote im Besonderen quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Mein Vater hatte nach seinem Maschinenbauexamen den gesamten ersten Weltkrieg als Flugzeug- und Motoreningenieur bei dem kurz vor Kriegsausbruch offiziell etablierten Royal Naval Air Service (RNAS) in Southampton und gelegentlich an anderen Standorten verbracht, mitten im Krieg meine ebenfalls aus Southampton stammende Mutter geheiratet und war am 1. April 1918 bei Gründung der Royal Air Force in diese übernommen worden.

Ich selbst kam am 27. Juli 1917 zur Welt, in den späteren Jahren vervollständigten noch zwei jüngere Schwestern unsere Familie. Nach Kriegsende wechselte mein Vater zur zivilen Luftfahrt, die Southampton als wichtigsten Stützpunkt für Flugboote identifiziert hatte, und gründete mit einem Finanzpartner eine eigene Firma für Service und Reparatur von Flugbooten, die langsam, aber stetig wuchs und sowohl den landgestützten kleinen Flughafen als auch die Flugbootterminals ingenieur- und serviceseitig betreute.

Seit Beginn meiner Schulzeit konnte mir mein Vater keine größere Freude bereiten, als mich in seine Firma mitzunehmen und mir die immer größer werdenden Flugboote sowie deren Technik anzuschauen. Bei den Monteuren und Mitarbeitern war ich als wissensdurstiger Junge bekannt und berüchtigt, denn ich konnte ihnen wahrhaftig Löcher in den Bauch fragen. Meine Berufswahl stand für mich bereits seit Beginn meiner Schulzeit fest: ich wollte Pilot werden.

Insofern war es für niemanden eine Überraschung als ich mich nach meinem High School Abschluss an der King Edward VI.-Grammar-School in Southampton freiwillig zur RAF meldete, die Eignungsmusterung ohne Schwierigkeiten bestand und im Sommer 1936 mit meiner Ausbildung zum RAF-Piloten und Flugoffizier begann.

Nach zwei Jahren Grund- und Fachausbildung sowie dem Erwerb der Solofluglizenz und meiner Ernennung zum Pilot Officer, dem niedrigsten Offiziersrang, folgte dann ein drittes Ausbildungsjahr, in dem ich das Fliegen von zwei- bis viermotorigen Militärflugzeugen erlernt. Dies schloss dann mit meiner Ernennung zum Flying Officer ab. Während dieses dritten Jahres flogen wir sowohl zweimotorige, landgestützte Bomber wie der ‚Armstrong Whitworth Whitley' und der ‚Vickers Wellington' als auch zweimotorige Flugboote vom Typ ‚Consolidated PBY Catalina'. Besonders die Flugboote faszinierten mich aufgrund meiner familiären Bindung an diese Technologie am meisten, was mir einen zusätzlichen Ausbildungs- und Trainingslehrgang auf dem viermotorigen Flugboot ‚Short S.25 Sunderland', dem Schwestermodell der zivilen Flugboote der Imperial Airways, eintrug. Mit Abschluss dieses Lehrgangs wurde ich unmittelbar nach Ausbruch des zweiten Weltkriegs zur 210. Squadron als Flying Officer versetzt und kam zum ersten Mal auf einen schottischen Standort -- Invergordon am Moray Firth. Dieser Fjord an der Nordseeküste der schottischen Highlands beherbergte neben dem Hauptkriegshafen in Scapa Flow auf den Orkney-Inseln einen großen Teil der britischen Kriegsflotte, ein Standort, der zu diesem Zeitpunkt am äußersten Rand der Reichweite deutscher Bomber lag, aber besonders gegen deutsche U-Boote geschützt werden musste. Damit begannen für mich sechs Kriegsdienstjahre auf RAF-Flugbooten zur Seepatrouille, Geleitzugsicherung, U-Boot-Aufklärung und Bekämpfung sowie zu verschiedenen Rettungs- und Bergungseinsätzen.

Vancouver, British Columbia, Kanada, vor und zu Beginn des

2. Weltkriegs

Ich, Patricia Justin, geboren am 25. Juli 1916 im kanadischen Vancouver an der Pazifikküste, war nach vier Söhnen das jüngste Kind eines kanadischen Flugzeugbauingenieurs und seiner Ehefrau. Meine Brüder waren samt und sonders flugzeugverrückt, eine Leidenschaft, die meine beiden Eltern von Jugend an förderten, da sie von der glorreichen Zukunft der Luftfahrt zutiefst überzeugt waren. Als einzige Tochter schwamm ich sozusagen im Windschatten meiner Brüder mit und durfte wie diese im Alter von achtzehn Jahren eine Privatpilotenlizenz an einer privaten Flugschule in unserer Stadt erwerben. Nach meinem High School Examen studierte ich ab 1934 in meiner Heimatstadt Mathematik und Geographie; dies zweite Studienfach gab mir die Gelegenheit, als Kopilotin auf geographische und kartographische Expeditionen zu fliegen und mir sowohl mit kleineren, landgestützten Flugzeugen als auch kleineren Flugbooten viel und flexible Flugerfahrung zu sichern.

Mein Vater war in der Zwischenzeit Werks- und Produktionsleiter des neuen Boeing-Werks in Vancouver geworden, welches unter seiner Leitung entworfen, geplant und gebaut worden war, da die Boeing-Konzernzentrale im benachbarten US-amerikanischen Seattle einen Krieg in Europa erwartete und deshalb eine Fertigungsstätte zur „Inlandsversorgung" der Luftwaffen im Britischen Empire betreiben wollte. Hauptprodukte waren der Lizenzbau eines Flugbootes der im kalifornischen San Diego beheimateten Consolidated Aircraft Corporation, der PBY Catalina, sowie der Mittelteil des schweren Bombers B-24 Liberator.

Ich durfte im Herbst 1939 zum ersten Mal einen Testflug mit einer Catalina als Kopilot des Chefpiloten von Boeing in Vancouver unternehmen und verliebte mich auf der Stelle in dies, für meine bisherigen fliegerischen Erfahrungen großen Flugzeugs. Kanada war in der Zwischenzeit an der Seite des Vereinigten Königreiches in den Krieg mit Deutschland eingetreten, ein Umstand, der erhebliche Auswirkungen auf unser Boeing-Werk hatte. Die Nachfrage der RAF, aber auch der kanadischen, australischen und neuseeländischen Luftwaffen, nach dem sehr ökonomischen, zweimotorigen Langstreckenflugboot, sprengte alle Budgets und Planungen. Mit diesen Bestellungen tauchte sehr schnell ein Kernproblem auf: welche Piloten sollten die fertigen und auszuliefernden Maschinen an ihren kriegerischen Einsatzort bringen? Die Piloten der Royal Canadian Air Force waren sehr schnell zum Kriegseinsatz nach England und Schottland verlegt worden, das Boeing-Werk hatte aber keine Auslieferungspiloten, sondern nur Testpiloten in seiner Belegschaft. Darüber hinaus stellte die Auslieferung der in Kanada gebauten Catalinas an die RAF trotz ihrer beachtlichen Reichweite von mehr als viertausend Kilometern ein riesiges logistisches Problem dar.

Ich wollte mich unter allen Umständen als Pilotin in den Dienst der Air Force stellen. Nur das war für eine Frau ausgeschlossen. Da machte mich mein Vater zu Weihnachten 1939 auf Informationen aufmerksam, dass in Großbritannien ein ziviler Air Transport Auxiliary-Dienst (abgekürzt ATA) eingerichtet werden sollte, zu dem sich auch Frauen mit Privatpilotenlizenz und nachgewiesener Flugerfahrung bewerben konnten.

„Ich will mich umgehend bei diesem neuen Dienst bewerben", verkündete ich meinem Vater noch am Weihnachtstag und er ermutigte mich sogar, was ihm den massiven Zorn meiner Mutter eintrug.

„Erst bezahlst Du Deiner Tochter ein Studium und eine Pilotenlizenz, so dass das Mädchen mit seinen dreiundzwanzig Jahren einfach nicht an Heirat denkt. Und jetzt willst Du sie nach Europa in den Krieg schicken? Bist Du ganz verrückt geworden?" schimpfte sie mit ihm, was die Weihnachtsstimmung wenig feierlich werden ließ.

Mein Vater hielt dagegen. „Dieser Krieg stürzt uns alle in den Abgrund, wenn das British Empire ihn verliert. Und deshalb müssen alle ‚Hände an Deck', wie die Seeleute sagen, um dies gemeinsam zu verhindern. Meiner Meinung nach gilt dies auch für junge Frauen."

Mein Vater beließ es nicht bei Worten, denn ein Schlüsselproblem war meine Reise nach England als Zivilist. Es gab zwar die Möglichkeit mit einem neutralen US-amerikanischen Passagierschiff von New York aus, aber das war ihm zu unsicher. „Wir müssen ab Februar monatlich vier Catalinas nach England ausliefern", erzählte er mir zur Jahreswende. „Wir haben die Route über Neufundland und Island mittlerweile erfolgreich erprobt. Wenn das Wetter besser wird und wieder mehr Tageslicht herrscht, würde ich Dich zu einem erfahrenen Piloten als Kopilotin ins Cockpit setzen. Das ist meines Erachtens besser und sicherer als per Schiff."

Ich musste innerlich lachen. Mein Vater hielt das Fliegen eines militärischen Flugzeuges für sicherer als die Nutzung eines zivilen Passagierdampfers. Aber in Nordamerika war die Erinnerung an die Torpedierung der neutralen Lusitania durch ein deutsches U-Boot während des ersten Weltkriegs in lebhafter Erinnerung. Ich nahm seinen Vorschlag an. Daraufhin konnte ich noch einige Pilotenerfahrung mit dem Flugboot mit den Boeing-Piloten sammeln, dann ging es am 15. März 1940 los. Major im Ruhestand Gerald Douglas und ich hatten gemäß den Routenvorgaben von RAF, RCAF und Boeing vier Zwischenlandungen auf dem Eriesee, in Halifax, auf Grönland und auf Island eingeplant. Mein Flugkapitän kannte die Route bereits, was mich insgeheim doch erleichterte. Wir hatten Glück. Das Wetter war auf der spätwinterlichen Nordroute über den Atlantik gnädig, der Seegang an unseren Zwischenlandungsstationen war akzeptabel und bereitete uns keine besonderen Probleme. Nach fünf sehr langen Flugtagen erreichten wir unseren Ablieferungsstandort, RAF Largs bei Stranrear an der Südwestspitze Schottlands.

Das Erstaunen des Wing Commanders, der den Flugbootstandort leitete, über das Erscheinen eines aktiven weiblichen Kopiloten, der die Catalina auf dem langen Atlantikweg nach Schottland überführt hatte, werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Er war, gelinde gesagt, fassungslos, dass es überhaupt gestattet worden war, mich in dies Cockpit zu setzen und fliegen zu lassen. Ich nahm seine Reaktion als Lehrstück, dass ich bei meiner beabsichtigten Arbeit als ATA-Pilotin mit berücksichtigen wollte.

Einen Tag nach unserer Ankunft nahm ich den Zug von Stranrear nach White Waltham Airfield in Berkshire, um mich als Pilotin im ATA-Hauptquartier zu bewerben. Major Douglas als auch der mittlerweile wieder gefasste Wing Commander gaben mir noch ein zusätzliches Empfehlungsschreiben mit auf die Reise, mit dem ich meine Unterlagen aus dem Boeing-Werk ergänzte.

Ich muss gestehen, dass mich die Bahnreise mit achtmaligem Umsteigen und unendlich langweiligen Wartezeiten mehr nervte als der gerade absolvierte lange Flug. Aber nach einer zweitägigen Bahnfahrt erreichte ich mein Ziel.

Die Reaktion von ATA-Commander Pauline Gower auf meine persönlicher Bewerbung war im ersten Moment genauso fassungslos wie die des Wing Commanders in Largs. Dann aber hieß sie mich willkommen, wies aber darauf hin, dass ich denselben Einstellungstest absolvieren müsste wie alle anderen Bewerber und Bewerberinnen auch. Darauf war ich geistig und körperlich vorbereitet.

Zwei Wochen später hatte ich meine Einstellungspapiere in der Hand. „Was mir besonders an Ihnen gefällt", kommentierte Commander Gower mit einem Lächeln, „ist die Tatsache, dass wir mit Ihnen zum ersten Mal eine Pilotin mit Flugbooterfahrung in unseren Reihen haben. Ich schätze mal, dass sie in unserer Einheit vermutlich mehr auf dem Wasser starten und landen werden als auf dem Land. Viel Erfolg dabei."

Ich wurde nach meiner Ausbildung, bei der ich eine Vielzahl von landgestützten zwei- bis viermotorige Flugzeugtypen kennenlernte, deren Überführungsflüge von britische Produktionsstandorten zu ihren Einsatzflughäfen zu übernehmen waren, zum Ferry Pool Nr. 4 nach Prestwick im schottischen Ayrshire versetzt. Damit begann mein aktiver Dienst.

RAF Oban, Argyll & Bute, Schottland, Standort der 210. Squadron, Coastal Command (Flugboote), April 1941

Seit meiner Versetzung zur 210. Squadron war ich, Flying Officer Charles M. Watts, als Kopilot mit den großen, viermotorigen Short S.25 Sunderland Flugbooten geflogen. Von unserem Standort in Invergordon bestand unsere Hauptaufgabe in der Überwachung der nördlichen Nordsee und ihrem Zugang zum Nordmeer, besonders auf der Jagd nach deutschen U-Booten, deren einziger Zugang zum Atlantik durch diese Region führen musste. Das änderte sich dramatisch im April 1940, als die Wehrmacht Dänemark und Norwegen besetzte und unsere großen, aber langsamen Flugboote unter zunehmenden Druck deutscher Jagdflugzeuge gerieten, die nun mit erheblich kürzerer Anflugzeit auf skandinavischen Flughäfen starteten. In den Wochen danach kollabierten erst die Niederlande und Belgien, dann kapitulierte sehr schnell Frankreich, was der deutschen Marine zum ersten Mal eigene Atlantikhäfen sicherte und den bedrohlichen U-Boot-Krieg gegen unsere Handelsschiffe gewaltig verschärfte.

Diese grundlegend veränderte Feind- und Einsatzlage führte zur Verlegung der 210. Squadron an die schottische Westküste zur RAF Oban und zu einer Grundsatzentscheidung, die Sunderlands für Geschwader im Mittelmeer abzugeben und stattdessen mit nagelneuen PBY Catalinas ausgerüstet zu werden. Es benötigte ziemliche Überzeugungskraft unseres Squadron-Leaders Sir James Booth uns klarzumachen, dass dieser Tausch auf ein kleineres und mit nur zwei Motoren ausgestattetes Flugboot Vorteile für uns hatte.

„Die neuen Catalinas haben eine um fast 50% gesteigerte Reichweite und können fast die doppelte Nutzlast an Bomben und Unterwasserbomben transportieren, ohne einen Nachteil an Flugabwehrbewaffnung und Maschinengewehreinrichtungen zur direkten U-Boot-Bekämpfung zu haben", pries Sir James diese Systemumstellung an. Sachlich hatte er recht, aber der Stolz von Piloten stand im unmittelbar proportionalen Verhältnis zur Anzahl der Flugzeugmotoren. Erst als die ersten beiden Catalinas für unsere Squadron Anfang April angeliefert und nach kurzer Einweisung von uns in den Einsatz gebracht wurden, änderte sich die Stimmungslage schlagartig. Dies Flugboot war richtig gut, war deutlich wendiger als die riesigen Sunderlands und hatte eine wesentliche höhere Klettergeschwindigkeit. Am meisten überzeugte uns Piloten jedoch, dass diese Maschine aufgrund ihres wesentlich tieferen Schwerpunkts bei Wind und Seegang deutlich einfacher auf dem Wasser zu landen war.

Anfang Mai hatte ich die ersten vier Langzeiteinsätze mit ‚meiner' neuen Catalina über dem Nordatlantik hinter mir. Beim letzten Einsatz waren wir zur Sicherung eines einlaufenden Geleitzuges fast 15 Stunden in den Luft gewesen und hatten die Zerstörer, die den Geleitzug schützten, auf zwei vermeintliche U-Boot-Ziele aufmerksam gemacht. Mein Kopilot Flight Sergeant Fred Miller und ich hatten unsere Catalina erst nach Mitternacht wieder an unserem Standort gelandet und waren dann sehr müde in unsere Betten gefallen. Es war schon fast Mittag, als ich als Frühstücksersatz zum Lunch ins kleine Offizierskasino unseres Standortes ging. Es war ein wunderschöner Frühlingstag, für die Highlands ungewöhnlich warm. Die Stadt Oban, die unserem Standort den Namen gegeben hatte, lag friedlich-beschaulich auf der anderen Seite des Sound of Kerrera. Unser Standort selbst lag auf der gegenüberliegenden Kerrera-Insel und war nur über eine kleine Fähre mit dem Festland verbunden. Direkt an der Kaimauer und dem Slipkai für unsere Flugboote lagen zwei weitere, nagelneue Catalinas, die anscheinend im Laufe des Vormittags unseren Standort erreicht hatten; die Flugbootumstellung unserer Squadron sollte zügig abgeschlossen werden.

Im Kasino erkannte ich je zwei Piloten und Kopiloten in der Uniform des ATA Air Transport Auxiliary Services, die seit über einem Jahr alle Auslieferungsflüge für neue RAF-Flugzeuge aller Art von ihren Herstellungswerken zu ihren Standorten übernommen hatten. Während der heißen Phase der Luftschlacht über England hatte man viel über die aufopferungsvolle Arbeit der ATA-Piloten und insbesondere der weiblichen ‚Attagirls' gehört, die an manchen Tagen bis zu vier Jagdflugzeuge pro Tag an die heißen Frontabschnitte im Süden Englands überführt hatten. Ich setzte mich in einen der Clubsessel, orderte meinen Lunch und einen kräftigen Tee und schaute dann zu dem ATA-Quartett hinüber. In diesem Moment traf mich ein Keulenschlag: einer der beiden Second Officer trug ungewöhnlicherweise längeres Haar und war offensichtlich ein schlanke, verdammt gut aussehende Frau!

„Ein Frau als Flugbootpilot", murmelte ich zur mir selbst. „Habe ich noch nie gesehen. Flugboote gehören zur Klasse 6, da gibt es keine Attagirls. Wie kann das sein?"

Ich muss wohl lang genug zu den vier ATA-Piloten rübergestarrt haben, jedenfalls erwiderte plötzlich diese Frau meinen Blick und hielt ihm selbstbewusst stand. Sie lächelte, dann nickte sie mir fast unsichtbar zu.

Just in diesem Moment brachte mir die Ordonanz meinen Lunch, was mich aus der Peinlichkeit befreite, dem Blick der ATA-Pilotin nicht standzuhalten.

Ich hatte meinen Lunch beendet und meinen Tee ausgetrunken, als mich die Neugierde nicht mehr in meinem Sessel hielt. Ich stand auf und ging zu der Sitzgruppe mit den vier ATA-Piloten.

„Sie haben uns heute Mittag zwei neue Catalinas gebracht?" stellte ich an den sichtlich ältesten Piloten meine unverdächtige Frage.

„Jawohl, Flying Officer. Direkt aus Island, ganz frisch in ihren Standort." ATA Captain Frank Reich bot mir an, ihnen Gesellschaft zu leisten und ich schob mir einen weiteren Clubsessel in die Runde. Ob zufällig oder absichtlich, weiß ich nicht mehr, aber ich saß plötzlich neben der Pilotin. Captain Reich, ein alterfahrener Flugbootpilot, der vor dem Krieg für die mir aus Southampton so wohlvertraute Imperial Airways geflogen war, stellte mir seine drei Piloten vor. Dadurch erfuhr ich, dass ich neben ATA-Second Officer Patricia Justin saß.

Wir unterhielten uns mehr als eine Stunde im üblichen Fachchinesisch über das Flugzeug, unsere Erfahrungen mit ihm, gespickt mit einigen Anekdoten und kleinen Fliegererlebnisse. Zu meiner Freude und Überraschung beteiligte sich Patricia ohne Hemmungen an diesem typischen Pilotengespräch, wobei ich eher zufälligerweise erfuhr, dass ihr Vater als Werkschef von Boeing in Vancouver unsere neuen Flugboote baute. Das erklärte mir zumindest ansatzweise, warum bei ATA eine Frau Flugboote flog.

Die vier ATA-Piloten warteten im Kasino auf die Fähre, die sie nach Oban und dann zum Abendzug nach Glasgow und weiter nach Prestwick, ihrem offiziellen Ferry Pool-Standort bringen sollte. Bis dahin mussten die vier ATA-Piloten noch zwei Stunden Zeit totschlagen, was die drei Männer veranlasste, sich zum Billardtisch zu begeben und eine Partie miteinander zu spielen. Zurück blieben Patricia und ich.

„Sind Sie die Route von Island hierher schon öfters geflogen?" Ich war richtig neugierig und wollte mehr über diese Frau erfahren.

„Das war heute die vierte Catalina, die ich für die RAF überführt habe." Sie lächelte mich wieder an. „Die erste Tour war mit Abstand die Längste, denn diese Catalina haben wir aus dem Werk in Vancouver in fünf Etappen bis nach Largs geflogen. Dann bin ich hiergeblieben, um meinen Beitrag zur RAF zu leisten, habe mich bei der ATA gemeldet und habe das letzte Jahr eigentlich nur zweimotorige Bomber und das eine oder andere Jagdflugzeug überführt. Seit zwei Monaten darf ich wieder Flugboote fliegen."

„Faszinierend. Sie kennen die Maschinen anscheinend sehr gut."

Patricia lachte ein warmes, aber auch hintergründiges Lachen. „Mein Vater baut die Dinger sozusagen am Fließband. Ich habe schon vor dem Krieg eine ganze Reihe von Wasserflugzeugen und Flugbooten quer über Kanada geflogen. Da lag es nahe, dass ich bei dem Riesenbedarf der RAF an neuen Flugbooten die Attagirls auch in dieser Typenklasse vertrete. Auch wenn das eigentlich gar nicht geht. Aber innerhalb der ATA gibt es nur sehr wenig Piloten wie Captain Reich, die Erfahrung mit Flugbooten haben."

Unser Gespräch war sehr offenherzig und überaus freundlich. Als ich sah, dass die drei anderen ATA-Piloten ihr Billardspiel beendet hatten und zum Aufbruch riefen, stellte ich Patricia eine wichtige Frage zum Schluss. „Wissen Sie schon, wann Sie wieder nach RAF Oban fliegen?"

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