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Mias Geheimnis 02 Die Dorfkneipe

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Alkohol, schräge Typen und ein Streit...
4.7k Wörter
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Ich schaue mich um, nachdem ich die Kneipe betreten habe. Urplötzlich fällt mir auf, dass ich seit den Renovierungsarbeiten vor etwa zwei Jahren nicht mehr hier war. Der Boden ist neu, genau wie die Tische und Stühle, die Lampen und die Polster. Außerdem sind die Wände in einem blassen gelb, statt dem vorher knalligen Orange gestrichen, auch wenn es durch die noch immer spärliche Beleuchtung recht düster wirkt. Die halblaute Musik ist ähnlich zu der, die vor ein paar Jahren lief, als ich noch Stammgast hier war. Die Dartscheibe links, am Ende des großen Raumes, hängt nach wie vor. Davor steht ein neuer Kickerkasten.

Es sind nicht allzu viele Plätze belegt, was mir nur recht ist. Während ich draußen die matschigen Schneepfützen umlief, habe ich zwei mir bekannte Autos bemerkt, ein weiteres von außerhalb und ein aus dem Rahmen fallendes, aufgemotztes Rallyeauto, das - so glaube ich - schon mal im Dorf an mir vorbeigefahren ist und mir bereits damals imponierte.

Ich erblicke Nicole hinter der Bar. Die vorherige Kellnerin hat nach Marios Abgang auch die Arbeit als Barkeeperin übernommen. Ich freue mich sofort, als ich sie sehe. Ich mag Nicole sehr gerne.

Ich steuere auf die Bar zu und lasse meinen Trenchcoat langsam von meinen Schultern gleiten. Von den paar Tischen, die noch besetzt sind, drehen sich einige Köpfe nach mir um. Ich lächle ihnen zu oder murmel ein stummes Hallo. Die meisten Gesichter erkenne ich - in einem Dorf mit 1.500 Einwohnern kennt man entweder jeden oder, zu aller Not, jemanden der die wiederum unbekannte Person kennt.

„Mia?", höre ich von einem Tisch zu meiner Rechten rufen, als ich auf halbem Weg zur Bar bin.

Ich erblicke Andreas, der mit seiner Frau ein paar Mal bei uns zu Besuch war, wobei die beiden eher als Freunde von Lukas gelten würden. Auf meinem Geburtstag letzten Freitag waren die beiden jedenfalls nicht.

„Oh, äh... hallo."

„Hallo, guten Abend!", Andreas kommt auf mich zu. „Was machst du so spät hier? Ist Lukas nicht da? Komm doch und setz dich zu uns. Sebastian ist auch da."

Ich habe keine Ahnung, wer Sebastian sein soll. Ich blicke zum Tisch, auf den Andreas zeigt. Es sitzen noch vier Männer dort und nur eine Frau. Ein Mann mit hellblonden Haaren winkt mir zu.

„Ähm, danke aber... ich lasse bloß den Abend ausklingen und wollte noch mit Nicole quatschen."

Andreas blickt an mir herab, eher neugierig, als sonstig interessiert.

„Wo warst'n du? Bist ja richtig schick hergerichtet, siehst richtig klasse aus!"

„Äh, ja... danke. Ich war unterwegs", antworte ich und füge sicherheitshalber hinzu: „Wir waren Essen. Und Tanzen. Von der Arbeit aus." Ich ärgere mich, dass ich den Trenchcoat so früh ausgezogen habe.

„Oh, verstehe", Andreas sieht nicht überzeugt aus. Doch ehe er noch etwas hinzufügen kann, höre ich Nicole rufen.

„Mia? Hey, Mia! Woohoo, schwing dich hier 'rüber!"

Ein Glück. Ich lächle Andreas flüchtig zu und lasse ihn stehen.

An der Bar angekommen, umarme ich Nicole über den Tresen hinweg.

„Was machst du denn so spät hier?", fragt sie. „Wow", fügt sie hinzu und blickt an mir herunter. Doch anders als bei Andreas ist es mir jetzt überhaupt nicht unangenehm.

„Ehrlich gesagt? Keine Ahnung", erkläre ich wahrheitsgemäß. „Ben ist bei Mama und ich musste einfach mal raus."

„Oooh", macht Nicole und schaut, als hätte sich etwas in ihr aufgeklart. „Stimmt ja. Und Lukas ist unterwegs, richtig?"

„Ja, richtig", antworte ich und frage mich, ob Lukas letzte Woche einigen Geburtstagsgästen, zu denen auch Nicole gehörte, von seiner verschobenen Dienstreise erzählte, bevor er es mir mitteilte.

„Na dann - Bier? Oder Wein? Oder Schnaps?"

Nicole grinst mich an. Ich mag sie wirklich gern. Die 35-jährige Nicole hat ihr dunkles Haar, wie meistens, zu einem Zopf gebunden. Ihre große, sportliche Gestalt bewegt sich immer wieder schnell zwischen Zapfanlage, Gläsern und Co. hin und her und ihre braunen Augen blitzen frech über ihrem immerwährend verschmitzten Gesichtsausdruck. Doch ich sehe auch wieder einen neuen blauen Fleck an ihren rechten Oberarm, was mich ernüchtert. Das blaue Auge hingegen ist unter ihrem Make-up fast nicht mehr zu sehen. Thorsten kann ich allerdings nirgends sehen.

„Am liebsten Rotwein", antworte ich auf Nicoles Frage. „Ihr habt doch noch ein bisschen auf?"

„Klar. Ist doch gerade mal kurz nach 11. Merlot?"

„Gerne", sage ich und erinnere mich bedauernd, dass der Goldene Spatz keinen Primitivo hat.

Ich setze mich auf einen Barhocker, lege meinen über meine Beine und stütze mich mit den Ellenbogen auf dem Tresen ab. Nicole und ich quatschen uns über dies und jenes, doch ein wirkliches Gespräch kommt kaum zustande, da sie wie eine Läuferin zwischen Bar und Tischen hin- und herflitzt.

Ich blicke nach links. Der große bullige Mann, der zwei Hocker weiter sitzt, heißt Frank, glaube ich. Wenn ich mich recht entsinne, hat Nicole ihn mehrfach beiläufig erwähnt, wenn wir uns getroffen haben und sie von ihrem Arbeitsalltag gesprochen hat. Er beliefert verschiedene Personen im Dorf mit Holz, welches er selber kleinhackt. Außerdem meine ich mich zu erinnern, dass Lukas mal erzählt hat, Frank wäre zuvor Autorennen gefahren. Beides kommt mir relativ unglaubwürdig herüber, wenn ich mir ihn so ansehe. Frank hängt über seinem Bier, starrt Löcher in die Luft und gibt zuweilen merkwürdige Grunzgeräusche von sich. Er wirkt ziemlich betrunken.

Ich drehe mich auf meinem Hocker weiter nach links und mein Blick wandert zu der Gruppe am Kicker. Es sind fünf Männer und drei Frauen und auf allen schwarzen Poloshirts steht Krummbeiner Kegelbrüder. Ich frage mich ob Krummbein wirklich ein Ort ist oder wie sie sonst auf den Namen kamen. Außerdem frage ich mich, warum die weiblichen Mitglieder sich ebenfalls als Kegelbrüder und nicht als -schwestern bezeichnen. Aber insgesamt wirken sie wie eine lustige Truppe. Es wird gejohlt und gelacht. Mindestens zwei Paare sind unter ihnen, wenn ich es richtig deute.

Ich schaue zu den Tischen rechts von mir und mustere die Gruppe um Andreas. Bei der einzigen Frau handelt es sich um eine Mitarbeiterin der hiesigen Sparkasse, die meiner Erinnerung nach Lisa heißt. Sie ist etwa in meinem Alter, klein und ein wenig pummelig, mit einer altmodischen Lockenpracht auf dem Kopf. Es wirkt, als würde sie die Aufmerksamkeit, die ihr die fünf Männer aus Mangel an Alternativen schenken, nur allzu genießen. Ansonsten erblicke ich in der Ecke neben dem Eingang ein junges Pärchen, die Händchen halten.

Ebenfalls da sind die Beckers, zwei sympathische Senioren, die ehrenamtlich kleine Flohmärkte im Dorf veranstalten. Sybille winkt mir zu, als sie mich nochmals erblickt, und ich erwidere den Gruß.

Die meisten der anderen Gäste sagen mir nichts, mit einer Ausnahme: Günther Steider, der Besitzer des Goldenen Spatzen, sitzt an einem Einzeltisch an der Wand und tippt auf seinem Tablet herum. Im nächsten Moment steht er auf, zieht sich seine Jacke an und kommt zur Bar. Nachdem er sich recht kühl von Nicole verabschiedet, streift sein Blick den meinen. Er mustert mich daraufhin von oben herab, lächelt sein überhebliches, schmallippiges Lächeln und zwinkert mir zu. Ich halte es nicht für nötig seinen Abschiedsgruß zu erwidern. Ich mag Günther Steider nicht. Abgesehen davon, dass er Nicole nicht zu schätzen weiß, sind mir seiner Anmachsprüche von vor ein paar Jahren sehr wohl im Gedächtnis geblieben. Doch er scheint meine Ablehnung als solche zu deuten und verlässt ein paar Sekunden später seine Kneipe.

„Ufff", macht Nicole. „Endlich wird's ein bisschen leerer. Heute war echt die Hölle los."

Ich lächle. „Hast es bald geschafft."

„Naja, ein bisschen ist es noch. Aber je leerer es wird, desto entspannter wird es auch."

„N'cole", lallt es zu meiner Linken. „Noch'n B-." Frank rülpst.

Doch Nicole hat verstanden.

„Kommt sofort Franky, Sekunde." Unsere Blicke treffen sich und sie zieht kurz die Augenbrauen hoch. Ich muss grinsen.

Wirklich Zeit zum Tratschen hat Nicole immer noch nicht, obwohl nun auch die Beckers gehen. Sie springt von der Bar zu den Tischen, von da aus wieder zur Zapfanlage, zum Kicker und wieder zurück, wäscht und putzt Gläser... ehe alles von vorne beginnt. Doch all das macht mir herzlich wenig aus. Ich genieße es regelrecht, wie die stummen Minuten wie im Flug an mir vorbeigehen. Für die meisten wäre es wahrscheinlich verschwendete Lebenszeit, aber ich fühle mich zum ersten Mal seit gefühlt ewig langer Zeit vollends entspannt.

Ich schaue zu Frank und frage mich, ob es ihm ähnlich geht oder ob jede Minute eine Qual für ihn ist. Nicole hat mir vorhin flüsternd bestätigt, dass seine Frau vor 3 Jahren verstorben und er dadurch ziemlich abgerutscht und Stammgast am Tresen geworden ist. Einen neuen Job - den Holzfäller und -kurier - hat er dennoch gefunden. Ich empfinde Mitleid für den massigen Mann, habe aber keinen Drang, ihm das mitzuteilen.

Ich trinke meinen Merlot aus und stelle fest, dass bereits halb 1 ist.

Bevor ich entschieden habe, ob ich ein zweites Glas Merlot (und damit ein viertes Glas Wein heute) oder doch lieber ein Wasser bestellen soll, höre ich, wie die Tür zum Pub auf- und wieder zufliegt. Als ich mich umdrehe, ist Thorsten schon fast an der Bar angelangt. Mein Herz rutscht mir in die Hose und die entspannte Stimmung ist wie weggeblasen. Thorsten redet sofort auf energisch und laut auf Nicole ein, die ihm nicht minder laut Paroli bietet.

Ich weiß nicht, ob Thorsten Nicole wirklich schlägt. Nicole macht aktiv Kampfsport und immer, wenn ich das Thema auf ihre Blessuren bringe, schwört sie, dass ihre blauen Flecken und Augen davon kommen. Zugegeben, ich habe Thorsten nie offen aggressiv gegenüber Nicole gesehen, dafür aber von einigen Prügeleien mit anderen Männern gehört, die angeblich immer zugunsten Thorsten ausgingen.

Thorsten ist riesig. Seine 2 Meter wirken durch die breiten, muskulösen Schultern und den kahlgeschorenen Kopf noch imposanter. Ich glaube, dass er hauptsächlich wegen seiner Erscheinung bei der zugereisten Nicole landen konnte. Sie selbst ist fast 1,80 Meter und eine große Kampfsportlerin sucht sich wohl im seltensten Falle einen nicht noch größeren Mann.

Thorsten und Nicole zanken, ich höre immer wieder „Nicht jetzt, Thorsten" und „Doch jetzt, Nicole" und ein unbehagliches Gefühl macht sich in mir breit. Der Tisch von Andreas und seinen Freunden blickt herbei, doch keiner von ihnen würde in den Streit eingreifen, das sehe ich sofort. Das junge Pärchen macht sich bereit zum Aufbruch, der junge Mann geht quer durch den Raum zur Garderobe und mustert Thorsten im Vorbeigehen nervös. Die Kegelgruppe und Frank scheinen als Einzige tatsächlich rein gar nichts von der Diskussion an der Bar mitzubekommen.

Ich selbst suche ebenfalls nicht Thorstens Aufmerksamkeit. Ich glaube, er weiß von meinem Argwohn gegenüber ihm. Außerdem habe ich Schiss vor ihm, seit ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Als ich noch neu im Dorf war und mit Freya von Pub zurück nach Hause lief, sprach der sturzbesoffene Thorsten uns an und fragte immer wieder etwas, das wie „Wie viel? Wie viel?" klang. Ich glaube nicht, dass er sich daran erinnert.

Nachdem der junge Mann bei Nicole bezahlt hat (Thorsten hat überraschend geduldig gewartet), höre ich wie Nicole zu ihm sagt: „Na gut, diese eine Sache. Aber nicht zu laut! Und danach setzt du dich und wartest auf meinen Feierabend oder machst den Abflug."

Das ist mein Stichwort. Ich möchte nicht bei Unterhaltungen lauschen, die mich nichts angehen. Was Nicole mir erzählen will, das erzählt sich mir von sich aus.

Ich gleite von meinem Hocker und gehe auf die Garderobe zu, um endlich meinen Trenchcoat aufzuhängen (mittlerweile ist es doch warm auf meinen Beinen geworden). Zunächst passiere ich Frank und bin überrascht, dass ich außer dem Bier keine auffälligen Gerüche wahrnehme. Danach bemerke ich, wie die Kegelbrüder (und -schwestern) ihre Gespräche unterbrechen, als sie mich scheinbar zum ersten Mal bemerken. Nach insgesamt drei Gläsern Rotwein am heutigen Abend bin ich langsam etwas unsicher auf den Beinen. Ich absorbiere die Blicke der Krummbeiner Kegelbrüder, als ich wieder zurücklaufe und bemerke meinen befriedigten Stolz.

Als ich zurück an die Bar kehren will, sehe ich, dass sich Thorsten auf meinen Hocker gesetzt hat, während er unverändert mit Nicole diskutiert.

Ich lasse den Blick durch den Raum schleifen. Trotz aller Entspannung, alleine an einem Tisch will ich nicht sitzen. Noch weniger möchte ich zu Andreas und den anderen, die ohnehin den Anschein machen, als genossen sie ihre letzte Runde. Ich schaue zu den Kegelbrüdern, fände es aber ziemlich unangenehm, die eingeschworene Gruppe um meine Aufnahme zu bitten.

Also wähle ich die letzte verbliebene Option und setze mich auf den Barhocker rechts von Frank, wobei ich ein wenig von ihm wegrutsche (ohne Thorsten zu nahe zu kommen).

Frank bemerkt mich zunächst nicht. Erst nachdem ich Nicole signalisiere, dass ich gern ein Glas Wasser hätte, welches sie mir, parallel zu ihrer anhaltenden Diskussion mit Thorsten, gleich serviert, blickt Frank zu mir auf.

„Wa'um'n n Wasse'?", lallt Frank.

Ich halte meine Hand vor meinen Mund, räuspere und antworte:

„Weil ich schon drei Gläser Wein hatte und schon ein bisschen schicker bin." Auch meine Stimme ist nicht mehr fest, jedoch meilenweit entfernt von Franks Zustand.

„Pfffft", grunzt Frank. Er schaut an mir herunter, bis er an meinen überkreuzten Beinen hängenbleibt.

Ich bin mir nicht sicher, ob er eine Antwort auf sein Grunzen erwartet und fühle mich recht unbehagen. Ich trinke einen Schluck Wasser. Frank nimmt derweil einen (deutlich größeren) Schluck aus seinem Glas Bier und gafft wieder auf die Stelle, an der mein rechtes Bein über meinem linken verweilt. Bevor er wieder das Wort erhebt, leckt er sich über die Lippen und ich hoffe, dass er dies aufgrund des Biergeschmacks an seinem Mund macht.

„Bisch'n heise' Fege'", grummelt Frank. „Sch'bestell dir'n Bier."

„Nicht nötig", erwidere ich höflich, aber schnell. „Danke trotzdem."

Frank glotzt mich an. Trotz seines zweifellos stockbetrunkenen Zustands blickt er mich fest aus seinen grau-bläulichen Augen an.

„Bis'...", er stößt auf, ehe er fortfährt: „'n echt heißer Feger". Mein berauschter Gesprächspartner betont die letzten drei Worte klar und deutlich und schaut mich eindringlich an, sodass ich sie kaum erneut ignorieren kann.

„Ähm, okay", beginne ich und füge zaghaft hinzu: „Danke."

Ich nehme einen Schluck von meinem Wasser und blicke geradeaus. Vielleicht hätte ich mich doch allein an einen Tisch setzen sollen. Andererseits belustigt mich das bisherige Gespräch auch ein wenig. Ich sehe aus dem linken Augenwinkel, wie Frank sich plötzlich vorbeugt und auf den Boden schaut. Als ich mich ein paar Sekunden lang frage, was er dort sucht, schaue auch ich herunter.

Franks Blick ist auf meine Füße gerichtet, ehe sein Blick langsam meine Beine hinauffährt.

„Sss... -exy."

Ich wende mich ab. Mein Blick wandert nach rechts, gerade als Thorsten aufsteht. Gott sei Dank, denke ich. Doch die Diskussion scheint bloß etappenweise beendet. Thorsten setzt sich an einen freien Tisch, holt sein Handy heraus und beginnt zu tippen, seinen Kopf derweil auf den linken Arm gestützt.

Ich schaue auf die Uhr. Zehn nach 1. Als ich mich frage, ob es unhöflich wäre, meinen ursprünglichen Platz wieder einzunehmen, kommt Nicole zu uns. Breit lächelnd, als hätte sie gerade nicht etwa eine halbe Stunde lang angeregt diskutiert, lediglich unterbrochen durch einige Wünsche der noch anwesenden Gäste.

„Naaa?", sagt Nicole. „Was machen meine beiden Mäuse? Habt ihr euch angefreundet?"

Frank grunzt. Nicole scheint ihn zu mögen, es fällt mir schon zum zweiten Mal auf, dass sie ihn freundlicher anspricht, als es mit normalen Kunden der Fall wäre. Aber Frank ist schließlich auch ein Stammgast.

„Mhm, alles tutti", erkläre ich leicht zögernd, aber dennoch gut gelaunt. Insgesamt entspricht dies schließlich der Wahrheit. Franks von offensichtlicher Notgeilheit getriebenen Kommentare haben im Großen und Ganzen keine Grenze überschritten.

„Super", sagt Nicole und strahlt uns beide an.

„Is' echt 'ne sexy Maus."

„Vorsicht Franky", erwidert Nicole im spielend mahnenden Ton, der durchaus ein wenig strenger hätte sein können, wie ich finde. „Mia ist eine Freundin von mir und außerdem verheiratet."

„Ehhh", stöhnt Frank ablehnend. „Das bin i' auch." Ich muss an seine verstorbene Frau denken und empfinde wieder Mitleid. Einen Ehering trägt er nicht mehr.

„Zwei Bier?"

„Jo", sagt Frank wie aus der Pistole geschossen. Ich traue mich nicht, das Bier abzulehnen.

Nachdem Nicole uns die beiden frisch gezapften Pilsner hinstellt, kümmert sie sich um weitere Bestellungen. Ich bin kein großer Bierfan, aber das jetzige schmeckt mir.

„Sie zapft gut, eh?", grunzt Franks heisere Stimme, als könnte er meine Gedanken lesen.

„Mhm", stimme ich zu. „Ist wirklich lecker. Ich bevorzuge aber dennoch Wein."

Frank trinkt einen großen Schluck und mustert mich erneut eindringlich. Dieses Mal bleibt sein Blick auf meinen gepushten Brüsten ruhen.

„Wie heiß'n du ei'ntlich?", fragt mich der Betrunkene, obwohl Nicole meinen Namen gerade eben erst ausgesprochen hat.

„Mia."

„Marie?"

Mia", wiederhole ich und frage mich, wie man das als Marie missverstehen kann.

„Ehh", grunzt Frank. „Meine Freunde nenn' mich Frank."

Weder sind wir befreundet noch ist das eine neue Information für mich, doch ich lächle Frank steif an und wir prosten uns zu. Als wir unsere Gläser anstoßen, huscht zum ersten Mal ein freches Grinsen über Franks Lippen.

„Was machs'n du hier?", will Frank nach ein paar Sekunden wissen.

„Jetzt gerade oder generell?", frage ich und als statt einer Antwort weiter nur ein fragender Blick auf Franks Gesicht ruht, erkläre ich: „Ich bin Rechtsberaterin einer Gewerkschaft, ganz in der Nähe vom Dorf. Momentan bin ich aber in Elternzeit, mein Mann und ich haben einen zweijährigen Sohn."

Frank antwortet nicht, schaut mich bloß mit überraschend festem Blick an.

„Kennst du Lukas, meinen Mann?", frage ich, um mein wachsendes Unbehagen zu unterdrücken. „Er sagte mal, er kennt dich."

„Pah", macht Frank laut und ablehnend. „Kenn' nich' mehr viele hier."

In den nächsten Minuten erzählt Frank mir von seinem Beruf. Tatsächlich fällt er das Holz im Wald selbst und bringt es anschlließend an verschiedene Kunden aus dem Dorf und der Umgebung. Ich frage mich, ob Mama ihn wohl kennt, sie und Markus haben ebenfalls einen Kamin.

Insgesamt ist Frank recht okay, schätze ich. Dadurch, dass er weiterhin lallend viele Buchstaben verschluckt, ist er zwar nicht besonders gut zu verstehen und seine Augen fixieren immer wieder meine Brüste, Schenkel und Füße. Doch er hat eine unterhaltsame Erzählweise und sein immer wieder aufblitzendes Grinsen hat etwas Keckes. Ich ertappe mich dennoch dabei, wie ich nach einem Ausweg aus dem Gespräch suche, um mich woanders hinsetzen zu können. Ich frage mich, ob ich einen zu kühlen Eindruck mache, doch bezweifle, dass Frank das noch einschätzen kann.

„Wie alt bissu?", erkundigt sich Frank.

„29", antworte ich. Ich bin noch nicht bereit, mich als 30 zu bezeichnen.

„21?" In Franks heiserer Stimme ist jetzt ein leichtes Rasseln, während er stärker ausatmet und er leckt sich wieder über die Lippen.

„Nein, 29", korrigiere ich ihn.

„Mmh", brummt Frank. „Zwanzi' Jah'e jünge-."

Er hickst und schaut wieder geradeaus. Ich finde, er sieht deutlich älter aus als 49, hätte ihn eher auf 60 geschätzt. Doch seine Hände weisen keine Altersflecken auf und seine gebräunte Haut wirkt wahrscheinlich nur so lederig, weil er viel in der Sonne arbeitet. Außerdem fallen ihm die kurz gelockten, schwarzen Haare langsam aus. Das Einzige, das ihn wirklich älter erscheinen lässt, sind die Furchen in seinem Gesicht. Furchen, die durch Kummer und Alkohol entstanden, wie ich vermute. Erneut empfinde ich Mitgefühl für meinen volltrunkenen Gesprächspartner.

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