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Ming Poh . . .

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"Ich hatte dich gefragt, ob du mir etwas über deine Arbeit erzählen kannst. Es ist sicherlich alles sehr gefährlich. Nicht?"

Wolfgang überlegte kurz, trank den letzten Schluck aus der Flasche und griff nach der Zigarettenpackung. Dann erzählte er, ohne dabei ins Detail zu gehen, von dem Fall, der ihm momentan so viel Kopfzerbrechen bereitete.

*

Das Klingeln seines Telefons riß Wolfgang aus einem Traum, in dem Ming Poh die Hauptrolle spielte. Ein schmutziger und im wahrsten Wortsinn feuchter Traum. Geblendet vom grellen Sonnenlicht schloß Wolfgang die Augen sofort wieder. Langsam tröpfelte die Wirklichkeit in seine Gedanken, bis er mit einem Ruck von der Couch auffuhr. Ein kurzer Rundblick durch die Wohnung sagte ihm, daß Ming Poh gegangen war. Eine Nachricht von ihr fand er nicht. Das Telefon setzte zum zweiten Versuch an. Diesmal nahm er ab.

"Nein, ich bin alleine!" ... "Natürlich weiß ich wie viel Uhr es ist!" ... "Ja Mama!" Wolfgang warf den Hörer aufs Bett. Manchmal konnte Natalie echt nervig sein.

*

Kaum war Wolfgang in seinem Büro, kam Natalie und wedelte mit einem Papierhefter. "Der Arm gehört definitiv Lorenzo. Die Blutgruppe stimmt überein, der DNA-Abgleich dauert noch. Aber wir haben die Tattoos vom Arm mit Bildern von Lorenzo verglichen, die wir in den Akten haben. Es gibt keinen Zweifel. Es ist, äh, war Lorenzo." Sie schaute Wolfgang an, der ein Bild des Grauens abgab. "Ach noch was."

"Ja?"

"Der Arm wurde nicht einfach nur abgetrennt. Der Pathologe sagte, er sei förmlich abgerissen worden."

"Teuflisch", murmelte Wolfgang. "Einfach teuflisch." Für einen kurzen Moment vergaß er Ming Poh und dachte an Don Emilio, den er schon lange für den Teufel auf Erden hielt.

*

Seit drei Tagen verbreitete Wolfgang schlechte Laune. Er schnauzte jeden an dem er begegnete. Mischte sämtliche Abteilungen auf, die ihm zuarbeiteten sollten. Inzwischen nahmen die Kolleginnen und Kollegen schon Reißaus, wenn sie ihn nur von weitem sahen. Bis Natalie der Kragen platzte und sie hinter ihm herlief.

"Was ist eigentlich mit dir los? Kannst du mir das mal verraten? Warum redest du nicht mit mir darüber?"

"Weißt du eigentlich, wo du bist?", blaffte Wolfgang zurück.

"Ist mir echt scheißegal, was die Kerle da machen", fuchtelte Natalie heftig mit dem Arm. Die beiden Kollegen, die vor den Urinalen standen, suchten so schnell und diskret wie möglich das Weite. "Ich will dir doch nur helfen! Verstehst du das denn nicht?" Wolfgang stieß mit Wucht eine Kabinentür auf und setzte sich auf den Toilettendeckel. Seine Hände vors Gesicht schlagend, sackte er wie ein leerer Kartoffelsack in sich zusammen. Natalie kniete sich vor ihn und stützte sich auf seinen Knien ab. "Rede endlich mit mir!"

Wolfgang kämpfte sichtlich gegen die Tränen, als er in Natalis Augen blickte. "Nicht hier. Vielleicht können wir uns heute Abend treffen?"

"Ich hole dich ab. OK? Und dann gehen wir irgendwohin, wo wir in Ruhe reden können."

Wolfgang nickte schwach. "Und jetzt raus mit dir. Das hier kann ich nämlich schon alleine. Mama."

Natalie tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn und grinste. "Blödmann!" Als sie schwungvoll die Tür der Herrentoilette aufriß und auf den Flur trat, stockte die Unterhaltung der beiden Männer, die zufällig vor der Tür standen. "Was?", fauchte Natalie die beiden an. Sie stampfte davon. "Männer! Pah!"

*

Ming Poh, Managerin und Miteigentümerin der Travestiebühne Opposite, hatte sich eine Auszeit gegönnt und seit drei Tagen ihr Bett nicht mehr verlassen. Die rein physischen Schmerzen, welche die Schläge verursacht hatten, waren inzwischen größtenteils abgeklungen. Nur mehrere handtellergroße Hämatome würden sie noch einige Zeit begleiten. Trotzdem weinte die 28jährige viel. Zum einen, weil sie den Übergriff mental noch nicht verarbeitete hatte, zum anderen wegen Wolfgang, den sie schlicht und ergreifend vermißte. Anzurufen traute sie sich aber auch nicht, obwohl sie seine Nummer behalten hatte. Als sich die Tür öffnete und Doreen mit einem Tablett das Zimmer betrat, zog Ming Poh das Bettuch bis zum Hals hoch.

"So schüchtern, Liebes?"

Ming Poh lächelte die zweite Eigentümerin des Opposite liebevoll an. Mit Doreen teilte sie sich nicht nur seit Jahren die luxuriöse Wohnung, sondern auch gelegentlich das Bett. Vorsichtig legte sie ihre Hände um die Tasse dampfenden Tees, den Doreen ihr reichte.

"Du denkst viel an den Kommissar. Habe ich Recht?" Ming Poh nickte und schlürfte geräuschvoll von dem heißen Tee. "Warum rufst du ihn dann nicht an? Hast du Angst, daß dir so was wie mit Hubert noch einmal passiert?"

"Wolfgang würde mich nie schlagen", antwortete Ming Poh leise. "Aber ich glaube auch nicht, daß er es akzeptieren würde. Er ist sehr konservativ."

"Das weißt du nach den zwei Stunden, die du mit ihm verbracht hast, schon so genau?"

"Natürlich weiß ich das nicht genau." Sie legte ihre Hand auf Doreens Arm und schaute sie mit traurigen Augen an. "Ich habe einfach nur Angst. Verstehst du das?"

"Sicher, Liebes. Natürlich verstehe ich das. Aber ich sehe dich seit drei Tagen nur heulen und dich selbst bemitleiden. Glaubst du, das wäre der richtige Weg?" Als Doreen das trotzige Kopfschütteln ihrer Freundin sah, lachte sie. "So gefällst du mir schon besser."

"Es gibt da noch etwas, worüber ich mir den Kopf zerbreche", wechselte Ming Poh das Thema.

"Und was wäre das?"

Ming Poh setzte sich auf und rutschte mit dem Rücken ans Kopfteil des Bettes. Gleichzeitig straffte sie ihre Schultern und über ihr Gesicht legte sich ein Zug entschlossener Energie. Als sie Doreens Blick auf ihren Brüsten ruhen sah, tadelte sie ihre beste Freundin: "Doreen! Hallo! Hallo!"

"Ich habe nichts gemacht", verteidigte sich Doreen mit schelmischem Blick. Und dann voll konzentriert: "Über was zerbrichst du dir denn noch das süße Köpfchen? Na?"

Ming Poh kicherte kurz, dann aber wurde sie sofort wieder ernst. "Ich habe dir doch von dem Fall erzählt, den Wolfgang gerade bearbeitet. Ich glaube, ich weiß wie wir dem Kommissar ein bißchen helfen können." Sie sah in Doreens fragendes Gesicht. "Ich glaube, das bin ich ihm schuldig."

"Meinst du wirklich, das ist der beste Weg, ihm deine Dankbarkeit zu zeigen?", zweifelte Doreen.

Ming Poh zuckte mit den Schultern. Was wußte sie schon wirklich, wo doch alles in ihr in Aufruhr war. Sie nahm noch einen Schluck, dann schilderte sie Doreen ihren Plan.

Eine halbe Stunde später schüttelte Doreen den Kopf. "Bin ich froh, dich als Freundin zu haben und nicht als meine Feindin." Mit spitzen Fingern nahm sie zwei Zigaretten aus einem Silberetui und ließ das Feuerzeug aufschnappen. Eine Weile rauchten sie wortlos, dann schnippte Doreen mit den Fingern. "Ich weiß! Wir fragen die Zwillinge. Für Geld machen die alles. Außerdem sind sie uns noch etwas schuldig." Als sie Ming Poh nicken sah, nahm sie ihrer Freundin mit einem schelmischen Zug um die Lippen die Zigarette weg. "Und jetzt, Süße, schreibst du deinem Kommissar was Liebes." Überrascht ließ sich Ming Poh von Doreen ihr Handy in die Hand drücken.

*

Seit einer guten Stunde saßen Natalie und Wolfgang im Barrakuda. Wolfgang redete ohne Punkt und Komma. Natalies wußte nach zwei Minuten, daß sie mit ihrer Vermutung voll ins Schwarze getroffen hatte. Ihr Kollege war bis über beide Ohren verknallt, auch wenn er es selbst noch nicht wußte. Oder aber es sich nicht eingestehen wollte. Natalie vermied es tunlichst Stellung zu beziehen, würzte ihr Zuhören mit spärlichen: 'Jas' und 'Neins' und 'Ohs'. Sie rauchte mit Wolfgang um die Wette und nippte gelegentlich an ihrem grasgrünen Longdrink. Bis Wolfgangs Handy klingelte und sie aufstöhnte: "Ach Scheiße! Hoffentlich kein neuer Einsatz."

"Ist nur der SMS-Ton", beruhigte Wolfgang seine Kollegin und klappte sein Handy auf. Innerhalb von Sekundenbruchteilen ging im Barrakuda die Sonne auf. Wolfgangs Grinsen verzerrte sein Gesicht zur Fratze, sein Körper straffte sich, während er die Brust nach vorne warf. Aufgeregt reichte er Natalie sein Handy. "Hier! Lies! Lies doch!"

'Ich denke oft an dich. Ming Poh' Natalie reichte Wolfgang das Handy zurück. "Jetzt weißt du, was du zu tun hast. Oder?" Flüchtig berührte sie den Arm ihres Kollegen. "Aber übertreib es nicht. Die Frau scheint sehr zerbrechlich zu sein." Sie schob ihren Stuhl nach hinten und stand auf. "Ich gehe mal für kleine Mädchen." Schnell stieg sie die Treppen zu den Toiletten hinab. Auf keinen Fall sollte Wolfgang den Anflug von Eifersucht sehen, der langsam in ihr aufstieg.

*

Manfred Müller legte den Aktenstapel, den er gerade durchgesehen hatte, in die Schublade zurück, zog den Schlüssel ab und steckte ihn ein. Dann wartete er, bis der Computer heruntergefahren und ohne sein Paßwort nicht mehr hochzufahren war. Ein kurzer Blick ins Rund genügte um alles gut verschlossen zu wissen. Er öffnete die Tür und sah, wie seine Sekretärin wieselflink das Kreuzworträtselheft verschwinden ließ und geschäftig tat. Manfred zahlte Magdalene ein fürstliches Gehalt, obwohl sich ihre Arbeiten auf so banale Dinge wie Kaffeekochen und Botengänge beschränkte. An die wirklich wichtigen Dinge ließ er sie auf keinen Fall heran. "Ich bin dann mal zu Tisch." Magdalene nickte und wartete, bis ihr Chef die Tür hinter sich zuzog. Dann drückte sie den Knopf an der Telefonanlage, der sie mit ihrer besten Freundin verband.

*

Iris und Tina standen am Ende des Flures, in dem sich Manfred Müllers Büro befand und warteten. Die beiden waren eineiige Zwillinge und sie achteten peinlich darauf, daß sich dieser Eindruck nicht änderte. Sie hatten die gleiche Frisur, den gleichen Schmuck, wogen aufs Gramm dasselbe und trugen die gleichen Klamotten und Düfte. Sie waren achtzehn, gingen in die letzte Klasse des Lucas Gymnasiums und arbeiteten nebenbei beim Escortservice Amore. Die beiden ließen sich nur zusammen buchen und das wurde von den Männern auch gerne so angenommen. Von Frauen übrigens auch. Iris und Tina waren enge Freundinnen von Ming Poh und Doreen. Besonders Ming Poh stand hoch in ihrer Gunst, war sie es doch, die die Zwillinge aus einer hochnotpeinlichen Bredouille gerettet hatte. So nickten sie denn auch den Vorschlag ohne Nachzudenken ab, den Ming Poh ihnen machte. Außerdem war die Entlohnung mehr als großzügig.

*

Auf dem Weg zum Aufzug kamen Manfred Müller zwei junge Frauen entgegen, die sich mit unterdrückter Stimme stritten. Manfred nickte ihnen freundlich zu, während er auf die Kabine wartete. Er bekam mit, daß sich die beiden über die Farbe ihrer Minikleidchen stritten. Die Tür teilte sich, Manfred ließ den beiden Grazien den Vortritt. Der Streit ging weiter, bis die Kabine Fahrt aufnahm und er von den beiden angesprochen wurde: "Und Sie? Was meinen Sie? Blau oder Grün?" Manfred war sich der Brisanz der Frage sofort bewußt. Ganz der aalglatte Anwalt, der er zweifelsohne war, wand er sich mit einem eleganten Bandwurmsatz aus der Affäre. Die beiden stutzten, denn sie hatten kein Wort von dem verstanden, was Manfred vom Stapel gelassen hatte. Kurzerhand hakten sie sich links und rechts bei ihm ein. Mit ihrem Opfer in der Mitte verließen sie das Gebäude. Den Pförtner ließen sie mit offenem Mund stehen. Manfred fühlte sich wie im siebenten Himmel. Auch wenn er nicht wirklich wußte wie ihm geschah.

Natürlich lud Manfred die Zwillinge ein mit ihm zu speisen. Beim Dessert angekommen, war er sturmreif. Somit war die Frage von Iris, ob er nicht ein nettes Zimmerchen in der Nähe wüßte, eher akademischer Natur.

Nachdem sie die Türe des Hotelzimmers hinter sich verriegelt hatten, zogen Iris und Tina ihre Kleidchen aus. Manfred sah, daß die beiden anscheinend keinen besonderen Wert auf Unterwäsche legten. Am Schlips ziehend folgte er Tina, die sofort über ihn grätschte und ihm einen herrlichen Einblick verschaffte. Iris holte derweil einen kleinen Camcorder aus ihrer Handtasche und versteckte ihn zwischen ihrer Wäsche, die absichtlich achtlos auf einem Stuhl lag. Dann machte sie sich an Manfreds Gürtel zu schaffen.

*

Wolfgang hatte sich in der Zwischenzeit wieder mit seinen Kollegen vertragen. Man sah dem ansonsten steht's lustigen Kommissar seine Ausrutscher gerne nach, hielt sich doch seit Tagen hartnäckig das Gerücht, der Kommissar wandle auf Freiersfüßen. Ein paar Flaschen Schnaps und Blümchen für die Kolleginnen, taten ein Übriges. Ming Poh und er simsten inzwischen mehrmals am Tag miteinander.

Natalie betrat Wolfgangs Büro und ließ sich stöhnend in einen der Sessel fallen. "Und? Was gibt es Neues?"

Wolfgangs Gesicht hellte sich sofort auf. "Ich habe gerade eben eine SMS von Ming Poh ... "

"Ich meinte eigentlich den Fall", unterbrach ihn Natalie leicht tadelnd.

"Ach so", sagte Wolfgang lapidar. "Das meinst du. Der Kollege, der Manfred Müller observieren sollte, hat den Anwalt verloren. Zwar nur für ein paar Stunden, aber immerhin. Ein Anfänger halt. Nicht wirklich wichtig, denke ich."

Natalie zuckte mit den Schultern. "Und das Andere? Wie läuft das?"

Wie auf Kommando strahlte Wolfgang wieder. "Wir gehen heute zum ersten Mal zusammen essen. Gut nicht?"

Natalie stand auf, trat an ihren Kollegen heran und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. "Versau es nicht! Hörst du?" An Wolfgangs Blick erkannte sie, daß der schon wieder mit seinen Gedanken ganz woanders war. Kopfschüttelnd verließ Natalie das Büro.

*

Doreen drückte auf einen Knopf der Fernbedienung und die kleine Kassette schob sich aus dem Gerät. Fast tat ihr der Anwalt ein bißchen leid, denn gegen die Zwillinge hatte er von der ersten Sekunde an nicht den Hauch einer Chance. Sie plazierte die Kassette in einen braunen Packpapierumschlag und griff zum Telefon. Minuten später stand Carlos vor ihr. Der Chef der Türsteher war ihr hündisch ergeben, und Doreen benutzte den Berg von Mann, der nebenbei auch im Wrestling recht erfolgreich war, nicht nur für dienstliche Belange. Nach einer Viertelstunde nickte Carlos der Schreckliche. Er hatte verstanden. "Und zieh sicherheitshalber noch ein oder zwei Kopien", rief sie ihm hinterher, als er zur Tür ging. "Man weiß ja nie."

*

Wolfgang hatte einen Tisch im romantisch gelegenen Schloßhotel reserviert. Er saß an der Bar und schaute immer wieder nervös auf seine Armbanduhr. 15 Minuten waren schon vergangen. Hoffnungslos schwankend zwischen: sie hat es sich anders überlegt, und, bei Frauen ist das halt so, bestellte er beim Barmann ein zweites Glas Mineralwasser. Heute würde er alle seine Sinne brauchen, das stand für Wolfgang fest.

Als die Tür aufging und Ming Poh das Foyer betrat, war es, als stockte für einen Moment jegliche Unterhaltung der im Raum anwesenden Personen. Sie sah hinreißend aus und war sich dessen durchaus bewußt, als sie auf ihren Plateau Heels auf Wolfgang zuging, ihm die Hand auf den Arm legte und ein zartes Küßchen auf seine Wange hauchte. Auf ihren Schuhen überragte sie Wolfgang ein wenig, auch wenn der sich vor Stolz kerzengerade reckte. Ming Poh hatte sich für eine neue Frisur entschieden. Das schulterlange, fast weiße Haar war stufig geschnitten, der Pony hing fransig über ihre schwarz getuschten Brauen. Wenige, fast schwarze Strähnchen kontrastierten mit ihrem zimtfarbenen Teint. Um den Hals trug Ming Poh eine doppelreihige Perlenkette, dazu passende Ohrgehänge baumelten leicht hin und her. Unter der leicht transparenten Bluse schimmerte ein Bustier, welches ihre Oberweite deutlich einengte und ins Dekollete hob. Über einer dreiviertel langen Leggings trug sie einen schmal geschnittenen Rock mit Schlitzen an den Seiten. Eine dünne, im Aktentaschenformat große Handtasche aus hellem Schlangenleder hing lässig über ihrer Schulter.

"Wollen wir?", fragte sie Wolfgang und hakte sich bei ihm ein.

Die folgenden zwei Stunden verflogen wie im Fluge. Während ihres Gespräches fanden sie viele Gemeinsamkeiten, sie lachten und scherzten. Beide lobten das Essen in den allerhöchsten Tönen. Wolfgang sonnte sich im Licht seiner Begleiterin, auch wenn ihm die Aufmerksamkeit, die die Kellner und die Blicke der anderen Gäste, die ihnen zugeworfen wurden, ihn ein ums andere Mal leicht ins Schleudern brachten. An Ming Poh dagegen schien diese Form der Aufmerksamkeit abzuperlen. Jedenfalls schien es so.

Draußen war es inzwischen dunkel geworden und die beiden waren bei einem letzten kleinen Cognac angekommen.

Plötzlich wurde Ming Poh sehr ernst und Wolfgang zuckte unwillkürlich zusammen, erwartete er nun die unausweichlich schlechte Nachricht. Ming Poh aber zog statt dessen einen großen Umschlag aus ihrer Tasche und legte ihn zwischen sich und Wolfgang auf den Tisch. Bevor Wolfgang danach greifen konnte, legte sie ihre flache Hand auf den Umschlag. "Du darfst ihn erst öffnen, wenn du Zuhause bist. Versprich mir das. Bitte!" Wenige Minuten später bezahlte Wolfgang die Rechnung, während sich Ming Poh frisch machte. Es juckte ihm fürchterlich in den Fingern, als er den DIN A4 großen Umschlag in den Händen hielt. Aber bevor er eine Dummheit begehen konnte, kam Ming Poh an den Tisch zurück.

Ein Stück des Weges fuhren sie hintereinander, bis sie an einer Kreuzung in entgegen gesetzten Richtungen abbiegen mußten.

*

Wolfgang fand noch die Zeit sich ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen, dann setzte er sich gemütlich in seinen Sessel und nahm den Umschlag in die Hand. Vorsicht nahm er den dünnen Packen Hochglanzfotos heraus. Obenauf lag ein handgeschriebener Brief. Als Wolfgang ihn gelesen hatte, standen ihm die Tränen in den Augen. Ganz offensichtlich hatte Ming Poh ebenso große Gefühle für ihn, wie er für sie. Nur das sie dies in so schöne Worte fassen konnte, daß Wolfgang einfach die Luft wegblieb. Vorsichtig legte er das Blatt zur Seite und betrachtete das erste Foto. Es handelte sich um ein Portraitfoto von Ming Poh. Leicht von unten schaute sie zum Betrachter hoch und das Spiel von Licht und Schatten, verbunden mit einem raffinierten Make-up, zeugten von hoher künstlerischer Professionalität. Für Wolfgang stand sofort fest, daß er dieses Foto auf keinen Fall wieder hergeben würde. Komme was da wolle. Je mehr Fotos Wolfgang anschaut, um so spärlicher wurde die Kleidung, die Ming Poh trug. Und mit jedem Foto, das er anschaute, verstärkte sich ein Gefühl, welches er tief in sich trug, seit er bei dem Überfall Ming Poh in seinen Armen gehalten hatte. Das letzte Foto in den Händen haltend, waren dann alle Mutmaßungen überflüssig. Ming Poh war weder Frau, noch Mann. Sie war, ja, sie war halt einfach beides.

Die Uhr an der Wand zeigte kurz nach dreiundzwanzig Uhr. Wolfgang nahm sein Telefon und wählte Ming Pohs Nummer. Er hörte sofort, daß etwas nicht stimmte. Ming Poh heulte und das in einer Lautstärke, die seine Ohren klingeln ließen.

"Du?", hörte er sie schniefen.

"Natürlich ich. Wer denn sonst?"

Wolfgang hörte lautes Schnäuzen am anderen Ende. Dann: "Ich hätte nicht gedacht, daß du dich noch einmal meldest."

"Du mußt mir eine Frage beantworten."

"Ja?"

Mit einem Mal hatte Wolfgang der Mut verlassen. Er stammelte, hüstelte, bis er sich zusammenriß. "Äh, ja. Ist er ... Kann er ... Wird er ... Ach Scheiße. Du weißt schon, was ich meine."

Erschrocken hielt Wolfgang den Hörer vom Ohr weg, denn die Lachsalve, die jetzt gegen sein Ohr brandete, stellte ihr Heulen noch in den Schatten. "Wenn du mich fragst, ob er kann ... Ja. Natürlich kann er ... ", quetschte Ming Poh heraus, bevor sie wieder zu lachen begann.

Wolfgang legte sein Telefon zurück, als der Akku leer war. Die Uhr zeigte kurz nach drei. Dann fing Wolfgang an zu lachen. Es war ein leises, fast diebisches Lachen. Mit beiden Händen hielt er seine Hose fest, bis er sie im Schlafzimmer einfach auf den Boden gleiten ließ. Er lachte noch, als er sich die Bettdecke über den Kopf zog. Wolfgang fühlte sich wie ein Pennäler nach dem ersten Date. Und irgendwie paßte Telefonsex ja auch dazu.

*

Am nächsten Morgen saß Wolfgang hinter seinem Schreibtisch, schaute zum Fenster hinaus und träumte still vor sich hin. Bis Natalie ins Büro gepoltert kam und ohne Guten Morgen, oder so etwas in der Art, sofort losplapperte: "Du glaubst ja nicht, wer drüben bei Kowalski sitzt und um Polizeischutz bittet."