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Natalya

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Irgendwann - da waren wir wohl 13 oder 14 - wandelte sich das ein wenig. Sie nahm mehr und mehr Abstand von mir und Kendra trat in unser Leben, ihre beste Freundin, ebenfalls in unserer Klasse. Ich war nicht eifersüchtig auf Kendra, doch irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass sie mir ein Stück von meiner Schwester weggenommen hatte.

Vielleicht kam mir auch deshalb Sabine gerade recht. Sicher, ich hatte keinerlei Anspruch auf Natalya's Zeit, doch irgendwie tat es mir weh. Ich habe auch nie über unsere gemeinsame, familiäre Beziehung hinaus gedacht, doch irgendwie war da was. Viel schlimmer war, dass wir nicht mehr so offen miteinander reden konnten, wie wir es früher immer taten.

Und sie war manchmal auch ziemlich nervig, muss ich zugeben. Ich hatte neben unserem Telefon in der Küche einen Zettel, von jenem ich ihr jedes Mal die Anrufe der vielen verknallten Jungs vorlesen musste, die teils nicht mal mehr wussten, wie sie denn heißen, wenn ich das Gespräch angenommen hatte.

Heute waren die beiden wohl in Düsseldorf unterwegs und meiner einer schon fast im Land der Träume, denn Bruce Willis war weniger spannend. Ich dachte ein wenig über die Aufmachung der beiden nach, die war heute aber mal besonders scharf. Oh Mann. Ich brauchte langsam vielleicht doch wieder eine Freundin.

Vielleicht war ich aber auch ganz glücklich, dass ich mal ein wenig Zeit für mich hatte. Die Maschinengewehr-Wortsalven von meiner Schwester zuvor waren mitunter auch ganz schön anstrengend. Es schien so, als ob sie sich besonders am Frühstückstisch einen Spaß daraus machte, wenngleich Paps und ich zwar körperlich anwesend, geistig jedoch noch im Gestern verbrachten.

Die letzte Tour, die ich ein wenig erkältet fahren musste, hatte mich gewaltig mitgenommen. Ein Bauer im Dorf hatte ordentlich Kartoffeln über, die mussten irgendwie in den Sprinter und anschließend auch wieder heraus. Das war echt heftig. Bei mir schmerzte so quasi jedes Bauteil meines Rückens.

Es klingelte irgendwo im Haus. Etwas entfernt, denn ich war schon weggetreten. Irgendwann klingelte es erneut und ich kämpfte mich aus meinem Bett im Obergeschoss. Das musste unser Telefon in der Küche sein. Oh Mann, dachte ich, als ich auf die Uhr sah. Es war bereits zwei Uhr durch. Wer zum Henker nochmal hatte sich da verwählt. Es hörte auf zu klingeln. Mein Rücken schmerzte richtig. Dann klingelte es erneut. Ein wenig mehr wach sprintete ich in Richtung Küche und stieß mir den Kopf an einem Regal an, jenes über meinem Bett hing. Doch so richtig mitbekommen hatte ich nicht, dass ich mir da wohl gehörig etwas eingefangen hatte. „Micha?" Kam es aus dem alten, schnurgebundenen Telefon. Ich brauchte einige Zeit, um klar denken und reden zu können. „Micha?" fragte die Stimme erneut. „Ja, hier. ´Tschuldige, Ich bin nicht ganz wach. Bist Du das, Kendra?" wollte ich wissen. „Micha, komm ganz schnell. Wir sind im , na Du weißt schon wo, und Natalya ist ganz komisch. So war sie noch nie. Kannst Du kommen?" ignorierte mich die belegte Stimme der Anruferin. „Klar kann ich das. Ich komme, Kendra. Sofort!". Das erwähnte Etablissement war eine Diskothek, jene sich für einige Zeit im Medienhafen einen Platz geschaffen hatte, der nicht zu verachten war. Das Ambiente war cool, doch die Leute waren alles andere als. Düsseldorfer, so fand ich, konnten im allgemeinen nur rumstehen und lästern, denn ihre eigenen Hintern bewegen.

Auch wenn mein alter Golf wahrlich nicht der schnellste und komfortabelste war, er sprang grundsätzlich an und hatte nie irgendwas. Er funktionierte einfach immer, obwohl er schon 200 tkm herunter hatte und schon die gefühlt 3. Kupplungsscheibe, denn das hab' ich irgendwie nicht so ganz verstanden, obwohl ich schon einiges an Fahrpraxis hatte. Durch meinen Kopf gingen tausend Dinge. Was war los mit meiner Schwester. Wer hatte ihr was getan oder was war ihr wohl passiert? Als ich von der A57 auf die A52 einbog, hatte ich endlich den Bogen raus, wie man mit nur kurzer Zugkraftunterbrechung durchschalten konnte. Es funktionierte endlich, Jacek hatte es mir schon so oft vorgemacht. Doch ich war nicht stolz auf mich. Viel mehr begann ich zu zittern und fluchte, dass diese Kiste nicht mehr auf dieser 3-Spurigen Autobahn schaffte, als 160. Schnell fahren war eigentlich noch nie so richtig ein Thema für mich, auch bekam ich nicht mit, dass das Fahrwerk mit meinem Fahrstil selbst schon mehr als überfordert war. ESP und ABS gab es damals nicht.

Ich war panisch. Ich hatte Angst um meine Schwester. Das war neu. Irgendwie beängstigend. Woher kam dieses Gefühl auf einmal? Aber ich schaffte es. Irgendwie. Mit quietschendem Reifen kam der Golf im Medienhafen zum stehen. Quasi direkt neben dem Zugang zum Club. Oh Mann, ich Dussel. Ich hatte mir keine Gedanken über mein Äußeres gemacht. Die Türsteher würden mich bestimmt niemals reinlassen.

Schon am Aufgang bemerkte ich Kendra, ihre Hände in's Gesicht vergraben, an einem Geländer lehnend. Kendra fiel mir in die Arme, als ich sie ansprach. Sie zitterte und heulte. Es war wahrlich schwer, etwas aus ihr herauszubekommen.

„Oh mein Gott, Micha, sie ist weg!" schluchzte sie. „Wie, sie ist weg?". „Es ist alles meine Schuld - ich habe nicht aufgepasst", schluchzte sie.

Ich hielt Kendra fest. Es machte keinen Sinn, die Panik noch zu verschlimmern. Hier half nur noch Logik. Ich nahm ihr Gesicht und schaute sie an. Ich versuchte, beruhigend auf sie einzureden, bedeutete ihr, dass sie bestimmt keine Schuld hätte.

Langsam kam sie mit der Sprache heraus. Sie hatten nicht viel getrunken, nur ein wenig getanzt. Das Publikum hatte auch ihnen nicht gefallen. Sie erzählte, dass Natalya sich auf einmal ganz komisch benommen hätte, ja beinahe abwesend sei. Sie hätten es auf der Toilette mit kaltem Wasser versucht und als Kendra kurz für kleine Mädchen war, musste Natalya die Toilette und auch die Disco verlassen haben. Das reichte mir. Ich winkte eher hilflos zu einem der Türsteher und hatte zum ersten Mal wieder Glück, denn er kam zu uns, als ob es eine Selbstverständlichkeit war.

„Krass, Micha, wie siehst Du denn aus?" fragte mich Arnulf. Ich schaute zu Jacek's Bruder hoch, der - einem Bär von einem Mann gleich - schon seit längerer Zeit für einen Sicherheitsdienst arbeitete und offensichtlich vor den Toren des damaligen Clubs für Ordnung sorgte. Das war mir neu. „Wir müssen Dich mal kurz versorgen, Micha - so kommst Du hier nicht rein, Du blutest und Dein Hemd sieht aus wie sau! Hast Du irgendwen umgebracht?", fragte Jacek und zog Kendra und mich in's Innere der Diskothek in einen Nebenraum. Meine Stirn schien tatsächlich ziemlich ramponiert und ich sollte wohl zusammengeflickt werden.

„Du, Arnulf, das ist alles nicht so wichtig - Ich suche meine Schwester. Dringend!", meinte ich.

Arnulf kannte Natalya nicht. Auch die Beschreibung half nicht weiter, denn er sah jeden Abend tausende, wunderhübsche, brünette Mädels. „Alles kein Problem, kein Problem - da - schau!", sagte er - und deutete auf einen Schwarzweißfernseher, der den Eingangsbereich bis hinunter zur Straße zeigte. Er bediente das Gerät und spulte offensichtlich ein Videoband zurück bis zur ziemlich vagen Zeitangabe, jene er von Kendra genannt bekam und oben rechts auf dem Band eingeprägt war. Es war ein Samstagmorgen im Juli 1998. Und tatsächlich, wir sahen meine Schwester, wie sie von zwei Typen aus dem Club hinausbegleitet wurde. Es war ihr offensichtlich schwer gefallen, geradeaus zu laufen und sie wurde von einem der beiden gestützt. Der andere der beiden drehte sich um und blickte zurück zu den Türstehern. Es war - ohne Zweifel - Torsten.

„Daas ist Deine Schwester, ja?", fragte Arnulf. „Korrekt. Wo sind die hin, Arnulf?", fragte Kendra flehend. „Rechts, sicher. Parkplatz. Ich komme mit!", bedeutete Arnulf und meldete sich kurz bei seinen Kollegen ab.

## Ekelhafte Arschlöcher

Es war ein gutes Gefühl, Arnulf dabei zu haben. Ich ahnte innerlich wohl schon, was gleich passieren würde. Ich erläuterte, nach welchem Fahrzeugtyp wir suchen müssten und Arnulf fand den aufgemotzten Nissan alsbald in einer hinteren Ecke geparkt.

Die Szene lässt sich im Nachhinein schwer beschreiben. Natalya war weggetreten, so hatte sie Gottseidank nicht mehr viel mitbekommen. Sie hatte nur noch recht wenig an, doch zum Äußersten war es wohl noch nicht gekommen - sie saß, halb liegend auf dem Beifahrersitz des Autos.

Die beiden Typen stritten miteinander, doch das war mir egal. Sie bekamen nicht mit, was sich neben ihnen tat. Dann erblickte er mich und schrak zusammen. Nachdem meine Faust Torsten mitten auf der Nase traf, lief sein Blut aus der Nase und er kippte um.

Einfach so.

Ich hatte das noch nie zuvor gemacht, war erstaunt und überrascht über mich selbst. Ich bin eher ängstlich, schüchtern, zurückhaltend. Zwar fehlt es mir nicht an Muskelkraft, doch trainiert habe ich Kampfkunst nie. Es passierte irgendwie ganz automatisch, so, als ob ein Programm ablaufen würde. Doch der zweite Typ, den ich schon fast vergessen hatte, schickte sich an, dem Auge um Auge Prinzip nachzugehen. Da war immer noch Arnulf. Der brauchte nur einen Arm, um den anderen Typen, den ich nicht kannte, festzuhalten. Ich weiß auch nicht, was Arnulf damals mit ihm machte, doch der Typ sackte wimmernd zusammen auf den Boden, ohne dass Arnulf eine Faust einsetzen musste. Irgendwann, so dachte ich, muss ich das mal lernen. Den Kerl hätte ich bestimmt nicht so außer Betrieb nehmen können, das war klar.

Kendra lief zu ihrer besten Freundin und warf ihr ihre Jacke über. Natalya war wie von Sinnen. Sie murmelte etwas und sackte dann zusammen. Es war schwer, sie aus diesem Fahrzeug zu bekommen, wenngleich sie federleicht war. Ein wenig später war sie für kurze Zeit wieder wach und ich nahm sie, so wie sie war, auf meine beiden Arme, während sie sich an meinem Hals festhielt. Mein Auto stand ja nicht weit weg.

Kendra war noch bei mir, sie schloss auf, hielt die Tür auf und ich legte sie behutsam auf die Rückbank meines kleinen Autos. Arnulf kümmerte sich derweil um die beiden Störenfriede. Nachdem er offensichtlich mit ihnen fertig war, hielt er etwas kleines in den Händen, was ich jedoch nicht genauer identifizieren konnte. Trotz der recht guten Beleuchtung war es in der Ecke, in jener sich der Wagen von Torsten befand, deutlich weniger hell.

„Schert Euch von dannen und ruft einen Arzt. Dann ruft im Club an und fragt nach mir, wenn ihr einen gefunden habt!". Er blickte in meine Augen. „Arzt. Anrufen. Nach mir fragen!", wiederholte er und fügte hinzu: „ich komm' mit diesem Abschaum schon klar!".

Ich winkte kurz und hob den Daumen um ihm zu bedeuten, dass ich verstanden hatte. Wir fuhren. Behutsam wich ich den Schlaglöchern auf dem provisorischen Parkplatz aus und kroch aus dem Medienhafen langsam auf die Brücke über den Rhein in Richtung Heimat.

Zwischendurch musste ich anhalten, als Kendra mich darum bat. Es war keine Zeit, um von der Autobahn herunterzufahren und so nahmen wir den Seitenstreifen der Autobahn. Damals ging das noch gerade so eben. Meine Schwester entledigte sich ihres kompletten Mageninhalts. Sie war wie ein Sack Kartoffeln, hatte es sichtlich schwer, ihre Muskeln zu kontrollieren. Doch mit etwas Hilfe von Kendra und mir gelang es, sie dabei zu unterstützen.

Kendra hatte jetzt das Kommando. Ich gehorchte. Sie bedeutete, sie kurz bei ihrer Mutter herauszulassen, nur wenige Meter von unserem Haus entfernt in einem Mehrfamilienhaus. Die Alleinerziehende war Anästhesistin in einem nahegelegenen Krankenhaus, das sollte wohl so passen. Ich ließ das große Tor zu unserer Einfahrt offen stehen, ebenso die Haustüre - wie Kendra mich zuvor angewiesen hatte - und trug meine Schwester behutsam die vielen Stufen hinauf in ihr Zimmer.

Ich hatte mich hier lange nicht mehr aufgehalten. Es war wirklich süß eingerichtet, ganz meine Schwester eben. Mitten im Zimmer befand sich ein großes Boxspringbett, jenes mein Papa und ich mühevoll zusammengebaut hatten. Sie hatte sich das Ding so sehr gewünscht. Eine Chaiselongue befand sich hier ebenfalls, kurz vor dem Balkon zum Garten.

Einen Schminktisch mit einem Spiegel und mit vielerlei Dingen, die ich nicht kannte oder nicht wusste, wozu sie da waren, hatte sie neben einem übergroßen Kleiderschrank aufgebaut. Daneben befand sich eine überlebensgroße Fotografie von meiner Schwester, also eher von ihrem Rücken in Schwarzweiß. Man konnte einen Teil ihrer Brust erahnen. Eine weitere Türe neben dem Foto führte in das gemeinsam von uns beiden genutzte Badezimmer. Behutsam versuchte ich, meine Schwester in ihr Bett zu legen. Ich zog ihr die Schuhe aus und deckte sie zu, doch umgehend schlug sie die Decke wieder weg. Sie war rastlos, zitterte und schwitzte ein wenig, obwohl ihre Stirn ganz kalt war. Ich streichelte sie und hielt ihre Hand fest. Endlich bewegte sich ihre kleine Hand wieder ein wenig kontrollierter und ein Lächeln huschte über ihr zuvor fast regloses Gesicht.

Sie hielt sich an mir fest. Das war gut so aber neu für mich. Ich hatte das lange nicht mehr erlebt. Nicht von meiner Schwester.

Kendra stürmte die breiten, steinernen Stufen unserer Treppe hinauf und stolperte offensichtlich, anders konnte ich das Fluchen nicht deuten. Ihre Mutter musste bei ihr sein, denn das „Langsam!" deutete ich als gut gemeinte Geste einer liebevollen, dennoch resoluten Mutter. Wir begrüßten uns.

Sie schob Kendra beiseite und begutachtete ihre Patientin. Puls und Blutdruck waren wohl gerade noch im Rahmen, doch die Atmung schien sie zu besorgen. Die Info, dass ein Türsteher wohl mehr wissen würde, wollte sie auf keinen Fall ausschlagen und fragte nach dem Telefon.

Wir hatten nur eines und Kendra zeigte es ihr. Die Besorgnis, vermittelt durch den Türsteher des Clubs musste wohl während des Telefonats zugenommen haben, so viel hörte ich aus dem entfernten, einseitig Verstanden durch das ruhige Haus noch heraus, zudem ein großes Paket von Wut - sie sprach lauter als laut, teilweise brüllte sie Wörter, die selbst ich noch nicht kannte.

Die Ärztin deutete Ihrer Tochter an, Natalya möge möglichst ein wenig Wasser trinken und sie müsse eine weitere Kollegin herbeirufen. Sie wollte zudem wissen, ob sie viel Alkohol getrunken hätten und beharrte auf einer ehrlichen Antwort.

Ich wich nicht mehr von der Seite meiner Schwester. Ihr liebliches Gesicht lag inzwischen auf meinem Schoß, ihre Hand krallte sich ab und an in meine, so sehr, dass es fast schmerzte. Ab und an bekam sie Krämpfe und musste sich übergeben, doch das war alles kein Problem für mich. Wir hatten es nicht weit bis zum Badezimmer und Kendra war eine prima Hilfe.

Ein wenig später erschien eine weitere Ärztin. Die wollte Blut abnehmen und hatte einen Tropf dabei, den sie Mc'Gyver gleich an einem Gürtel und der Deckenbeleuchtung befestigte. Meine Schwester, welche panische Angst vor Spritzen hatte, ließ dennoch alles willenlos über sich ergehen. Ab und an weiteten sich ihre Augen, sie krallte sich an mich, vergrub ihr Gesicht auf meiner Brust und schlief alsbald, nachdem sie alles über sich hatte ergehen lassen, unruhig ein. Ihre Atmung wurde flacher, ihre Anspannung und das Zittern ließen nach. Endlich kam sie zur Ruhe.

Die zweite Ärztin wollte Natalya zwar pflichtgemäß eine stationäre Behandlung andichten, nach Anweisungen an Kendra und mich zur adäquaten Nachtwache kam sie dennoch irgendwann zur Ruhe. Kendra und ich würden uns abwechseln.

Kendra machte es sich auf der Chaiselongue gemütlich und blickte zu uns herüber, als die beiden Ärztinnen unser Haus mitsamt einer Blutprobe meiner Schwester verließen.

Der zierliche Körper in einem mehr als aufreizenden Dress bewegte sich ruhig und kam schrittweise runter. Ich versuchte das mit der Decke noch einmal, eher aus Sorge, denn aufgrund der vielen Reize, die auf mich einströmten. Ich betrachtete das liebliche, zierliche Geschöpf, jenes sich an mich schmiegte, voller Sorge, voller Liebe. Ich konnte kein Auge zubekommen.

Ich war dankbar für Kendra's Anruf. Dankbar für ihre Mutter, überhaupt dankbar, dass ich meine geliebte Schwester noch hatte. Die Eindrücke, die ich hatte, waren längst noch nicht verarbeitet.

Wie sehr mir meine Schwester am Herzen hing, hatte ich erst jetzt eindrucksvoll belegt bekommen. Was war bloß in den vergangenen Jahren los zwischen uns beiden. Ich hatte etwas verpasst. Natalya hatte mir gefehlt. Mehr noch, ich musste ein absoluter Idiot gewesen sein. Ich hätte mich viel mehr mit ihr beschäftigen sollen. Doch ihre teils abweisende Art machte mir das zunehmend schwerer. Ich musste unbedingt mit ihr darüber sprechen, doch nicht jetzt.

Je mehr ich sie betrachtete, je mehr ich ihre wunderschönen Gesichtszüge mit meinen Augen abtastete, ihre Schläfen streichelte und ihren auf und niedergehenden Atem spürte, desto mehr und tiefer fühlte ich mich mit ihr verbunden. Sie wich nicht von mir. Sobald ich mich einen Deut bewegte, folgte sie mir. Nur schwer gelang es mir, eine bequemere Position in ihrem Bett zu erreichen. Ihr Arm, verbunden mit dem Tropf, wurde ab und an von Kendra oder mir korrigiert, denn sie drohte, sich mit dem Plastikschlauch einzuwickeln. Ich war dankbar, dass ihre Freundin ebenso wachsam war und meinen Wachzustand bald ablösen wollte. In der Nacht musste sie den Tropf ausgewechselt haben.

Es klappte. Wir kamen durch die Nacht und mehr gerädert denn wach begannen wir den Sonntag. Natalya reagierte noch einmal panisch, als sie den Tropf im Wachzustand bemerkte, doch beruhigte sich langsam an meiner Seite. Als Natalya von Kendra begleitet in das Badezimmer ging, dämmerte ich vollends weg.

Erst gegen Mittag kam ich wieder zur Besinnung. Kendra's „Mom", Josephine hatte uns besucht und erklärte, was es mit dem Vorfall auf sich hatte.

## Tropfen

„Das Zeug ist das letzte. Und diese ekelhaften Typen sind es ebenfalls!", schimpfte Josephine. Da Natalya immer noch nicht ganz beisammen war, hatten wir sie nach einem sehr verspäteten, gemeinsamen Frühstück, zurück in's Bett gebracht.

Auch heute wich Natalya nicht von meiner Seite und es war schwer, meine Schwester alleine in ihrem Zimmer zurückzulassen. Ich musste ihr versprechen, die Türe offen stehen lassen. Sie trug inzwischen nicht mehr ihr Disco-Outfit, sondern ein T-Shirt von mir.

Irgendwie hatten sich dann wohl alle bei uns verabredet. Jacek stand vor der Tür, kurz darauf hörte ich den Wagen meines Vaters. Dieses Mal war das Gepäck, jenes ich sonst immer schleppen sollte, völlig egal. Kendra's Mutter baute sich zwischen der Treppe im Foyer und meinen Eltern auf und geleitete alle gleich in's Wohnzimmer. Sie kannten sich. Es bedurfte nicht vieler Worte. Und auch Jacek, der bei uns ein und aus ging, war kein Unbekannter. Ich begrüßte meine Eltern und nahm beide in die Arme. Deren Besorgnis sollte sich wohl legen, doch es würde noch ein wenig dauern.

Während sich die Erzeugerfraktion im Wohnzimmer den Erklärungen von Josephine hingaben, zog uns Jacek nach draußen in den Garten, hinab zum Pool. Ich rauchte und war dankbar, dass Jacek mir meine Marke mitgebracht hatte. Obwohl wir diese „Diskussion" ja schon öfters hatten, verheimlichen wollte ich das vor meinen Eltern nicht mehr. Mir war jetzt auch alles irgendwie egal. Ich hatte immer noch nicht ganz verstanden, was eigentlich passiert war.

Jacek begann, ohne irgendwelche Ausflüchte, zu schildern, was sein Bruder ihm erzählt hatte. Ich liebte seine Art zu erklären, doch der Inhalt war dieses Mal äußerst abstoßend. Die hinzugerufene Polizei, bei jenen er die zwei abgab, hatte offenbar noch nie etwas von Barbituraten gehört, konnten Arnulf's Erklärungen jedoch folgen. Ebenso protokollierten sie, dass das Zeug von Torsten's Freund stammte, sie hatten es wohl beide zugegeben, auch was sie vorhatten.

Mehr brauchte Arnulf auch nicht mehr, um ihnen ein lebenslanges Hausverbot in „seinem Club" auszusprechen. Ob die beiden auf freiem Fuß waren oder nicht, war egal - sie würden die Folgen schon noch zu spüren bekommen, wie ich mir selbst schwor, nachdem ich endlich verstand, was K.O.-Tropfen eigentlich bewirken.

dafoe
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