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Neuanfang Teil 04

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„Da hast du eine bessere Meinung von mir, als ich selbst."

„Trau dir ruhig etwas zu", muntert er mich auf. „Aber was war deine Bitte?"

„Könntest du dabei sein?"

„Wozu?

„Ich will zeigen, dass ein frischer Wind weht und, dass wir Zugang zu den Plänen und Modellen haben. Wenn du dabei bist, glauben sie das eher."

„Natürlich bin ich bei deinem großen Moment dabei. Den würde ich mir um nichts auf der Welt entgehen lassen."

„Ich mache das mit einem Hintergedanken. Wer sich freut, dass sich etwas ändert, kann bleiben, auf die anderen können wir verzichten", erkläre ich ihm. „Wer nicht versteht, dass eine enge Zusammenarbeit mit deiner Abteilung wichtig ist, der ist am falschen Platz."

„So gefällst du mir."

Ich umarme ihn noch einmal. Ich bin froh, dass er dabei sein wird. Damit kann ich zeigen, dass sich etwas ändert. Aber Werner ist inzwischen auch zu einem Freund für mich geworden. Seine Anwesenheit wird mir auch Ruhe schenken.

---

Es ist 11 Uhr. Die gesamte Entwicklungsabteilung ist im Gemeinschaftsraum versammelt. Fred muss die Mail, mit der er alle aus der IT-Abteilung zur Versammlung eingeladen hat, bereits kurz nach unserem Eintreffen in der Firma herumgeschickt haben.

Kerstin steht neben Sigmund und tuschelt mit ihm. Sicher hat seine Cousine ihn wissen lassen, dass es um die Verkündung geht, wer Hismann als Leiter der Abteilung ablösen soll.

Als die Tür aufgeht, schauen alle gebannt hin. Doch es ist lediglich der Personalchef, der hereinkommt und sich neben Hismann stellt. Die beiden tuscheln eine Zeitlang miteinander. Da der Personalchef mit den Achseln zuckt, als Hismann mit ihm spricht, vermute ich, dass dieser wissen wollte, wer ihn ersetzen soll.

Als erneut die Tür aufgeht, halten alle den Atem an. Doch wieder ist es nicht Fred. Werner kommt herein und wirft einen suchenden Blick in die Runde. Als er mich erkennt, kommt er geradewegs auf mich zu und setzt sich zu mir auf die Couch. Am Blick der anderen erkenne ich, dass einige keine Ahnung haben, wer Werner ist. Sofort beginnen alle zu tuscheln.

Als zum dritten Mal die Tür aufgeht und diesmal tatsächlich Fred hereinkommt, ist es augenblicklich still. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Alle schauen gebannt zu ihm hin. Inzwischen weiß jeder was jetzt kommt. Fred lässt lässig seinen Blick schweifen und hält einen Moment inne, als er zu mir herschaut. Dabei schleicht sich ein Lächeln auf seine Lippen.

„Meine Damen und Herren", beginnt Fred. "Sie wissen vermutlich schon über Umwege, dass uns Herr Hismann verlassen wird. Ich möchte ihm für seine Arbeit bei uns danken und ihm für seinen weiteren beruflichen Weg viel Erfolg wünschen."

Alle schauen zu Hismann, der etwas betreten dreinschaut. Fred bleibt höflich, übertreibt es aber nicht. Jeder der etwas Verstand hat, kann sich denken, dass er dem Mann nicht nachtrauert.

„Das macht es natürlich auch erforderlich, den Posten neu zu besetzten. Gerade in der Phase, in der wir sind, können wir es uns unmöglich leisten, dass eine so wichtige Abteilung, wie diese, ohne qualifizierte Führung bleit. Ich habe das große Glück, dass meine Freundin genau aus dieser Branche kommt und noch dazu verdammt gut in ihrem Job ist. Ich habe sie bei ihrem alten Job abgeworben und in den vergangenen Tagen -- sagen wir -- als verdeckte Ermittlerin in diese Abteilung eingeschleust. So konnte sie sich unvoreingenommen ein Bild davon machen, was gut läuft und was geändert werden muss."

Fred macht eine Pause, weil das Getuschel immer stärker wird. Alle schauen in meine Richtung. In den Gesichtern kann ich durchwegs Überraschung erkennen. Einige, vor allem Männer, machen keinen Hehl draus, dass sie mit der Entscheidung, die gleich verkündet wird, nicht einverstanden sind. Vor allem die vier Gockel, die sich die größten Chancen auf Hismanns Posten ausgerechnet haben, schauen mich offen feindselig an.

„Ihr Können hat Frau Schnürl in dieser kurzen Zeit bereits mehr als unter Beweis gestellt. Nicht nur, dass sie sich in nur einer Woche bestens eingelebt hat, sich ein Netzwerk aufgebaut hat, sie hat in nur einer Woche die Steuerung für die Sauerstoffversorgung erarbeitet und gleich noch zwei Notfallsysteme dazu entworfen", unterstreicht Fred. „Ich denke, der Leiter der Entwicklungsabteilung, Werner Glauber, wird meine Einschätzung teilen."

„Ich kann Herrn Meisners Einschätzung voll und ganz zustimmen. Amy ist eine sehr kompetente Frau und es macht Spaß, mit ihr zusammenzuarbeiten", bestätigt Werner.

„Deshalb ist es kein Wunder, dass ich Frau Schnürl zur Nachfolgerin von Herrn Hismann ernenne und sie mit der Leitung dieser Abteilung betraue", verkündet Fred. „Ich möchte unterstreichen, dass Frau Schnürl ab sofort sämtliche Befugnisse hat. Sie kann Mitarbeiter entlassen und einstellen, ganz wie sie es für richtig hält."

Es herrscht betretenes Schweigen. Vor allem der der letzte Satz scheint zu sitzen. Es ist eher ungewöhnlich, dass das offen angesprochen wird. Damit wollte mir Fred vermutlich den Rücken stärken.

„Aber Frau Schnürl ist noch nicht bei uns angestellt", wirft der Personalchef ein. Er scheint, wie alle anderen von Freds Entscheidung völlig überrumpelt worden zu sein.

„Dann sorgen Sie dafür, dass die Formalitäten erledigt werden", kontert Fred. „Was ihr für die bisher gearbeiteten Tage zusteht, überweisen sie."

„Inklusive Prämie für das Sauerstoffsystem", stelle ich schmunzelnd klar.

„Natürlich, Herr Meisner", meint der Personalchef kleinlaut.

„Amy, bitte! Ein paar Worte", ermuntert mich Fred.

Ich bin die ganze Zeit mit angezogenen Beinen auf dem Sofa gesessen und habe die Versammlung beobachtet. Ich wollte mich nicht verstecken. Ich wollte nur noch etwas Zeit für mich haben. Nun aber bin ich gezwungen aufzustehen und zu Fred zu gehen. Damit stehe ich nun definitiv im Mittelpunkt.

„Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass die Entscheidung etwas überraschend für Sie gekommen ist", beginne ich eine Rede.

„Das kannst du laut sagen", ruft Günther mir zu. Er ist einer von denen, die sich am meisten Hoffnungen gemacht haben.

„Mich hat Herr Meisner auch überrumpelt", versichere ich ihm. Einige lachen und ich vermute es sind jene, die es ihm gönnen, dass er nicht berücksichtigt wurde. „Auch ich musste mich mit dem Gedanken erst anfreunden und wollte deshalb zuerst in den Betrieb hinein geschnuppert und mir ein Bild machen.

Ich kann Euch sagen, ich habe in den wenigen Tagen meine Erfahrungen gemacht und es wird sich einiges ändern, ändern müssen. Am ersten Tag bin ich mir ganz schön verlassen vorgekommen. Ich sollte die Steuerung von einem System entwerfen und hatte keine Ahnung, wie so etwas funktioniert."

„Bist ja auch ein Mädchen", ruft Günther.

„Dann bist du auch ein Mädchen", rufe ich zurück. „Oder weißt du, wie die Sauerstoffversorgung aussieht,"

Günther schweigt betreten. Die übrigen lachen.

„Versteht mich nicht falsch, ich bin gerne ein Mädchen", scherze ich. „Aber Spaß beiseite, ich wusste ja nicht einmal, ob das Raumschiff rund oder eckig, dick oder dünn, groß oder klein ist. Wer von Euch weiß, wie viele Menschen an Bord Platz finden können?"

Es herrscht betretenes Schweigen. Ein Blick in die Runde bestätigt meine Annahme, dass niemand ein Modell oder Pläne gesehen hat. Alle schauen ratlos drein.

„Günther? Du bist ja ein ganzer Mann. Du weißt das sicher."

„Keine Ahnung", gibt er kleinlaut zu.

„Heute weiß ich, wie das Raumschiff aussehen soll und ich weiß, wie die Sauerstoffversorgung funktioniert", spreche ich weiter. „Darf ich Euch meinen Freund Werner vorstellen. Er leitet die Entwicklungsabteilung und ist ein ganz wichtiger Mann in diesem Unternehmen. Vor allem ist er Teamplayer."

Ich gehe die wenigen Schritte zu Werner hin und ziehe ihn am Arm in die Mitte.

„Ab sofort werden alle wissen, woran wir arbeiten", versichere ich. „Heute Nachmittag lassen wir die Arbeit ruhen und Werner zeigt uns die Modelle und die Pläne. Auch Ihr sollt wissen, woran Ihr arbeitet. Schließlich ist das, was wir hier machen, komplettes Neuland. Noch nie wurde ein Raumschiff entwickelt, das zum Mars fliegen soll. Wir sind Pioniere und wir erschaffen ein Stück Zukunft."

Alle applaudieren, außer den vier Typen, die sich Hoffnungen auf Hismanns Posten gemacht haben.

„Ich muss das nicht sehen", meint Günther.

„Ich auch nicht", pflichtet ein anderer bei.

„Das ist Zeitverschwendung", ruft ein dritter.

„Lass uns doch mit dem Scheiß in Ruhe", meldet sich der vierte. „Lasst Euch doch nicht einlullen, wir spielen hier nicht Raumschiff Enterpreis."

„Meine Herren, ich schließe aus Ihren Äußerungen, dass Sie weder Interesse an Ihrer Arbeit noch an diesem Betrieb haben. Ich würde also vorschlagen, Sie packen Ihre persönlichen Sachen und melden sich beim Personalchef. Er wird die Formalitäten erledigen. In Zukunft werden wir auf Euch verzichten."

Es herrscht betretenes Schweigen im Raum. Die vier blicken mich hasserfüllt an.

„Noch jemand, der an einer weiteren Zukunft in diesem Betrieb nicht interessiert ist? Nur zu! Wer nicht für die Sache brennt und mit Freude an unserer Mission mitarbeitet, auf den können wir gerne verzichten."

Ein Raunen geht durch die Anwesenden. Offenbar haben sie mir nicht so viel Härte zugetraut. Fred und Werner schauen mich anerkennend an und grinsen kaum sichtbar Der Personalchef dagegen schaut Fred fragend an. Dieser zuckt die Achseln und deutet mit einem Kopfnicken in meine Richtung.

„Sie wollen die Entwicklungsabteilung besuchen? Das geht doch nicht!", meldet sich Hismann.

„Warum nicht?"

„Aus Sicherheitsgründen natürlich. Je mehr Leute Einblick in die Unterlagen haben, umso leichter sickern Details nach außen."

„Die Leute haben eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterzeichnet", werfe ich ein.

„Und wenn sich jemand nicht daran hält?"

„Dieses Risiko müssen wir eingehen. Nicht zu wissen, woran wir arbeiten ist noch viel schlimmer."

„Sicherheit hat oberste Priorität."

„Sicherheit, das ist ein großes Wort. Die Gefahr steckt weniger im Haus als außerhalb. Wenn ich wollte, könnte ich locker das System hacken. Ich wette mit Ihnen, dass ich keine halbe Stunde dazu brauche", versichere ich Hismann.

Er schaut mich entgeistert an. Er hält es einerseits für unmöglich, das System zu hacken, traut mir aber andererseits offenbar fast alles zu.

„Sie machen Witze!"

„Nicht die Bohne. Soll ich es Ihnen beweisen?"

Seine Selbstsicherheit schwindet Zusehens. Er überlegt. Dabei schaut er zuerst mich an, dann in die Runde.

„Ich wette mit Ihnen, dass Sie es nicht schaffen."

„Gut, was wetten wir?"

„Um ein Abendessen."

„Sie meinen, wenn ich es schaffe, zahlen Sie das Abschiedsessen und wenn nicht, dann zahle ich es."

„Aber in einem feinen Lokal ein. Alle die in diesem Raum sind", ergänzt Fred.

Hismann schaut entgeistert. Offenbar ist er geizig und kann sich ausrechnen, dass es eine schöne Stange Geld kostet, etwa ein Dutzend Leute in ein gehobenes Lokal einzuladen. Doch zurück will er an diesem Punkt dann doch nicht.

„Gut, abgemacht. Wer bestimmt das Lokal?"

„Der Gewinner der Wette", kontert Fred.

„Von mir aus", meint Hismann. „Sie schafft es ja sowieso nicht. Die Systemsicherheit ist hervorragend. Darum hat sich Günther gekümmert."

„Aha!", sage ich nur.

„Wie wollen Sie das System hacken?", will nun Günther wissen.

„Das werden Sie schon bemerken wenn ich eingedrungen bin. Innerhalb heute Abend knacke ich das System. Bis Mitternacht läuft die Wette."

„Gut, dann wäre ja alles geklärt", meint Fred. „An die Arbeit."

„Wir treffen uns um 14 Uhr wieder hier und lassen uns von Herrn Glauber die Entwicklungsabteilung zeigen", fordere ich alle auf.

---

Es ist 14 Uhr. Die Mitarbeiter haben sich im Gemeinschaftsraum versammelt und reden aufgeregt durcheinander. Einige sind sichtlich neugierig, die Entwicklungsabteilung zu sehen. Sogar einer der Abtrünnigen hat sich eingefunden. Er steht in einer Ecke etwas abgeschieden und gibt mir ein Zeichen, ob ich nicht zu ihm kommen könnte.

„Können wir reden?"

„Ja, sag, was brennt dir auf der Seele?"

„Wäre es möglich, dass ich doch weiter mit dabei bin?"

„Warum das Umdenken?"

„Ich habe mich von den anderen mitziehen lassen. Das war ein Fehler. Ich glaube, du bist die Richtige, diese Abteilung zu leiten."

„Du willst doch nur beim Essen dabei sein", antworte ich und grinse breit.

„Natürlich!", kontert er. „Ich bin am Verhungern."

„Ich gebe dir eine zweite Chance. Ich verlange aber Mitarbeit und Initiative."

„Da kannst du dir sicher sein", antwortet er. „Ich bin froh, dass endlich ein frischer Wind weht und jemand die Leitung übernommen hat, der etwas von der Sache versteht."

„Ich freue mich über jeden, der an das Projekt glaubt und mit Spaß bei der Arbeit ist."

Ich will ihm tatsächlich noch eine Chance geben. Ich werde ihn zwar etwas im Auge behalten, aber es kann gut sein, dass er nur etwas länger zum Nachdenken gebracht hat.

Wir gehen zurück zu den anderen. In dem Moment kommt auch Werner dazu. Nach einer kurzen Begrüßung meinerseits übergebe ich ihm die Führung.

„Wo gehe wir jetzt hin?", erkundigt sich Kerstin.

„Wir gehen in den ersten Stock, dort wo wir alles erfahren, was wir bisher nicht wissen durften."

„Wir dürfen wirklich dorthin, wo das Raumschiff physisch geplant wird?"

„Ja, genau dorthin."

Sie schaut mich neugierig an Wir gehen hinauf in den ersten Stock und betreten die bisher so streng gehütete Abteilung. Mir fällt auf, dass Kerstin die ganze Zeit an meiner Seite bleibt und ich kann beobachten, wie sie aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Allein schon der Anblick der großen Halle beeindruckt sie. Aber nicht nur sie. Auch die anderen stehen mit offenem Mund da. Und so geht es dann auch weiter. Das Modell des Raumgleiters beeindruckt besonders. Die Leute zeigen aber auch großes Interesse an den Plänen und an den Details. Manchmal kommen sie mir vor, wie kleine Kinder, die etwas völlig Neues entdecken. Im Grunde ist es das für sie auch.

„Du hast das alles schon gesehen?", erkundigt sich Kerstin flüsternd.

„Das da drüben ist mein Schreibtisch", antworte ich. Ich zeige dorthin, wo ich arbeite, wenn ich hier oben bin.

„Du hast hier einen eigenen Schreibtisch?"

„Manchmal ist es leichter zu arbeiten, wenn man die Pläne und das Modell vor Augen hat."

„Das ist schon klar, aber wie kommst du hier herein?"

„Mit meinem Fingerabdruck?"

„Du hast uneingeschränkten Zugang?", staunt sie. „Natürlich, als Freundin des Chefs."

„Das hat doch damit nichts zu tun."

„Womit dann?"

„Ich habe nach Auswegen gesucht, an Informationen heranzukommen und habe dabei Werner kennengelernt."

„Dann dürfen wir auch hier herauf?"

„In Zukunft schon", verspreche ich. „Und ihr bekommt Zugang zu den Plänen über Euren PC."

„Super!", schwärmt sie. Dann wird sie leise. „Entschuldige, was ich heute Früh zu dir gesagt habe."

„Was denn?", frage ich scheinheilig. „Ich habe nichts gehört."

„Ich war wohl enttäuscht, weil du mir nichts gesagt hast. Aber, wenn ich genauer nachdenke, ist schon klar, warum du es für dich behalten musstest", meint sie. „Ich freue mich, dass du die neue Chefin bist. Du bringst echt frischen Wind in die Abteilung. Ich glaube, ich bleibe."

„Warum?"

„Ich wollte zum Monatsende kündigen."

„Aus Frust?"

„Ich habe die Freude an meiner Arbeit verloren. Ich bin gut, aber ohne Informationen und ohne den nötigen Hintergrund, kann man keine Leistung bringen."

„Glaub mir, das ist das Erste, was sich ändert."

„Ich sehe es", meint sie. „Und das Abendessen machen wir auch."

„Auf Kosten von Hismann."

„Super!"

---

Der Besuch in der Entwicklungsabteilung war ein voller Erfolg. Die meisten waren begeistert und haben dadurch neue Motivation bekommen. Für mich hingegen war der Besuch sehr aufschlussreich, weil ich genau beobachten konnte, wer anpacken möchte und wer auch weiterhin eine ruhige Kugel schieben will.

Ich bin inzwischen mit Fred auf dem Heimweg. Es war ein anstrengender Tag und ich bin müde. Deshalb habe ich mich in den Beifahrersitz fallen lassen und versuche zu entspannen.

„Ist doch gar nicht schlecht gelaufen?", erkundigt sich Fred.

„Es ist ausgezeichnet gelaufen. Ich weiß jetzt, wie viele neue Leute ich brauche."

„Neu Leute?"

„In den nächsten zwei Wochen werden etwa vier bis fünf Leute kündigen. Sie werden meinen Rhythmus nicht auf Dauer durchhalten."

„Du willst sie fordern?"

„Bei Hismann hat man eine Aufgabe bekommen und so viel Zeit, wie man eben brauchte. Wenn man nicht weiterkam, konnte man das Projekt wieder abgeben. So wird es bei mir ganz sicher nicht laufen. Da gibt es Termine und Ziele."

„Wow!"

„Was Wow? Du hast als Chef Erwartungen an mich und mein Team -- zu Recht. Schließlich soll ein Zeitplan eingehalten werden. Da kann man keine lasche Arbeitsmoral akzeptieren."

„Die andern ziehen mit?"

„Ich glaube schon. Die hatten leuchtende Augen, als sie das Modell und die Pläne gesehen haben. Sie sind wieder motiviert."

„Du brauchst also einige neue Leute. Wo willst du die denn hernehmen? Gute Leute wachsen nicht auf den Bäumen."

„Ich brauche in etwa zehn neue Leute. Die fünf, die uns verlassen werden und drei, die ich gefeuert habe."

„Waren das nicht vier?"

„Einer hat darum gebeten, bleiben zu dürfen."

„Und du hast Ja gesagt?", ist er überrascht. „Der hatte sich offen gegen dich gestellt."

„Ich bin nicht nachtragend."

„Ich zweifle trotzdem an seiner Loyalität."

„Mein Bauchgefühl sagt mir, dass er ein guter Mann ist. Du hättest sehen sollen, wie begeistert er war, als er das Modell und die Pläne gesehen hat. In Ihm ist die kindliche Neugier erwacht, die für einen kreativ arbeitenden Menschen wichtig ist."

„Du bist der Boss in der IT-Abteilung", lenkt er ein. „Du solltest ihn aber besser im Auge behalten."

„Das mache ich", versichere ich.

Wir haben mittlerweile die Villa erreicht. Fred stellt den Motor ab. Beim Aussteigen fällt mir ein schwarzer Sportflitzer auf.

„Haben wir Besuch?"

„Warum?", erkundigt sich Fred.

Er wirkt dabei dermaßen scheinheilig, dass mir sofort klar ist, dass er etwas im Schilde führt.

„Ach nur so", antworte ich ausweichend.

Ich will ihm den Spaß nicht verderben. Offenbar weiß er, wem das Auto gehört und will mir wohl eine Person vorstellen, die für ihn wichtig ist. So gut kennen wir uns dann auch wieder nicht, dass ich alle seine Freunde oder Verwandten schon kenne. Umgekehrt ist es ja ähnlich. Ich tippe aber darauf, dass es der Geschäftsführer im Betrieb seiner Eltern ist.

„Hallo Amy", ruft Katia, als wir das Haus betreten.

Auch sie legt ein sonderbares Verhalten an den Tag. Das bestätigt meinen Eindruck, dass ich überrascht werden soll.

„Hallo Katia", grüße auch ich. Dabei spiele ich die Ahnungslose. „Wie lange dauert es noch bis zum Abendessen?"

„Ihr könnt Euch an den Tisch setzen. Ich bin bereit."

„Schaffe ich es noch, mir die Hände zu waschen?"

„Natürlich", grinst sie. „Aber mach schnell!"

Ich eile ins Tages-WC, wasche meine Hände und gehe ins Esszimmer. Ich hätte erwartet, dass der Überraschungsgast schon am Tisch sitzt. Aber das ist nicht der Fall. Es ist alles, wie immer. Also setze ich mich brav an meinen Platz und warte.

Katia serviert die Vorspeise und wir essen sie. Michael ist heute nicht mit dabei, weil er länger arbeiten muss. Doch Katia sitzt mit uns am Tisch und wir unterhalten uns über belanglose Dinge. Es folgt die Hauptspeise und noch immer geschieht nichts Ungewöhnliches. Ich habe keine Ahnung, warum mir die beiden den Gast so lange vorenthalten. Aber ich spiele mit.

Als die Nachspeise an der Reihe ist, kommt Katia mit drei Teller, die mit einer Metallglocke abgedeckt sind. Sie stellt die Teller ab und wirft Fred einen fragenden Blick zu. Dieser nickt. Was haben die beiden nur?

Die beiden wirken angespannt und ich verstehe nicht warum. Haben sie meine Lieblingsnachspeise herausgefunden? Ich staune dann allerdings nicht schlecht, als Katia die Glocke vom Teller nimmt und darunter statt eines Desserts ein Autoschlüssel liegt. Ich schaue die beiden an. Sie grinsen von einem Ohr zum anderen und schauen mich voller Erwartung an.