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Omas Familiengeschichten Teil 02

Geschichte Info
Teil 2 1900-1925.
5.3k Wörter
4.49
27.5k
1

Teil 2 der 5 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 05/08/2019
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© 2018 - 2019 by bumsfidel

2) 1900-1925

Bitte zuvor Teil 1 lesen, da die Geschichten aufeinander aufbauen.

"Wie viele Kinder hatte Alwine?", wollte Petra wissen, als Oma in ihren Erzählungen stockte.

"Sieben. Meine Großmutter war ihr erstes, dann folgten zwei Fehlgeburten. Bei der Geburt des siebten Kindes ist sie dann gestorben. 1913 mit 32 Jahren."

"Das war verdammt früh", resümierte Balduin erschrocken.

"Das kann man wohl sagen. Sie hat außer dauernder Schwangerschaften nicht viel vom Leben gehabt."

"Dann war dieser Merten ihr einziger Mann, mit dem sie jemals geschlafen hat?", wollte Deda wissen. "Das würde mir nie passieren!"

"Na ja, so ganz richtig ist das ja auch nicht", gab Oma Anna zu. "Ach was soll es, sie ist lange tot, da kann ich das Geheimnis ja wohl verraten."

"Welches Geheimnis?"

"Sie hatte noch ein zweites Tagebuch. Eins ab 1910."

"Da war sie schon 10 Jahre verheiratet", rechnete Petra nach. "Was soll denn da so geheimnisvolles noch kommen?"

"Ich sage mal so: Erst hatten sie kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu. Merten wollte das große Geld machen und fing eine Arbeit in der Stadt an. Sie zogen mit den drei überlebenden Kindern in eine kleine Wohnung, die üblichen zwei Zimmer mit Toilette im Treppenhaus."

"Im Treppenhaus?", warf Deda zweifelnd ein. "Die haben ins Treppenhaus gepinkelt?"

"Petra, erkläre ihr das bei Gelegenheit. Ich hab keine Lust dazu", seufzte Oma Anna. "Merten hatte sich schlicht verrechnet. Sein Einkommen war zwar höher, als auf dem Land, aber seine Ausgaben ebenso. Puffbesuche konnte er sich getrost abschminken, das Geld reichte mal gerade für die Miete und billiges Essen. Mit der Zeit wurde ihre Lage immer beschissener. Durch die Industrialisierung drängten immer mehr Arbeiter in die Stadt, die Löhne fielen und die Mieten stiegen, da Wohnraum immer knapper wurde. Schließlich kamen sie auf die Idee Kostgänger aufzunehmen."

"Was ist das denn schon wieder?", wollte Deda wissen.

"Der Vorläufer des Pizzaboten", vermutete Balduin. "Das sagt doch schon der Name."

"Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Klappe halten", zitierte Oma. "Also Kostgänger sind Arbeiter, die sich mit dem Mieter das Bett teilten. Wenn der eine auf Schicht war, benutzte ein anderer sein Bett und zahlte dafür. So hatten alle etwas davon."

"So eine Art Untermieter also?", fragte Petra, die sich auch noch nie mit den Problemen der damaligen Zeit beschäftigt hatte.

"In etwa", schränkte Oma Anna. "Ein Untermieter hat in der Regel ein eigenes Zimmer, ein Kostgänger hat nichts Eigenes. Er zahlt für das Bett und wenn er Glück hat, bekommt er auch etwas zu essen."

"Und dafür bezahlt er dann extra", vermutete Petra.

"Ja", bestätigte Anna. "Das nennt sich dann Unterkunft plus."

"Klingt logisch", meldete sich Balduin.

"Aber es gab auch noch Unterkunft plus plus", ergänzte Oma rätselhaft.

"Was soll das denn sein? Doppelter Hamburger für die Verfressenen?"

"Nicht ganz", schmunzelte Oma, "bei Unterkunft plus plus lag die Hausfrau noch im Bett."

Drei ungläubige Augenpaare starrten sie an.

"Wie hat sie denn das Frühstück gemacht?", fragte Deda als erste. "Vom Bett aus? So klein war die Wohnung?"

"Nicht so klein. So kalt. Jemand musste das Bett warmhalten", vermutete Balduin, doch nur Petra war vermutlich auf der richtigen Spur.

"Das hätte ich Alwine jetzt nicht zugetraut", murmelte sie.

"Doch, genau so war es. Wenn morgens Merten aus dem Haus war und die Kinder in der Schule, verdiente sie sich ein paar Groschen extra. Alwine fickte mit wenigstens einem der Kostgänger und sie hatte keine Ahnung von wem ihre letzten beiden Blagen waren."

"Das glaube ich nicht", schüttelte Balduin den Kopf.

"Warum nicht? Meinst Du etwa, weil Du noch Jungfrau bist, waren Deine Vorfahren ebenso brav?", lästerte Petra.

"Ich bin keine Jungfrau", behauptete Balduin prompt.

"Sich selbst am Schwanz spielen zählt nicht", mischte sich Deda ein.

"Trotzdem", beharrte Balduin auf seinem Standpunkt. "Sie hatte fünf Kinder, wie soll das gehen?"

"Was hat das damit zu tun?", wunderte sich Anna. "Zwei der fünf waren nicht mehr am Leben, die anderen drei nicht zu Hause. Alwine war gerade Ende zwanzig, in den besten Jahren. Hier ist ein Foto von ihr, da sieht sie doch noch ganz attraktiv aus."

Anna zeigte ein vergilbtes Schwarzweißbild herum, das eine etwas verhärmte Frau zeigte. Haar und Kleiderfarbe schienen dunkel zu sein, aber das war schwer zu entscheiden. Besser zu erkennen war das schmale Gesicht und die streng nach hinten gekämmten Haare. Auf dem Bild war sie recht schlank, also war es irgendwann zwischen den Schwangerschaften aufgenommen worden.

"Da legt sich doch kein Mann drauf", rief Balduin verächtlich. "Eine magere Vogelscheuche, die aussieht, als würde sie jeden Moment kleine Kinder verprügeln."

"Du vergisst, dass alle Frauen damals so aussahen", wies Oma ihn zurecht. "Alwine war zwar nicht die hübscheste unter der Sonne, aber hässlich war sie mit Sicherheit auch nicht."

"Trotzdem", schien Balduins Lieblingswort zu werden, "ich glaube das nicht."

"Dann lese ich einfach mal vor, ja?", schlug Anna vor.

Sie griff eine recht schmale Kladde, schlug sie auf, hielt sie sich dicht vor die Augen und begann mühsam zu lesen.

'Es wird immer schwerer. Brot ist schon wieder teurer geworden. Butter kaufe ich schon keine mehr. - Die Marmelade schimmelt. Hat die Zuckerration doch nicht gereicht. - Ab sofort gibt es nur noch Brot vom Vortag, das kostet nur die Hälfte. - Die Milch müssen sich die Kinder jetzt teilen. - Die Schnapsdrossel von Gegenüber hat jetzt einen Kostgänger. Wenn das mal gut geht.'

Oma überschlug ein paar Seiten, dann setzte sie wieder ein.

'Merten hat endlich zugestimmt. Morgen stellt sich Robert vor, ein Schichtkollege. - Was für ein dürrer Hänfling! Merten ist ja schon dünn geworden, aber dem kann man ja das Ave Maria durch die Rippen blasen. - Er schläft und ich soll still sein! Der erste Krach ist da. - Wir haben uns vertragen. Wenn er jetzt noch über mein Essen gemeckert hätte, wäre er draußen gewesen. - Badetag. Ich hab nicht aufgepasst und ihn nackt in der Schüssel stehen sehen. Nicht viel los bei ihm da unten.'

Erneut blätterte Anna einige Seiten weiter.

'Wieder Badetag. Inzwischen sind wir vertraut miteinander und ich wasche ihm den Rücken. Das Ding zwischen seinen Beinen erwacht zum Leben, aber da muss er selbst mit klar kommen. - Ich muss immer wieder an seinen Penis denken. Ausgefahren ist da mehr als ich dachte. - Merten könnte auch mal wieder mit mir schlafen. In letzter Zeit ist er nur noch müde. - Robert hat mich umarmt und versucht mich zu küssen. Hab ihm eine geknallt. - Was bildet der sich ein? Versucht es schon wieder. Werde wohl mit meinem Mann reden müssen. Obwohl, schade wäre es nicht nur um das Geld. Robert ist nett und wer weiß, wen wir stattdessen bekommen. - Er küsst gut, aber diesmal ging er wirklich zu weit. - Ich hab ihn gefragt, was er von mir will und das hat er wohl falsch verstanden. Robert bot mir eine Mark, wenn ich nett zu ihm bin. Hab ihm wieder eine geklebt, bin doch nicht so eine. - Verdammt! Eine Mark, das ist eine Menge Geld. Woher hat der die bloß? - Hab mir das Geld zeigen lassen und ihn geküsst. Nur so, als Entschuldigung für die falsche Verdächtigung. - Heute waren alle kaum aus dem Haus, da hat er mir an die Brust gefasst. Ich wollte ihm eine scheuern, aber er hat meine Hände festgehalten und mich wieder geküsst. Er hat sich an mich gedrängt und ich hab sein Rohr am Unterleib gespürt. Das war zu viel. Mir war plötzlich heiß, ich zitterte am ganzen Körper. Ich bin in die Knie gegangen und hab mir seinen Schwanz in den Mund gestopft. Nach drei Sekunden ist er gekommen. Ich konnte gar nicht so schnell schlucken, wie es ihm kam und hab mir meinen Kittel total eingesaut. Also auch noch Waschtag heute! - Heute bekam ich den Schreck meines Lebens. Robert zog mich zum Bett, kniete sich zwischen meine Beine und schleckte durch meine Pussy. Ich hab versucht ihn da wegzukriegen, schließlich gehört sich das nicht, aber er hat nicht nachgelassen. Ich bin gekommen wie nie zuvor. - Schon wieder. Das letzte Mal ist gerade zwei Tage her und er wollte schon wieder. Diesmal haben wir richtig gefickt. Er ist zwar nicht der größte, aber ein guter Rammler. Hatte schon wieder einen Orgasmus. - Wir müssen vorsichtiger sein, Merten scheint etwas zu merken. - Was für ein Glück. Mein Mann ist eifersüchtig und besorgt es mir mal wieder ordentlich. Vielleicht sollte ich die beiden mal zusammen drüber lassen, haha.'

"Na, glaubst Du mir jetzt?", wandte sich Oma an Balduin.

"Muss ich ja wohl", brummte der. "So ein Luder."

"Also eine Frau, die in ihrem ganzen Leben mal gerade zwei Männer hatte, würde ich nicht als Luder bezeichnen", wies Petra ihn zurecht. "Außerdem hat sie da ja nicht mehr lange gelebt."

"Drei Jahre ungefähr", rechnete Oma nach.

"Hat Merten danach wieder geheiratet?", wollte Deda wissen.

"Nein, dazu blieb ihm keine Zeit. Er hat nur wenige Tage des Ersten Weltkrieges überlebt."

"Scheiße", meldete sich Petra voller Inbrunst. "Dann ist Deine Großmutter mit 13 oder 14 Vollwaise geworden?"

"Ja. Weil Krieg war, wollte sich auch niemand aus der Verwandtschaft um sie kümmern und sie kam ins Heim."

"Wie hieß sie überhaupt?", wollte Balduin wissen.

"Elisabeth. Aber sie wurde nur Betty gerufen."

"Was steht denn in ihrem Tagebuch?"

Petra griff nach der nächsten Kladde, aber Oma Anna winkte ab.

"Lass liegen. Das ist so nicht zu verstehen. Ich habe lange gebraucht, bis ich dahinter gekommen bin, was sie da niedergeschrieben hat."

"Wieso? Konnte sie kein Deutsch?", fragte Deda ratlos.

"Besser als Du", wurde sie angepflaumt. "Nein, überlegt mal. Vielleicht kommt Ihr ja selbst darauf. Ich gebe Euch einen Tipp. Sie kam 1914 in ein Mädchenheim."

"Mmmh", überlegte Petra laut, "also mit 14. Beginnende Pubertät."

"Schon ganz gut. Was denkst Du, wie alt die anderen Mädchen waren?"

"Auch in dem Alter. Sie werden je nach Jahrgang Gruppen zusammengestellt haben."

"Stimmt. Die in Bettys Klasse waren zwischen 14 und 16."

"Und keine Jungs?", hakte Balduin nach.

"Keine Jungs. Ausschließlich Mädels."

"Ach Du meine Güte", platzte Deda heraus. "Unsere Ur-ur-irgendwas war lesbisch."

"Das war sie mit Sicherheit nicht", korrigierte Oma. "Sie war halt nur mit Mädchen zusammen, als sie ihre ersten Erfahrungen machte."

"Aber woher willst Du das so genau wissen?", fragte Petra misstrauisch.

"Ihr Tagebuch. Sie schrieb dauernd von Blüten, die sie gepflückt hat, von Hügeln, auf die sie geklettert ist oder von einem Baum der Erkenntnis, den sie erklommen hat. Sie hat jede einzelne Freundschaft genau dokumentiert, aber so, dass die Oberin nichts merkte."

"Das verstehe ich nicht", gab Deda zu.

"Es ist ganz einfach, wenn man den Code kennt", ließ Anna wissen. "Irgendwann merkte ich, dass sich bestimmte Wörter ersetzen lassen. Gepflückte Blüten sind eine neue Freundin, die Hügel sind Brüste oder Hintern, die sie gestreichelt hat und der Baum der Erkenntnis ihr erster ..."

"Mann", warf Balduin stolz ein.

"Und woher soll der kommen, Du Troll?", fragte Petra sarkastisch. "Vermutlich hatte sie ihren ersten ..."

"Raffiniert", mischte sich Deda bewundernd ein, als sie glaubte, verstanden zu haben.

Jetzt war es an Balduin, sich ratlos umzuschauen. Was denn nun? Wenn kein Kerl da war, was hatte sie dann? Blieb ja eigentlich nur noch Orgasmus. Doch bei drei Weibern um sich herum traute er sich nicht nachzufragen. Stattdessen fiel ihm etwas anderes auf.

"Sie kann ja gar nicht lesbisch gewesen sein", verkündete er. "Woher wäre sonst Omas Mutter gekommen?"

"Noch nie etwas vom Storch gehört?", warf Oma listig ein.

"Aber das ist doch Unsinn", meldete sich Deda, "der Storch bringt keine Kinder. Das weiß ja sogar ich."

"Unserer schon. Jacque Cigogne, geboren 1898 in Avignon, eines der wenigen Kriegskinder, die nicht in Verdun und anderswo umgekommen sind."

"Cigogne?", sinnierte Petra. "Das bedeutet doch Storch auf Französisch, oder? Deine Oma hat mit einem Franzmann rumgemacht? Im Krieg?"

"Nicht im Krieg, das wäre nicht gut gegangen. Nein, weit danach. Schau mal, das Leben war damals nicht so einfach. Elisabeth war gerade 18 geworden, als der Erste Weltkrieg zu Ende ging. Deutschland hatte kaum etwas abgekriegt, jedenfalls da wo sie wohnte gab es keine Zerstörungen. Aber es gab auch nichts zu essen und keine Männer. Viele waren im Krieg umgekommen und die wenigen, die übrig blieben schwer verwundet oder zu alt für Betty. Über Jahre hat sie ihr Tagebuch mit verzweifelten Berichten gefüllt, mit denen ich Euch jetzt hier nicht langweilen will. Dann hatte es sie an den Rhein verschlagen, genauer gesagt in eine Stadt namens Neuss. Von dort gab es eine Brücke hinüber nach Düsseldorf, wo angeblich der Bär steppte. Dort gab es Kinos, Theater, Bars und Kneipen in Hülle und Fülle, wesentlich mehr und freizügiger als im bäuerlichen Neuss."

Interessiert hörten die drei zu. In ihren Köpfen tauchten Bilder von Sodom und Gomorrha auf, doch davon war Düsseldorf weit entfernt, auch wenn es hier viel mehr Liebesdienerinnen gab als in anderen Stätten. Die Arbeitslosigkeit war hoch und selbst einige der wenigen Männer verdingten sich als Gigolos. In diesem Sumpf aus Armut, Hoffnungslosigkeit und wenig, häufig illegalem, Reichtum hatte Betty zusammen mit einer Freundin die Idee sich in einer Bar aushalten zu lassen. Sich mal so richtig zu betrinken und notfalls auch vögeln zu lassen. Doch sie kam nur bis zur Oberkasseler Brücke, dort hielten junge französische Soldaten sie auf und forderten den damals üblichen Brückenzoll.

"Nun sollte man wissen", flocht Oma Anna ein wenig Geschichtsunterricht ein, "die Deutschen glaubten damals nicht an den verlorenen Krieg. Noch einen Monat vor Kriegsende hatte man ihnen versichert, die nächste Schlacht würde den Sieg bringen. Doch dann kam die Schmach mit dem Vertrag von Versailles, die unmöglich aufzubringenden Reparationsforderungen und schließlich die Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen, die ihr Geld haben wollten. In die Tagespolitik mischten sie sich nicht ein, trotzdem waren sie nicht gerade gern gesehene Gäste. (Anmerkung des Autors: Internet-Quelle Stadtarchiv Düsseldorf, Stadtchronik)"

"Verdammte Besatzungsmacht", fluchte Betty, "stehlen uns unsere letzten Groschen."

Sie rechnete nicht damit, dass einer der Männer sie verstehen würde.

"Hättet halt den Krieg nicht verlieren dürfen", erwiderte einer nicht unfreundlich.

Jacques war zwar in Avignon geboren worden, aber das war Zufall. Eigentlich kamen seine Eltern aus der Grenzregion und er sprach Deutsch ebenso gut wie seine Muttersprache. Er stammte aus einer Bauernfamilie und hatte gerade ein mehrere Kilos schweres Paket erhalten. Schinken, Wurst, Käse, Rotwein, alles Sachen, die Jacques unmöglich selbst verzehren konnte und die er daher gewinnbringend einzusetzen gedachte. Sein ursprünglicher Plan war gewesen, einen Großteil gegen Zigaretten zu tauschen und diese wiederum gegen ein Motorrad. Doch jetzt standen da zwei junge hübsche Mädels vor ihm und sein Kopf hegte plötzlich ganz andere Gedanken, zumal er seit Monaten keine Frau mehr gehabt hatte. Gut, viel zu sehen gab es nicht, war es doch Herbst und die Kleidung entsprechend. Beide Frauen trugen schwarze Halbschuhe, vermutlich dünne Strümpfe und einen knöchellangen Rock. Ob Pulli oder Bluse konnte er nicht erkennen, dies wurde durch ein Jäckchen verdeckt, das bis über den Hintern reichte. Die aparten netten Gesichter der beiden wurden durch ein schief sitzendes Hütchen auf den modisch kurzen Haaren gekrönt. Die eine mit dem vorlauten Mundwerk machte ein betroffenes Gesicht, während die andere vor Lachen die Hand vor ihren Mund hielt.

"Kein Grund uns bis aufs Blut auszusaugen", fand Betty ihre Sprache wieder.

So leicht wollte sie sich nicht geschlagen geben. Nicht diesem Schneckenfresser. Und wenn er noch so gut aussah in seiner dämlichen Uniform.

"Was haltet Ihr von ein bisschen Wiedergutmachung?", ließ sich Jacques nicht irritieren.

"Du kannst mich mal", pflaumte Betty prompt, doch ihr Gegenüber lachte nur.

"So meinte ich das nicht. Ich hab da was zu essen und zu trinken, für mich alleine viel zu viel. Wollt Ihr mir nicht helfen?"

Betty wollte schon schroff ablehnen, doch ihrer Freundin Frida knurrte prompt der Magen.

"Äh, ja, gern", begann sie strahlend, erntete aber einen heftigen Rippenstoß von Betty.

"Sag mal, bist Du bescheuert?", rief sie wütend. "Der will uns doch nur an die Wäsche. Und anschließend bist Du schwanger und schiebst erst recht Kohldampf."

Doch Jacques wusste, wie man sich zierende Frauen behandeln musste.

"Nein, nein, keine Sorge. Ich will wirklich nichts von Euch. Nur einen netten Abend. Schaut mal, in einer Stunde ist Wachablösung, da hätte ich Zeit. Ich will Euch auch nirgends hinführen, wo ich über Euch herfallen kann. Hier unter der Brücke ist eine schöne Wiese, direkt am Wasser, so richtig romantisch. Da seit Ihr völlig sicher. Und ich habe Käse, so richtig leckeren französischen, einen deftigen Schinken, ein paar Salami. Und Rotwein, jede Menge Rotwein. Ihr mögt doch Rotwein? So ein französischer ist der beste auf der ganzen Welt."

"Nun komm schon", bedrängte daraufhin Frida ihre Freundin, "was soll schon passieren?"

"Wir sind wirklich alleine?", fragte Betty skeptisch, "keine Kompanie Franzosen, die uns folgt und vergewaltigt?"

"Nein, nein, nur wir drei", versicherte Jacques, dem wirklich nichts daran lag die beiden Früchtchen mit seinen Kameraden zu teilen.

"Na gut", gab Betty nach, "aber eine Anzahlung verlange ich. Woher soll ich wissen, ob Du nicht Unsinn erzählst? Eine Flasche Wein und eine Wurst sofort. Dann warten wir unten auf Dich."

Bewundernd sah Frida sie an. Soviel Umsicht hätte sie Betty gar nicht zugetraut. Doch dann bekam sie Angst, dass der Franzose sich nicht darauf einlassen würde. Aber Jacques lachte nur gutmütig.

"Den Wein könnt Ihr gerne habe. Mit dem Essen warten wir besser noch etwas, bevor Ihr beide auf dumme Gedanken kommt und mit Eurer Beute abzieht."

"Wenn Du glaubst, Du kannst uns betrunken machen und hast dann leichtes Spiel mit uns - vergiss es", erwiderte Betty. "Zu zweit werden wir allemal mit Dir fertig."

"Was die deutschen Fräuleins immer nur denken", schmunzelte ihr Gegenüber. "Mein Vater hat mich schon gewarnt. Immer nur das eine im Kopf."

Jetzt wurde Betty doch rot und Frida lachte. Der Typ gefiel ihr immer besser, erst recht, als er in sein Wachhäuschen ging und tatsächlich mit einer schon entkorkten Flasche Bordeaux wieder auftauchte. Ein paar Schlucke fehlten, offensichtlich hatten es die Kameraden mit ihren Dienstpflichten nicht allzu genau genommen.

"Du hast die Sachen da drin?", fragte Betty ungläubig.

"Wo sonst? Gut versteckt in Reichweite sind sie besser aufgehoben als irgendwo liegen gelassen und geklaut."

"Auch wieder wahr."

So zogen die beiden recht zuversichtlich ab und kletterten die Böschung hinunter unter die Brücke. Doch es war nicht halb so gemütlich, wie sie gedacht hatten. Unterhalb der Fahrbahn war nichts mehr mit Wiese, statt dessen Kies und Sand. Andererseits wollten sie aber auch nicht auf den Rheinwiesen kampieren, denn das konnte von der Polizei leicht als Herumlungern ausgelegt werden, was hart bestraft wurde.

"Jetzt verstecken wir uns hier wie die Landstreicher", brummte Betty daher unzufrieden.

"Sieh es nicht so eng", gab Frida zurück, "der Typ ist ganz nett, wir haben zu essen und zu trinken und brauchen dafür nicht rüber nach Düsseldorf. Wer weiß, ob wir es da auch so leicht gehabt hätten."

"Du bist eine unverbesserliche Optimistin", erwiderte Betty. "Das Einzige, was mich hier hält, ist die schöne Aussicht auf Düsseldorfs Lichter und auf seine Wurst."

"Wurst oder Würstchen, das ist hier die Frage", lachte Frida.

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