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Out of Africa - Teil 01

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Sie drücke die Hand des jungen Schwarzen noch ein wenig bestimmter, als wollte sie ihm eine Antwort abringen.

"Früher, wenn ich die Farm besucht habe, war Julia auch dir gegenüber nicht so zurückhaltend wie jetzt. Sie ist kaum noch in der Lage, dich anzusehen. Und das, obwohl du sie damals aus ihrer schlimmen Situation befreit hast und bei ihr geblieben bist, bis die Ärzte hier waren. Kannst du dir ihr Verhalten erklären?"

Tayo fing an zu schwitzen. Feine Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn. Musste er der Ma'am die Wahrheit sagen, sollte sie erfahren, was er wirklich dachte? Hatte Julia ihr bereits erzählt, wie er sie angestarrt hatte, als sie nackt und hilflos auf dem Gartentisch lag?

"Ich befürchte, es ist meine Hautfarbe, Ma'am. Wenn sie mich sieht, sieht sie einen Schwarzen, einen, der aussieht wie ihre Vergewaltiger.", erklärte Tayo ausweichend.

Hedwig schüttelte heftig mit dem Kopf.

"Nein, Joseph. Das ist nicht Julia, wie ich sie kenne. Sie neigt nicht zu Verallgemeinerungen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Oder verschweigst du mir noch etwas?"

"Nein ... ich habe Mrs. Julia sofort mit einer Decke verhüllt, als endlich alles vorbei war. Sie hat mir nicht erlaubt, sie anzufassen, deswegen konnte ich nicht mehr für sie tun.

Aber ja ... Vielleicht ... Es ist ... Ich habe ... Ich sollte ...", Tayo begann, hilflos zu stottern.

"Die Gangster wollten ... ich sollte sie auch ... nehmen. Sie lag da ... völlig nackt. Es tut mir leid, dass ich die Ma'am so gesehen habe!"

Seine Stimme zitterte.

Hedwig verstand Tayos ungesagte Worte. Ihr war klar, in welche Gewissensnöte ihn Julias Nacktheit gebracht haben musste. Und dennoch, so schlimm die Situation an diesem Tag gewesen sein musste, sie empfand einen gewissen Respekt vor dem Jungen, der im Rahmen seiner Möglichkeiten schlussendlich alles richtig gemacht hatte und versuchte zu helfen.

"Ist ok, Joseph.", beschwichtigte sie ihn sanft. „Ich danke dir für dein Vertrauen. Und noch einmal: Alles was wir besprochen haben, wird John nicht erfahren. Du kannst jetzt gehen."

"Sharp?", fragte Tayo in der Tradition der Schwarzen, um sich der Ernsthaftigkeit des gegebenen Versprechens zu versichern.

"Sharp Sharp!", bestätigte Hedwig mit fester Stimme und ebensolchem Händedruck.

Als Julia etwa eine Stunde später ihr Zimmer verließ und sich zu ihrer Tante auf die Veranda setzte, überlegte Hedwig lange, wie sie ein klärendes Gespräch mit ihrer Nichte beginnen sollte. Es war ihr trotz aller Lebenserfahrung nicht wirklich klar, wie sie Julia helfen konnte, den von John begangenen Vertrauensbruch zu verarbeiten.

Die alte Dame kannte die Gegebenheiten in Südafrika gut genug, um sich darüber im Klaren zu sein, dass während des Überfalls nichts und niemand Julia hätte helfen können.

So unschön diese Wahrheit auch sein mochte, so enttäuscht sie über Johns Verhalten auch war, betrachtete man alle Details völlig emotionslos, kam auch Hedwig zu dem bitteren Schluss, dass John keine bessere Optionen gehabt hatte, als sein verbissenes Schweigen.

"Meine Liebe, wie fühlst du dich jetzt? Hast du ein wenig schlafen können?", fragte Hedwig sanft und vorsichtig.

"Danke, Tantchen, es geht mir viel besser. Das Ruhen hat geholfen."

"Hat John sich bei dir gemeldet?"

"Nein, das tut er schon lange nicht mehr.", entgegnete Julia mit Bitterkeit in der Stimme. „Ich gehe davon aus, dass er erst morgen früh wieder nach Hause kommt und ich nichts von ihm höre, solange keine unerwartete Situation eintritt."

"Es ist traurig, euch beide derart emotionslos zu sehen. Bei meinem letzten Besuch hier wart ihr ein verliebtes Paar, das einander den ganzen Tag nicht aus den Augen gelassen hat."

"Ich weiß, Hedwig. Aber das ist lange her. Es ist viel passiert seither, vielleicht zu viel."

"Darf ich dich ganz deutlich etwas fragen?"

Julia seufzte. So sehr sie Hedwigs offene Art mochte, begann die alte Dame auf diese Weise zu reden, wusste sie, dass es unangenehm werden konnte.

"Wenn es sein muss. Bitte frag!"

"Liebst du John noch?"

Hedwig hatte ihren Sessel jetzt so gedreht, dass sie ihrer Nichte forschend ins Gesicht schauen konnte.

Julias Kinn begann zu zittern. Tränen sammelten sich in ihren großen grünen Augen.

"Hedwig, du weißt, dass es mich quält, über meine Ehe zu reden.", vermied sie eine direkte Antworte.

"Julia, wenn du dein seelisches Leid bekämpfen willst, musst du dich der Wahrheit stellen!", beharrte Hedwig auf eine Aussage. „Es liegt mir fern, dir weh zu tun, aber dir muss geholfen werden."

Jetzt liefen die Tränen offen und unverhohlen über Julias Gesicht.

"Ich verachte John. Da gibt es keine guten Gefühle mehr in mir, seit ich auf diesem verdammten Tisch gefesselt war und mein eigener Mann geschwiegen hat, statt mit allen Mitteln zu versuchen, um mich zu beschützen.

Tante Hedwig, Ich bin nicht blöd!

Südafrika ist meine Heimat, ich bin hier aufgewachsen und kenne kaum etwas anderes.

Mir ist klar, dass die verdammten Schweine mich trotzdem vergewaltigt hätten, selbst wenn John die Safekombination genannt hätte. Aber es fehlt einfach dieses Gefühl in mir."

"Welches Gefühl?", hinterfragte Hedwig vorsichtig.

Julia stockte. Genau genommen war sie sich darüber selbst nicht im Klaren.

"Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Es ist so ... diffus ... irgendwie schemenhaft.

Ich versuche es mal so: John ist ein starker Mann, früher gab es keinen Pup in Leeudoringstad, aus dem er nicht wegen einer Prügelei geflogen wäre. Er ist ein Herrscher, nicht nur über die Farm und die Tiere. Was meinst du, warum ihn die Kaffer noch immer mit ‚Master' ansprechen? Und er herrscht auch über mich, besitzt mich. Aber wenn ich schon sein Eigentum bin und wie solches behandelt werde, dann will ich eine gewisse Sicherheit, einen Wert -- meinen Wert - spüren! Selbst wenn er nur eine trügerische Illusion ist!"

Julia weinte jetzt hemmungslos.

Endlich brachen die Krusten auf, welche bisher ihre Seele einmauerten.

"Meinst du, mein Mann hätte mich seit diesem unseligen Sonntag nur ein einziges Mal geküsst? Berührt? Wenigstens nur angesehen? Wir schlafen in getrennten Zimmern, kein gemeinsames Bett gibt es mehr, keine Intimität! Hedwig, ich würde alles dafür geben, mich wieder als Frau zu fühlen, meinen Körper wieder zu spüren und anzunehmen. Aber wie soll mir das gelingen, wenn mein eigener Mann mich nur noch verachtet!"

Die alte Dame war aufgestanden. Gütig und beschützend legte sie ihren Arm um Julia und drückte sie fest an sich.

"Ich verstehe!", murmelte sie. "Und du meinst tatsächlich, John verachtet dich, weil Schwarze dich vergewaltigt haben?"

"Ja was glaubst du denn?", brauste Julia jetzt verzweifelt auf. „Ich kenne die Reden der rechten Ultras vom AWB. Die haben nichts in ihrem Ku Klux Klan-Denken geändert, in den letzten 20 Jahren! Jede Frau, die von einem Schwarzen nur angefasst wurde, ist für die eine Niggerhure! Ein Nichts! Unwert, nur zur Kenntnis genommen zu werden! Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass John nicht über eine Scheidung nachdenkt oder verlangt, dass ich die Farm verlassen soll."

In Hedwigs Gesicht spiegelte sich jetzt Fassungslosigkeit wieder.

"Julia, sagst du mir gerade, dass John noch immer Mitglied bei diesen Irren ist?"

"Aber natürlich! Hedwig, wir leben auf Droekraal, in Leeudoringstad! Hier ist alles, wie es schon immer war. John könnte doch kein Tier mehr verkaufen, würde er versuchen, aus den alten Traditionen auszubrechen. Und er will es auch gar nicht!

Johannesburg, ja, natürlich. Auch Kapstadt oder Port Elisabeth. Da leben sie die neue Offenheit, die Freiheit, die Demokratie, die Liberalität. Aber doch nicht hier - in der Provinz!"

Hedwig setzte sich wieder. Diese Nachricht musste sie erst verdauen.

"Und du bist sicher, dass du bei ihm bleiben willst? Ich meine ... Ehe hin oder her, Eigentum, Besitz. Am Ende bist du eine selbstständige, erwachsene Frau."

Julia seufzte gequält auf.

"Natürlich bin ich erwachsen. Aber selbstständig? Du weißt, ich habe John sofort nach der Schule geheiratet. Ich kenne kaum etwas anderes als die Farm, kann nichts weiter, als kochen, backen, nähen und das Haus führen. Wenn wir Kinder hätten, sähe die Welt vielleicht anders aus. Aber so? Wo soll ich hin? Was tun? Du kennst dieses Land gut genug, um zu wissen, dass es kein soziales Netz gibt, was mich unterstützen würde, wenn ich von ihm wegginge. Es ist aussichtslos. Ich weiß im Moment nicht weiter!"

Hedwig schwieg.

Ihre Gedanken und Gefühle fuhren Achterbahn.

Sie wusste, Julia hatte Recht, mit dem was sie sagte.

Aber wie konnte sie helfen? Was raten?

Zwischen den beiden Frauen entstand eine fast unangenehme Stille, die erst unterbrochen wurde, als Tayo erneut auf die Veranda trat und auch Julia nach ihren Wünschen fragte.

Verlegen blickte der junge Schwarze dabei zu Boden. Er hatte das Gefühl, Hedwig konnte direkt in seinen Kopf, in die Tiefe seiner geheimsten Gedanken schauen.

Julia bat um eisgekühlte Zitronenlimonade. Auch sie brachte ihren Wunsch mit niedergeschlagenen Augen vor.

Als ein großes Glas davon vor ihr auf dem Tisch stand, war sie froh, dass Hedwig erneut das Wort an sie richtete:

"Julia, ich will nicht vom Thema ablenken.", begann die alte Dame mit Bedacht. „Mir ist in der letzten halben Stunde vieles klar geworden, dass ich als europäische Frau in dieser Form nicht kenne. Eine solche Abhängigkeit, wie du sie mir schilderst, wäre für mich unvorstellbar. Aber anyway ... darum geht es nicht.

Ich muss leider zugeben, dass ich mit meinen Ratschlägen am Ende bin, weil es dir tatsächlich irgendwie gelingen muss, aus der Situation, wie sie derzeit hier ist, das Beste zu machen. Rein intuitiv würde ich dir dazu raten, etwas zu suchen, ein Hobby, eine Freizeitgestaltung, die dich ablenkt, ein wenig Freude in dein Leben bringt. Hast du dein Boerpferd noch? Reitest du noch immer so gern wie früher?"

Julia nickte voller Freude.

"Ja, Melodie geht es gut, so oft ich kann, bin ich mit ihr unterwegs!"

"Hast du schon mal daran gedacht, eine Zucht zu beginnen? Ich meine, die Ställe, der Platz, die Helfer dafür sind da. Du hast die nötige Zeit, die Kenntnisse kannst du dir aneignen.", schlug Hedwig hoffnungsvoll vor.

Aber Julia schüttelte entschieden mit dem Kopf.

"Das würde John nie erlauben! Ich muss schon froh sein, wenn er dieses eine Pferd duldet und mir nicht das Reiten verbietet. Du weißt, er hatte lange Jahre starke Schmerzen, nach seinem Reitunfall."

Hedwig nickte wissend.

"Mag sein, aber du bist nicht John. Er sollte wirklich damit aufhören, dir alles in deinem Leben vorzuschreiben! Das ist schwer zu ertragen."

Jetzt musste Julia schmunzeln.

"Es ist für DICH schwer zu ertragen? Du bist goldig, Tante Hedwig!"

Es war der alten Dame nicht unangenehm, dass Julia ihretwegen lachen musste.

Im Gegenteil. Sie hatte noch einen anderen Punkt, über den sie mit ihrer Nichte reden wollte und so kam es ihr recht gelegen, dass die Stimmung für einen Augenblick aufgelockert wurde.

"Julia?", fragte sie jetzt ernst. „Sag mir, warum sprichst auch du über die Afrikaner in so abfälliger Weise?"

Julia stutzte. Eine steile Falte entstand auf ihrer Stirn, wie immer, wenn sie angestrengt über etwas nachdachte.

"Tue ich das? Ich dachte eigentlich immer, ich bin freundlich zu den Leuten."

"Ja, das bist du sicher. Viel freundlicher jedenfalls als John und seinesgleichen. Aber es gibt auch für dich keinen Grund, sie Kaffer zu nennen oder Nigger."

Als Julia schwieg, sprach Hedwig weiter:

"Ein Sklavenhalter sagt gerne: ‚Ich gebe diesen Affen Essen und Trinken. Durch mich haben die erst ein Leben. Wir tun Gutes, damit die Lesen und Schreiben lernen oder zivilisiert werden. Und dennoch können die Schwarzen in ihrem eigenen Land nicht leben, auf Grund der Weißen. Wir sind es, unsere Rasse, die ihnen das Elend erst gebracht haben.

Seit die ersten Siedler am Kap gelandet sind, konnte sich die afrikanische Bevölkerung nicht weiter entwickeln. Sie wurden zu Sklaven, Tagelöhnern, Billiglohnarbeitern.

Ich weiß, viele der Schwarzen sind alkohol- oder drogensüchtig, an Aids erkrankt. Aber verwundert das wirklich? Ihnen wurde systematisch der Sinn des Lebens geraubt. Ihre Familien wurden auseinander gerissen, als man die Männer zwang, jahrelang für einen Hungerlohn in den Mienen der Weißen zu arbeiten, weit weg von ihrem Zuhause.

Ihre Kulturen wurden zerstört, angefangen bei den Missionaren, welche gemeinsam mit den ersten europäischen Siedlern quer über den afrikanischen Kontinent zogen, um das Christentum zu verbreiten.

Es ist für diese bedauernswerten Menschen nahezu unmöglich, aus diesen Teufelskreisen heraus zu kommen."

Julia hatte sich aufmerksam auf Hedwigs Worte konzentriert. Nun trank sie mit Bedacht einen großen Schluck ihrer Limonade und antwortete dann:

"Tante, ich gebe dir Recht, in Afrika ist viel Unrecht geschehen. Die Weißen haben viel Schuld auf sich geladen und tun es bis heute, allein durch die Ausbeutung der Bodenschätze und den Waffenlieferungen, die nur Diktatoren und deren Grausamkeiten unterstützen.

Aber stell dir doch mal vor, was geschehen würde, wenn von heute auf morgen alle Weißen das Land verlassen würden. Südafrika würde es noch dreckiger gehen, als es jetzt schon der Fall ist.

Bereits heute ist die Nahrungsmittelproduktion stark reduziert, nachdem ein Drittel der weißen Farmer von ihren Plantagen verjagt oder getötet wurden.

Du kennst noch die Worte unserer Vorfahren, die hier angefangen haben, Steppe in fruchtbares Land zu verwandeln: ‚Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot', sagten sie damals!

Man kann nicht ein Unrecht mit einem anderen Unrecht wieder gutmachen.

Die Wunden der Versklavung heilen nicht dadurch, dass Weiße abgeschlachtet oder vergewaltigt werden.

Welchen Ausweg willst du den Buren in Afrika anbieten? Still und leise verrecken? Wo ist da bitte die Humanität, die Gerechtigkeit?"

Hedwig schaute Julia mit liebevollem Blick an. Ihre knorrige alte Hand griff nach Julias Arm und hielt ihn fest.

"Nein, es ist natürliche keine Lösung, sich abschlachten zu lassen, wie Vieh. Aber ich meine, jeder kann in seinem eigenen kleinen Leben ein wenig dazu beitragen, dass die Verständigung zwischen Schwarz und Weiß besser wird. Du kannst Gutes tun, die Menschen versuchen zu begreifen, ihnen im Kleinen helfen.

Schau dir Anna an. Sie arbeitet den ganzen Tag wie ein Pferd. Schweigend putzt und wäscht und kocht sie für euch. Hast du sie jemals gefragt, ob sie ihre Familie vermisst, die sie nur einmal im Jahr sehen kann? Hast du ihr schon einmal Hilfe angeboten, zum Beispiel wenn sie schwer tragen muss? Das wäre ein Anfang, Julia.

Oder Joseph. Hast du ihn jemals gefragt, ob er einen anderen, einen afrikanischen Namen hat? Glaubst du ernsthaft, dass ein Schwarzer aus Simbabwe von seinen Eltern „Joseph" genannt wurde? Die Regierung hat sich während der Apartheid einfach angemaßt, den Leuten neue, englische Namen zu geben. Ist das humanitär? Menschlich?

Hast du mit ihm auch nur einen privaten Satz seit dem Überfall gesprochen? Hast du ihm gesagt, dass du dankbar warst, als er dir eine Decke brachte, um deine Blöße zu verhüllen? Nein? Dann solltest du das tun! Er hätte andere Möglichkeiten an diesem unseligen Tag gehabt. Und er hat von nicht einer einzigen Gebrauch gemacht!"

Julias Gesicht wurde schlagartig von tiefer Röte überzogen.

Sie schluckte schwer, hatte wieder mit den Tränen zu kämpfen.

"Hedwig, glaubst du wirklich, dass es für mich an diesem Tag irgendeine Rolle gespielt hätte, wenn auch er mich noch genommen hätte? Die haben mich einfach kaputt gefickt!

Und Joseph? Was geht es mich an, was für einen Namen ihm seine Mutter in Rhodesien gegeben hat? Die kann doch sowieso niemand aussprechen!"

Hedwig atmete schwer.

"Damals mag Joseph für dich nicht von Belang gewesen sein. Da stimme ich dir zu.", entgegnete sie ruhig. „Aber wie sieht es heute aus? Du schaust den Jungen kaum noch an. Redest nicht mit ihm. Und das, obwohl du, wenn du endlich bereit wärst zu erkennen, was für ein aufrichtiger Mensch Joseph ist, dir darüber klar werden müsstest, dass du hier einen Freund hast. Einen wahren, ehrlichen Freund! Aber genau das erlaubst du dir nicht, weil er schwarz ist, ein Nigger, ein Kaffer! Das ist absurd, meine Liebe. Du bist einsam hier, hast keine Freunde, kaum Bekannte, mal von deiner Kirchengruppe abgesehen. Und Joseph? Er ist täglich hier auf der Farm. Aber du ignorierst ihn, weil er eine andere Hautfarbe hat als du. Weil sein Haar anders wächst als deines, seine Lippen voll und aufgeworfen sind, seine Nase platter und breiter ist, als die eines europäischen Mannes."

Hedwig trank tief atmend einen Schluck Tee. Sie wusste, was sie Julia jetzt sagen würde, könnte in einem Fiasko enden, weil sie Grenzen überschreiten würde. Aber sie musste es tun, wollte und musste es. Auch wenn sie schon über 70 Jahre alt war, blind konnte sie ihre Augen nicht nennen.

"Schau dir seinen Körper an! Joseph ist schön! Sind dir nie diese wunderbaren, schneeweißen Zähne aufgefallen? Nie seine runden Schultern? Die langen, ausgeprägten Muskeln seiner Arme? Der flache Bauch mit dem austrainierten Sixpack? Sein V-Kreuz? Die schmale Taille, der kleine feste Hintern?"

"Tante Hedwig!!!", rief Julia jetzt zornig. Ungehalten war sie von ihrem Sessel aufgesprungen. „Nun ist es genug! Joseph ist unser Gärtner. Er ist ein Schwarzer ... ein Kaff ... ein Schwarzer eben! Erwartest du, dass ich mich ihm an den Hals werfe, weil meine Ehe am Ende ist und er die Güte hatte, mich nicht zu vergewaltigen, als er die Möglichkeit dazu hatte? Du gehst eindeutig zu weit!"

Hedwig trank schweigend einen weiteren Schluck Tee. Dann schaute sie in den gepflegten, üppig blühenden Garten. Sie wollte Julia Gelegenheit geben, ihre Emotionen wieder zu kontrollieren.

"Nein, das erwarte ich natürlich nicht! Ich wollte dir lediglich die Augen öffnen und dich darauf hinweisen, dass dein Leben gar nicht so einsam und trist sein müsste, würdest du erkennen, dass du mit warmherzigen, gütigen Menschen umgeben bist, auch wenn diese eine andere Hautfarbe haben."

"Das habe ich zur Kenntnis genommen. Danke!", rief Julia kalt und verließ ohne ein weiteres Wort die Veranda.

***

Als es Nacht wurde auf Droekraal, hatte John mit seinen beiden Begleitern Christiaan und Arend ein Lager aufschlagen. Die beiden Männer waren seine nächsten Nachbarn. Man teilte sich die Arbeit an den Weidezäunen, aber somit auch die Sorgen wegen des Gepards. Während des Nachmittags hatten sie nach Spuren und Kot der lästigen Großkatze gesucht. John war mit dem Buggy vorausgefahren, während ihm seine Freunde mit den Pferden folgten. Nach Stunden hatten sie am nördlichen Ende der Farm frische Abdrücke im Sand gefunden und ihre Fallen aufgestellt. Sollte der Gepard nicht in einer von ihnen gefangen werden, wollten die drei Männer in den nächsten Tagen mit tödlichen Schüssen ihrer Gewehre einen Schlussstrich ziehen und das Leben dieses Tieres auslöschen.

Nach dem kargen Abendessen, das sich die Drei über dem kleinen Lagerfeuer aufgewärmt hatten, ging eine Flasche selbst gebrannter Hakkiesdraad von Hand zu Hand. Wie viele Buren, liebten auch John und seine Freunde diesen hochprozentigen Mampoer.

John schnaufte abfällig, als er daran dachte, wie Hedwig dieses Wunder aus Amarula-Früchten, Lychee und Ananas, einmal ‚Obstbrand' genannt hatte.

Die Männer genossen für eine Weile schweigend den blutroten Sonnenuntergang, die warme Nacht und den Duft blühender Bäume und Sträucher, welchen ein sanfter Wind zu ihnen wehte. Irgendwo in der Ferne jaulte ein Schakal, Nachtvögel begannen ihr unheimliches Konzert.

"Na, John?", begann Arend irgendwann lallend zu fragen. „Wie geht es bei dir zu Hause? Lässt du Julia noch in dein Bett? Kannst du mit den Niggerschwänzen mithalten, die sie beglückt haben?"