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Paul und seine Gedanken 07-08

Geschichte Info
Ein ganz neuer Anlauf + Auf dem richtigen Weg.
4.4k Wörter
7.5k
2

Teil 5 der 9 teiligen Serie

Aktualisiert 06/11/2023
Erstellt 11/02/2021
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7 Ein ganz neuer Anlauf

Wir setzten uns etwas abseits an ein kleines Zweiertischchen. „Aaach, das ist schön." meinte sie und ließ sich in den Korbsessel fallen. „Dann wollen wir mal schauen, worauf ich Lust habe." Sie nahm die Eiskarte und begann sie zu studieren. Es dauerte nicht lange bis sie sich entschieden hatte. War es ein Zufall, dass ich genau das Gleiche wollte? Genussvoll machten wir uns über den Becher mit viel Amarenakirschen und Sahne her.

„Ob es so leckeres Eis auch auf Kreta gibt?" Sie schaute träumerisch auf die vorbeigehenden Leute.

„Bestimmt. Auf Sizilien vielleicht noch eher. Die Italiener sind ja für ihr Eis berühmt."

„Stimmt." Es entstand eine lange Pause. Plötzlich schaute sie mich ganz intensiv an. „Würdest du das wirklich machen?"

„Was?"

„Na, nach Sizilien reisen."

„Alleine eher nicht. Da könnte ich ja mit niemandem über alles, was ich erlebe, sprechen."

„Hast du niemanden, der mit dir reist?" fragte sie nun sehr direkt.

„Bis jetzt nicht." Ich lächelte sie an. „Aber vielleicht finde ich bald jemanden."

Sie errötete leicht. „Hallo?! Meinst du etwa mich? Wir kennen uns gerade mal eine Woche. Ganz schön riskant, als Frau mit einem Unbekannten in Urlaub zu fahren. Was meinst du auch, was meine Eltern mir erzählen würden?"

Ich nahm ihr kein einziges Wort ab. Nicht mehr, nachdem sie mich heute morgen so sehnsüchtig angeschaut hatte. Aber das konnte ich ihr natürlich nicht einfach so an den Kopf werfen.

„Also, fünf Wochen müssen wir eh noch arbeiten. Die Semesterferien sind drei Monate lang. Zeit genug, um zu sehen, wie riskant es ist, mit mir zu verreisen," gab ich mit einem leicht ironischen Tonfall zurück. Ich musste aber doch ein bisschen dabei lachen, denn für mich war die Sache eigentlich schon klar. Ich fand sie nett, ich fand sie hübsch - was hätte mich noch an einem gemeinsamen Urlaub hindern sollen? Aber andererseits war mir auch klar, dass das für ein Mädel nicht so einfach war. Sie konnte ja nun wirklich nicht wissen, worauf und insbesondere mit wem sie sich da einließ.

„Wir werden sehen." meinte sie. „Als Unhold kann ich mir dich eigentlich nicht vorstellen." An ihren Augen zeigten sich wieder die kleinen Lachfältchen. „Aber im Ernst: bis auf unsere Gespräche im Büro haben wir noch nicht viele Erfahrungen zusammen gemacht, oder?"

Wenn das mal keine Aufforderung war! „Dann wird es höchste Zeit, damit anzufangen. Die erste Enttäuschung hab ich allerdings schon für dich: Ich kann nicht bügeln. Sonst würde ich dir dabei helfen, und deine Mutter wäre auf der Stelle auf meiner Seite."

Sie lachte. „Nee, nee. Lass mal stecken. Meine Garderobe in deinen Händen, hmmm. Am Ende würdest du noch meine Wäsche falten." „Auch nicht uninteressant. Aber langsam, langsam. Wir könnten es vielleicht zuerst mal mit einem Kinobesuch versuchen. Wenn wir uns auf einen Film einigen, wär das schonmal ein Anfang, oder?"

So ging unsere Geplänkel noch eine ganze Weile weiter. Ich war mir inzwischen sehr sicher, dass ich ihr sympathisch war, denn sie hätte niemals so viel Zeit in meine Gesellschaft investiert, wenn es anders gewesen wäre. Ich fand sie jedenfalls - um mal einen Mädchenausdruck zu gebrauchen - süß. Immer mehr verspürte ich das Bedürfnis, ihr einen Kuss zu geben - und dabei dachte ich überhaupt nicht an irgendwelche hocherotischen Zungenküsse. Nein, ich fand sie einfach so knuddelig, dass ich sie schlicht nur umarmen und liebhalten wollte. Aber das zeigte mir, dass ich schon ganz schön heftig auf dem Weg war, mich unsterblich in sie zu verlieben. Wie mochte es ihr gehen?

‚Magst du ihn? Dann zeig ihm das doch irgendwie.'

Sie begann versonnen mit dem Löffelchen im leeren Eisbecher herumzurühren. Dann schaute sie mich ratlos an und lächelte irgendwie verkrampft. „War eine gute Idee mit dem Eis essen. Ich find's richtig schön."

Wow! Da hatte sie sich aber einen heftigen Ruck geben müssen! War sie wirklich so schüchtern? Heute morgen hatte sie gar nicht den Eindruck gemacht, als wir uns so dicht gegenüber saßen. Da wäre es nur ein kleiner Schritt bis zu einem Kuss gewesen, wenn die anderen beiden nicht dabei gewesen wären. Aber hier, wo wir zwar nebeneinander, aber doch in etwas größerer Entfernung saßen, war es wahrscheinlich zu viel verlangt, von ihr ein deutlicheres Zeichen zu erwarten. Ich rückte also mit meinem Stuhl näher an sie heran und legte meine Hand auf ihre. „Ich auch."

Ich musste eine Pause machen, denn mit dem Geständnis, dass ich mich in sie zu verlieben begann, hätte ich sie vielleicht überfordert. So blickte ich zu Boden und überlegte, was ich noch sagen könnte. „Ich unterhalte mich gerne mit dir. Das macht richtig Spaß."

Sie nahm ihre Hand unter der meinen weg, um sie aber im gleichen Moment mit beiden Händen wieder zu ergreifen. Dabei kam sie mir mit ihrem Kopf deutlich näher. Es war wieder so wie heute morgen. Aber jetzt war keine Saskia und kein Roman da. Ich hob den Kopf zu ihr hin. Ihr Mund waren jetzt verführerisch nahe.

Sie kam mir zuvor. Blitzschnell näherten sich ihre Lippen, und ehe ich begriffen hatte, drückte sie mir auch schon einen festen Kuss auf den Mund.

Ein ganzer Schwarm von Schmetterlingen erhob sich in meinem Bauch. Ich konnte nichts sagen, schaute sie nur verliebt an und streichelte mit der Hand über ihr schönes Haar. Dann zog ich sie an mich heran und gab ihr ebenfalls einen leichten Kuss. Sie legte ihren Kopf an meine Brust und wir blieben erst mal ganz still so sitzen. Der Trubel um uns herum war wie ausgelöscht für uns.

Schließlich löste sie sich von mir und schaute mich an. Ihre Wangen waren rot geworden. Sie lächelte. „Es ist so schön." sagte sie leise. Ich nickte nur und streichelte sie wieder. „Ich..." Meine Stimme versagte und ich musste mich erst einmal räuspern. „Ich könnte ewig mit dir hier zusammen sitzen."

Wir schwiegen wieder. Plötzlich musste sie lachen. „Dann krieg ich die Bügelwäsche ja nie weg!"

„Oh je. Und deine Mama wird mich hassen. Das geht nicht!"

„Ich glaube, wir müssen für heute abbrechen." Sie griff nach ihrer Handtasche. „Was kostet dieser Becher?"

„Lass mal. Ich zahle. Das ist das mindeste, was ich als Wiedergutmachung für die Schimpfe deiner Mutter leisten kann."

Wir winkten der Kellnerin, ließen den passenden Geldbetrag auf dem Tisch liegen und machten uns auf den Heimweg. Es war natürlich klar, dass ich sie bis nach Hause begleitete. Hand in Hand saßen wir in der Tram und schauten uns verliebt an. Als wir schließlich ihre Haltestelle erreicht hatten, mussten wir noch ein Stück zu Fuß gehen.

„Wie sollen wir uns eigentlich jetzt auf dem Büro verhalten?" fragte sie. „Die anderen zwei werden ganz schön erstaunt sein."

„Nur für einen Moment, das werden die ganz schnell begreifen. Ich hätte auch absolut keine Lust, wochenlang vor denen Verstecken zu spielen."

„Da hast du recht. Wird bestimmt spannend, wenn sie es merken."

„Ich bin sicher, dass sie es sehr sehr schnell merken werden!"

„Ja? Wie denn?"

Ich blieb stehen, nahm ihren Kopf zwischen meine Hände und drückte ihr einen festen Kuss auf die Lippen. „So."

„Aha. Ich verstehe. Das ist in der Tat eindeutig," meinte sie mit einem Augenzwinkern. „Ich freue mich schon auf den Moment. Nicht nur wegen den verblüfften Gesichtern."

„Sondern auch?"

„Weil ich mich an deine Küsse gewöhnen kann."

Wir erreichten ihr Haus. Um ihren Eltern eine Schocktherapie zu ersparen, blieben wir hinter einer Hecke stehen und küssten uns zum Abschied. Dann streichelte ich ihr noch einmal über ihre Haare. „Tschüss, meine Liebes. Bis morgen."

„Tschüssi. Jetzt freue ich mich so richtig aufs Büro." Sie warf mir noch eine Kusshand zu und ging den Weg zu ihrer Haustür.

Zum ersten Mal seitdem ich damals mit Selina getanzt hatte, fühlte ich mich wieder wie im siebten Himmel.

Lange konnte ich nicht einschlafen. Ich musste immer an Astrid denken. Ich hatte ja nun mit Geraldine, Britta und Selina schon einige Erfahrungen hinter mir, aber sie spielte irgendwie in einer anderen Liga. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihre erste Liebe war, sie war so total schüchtern und zurückhaltend. Alles in so einer Beziehung musste für sie völlig neu sein, bestimmt war sie von all' diesen Gefühlen völlig überwältigt. Gleichzeitig hatte sie sicher ein wenig Angst, was da auf sie zukommen könnte. Vielleicht hatten ihre Eltern sie auch gewarnt, sich nicht vorschnell von irgendeinem Typen zu etwas hinreißen zu lassen, was sie hinterher sehr bereuen würde.

Das alles führte für mich zu dem Schluss, dass ich besser meine sämtlichen Erfahrungen beiseite und mein Liebesleben noch mal ganz von vorne beginnen lassen sollte. Ganz sicher wäre es unverantwortlich und kontraproduktiv, wenn ich sie jetzt hoppla-hopp in die hohe Schule der körperlichen Liebe einführen würde. Ich hatte allerdings auch gar nicht das Bedürfnis danach. Mit ihrer Schüchternheit, ihrer Unerfahrenheit kam sie mir wie eine schöne Blume vor, die man nicht einfach pflücken durfte, sondern hegen und pflegen musste. Ich würde es jetzt niemals übers Herz bringen, sie in irgendeiner Weise zu überfordern. Ich war total verliebt und hatte viel mehr das Bedürfnis sie zu streicheln und ihr ganz harmlose Küsse zu geben als an Sex mit ihr zu denken.

Am liebsten hätte ich die Nacht weggewünscht, es dauerte mir viel zu lange, bis ich sie wiedersah. Aber letztendlich schlief ich dann doch ein.

Mein erster Gedanke am nächsten Morgen war sie und unser erster gemeinsamer „Auftritt" im Büro. Ich hatte schon ein wenig Herzklopfen, als wir uns vor dem Amt begegneten. „Hallo, meine Schöne!" Ich küsste sie auf den Mund.

„Hallo!" Sie schmiegte sich für einen Moment an mich, fasste mich dann aber bei der Hand und zog mich Richtung Eingang. „Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit," meinte sie lächelnd. Aber meine Hand ließ sie auch, als wir die Tür zum Büro öffneten und gemeinsam eintraten, nicht los.

„Guten Morgen!" riefen wir beide fast unisono in den Raum. Es musste wohl für den Morgen eines normalen Arbeitstages etwas zu fröhlich geklungen haben, denn Saskias und Romans Köpfe fuhren abrupt hoch, und zwei Augenpaare blieben in der selben Sekunde an unseren Händen haften.

Schweigen.

Offenbar begriffen sie zwar sofort, wussten aber nicht damit umzugehen.

„Die zwei sind noch müde, scheint mir." Es machte mir richtig Spaß, mich über ihr Erstaunen lustig zu machen.

Saskia reagierte als Erste. „Guten Morgen!" Ihr Blick wanderte zwischen unseren Köpfen und Händen hin und her. „Ich glaub, ich hab da was verpasst, oder?"

Astrid musste lachen. „In gewisser Weise, ja. Wir waren gestern noch zusammen ein Eis essen."

„Und da habt ihr...?" Sie hatte es anscheinend immer noch nicht ganz verarbeitet.

„Ja," meinte Astrid so ganz nebenher. „Wahrscheinlich war in dem Eis irgendwas drin - und zack, hat es uns erwischt."

„Stimmt!" pflichtete ich ihr bei. „Man kann diesen Italienern überhaupt nicht trauen. Die haben ja immer nur ‚amore, amore' im Kopf. Und wir sind jetzt die Opfer."

Roman hatte bis jetzt noch keinen Ton gesagt. Was hätte er auch sagen sollen? ‚Glückwunsch' oder so etwas? Scheinbar ganz konzentriert widmete er sich seiner Sortierarbeit.

„Also irgendwie find ich das süß." Saskia fing sich offenbar so langsam. „Ich hätte darauf wetten können, dass es dazu kommen würde. Irgendwie hatte ich so ein Gefühl. Spätestens, als ihr gestern eure Reisepläne gemacht habt."

„Haben wir doch gar nicht. Vielleicht können wir jetzt mal langsam daran denken. Aber gestern waren es wirklich nur Luftschlösser, und das mit der gemeinsamen Reise war doch einfach nur so gesagt." Ich glaubte selber nicht, was ich da sagte, und auch Astrid schaute mich mit einem zweifelnden Blick an.

„Na na, meine Lieber, wenn du dich da mal nicht täuschst! Oft merkt man gar nicht, wie schnell solche Gedanken sich in einem verstecken und auf einmal konkret werden. Das merken Außenstehende oft schneller. Aber - irre. Ich freu mich für euch!"

Nun wandte sich auch Roman uns zu. „Wie wär's denn, wenn wir langsam mal alle wieder arbeiten?"

„Sauertopf! Spielverderber!" Saskia schien richtig empört. „Ist ja wohl viel wichtiger, wenn sich zwei Leute finden als hier Papier zu sortieren, oder findest du etwa nicht?"

„Ich mein ja nur," verteidigte er sich schwach.

„Roman hat recht. Wir sollten was tun. - Schließlich müssen wir ja das Geld für unsere Reise erst mal verdienen." setzte ich lachend hinzu.

Damit war die Premiere unseres Beziehungs-Schauspiels erst mal erfolgreich über die Bühne gegangen. Saskia hatte wirklich schön reagiert, das fand ich supernett von ihr. Astrid und ich würden uns trotzdem von jetzt an auf ihre genaue und andauernde Beobachtung einstellen müssen, damit musste man bei einer weiblichen Mitarbeiterin unbedingt rechnen.

Der Arbeitstag verging schneller als jeder andere vorher. Nicht, dass Astrid und ich uns bei jeder Gelegenheit nahegekommen wären. Aber allein ihre Gegenwart machte es für mich leichter, die Eintönigkeit dieses Jobs zu ertragen. Das schien sogar Herr Dregen bei seinem üblichen Kurzbesuch zu merken. „Ihr seid ja heute gut drauf! Denkt ihr schon ans Wochenende?" meinte er lächelnd. Saskia blickte verstohlen zu uns beiden herüber und musste sich das Lachen verkneifen.

„Also ich freue mich da jetzt schon bärig drauf!" gab ich ihm zur Antwort.

„Tatsächlich? Haben Sie schon konkrete Pläne?"

„Nicht, WAS ich machen werde. Aber mit WEM." Dabei blickte ich Astrid an. Ich musste mein Glück einfach los werden. Sie wurde puterrot.

„Aha, Nachtigall, ik hör dir trapsen!" Dregen schien sich sehr zu amüsieren. „Das nenn' ich mal eine Perspektive! Da lohnt sich der Job hier ja gleich doppelt! Das find ich schön! Aber vergesst mir die Arbeit nicht darüber, ok? Aber ich seh' ja, ihr habt schon wieder jede Menge Ordner gefüllt. Dann mal schönen Tag euch noch!" Dabei schien er besonders Astrid und mich anzublicken. Und weg war er.

Ein netter Chef.

*******************************************

8 Auf dem richtigen Weg

„Bist du eigentlich mit dem Bügeln fertig geworden?"

„Ja, da hab ich schon für gesorgt. Hat bis in den Abend rein gedauert, aber ich wollte es auf jeden Fall fertig bekommen. Nicht nur wegen meiner Mutter. Hab mir gedacht, dass es besser ist, wenn ich damit durch bin, falls wir heute was unternehmen würden."

„Eeei! Kluges Mädel! Was schwebt dir denn so vor?" Wir verließen gerade das Amtsgebäude, und ich hätte ihr den ein oder anderen Vorschlag gemacht, aber so war das natürlich besser. Ich war gespannt, was sie vorschlagen würde.

„Na, ich meine - Kino oder so was ist nicht so doll, finde ich. Da sitzt man nur rum und kann sich nicht unterhalten. Was hältst du von einem schönen Spaziergang im Wald?"

„Gute Idee. Das ist wirklich viel romantischer."

Unsere Stadt war von großen Wäldern umgeben, da bot sich ein Spaziergang tatsächlich an. Und weil das Wetter auch gut war, konnte man gegen ihre Idee überhaupt nichts haben. Ich fand es auch viel schöner, mit ihr über dieses und jenes sprechen zu können, denn wir wussten ja noch gar nicht viel voneinander. So fuhren wir also in ihren Vorort, von wo aus es nicht mehr weit bis zum Wald war.

Ich ertappte mich dabei, dass ich total romantische Gefühle hatte, als wir auf den Waldweg einbogen. Auf einmal fielen mir die Vögel auf, die überall zwitscherten, die Sonne, die zwischen den Bäumen ihre Lichtstrahlen warf, und die kleinen Blätter, die jetzt, mitten im Frühling, ein besonders frisches Grün zeigten. Es war tatsächlich die Jahreszeit der Verliebten, dachte ich. Wie auf Kommando begann der Schmetterlingsschwarm in meinem Bauch sich wieder zu regen. Ich legte meinen Arm um sie und zog sie zu mir.

Sie drängte sich dicht an mich heran. „Findest du es auch so schön hier?"

Ich nickte. Wie glücklich ich mich fühlte! „Bist du hier schon oft spazieren gegangen?"

„Hin und wieder mal. Aber nicht oft."

„Mit deinem Freund?"

Sie schaute mich erstaunt an. „Nein. Mit welchem Freund? Ich hatte bis jetzt noch keinen."

Ich blieb stehen. „Das glaub ich jetzt nicht. So ein hübsches Wesen wie du hatte noch keinen Freund?"

Sie errötete leicht. „Nein, wirklich nicht. Ich hab mich immer zurückgezogen, wenn die Jungs in der Schule mit mir was unternehmen wollten. Irgendwie hatte ich Angst, dass ich da in was reinschlittere, wo ich nicht mehr rauskäme, wenn ich wollte."

Das war ja genau so, wie ich mir gedacht hatte. „Und wieso hattest du die nicht bei mir?"

„Du bist so anders. Irgendwie erscheinst du mir auch vernünftiger. Bei dir hatte ich gleich das Vertrauen, dass du mich eher beschützen als in riskante Situationen bringen würdest."

Ich drückte sie an mich. „Das find ich toll, dass du so von mir denkst. Ist aber auch so. Ich finde, dass zwei, die sich liebhaben, total aufeinander zugehen müssen. Wenn sich da einer untergebuttert fühlt, geht das nicht gut."

Ich fühlte mich noch mehr in der Verantwortung für sie als gestern schon. „Und da bist du die ganzen Jahre immer alleine gewesen, ohne jemanden, mit dem du auch mal Persönliches besprechen konntest?"

„Nein, natürlich nicht. Ich hab eine ganz liebe Freundin, Sarah. Mit der teile ich alles."

„Weiß sie schon von uns?"

Sie lächelte verlegen. „Würd dich das stören?"

„Nee, natürlich nicht. Was sagt sie denn?"

„Sie hat sich gefreut. Genauso wie Saskia. ‚Endlich, endlich!' hat sie gesagt."

„Wann wirst du es denn deinen Eltern sagen?"

„Wenn sich eine Gelegenheit ergibt. Ich schätze, meine Mutter wird es mir schon bald an der Nasenspitze ansehen, dass da was läuft. Die hat den sechsten Sinn bei so was, glaub ich."

„Hoffentlich hat sie nichts dagegen."

„Sie wird sicher überrascht sein und mich zur Vorsicht ermahnen. Ist ja schließlich das erste Mal, dass ihre Tochter einen Liebhaber hat."

„Oooh, ‚Liebhaber'! Das klingt aber förmlich. Aber richtig ist es. Ich hab dich wirklich lieb." Ich musste sie wieder drücken.

Diesmal blieb sie stehen. „Ich dich auch. Ich bin so froh dass wir uns bei dem Job begegnet sind!" Sie sah mich an, und ihre Augen bekamen wieder diesen sehnsuchtsvollen Blick, der mir schon beim Prospektegucken aufgefallen war. Mein Verlangen, sie zu küssen, wurde in diesem Moment riesig. Ich gab ihr einen leichten Kuss auf die Lippen, aber das war ihr überhaupt nicht genug. Sie setzte gleich nach, diesmal aber mit deutlich größerem Eifer. Sie presste ihren Mund so fest auf meinen, dass mir Hören und Sehen verging. Ganz unwillkürlich öffnete ich meine Lippen ein bisschen, und sie tat sofort das Gleiche. Wie von einem Instinkt geleitet, tastete sich ihre Zungenspitze ein kleines Stückchen vor. Womit ich mich bewusst bisher zurückgehalten hatte, das begann sie ganz automatisch, ohne dass ihr einer das jemals beigebracht hatte. Nun aber konnte ich mich auch nicht mehr zurückhalten. Unsere Zungen berührten sich ganz zaghaft, dann immer mehr, bis unsere Münder schließlich in einem wilden Zungenkuss miteinander verschmolzen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit trennten wir uns wieder.

„Jetzt weiß ich, was bei den Küssen in den Spielfilmen immer abgeht." meinte sie ein wenig atemlos. „Aber du wusstest das sicher schon lange, oder?"

Ich wurde rot. Das war nun eine Frage, die ich in dieser Situation gar nicht gerne beantworten wollte. Aber wenn unsere Beziehung Bestand haben sollte, war Ehrlichkeit nun mal unabdingbar. Trotzdem druckste ich ein bisschen herum. Den One-Night-Stand mit Britta musste ich nicht erwähnen. Und dass ich meine eigene Schwester geliebt hatte, musste sie auch nicht erfahren, das hätte sie bestimmt total geschockt. Mir wurde in Sekundenschnelle klar, dass ich jetzt nur die Wahl hatte zwischen absoluter Offenheit - und damit wohl dem Ende unseres gerade erst begonnenen Verhältnisses - und andererseits dem Verschweigen der zwei Leichen in meinem Keller.

„Nun? So schlimm?" schaute sie mich neugierig an.

„Nein, aber ich spreche nicht gern darüber."

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