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Total tätowiert aus der Coronablase

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Während einer Reise verändert sich Carolinas Aussehen.
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1. Die Insel

Wir hatten wohl beide gehofft, dass ein wochenlanger Ausflug auf die kleine tropische Insel vor dem südamerikanischen Festland die ärgerlichen Risse in unserer noch jungen Beziehung flicken könnte.

Till und ich waren seit dem vorangegangenen November zusammen und flogen dann Anfang Januar -- total ineinander verknallt -- spontan nach Südamerika mit unseren Rucksäcken.

Nach zwei Monaten in Großstädten, in denen Till mit seinen hervorragenden Spanischkenntnissen brillierte, entschieden wir uns Anfang März für die Tour zu der idyllischen Insel, eine dreistündige Bootsfahrt vor der Küste.

Auf der Insel waren wir buchstäblich vom Netz. Es gab kein Internet. Überhaupt. Einige Inselbewohner besaßen Radios, und eine Satellitenschüssel auf dem Dach des Tienda-Hostals an der Mole zeugte davon, dass auch hier Fernsehsignale aus der Atmosphäre runtergeholt werden konnten. Das Spanisch der Nachrichtensprecher war aber so schnell, dass ich kaum was mitbekam. Schließlich konnte ich mich auf Spanisch nur über einfache Themen unterhalten und das nur im Präsens. Wenn ich überhaupt konjugierte Verben verwendete. Ich hatte in Deutschland einige Jahre zuvor den Fehler begangen, in der Schule Russisch als zweite Fremdsprache zu nehmen. Mit dem Ergebnis, dass ich, als ich zum ersten Mal südamerikanischen Boden betrat, kein Wort Spanisch sprach. Nada. Muss ich noch erwähnen, dass wir auf unsere nichtsr Reise keinen einzigen Russen trafen?

Ich überließ also meinem Freund das Reden, was ihm offensichtlich eine große Freude machte, aber meiner spanischen Zungenfertigkeit keinen Gefallen tat. Die gesamte Kommunikation mit Einheimischen lief über ihn. Dieses Ungleichgewicht zwischen uns hatte mein ansonsten hervorragendes Selbstbewusstsein als junge, attraktive Frau beschädigt.

Positiv anzumerken ist, dass ich sehr schnell eine schöne Bräune entwickelte, die sehr gut zu meinen sonnengebleichten, hellblonden Haaren passte. Aber ich hatte leider auch wegen dem fettigen, frittierten Fast Food einige Kilos zugenommen. Meine beim Abflug passende Jeans fühlte sich inzwischen wie zwei Nummern zu klein an. Ich war ehrlich gesagt viel dicker geworden, als ich sein wollte, und fühlte mich wie eine fette Kuh, was zu meiner depressiven Stimmung beitrug.

Die Insel hatte etwa hundert Einwohner. Wir waren eine Handvoll Rucksacktouristen auf der Fähre und trafen ein paar andere Europäer und Nordamerikaner in der kleinen Herberge, die auch der einzige Lebensmittelladen war. Das Hostal war die einzige Übernachtungsmöglichkeit und ich sprach gerne Englisch mit Jean und Estelle aus Quebec, Raimo und Mauno aus Helsinki und mit den beiden holländischen Mädchen. Alle waren Anfang zwanzig, genau wie wir. Es gab ein paar andere Rucksacktouristen, aber wir acht, die alle im selben Zimmer übernachteten, bildeten innerhalb weniger Tage eine eng verbundene Gemeinschaft und begannen, Zeit miteinander am Strand auf der anderen Seite der Insel zu verbringen. Dorthin kam man nur über einen strapazierende Wanderung in der heißen Sonne über die Hügel.

Durch die gute Gesellschaft verbesserte sich meine Stimmung. Wir verbrachten Tage am Strand und Abende an der Mole, grillten Fisch und aßen frisches Obst. Dabei mussten wir darauf achten, die Hügel mit ihren labyrinthischen Pfaden unbedingt vor dem plötzlichen Einbruch der Dunkelheit wieder zu überqueren. Die langsame, nordeuropäischen Dämmerung, die wir gewohnt waren, gab es hier nicht.

Im Widerspruch zu meiner neuen entspannten Ausgelassenheit wurde Till zunehmend reizbar. Seine Stimmung verschlechterte sich von Tag zu Tag. Vielleicht war er frustriert, weil er nicht mehr meine Verbindung zur Welt war, vielleicht kam er den anderen in unserer Gruppe nicht so nahe wie ich, vielleicht wollte er seine Zeit nur mit mir verbringen, oder vielleicht war es eine Kombination aus allen dreien.

Wie auch immer, wir hatten plötzlich belanglose Streitereien über Kleinigheiten. Aber die Rollen waren in dem Sinne vertauscht, dass ich die Oberhand hatte, weil ich ausnahmsweise den besten Draht zu den Menschen um uns herum hatte.

2. Die Pandemie

Nach fünf Tagen auf der Insel konnten die Spanischversteher unter uns die besorgniserregende Nachricht von der Ausbreitung dieses chinesischen Virus den Nachrichten entnehmen. Als wir im Januar vom Frankfurter Flughafen abhoben, war das Virus noch ein weit entferntes Dritte-Welt-Phänomen. Aber jetzt starben die Menschen auf dem südamerikanischen Festland und in Europa, und alle EU-Bürger wurden dringend aufgefordert, schnellstmöglich zum Flughafen in der Hauptstadt auf dem Festland zu kommen, von wo aus Iberia EU-Bürger nach Madrid ausfliegen würde um sie später auf ihre jeweiligen Heimatländer zu verteilen.

Die wöchentliche Fähre zum Festland würde zwei Tage später planmäßig um drei Uhr von der Mole abfahren. Danach gäbe es vorerst keine Fährabfahrten mehr, da alle kleinen Inseln unter Quarantäne gestellt werden sollten, um die Ausbreitung von Corona zu verhindern.

Die beunruhigenden Nachrichten führten zu angeregten Diskussionen. Till wollte so schnell wie möglich zurück nach Europa, obwohl er und ich eigentlich vorhatten, noch einen Monat in Südamerika unterwegs zu sein. Bei mir war es genau umgekehrt. Ich schlug vor auf der Insel zu bleiben, wo wir für die paar Wochen, die es dauern könnte, bis es vorüber war, vor dem Virus sicher waren.

Die anderen sechs waren zunächst unentschieden. Aber nachdem sie die überfüllten Krankenhäuser und die sich stapelnden Särge in Italien auf dem Fernsehbildschirm des Tienda-Hostals gesehen hatten, waren die meisten überzeugt, dass es an der Zeit war, sich von der paradiesischen Insel zu trennen und in den nasskalten Vorfrühling in Europa oder Kanada zurückzukehren.

3. Die verpasste Fähre

Unser Fährschiff sollte am Sonnabendnachmittag um drei Uhr von der Mole ablegen. Wir packten alle Sachen und ließen unsere Rucksäcke auf dem Gepäckwagen an der Mole, wo er vom nicht allzu beschäftigten Hafenmeister bewacht wurde.

Dann besprachen wir, was wir mit unseren wenigen noch verbleibenden Stunden auf der Insel anfangen sollten.

Ich schlug vor, dass wir noch einen letzten Ausflug zum Strand machten. Aber Till und die meisten anderen fanden die 45-minütige Bergwanderung der Mühe nicht wert, wo wir doch nur ein paar Stunden am Strand verbringen konnten. Trotzdem überredete ich die beiden Holländerinnen Marijke und Hannah, mitzukommen.

Als wir nach einer Weile den Fuß der Hügel erreichten, fiel mir ein, dass ich den entscheidenden Fehler gemacht hatte, meine Flip-Flops zu tragen und meine Wanderschuhe im Rucksack an der Mole zu lassen. Jetzt blieb mir keine Zeit mehr, zurückzugehen.

Der Aufstieg auf den steilen Trails wurde zur Herausforderung. Aber meine holländischen Freundinnen waren geduldig. Die Wanderung dauerte wegen meiner Flip-Flops länger als gewöhnlich. Endlich erreichten wir den Strand, entledigten uns unserer Klamotten und rannten nackt über den weichen Sand in die kühlenden Wellen.

Danach lagen wir auf Handtüchern am Strand, diskutierten und lasen. Irgendwann stellten wir fest, dass keiner von uns eine Uhr dabei hatte. Die Handys, die sich auf der Insel total nutzlos waren, hatten wir nicht mit, und keine von uns trug eine Armbanduhr. Bei früheren Gelegenheiten war immer einer der anderen da gewesen, der die Zeit im Auge behalten hatte, damit wir uns der Einbruch der Dunkelheit nicht in den Hügeln erwischte.

Die Fähre würde um drei Uhr abfahren, als es noch heller Tag war, aber wir wollten sie auf keinen Fall verpassen. Wir schauten auf die Sonne und überlegten, wie spät es sei. Wir wollten Till und die anderen um 14.30 Uhr an der Mole treffen.

Normalerweise habe ich ein ganz gutes Zeitgefühl, und ich war mir sicher, dass es noch gegen Mittag war, als Hannah und Marijke ungeduldig wurden. Ich hatte mich wirklich in diesen Strand verliebt und war traurig, dass ich ihn wahrscheinlich nie wiedersehen würde.

Die beiden wollten unbedingt los, und ich wurde stur, weil ich keine Lust hatte, stundenlang an der Mole mit dem humorlosen Till rumzusitzen. Wo ich doch am Strand liegen und das faszinierende englische Taschenbuch fertig lesen konnte, das ich auf dem Bücherregal im Hostal gefunden hatte.

Also gingen sie los, und ich blieb zurück, bis ich glaubte, an der Sonne erkennen zu können, dass es langsam Zeit war. Inzwischen hatte ich vergessen, was ich an den Füßen hatte, und dass ich drauf angewiesen war alleine meinen Weg über die Hügel zu finden.

Ich verirrte mich schnell in dem komplizierten System von Pfaden, in denen ich ständig zwischen rechts und links wählen musste. Ich schwitze tierisch in der Hitze und langsam auch wegen meiner Nervosität. Plötzlich fand ich es wirklich schwierig, die Zeit von der Sonne abzulesen. Es dauerte ewig, bis ich auf die Schotterstraße an der Küste kam, der ich etwa einen Kilometer folgen musste, bevor ich die Mole sah, wo die anderen warten würden.

Ich streifte die Flip-Flops ab und rannte, wobei ich mir mit den Füßen an den kleinen, spitzen Steinen verletzte, bis ich schließlich um die felsige Landzunge lief, nur um zu festzustellem, dass die Mole leer war, abgesehen vom Schuppen des Hafenmeisters und dem Gepäckwagen mit meinem einsamen Rucksack.

Außer Atem ging ich langsam auf die Mole zu und begriff, dass ich die Fähre irgendwie verpasst hatte.

Obwohl ich meine Situation inzwischen klar verstanden hatte, fragte ich den alten Mann, der in der Tür seines Schuppens erschien:

„¿Dónde está el... ferryboat, por favor?"

Er zeigte auf einen winzigen Punkt weit entfernt im Ozean.

„Partió a las tres," fügte er lakonisch hinzu. Um drei fuhr sie ab, verstand ich.

„¿Qué hora es?"

Er schaute auf seine Armbanduhr.

„Son las quatro menos diez." Zehn Minuten vor vier. Kein Wunder, dass die Fähre so weit weg war.

Ich spürte, wie mir die Tränen aus den Augen schossen, und fühlte mich so verlassen, wie ich mich seit der Scheidung meiner Eltern nicht mehr gefühlt hatte.

„Hay una carta para ti," fügte der Alte hinzu und deutete auf meinen Rucksack.

Ich sah ein Stück Papier, das unter einen Riemen geschoben war, und nahm es wie in Trance.

Es waren ein paar Zeilen von Till, in den Minuten vor Abfahrt der Fähre hingekritzelt:

„Liebe Caro,

Es tut mir leid, aber der Kapitän will nicht länger warten. Jetzt bekommst du also die Möglichkeit diese Corona-Epidemie hier auf der Insel auszusitzen, wie du wolltest. In den letzten Tagen habe ich mich gefragt, ob wir eine gemeinsame Zukunft haben. Wir werden es erfahren, wenn wir uns in ein paar Wochen wieder in Deutschland sehen. Schreib mir auf WhatsApp, sobald du Gelegenheit dazu hast. Pass auf dich auf!

Liebe Grüße

Till"

Hm. Die lieben Grüße konnte er sich in den Arsch stecken. Schluchzend und an dem zerknüllten Stück Papier festhaltend, nahm ich meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zurück zum Tienda-Hostal.

4. Der Tätowierer

Sebastián, dem gutaussehenden, großen, stark tätowierten Besitzer des Lebensmittelladens und der Herberge, fehlte das äußere Gelenk seines rechten Zeigefingers. Er stand wie üblich mit einer filterlosen Zigarette zwischen den Lippen hinter dem Tresen und ordnete offensichtlich einige Vorräte, die mit der Fähre gekommen waren.

„¡Ah, la chica alemana!" sagte er mit einem breiten Lächeln, das verschwand, als er die Tränen über mein verzerrtes Gesicht laufen sah und ich meinen schweren Rucksack auf den Boden stellte.

„¿Dónde está tu novio?" fragte er. Wo ist dein Freund?

„Ferryboat," war alles, was ich zustande brachte.

„¿Tu novio se fue?" fragte er. Ist er weg?

„No es mi novio. No más."

Durch den brutalen Brief und die ganze Situation hatte ich verstanden, dass meine Beziehung mit Till beendet war. Und das konnte ich sogar auf Spanisch ausdrücken, stellte ich nicht ohne Stolz fest.

Sebastián legte seine Zigarette in den Aschenbecher und kam um die Theke herum. Er umarmte mich. Er roch nach Schweiß und Zigarettenrauch.

„Estás segura aquí. No hay enfermedad en la isla."

Er sprach langsam, und ich verstand, dass ich in Sicherheit war und dass es auf der Insel kein Coronavirus gab. Jedenfalls soweit er wusste.

Er ließ mich los und gab mir ein Kleenex, mit dem ich mir die Augen trocknete und die Nase putzte.

Sebastián nahm in aller Ruhe seine Arbeit wieder auf. Am anderen Ende des kleinen Ladens sah ich mir eine kleine Ausstellung mit Fotos von bunten Tattoos an.

„¿Quieres un tatuaje para consolarte?" fragte Sebastián hinter der Theke.

Da ich ihn nicht verstand, formulierte er um:

„Soy tatuador. ¿Quieres un... tattoo?"

„No. No tengo dinero," antwortete ich kopfschüttelnd.

Ich hatte zwar meine Kreditkarten, die auf der Insel aber nutzlos waren. Und noch sehr wenig Bargeld in der Landeswährung, das einzige Zahlungsmittel auf der Insel. Auf keinen Fall genug, um für ein Tattoo zu bezahlen, wenn ich eins gewollt hätte.

„No importa. Es gratis para ti. Para consolarte."

Ach so. Der Typ bot mir ein kostenloses Tattoo an. Um mich zu trösten, weil ich von meinem Freund verlassen worden war. Sehr süß. Als ob ein Tattoo jetzt meine Probleme lösen würde.

Till war sehr gegen Tattoos. Er zitierte seine Mutter, die meinte, dass tätowierte Frauen wie Prostituierte aussähen. Der Meinung war Till offensichtlich auch.

Schaden konnte ein Tattoo ja auch nicht. Ich entschied, dass dies ein guter Zeitpunkt war, um Tills Idealvorstellungen einer Frau zu trotzen.

„¡Si. Muchas gracias!" sagte ich.

Sebastián stand hinter mir und zeigte auf die Fotos.

„Todos los animales y flores vienen de esta isla," erklärte er. Alle Motive waren von der Insel.

„Quiero eso," sagte ich und deutete auf einen großen, leuchtend orangenen Leguan.

Neben den Fotos zog Sebastián einen Vorhang beiseite:

„Por favor entra en mi salón de tatuajes," sagte er mit einer einladenden Geste.

Hinter dem Vorhang befand sich ein winziges, aber voll ausgestattetes Studio mit einem modernen Tattoo-Stuhl in der Mitte. Alle Wände waren mit Bildern von zufriedenen Kunden und ihren bunten Tattoos bedeckt. Faszinierend.

„¿Ahorita?" fragte ich, nicht darauf vorbereitet, mir jetzt sofort mein allererstes Tattoo stechen zu lassen.

„¿Tienes otros planes?" fragte er zurück.

Ich musste zugeben, dass ich gerade nichts Besseres vor hatte, als meine etwas zu enge abgeschnittene Jeans auszuziehen, mich in Sebastiáns Tattoo-Stuhl zu setzen und mir einen großen, orangefarbenen Leguan auf meinen linken Oberschenkel tätowieren zu lassen. Was ich dann tat.

5. Mein erstes Tattoo

Der Schmerz war intensiv, als Sebastián das Reptil vorsichtig mit seinen großen, aber sanften Händen zeichnete. Und die Kolorierung war sogar noch schmerzhafter.

Aber ich genoss es, mich auf den Schmerz zu konzentrieren, der mich fast vergessen ließ, dass ich am anderen Ende der Welt auf einer winzigen Insel mit Menschen isoliert war, mit denen ich kaum kommunizieren konnte, und dass mein Ex-Freund auf dem Nachhauseweg war.

Der kleine, fensterlose Raum, kaum mehr als sieben oder acht Quadratmeter, war bald vom Rauch von Sebastiáns filterlosen Zigaretten erfüllt. Sie verließen seinen Mund erst, wenn sie vollständig geraucht waren, und wurden dann sofort durch eine andere aus seiner Packung ersetzt. Der Rauch irritierte meine Augen, meinen Hals und meine Lunge. Aber, hey, geschenktem Gaul schaut man nicht ins Maul. Ich war gerade dabei, ein professionelles Tattoo, das in Deutschland sehr teuer wäre, umsonst zu bekommen.

„Tú fumas mucho," kommentierte ich, als er seine fünfte Zigarette mit der vierten anzündete.

„Sí," stimmte er kurz zu und konzentrierte sich auf seine Arbeit.

Und dann, nach einer Weile:

„¿Tu quieres un cigarrillo?"

„No gracias. "

Natürlich wollte ich keine Zigarette, stolze Nichtraucherin, die ich war.

„¿Tu no fumas?" fragte er.

„No."

„¿Quieres una cerveza?"

„Si. Muchas gracias."

Sebastián nahm zwei eiskalte Bierdosen aus dem Kühlschrank, öffnete sie und reichte mir die eine.

„¡Salud!"

„¡Salud!"

Ich schluckte das Bier hinunter und es linderte das Gefühl in meinem wunden Hals. Sebastián setzte seine schmerzhafte Arbeit an meinem Oberschenkel fort.

Stunden später hatte Sebastián nicht nur diesen großen, orangefarbenen Leguan fertig, sondern auch den Ast, auf dem er saß, und das große Insekt, das er mit seiner langen Zunge aus den Kronblättern einer großen, lila Blume fing.

„¿Te gusta?" fragte Sebastián, als er mir das Tattoo am Spiegel vorführte.

„Sí. Mucho. Me gusta mucho."

Wir saßen nachher auf der Veranda auf Liegestühlen im schwachen Licht einer Petroleumlampe und lauschten dem Gesang der Heuschrecken und den Wellen des Ozeans. Vor uns konnten wir vage die Umrisse der Mole sehen, wo ich am Nachmittag die Fähre verpasst hatte.

„Te haré otro tatuaje mañana," brach Sebastián das Schweigen.

„¿Otro tattoo mañana?" fragte ich. Wollte er mich wieder tätowieren?

„Si."

„Está bien," sagte ich. Ich stellte fest, dass ich es trotz der Schmerzen genoss, von Sebastián tätowiert zu werden.

Ich trank mein Bier aus, wünschte Sebastián buenas noches und ging nach oben in das leere Achtbettzimmer, in dem ich eine Woche lang geschlafen hatte. Trotz meines wunden Oberschenkels schlief ich innerhalb von Minuten ein.

6. Total tätowiert

„¿Quieres café?" fragte Sebastián von der Tür des Schlafsaals aus. Draußen war es Tag. Ich hörte das rhythmische Rauschen der Wellen, die auf die Mole schlugen, und roch Sebastiáns Zigarette.

Ich hatte starke Kopfschmerzen, war verschwitzt und brauchte dringend eine Dusche. Aber Wasser bekam man nur von der 500 Meter entfernten Dorfpumpe oder im Atlantik. Eine Dusche stand also nicht wirklich auf dem Programm. Vorerst nahm ich die Kaffeetasse dankbar an.

Ich fühlte den Schmerz von meinem Tattoo, als ich mich im Bett bewegte. Sebastián war wieder nach unten verschwunden, und ich stand langsam auf und zog mein meine Jeans und meine Flip-Flops an.

Sebastián hatte zwischen unseren Liegestühlen auf der Veranda einen kleinen Tisch mit einem Teller mit köstlichen frischen Früchten aufgestellt.

Wir aßen das Obst mit Gabeln und tranken mehrere Tassen Kaffee, während wir die leere Mole und das Meer beobachteten. Sebastián rauchte während des gesamten Frühstücks. Keiner von uns war besonders gesprächig. In meinem Fall hatte es mit meinen Kopfschmerzen und meinen sehr begrenzten Spanischkenntnissen zu tun.

„Mal en la cabeza," sagte ich schließlich. Schlecht im Kopf. Das ließ sich wahrscheinlich eleganter ausdrücken.

„Sí. Las cervezas. ¿Verdad?" fragte Sebastián.

Ja. Die Biere auch. Aber vor allem, dass du mir in einem kleinen Raum ohne Belüftung stundenlang Zigarettenrauch ins Gesicht blies. Hätte ich gesagt, wenn ich etwas direkter wäre und besser Spanisch gesprochen hätte.

Also sagte ich nur ein einfaches „Sí".

„¿Tienes planes para hoy?" fragte er und zündete sich die nächste Zigarette an.

Pläne hatte ich erstmal keine. Abgesehen vom Warten auf die nächste Fähre zum Festland und das Ende dieser blöden Epidemie. Ich erinnerte mich an einen alten Popsong mit einem der wenigen spanischen Sätze, die ich schon kannte, bevor ich nach Südamerika kam:

„¿Vamos a la Playa?"

An den Strand zu gehen war so ziemlich der einzige Zeitvertreib, den ich mir auf dieser Insel ohne Internet und ohne Freunde vorstellen konnte. Sebastián könnte wahrscheinlich ein Schild an der Tür anbringen und seine Tienda für ein paar Stunden verlassen.

So hatte ich mir das vorgestellt. Aber Sebastián machte mir klar, dass ich mein Tattoo mindestens drei Wochen lang keinem salzigen Meerwasser aussetzen und es noch länger vor der Sonne schützen sollte. Daran hatte ich nicht gedacht, als ich sein Tattoo-Angebot annahm. Jetzt war ich in diesem tropischen Paradies gefangen, ohne die Sonne genießen und im Meer schwimmen zu können. Und ich konnte nicht mal meinen Eltern oder meinen Freunden in Deutschland eine SMS schicken.

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