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Valyna 03: Wasserspiele

Geschichte Info
Die Hexe spinnt ihr Netz weiter.
4k Wörter
3.7k
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Geschichte hat keine Tags

Teil 3 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 06/11/2023
Erstellt 05/02/2022
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Hier ist die Fortsetzung von „FLUCHT AUS DEM VERLIES" und „DER ZWEIKAMPF". Entschuldigt bitte die lange Zeit, die ich dafür benötigt habe. Obwohl ich die Grundzüge der Geschichte bereits im Kopf hatte, wollte sie einfach nicht in die Tastatur fließen. Daher nahm ich mir zunächst andere Projekte vor, ehe ich hierher zurückkehrte.

Ich empfehle, die vorangegangenen Geschichten zuerst zu lesen, um die handelnden Personen und ihre Beziehung zueinander kennenzulernen.

*

Inzwischen war das von Valyna vorhergesagte Unwetter mit Urgewalt über die Ruine und den umgebenden Wald hereingebrochen. Regen prasselte gegen die Fenster und in unregelmäßigen Abständen erleuchteten grelle Blitze den Nachthimmel. In dem hoch aufragenden Hexenturm blieb es dagegen trocken und gemütlich.

Heinrich saß auf der Bettkante, ebenso splitterfasernackt wie die Frau, die sich hinter seinem Rücken auf den Laken räkelte.

„Schon erschöpft, mein Prinz?", neckte sie ihn, „Von einem Helden mit dem Ruf des euren hätte ich mehr Ausdauer erwartet."

Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Die Ursache seiner momentanen Passivität lag ganz gewiss nicht an mangelndem Können, sondern am Wollen. Schon bei der ersten Prüfung hatte er versagt, hatte seine Laureana, für deren Rettung er zu dieser Queste aufgebrochen war, in Gedanken verraten. Er war der verführerischen Hexe erlegen und hatte sich zügelloser Lust ergeben. War diese Aufgabe zu groß für ihn? Würde er scheitern und die entführte Prinzessin im Stich lassen?

Wie viele Stunden waren es noch, bis er den Pakt mit der Zauberin erfüllt haben würde, den er leichtfertig eingegangen war? Er erkannte nun die Wahrheit. Ihr Ziel war es nicht, dem Abkömmling, den er mit ihr zeugen sollte, die Herrschaft über sein Königreich zu verschaffen. Nein, sie wollte ihm seine Unzulänglichkeit vor Augen führen, ihn unterwerfen und brechen, bis er zu einem willenlosen Sklaven ihrer Begierden würde. Mit jeder Minute, die er darüber nachgrübelte, wurden seine Zweifel, dass er ihr widerstehen konnte, größer. Gleichwohl kam Aufgeben nicht in Frage.

„Mein Liebling, ich habe eine Bitte an dich."

Er fragte sich, welche arglistige Bosheit die zuckersüße Stimme dieses Mal überbringen wollte. Doch war er gewillt, die Scharade aufrecht zu erhalten, um die Gefangene nicht kampflos ihrem Schicksal zu überlassen. Er riss sich zusammen, setzte die Maske eines eilfertigen Dieners auf und wandte sich der Hexe zu.

Ihre geradezu überirdische Schönheit traf ihn wie ein Schlag. In ihren schwarzen Mandelaugen unter den langen Wimpern konnte ein Mann versinken. Ihr seidiges, rabenschwarzes Haupthaar fiel über die Schultern und ihren Oberkörper, die vollen Brüste teilweise verhüllend, was diese nur noch interessanter und begehrenswerter machte. Das dunkle Dreieck ihrer Scham versprach Wonnen, für die jeder Sterbliche seinen Verstand verlieren könnte.

Heinrich war sich wohl bewusst, dass Worte nicht seine Stärke waren, aber er wollte zumindest versuchen, seine Rolle bis zum Ende zu spielen, sei es nun glücklich oder bitter.

„Ja, meine Geliebte", säuselte er, „was darf ich für dich tun?"

„Bitte bringe mir eine Rose."

Seine Miene spiegelte vollkommene Ratlosigkeit wider.

„Was? Eine Rose? Woher? Warum?"

„Im Burghof wächst eine Hecke mit wunderbar duftenden roten Blüten. Ich möchte, dass du mir eine pflückst, damit ich mich daran erfreuen kann."

„Alles, was du willst, Schatz."

Er hatte sich wieder unter Kontrolle. Er hatte geschworen, eine Nacht lang alles zu tun, was sie verlangte, um sie glücklich zu machen. Nun, wenn es denn eine rote Rose sein sollte, dann würde er ihr diese verdammte Rose besorgen.

Er angelte sich seine Hosen und Stiefel, schlüpfte hinein und stapfte zum Ausgang. Von der Tür aus warf er ihr noch in gespielter Verliebtheit eine wortlose Kusshand zu, ehe er sich dem Treppenhaus zuwandte.

„Hat sie denn keinen verfluchten Gärtner?", grummelte er, als er sich außer Hörweite wähnte.

Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, sprang Valyna aus dem Bett. Eine wischende Geste in Richtung des Spiegels und ein paar Silben einer unverständlichen Sprache ließen das glitzernde Glas dunkel und matt werden. Sie wusste, dass ihre Gefangene hinter dem magischen Spiegel saß und alles beobachten konnte, was sich im Schlafzimmer abspielte. Jetzt aber brauchte sie Privatsphäre, um ihren Plan sich weiterentwickeln zu lassen. Sie stellte sich amüsiert vor, wie der Tölpel draußen in Nacht und Gewitter herumstolperte, um eine Blume zu suchen, die sie mit einem Fingerschnippen herbeibeschwören könnte. Aber so war der Kerl wenigstens aus dem Weg, während sie ihre nächsten Schritte vorbereitete.

Auf bloßen Füßen tapste sie in den Flur und rief den Namen ihres monströsen Wächters. Sekunden später tauchte der Oger aus seinem Versteck auf. Trotz seiner gewaltigen Größe konnte er sich überraschend still und unauffällig verhalten, als bestehe er aus totem Stein.

Es machte ihr nichts aus, dass sie sich ihm völlig unbekleidet präsentierte. Menschenkörper interessierten ihn nicht im Geringsten, so lange er keinen Hunger hatte. Der Trick bestand darin, ihn immer satt zu halten. Zumindest so lange, bis sie jemanden loswerden wollte, den sie dann einfach nur in sein Blickfeld bugsierte.

In simplen, kurzen Sätzen erklärte sie ihm, was er zu tun hatte. Sie konnte sich darauf verlassen, dass er alles genauestens ausführen würde. Er war zu dumm, um nicht zu gehorchen.

Beschwingt tänzelte sie zurück in den Salon, schenkte sich etwas Perlwein ein, trank einen Schluck. Sie breitete die Arme aus. Aus Haaren und bronzener Haut sprossen Federn, Proportionen verschoben sich, sie schrumpfte. Bald saß statt ihrer ein Rabe auf dem Stuhl, breitete die Schwingen aus und schwang sich hinauf zwischen die Deckenbalken. Dort suchte sie sich ein schattiges, verborgenes Plätzchen, von dem aus sie alles mitbekam, was sich unter ihr tat, und wartete ab.

*

Laureana hatte sich daran gewöhnt, durch das magische Fenster alles sehen und hören zu können, was sich im großen Nebenraum tat, und achtete gar nicht mehr bewusst darauf. Zu sehr war sie damit beschäftigt, nachzugrübeln, was sie tun konnte, um Heinrich zurückzugewinnen.

Aus den Sätzen, die an ihren Ohren vorbeiplätscherten drangen nur einzelne Worte wie „Liebling" und „Schatz" zu ihr durch und schürten ihre Wut und Entschlossenheit. Nein, eine wahre Prinzessin ließ sich ihren Prinzen nicht wegschnappen. Schon gar nicht von so einer perfiden Person!

Sie schreckte hoch, als es in ihrer winzigen Kammer plötzlich stockdunkel und totenstill wurde. Panik überkam sie bei dem Gedanken, dass die Sicht in das Schafzimmer der Hexe erneut nur eine der Illusionen gewesen sein könnte, um sie zu quälen, und dass sie in Wahrheit noch immer in der Zelle in den Katakomben des Turms gefangen war. Mit zitternden Händen tastete sie umher und stieß erleichtert die Luft aus, als sie ringsum glatte hölzerne Wände fühlte und keinen rauen kalten Stein.

Zumindest schien das Erlebte also Realität zu sein. Doch war es besser, hier eingesperrt zu sein, als dort unten?

Ein Knarren des Bodens kündigte an, dass sich jemand näherte. Das Licht, das durch den sich öffnenden Türspalt fiel, blendete sie im ersten Augenblick. Dann erkannte sie, wer sie aufsuchte und konnte einen kurzen Angstschrei nicht unterdrücken. Der riesige Oger ragte vor ihr auf und griff mit einer dreckigen, schwieligen Hand nach ihr. Die Kammer bot keinen Platz um auszuweichen und kein Versteck. Er packte sie am Oberarm und zerrte sie heraus.

Im Gegensatz zum vorherigen Mal zog er sie einfach hinter sich her wie ein Kind seine Stoffpuppe. Nur dass diese Puppe verzweifelt auf ihren eigenen Beinen hinter ihm her stolperte. Mit der freien Hand versuchte sie vergeblich, seinen eisernen Griff zu lösen. Nein, auf keinen Fall wollte sie wieder zurück in das schreckliche Verlies.

„Lass mich sofort los, du Biest!"

Der Riese stapfte ungerührt weiter, ihr Gewicht und ihren Widerstand schien er noch nicht einmal zu bemerken. Verstand er überhaupt eine vernünftige Sprache?

Zu Laureanas nicht gelinder Überraschung brachte er sie keineswegs in den Kerker, sondern schleifte sie in einen mit Teppich ausgelegten Flur und stieß sie in einen dort angrenzenden Raum.

„Sauber machen!", bellte er, dann knallte er lautstark die Tür zu.

Überrascht stellte die junge Frau fest, dass sie sich in einem komfortabel eingerichteten Ankleidezimmer befand, in dem eine Wanne mit einladend dampfenden Wasser lockte. Seife und Duftöle standen auf einem Toilettentischchen bereit. Auch Kämme und mehrere Haarbürsten fehlten nicht. Am meisten erfreute sie allerdings das über einen Sessel ausgebreitete elegante Kleid in einem satten Gelbton.

Laureana verstand nicht, was ihre Peinigerin hiermit bezweckte. Vermutlich wäre es erneut nur eine Art, sie zu verhöhnen. Die Aussicht darauf, sauber zu sein, ihre Haare richten zu können und sich anständig zu kleiden, war aber zu verlockend, als dass sie darauf verzichten wollte, gleich was der Preis dafür wäre.

*

Heinrich stapfte in völliger Dunkelheit durch Wind und Wolkenbruch auf der Suche nach einer Rose. Hin und wieder zerriss ein flammender Blitz das Firmament und erhellte für Augenblicke die Umgebung, so dass der Prinz hinter den Schleier aus vom Himmel stürzendem Wasser und stockdunkler Nacht schauen konnte. Er vermeinte, sich von seinem ersten Erkunden der Ruine an eine Hecke zu erinnern, an der rote Blüten wuchsen, und stolperte halbblind in deren Richtung. Der Regen knallte wie kleine Kugeln auf seinen nackten Oberkörper. Ein Hemd oder sonstiges Kleidungsstück wäre sofort ebenso durchnässt gewesen, wie es seine Beinkleider schon nach Sekunden waren. Kaltes Wasser sammelte sich in seinen Stiefeln und gluckste bei jedem Schritt. Lautlos fluchend tastete er sich an der Mauer entlang.

„Autsch!"

Instinktiv steckte er die Finger, in die er sich an den Dornen gestochen hatte, in seinen Mund und saugte daran. Der metallische Geschmack von Blut legte sich auf seine Zunge. Wie sollte er nur eine der Blumen finden, ohne sich völlig die Hände zu zerstechen? Handschuhe zu tragen, wäre eine gute Idee gewesen. Ein scharfes Messer und eine Lampe mitzubringen, ebenso. Notgedrungen stand er wie der sprichwörtliche begossene Pudel im Gewitterregen und wartete auf das nächste Wetterleuchten.

Dort, wo für einen kurzen Atemzug tiefrote Blütenblätter aufschienen, griff er zu. Die Schmerzen ignorierend, als sich die Stacheln in seine ungeschützte Haut bohrten, brach er die Rose. Dann machte er sich schimpfend auf den Rückweg.

Triefend stieg er die steilen Treppen hinauf, eine nasse Spur hinterlassend, bis er die komfortablen Gemächer an der Spitze des Turms erreichte. Die Wolken in seinem Gemüt waren dunkler, als die draußen am Himmel.

„Valyna!", rief er und presste sich ein anschließendes „Mein Schatz!" ab.

Keine Antwort.

Stattdessen nahm er hinter der geschlossenen Tür des Waschraums das Plätschern von Wasser und ein leises zufriedenes Singen wahr.

„Prima, anstatt auf mich zu warten, nimmt sie ein Bad", grummelte er kaum hörbar und stiefelte auf quietschenden Sohlen in den Salon, wo er die abgebrochene Rose in ein leeres Sektglas stellte. Mit den Zähnen zog er die Dornen aus seiner verletzten Hand, während er seine erdigen Stiefel in eine Ecke kickte und grollend auf diejenige wartete, die ihm das Schlamassel eingebrockt hatte.

*

Laureana nahm sich ausgiebig Zeit, den Schmutz der Gefangenschaft von ihrem Körper zu schrubben. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie ihrem langen goldenen Haar. Erst nachdem sie es mehrfach gewaschen und ausgespült hatte, begann sie, die Locken geduldig mit der Bürste zu bearbeiten, bis sie glänzend und schwingend ihr Haupt umfingen. Zuletzt legte sie das feine Kleid an.

Mit dem neuen Aussehen schien auch eine innere Verwandlung einhergegangen zu sein. Sie richtete sich hoch und gerade auf. Frischer Mut und Zuversicht erfüllten sie, als sie auf den Flur trat.

Zu ihrer Überraschung zog sich eine schlammige Fußspur über den Boden in Richtung eines Zimmers, aus dem köstlicher Essensduft und strahlender Kerzenschein lockten. Bei einem Blick in die andere Richtung, in der sie das Treppenhaus wusste, durchzuckte sie kurz der Impuls zu fliehen.

Aber nein, sie hatte sich vorgenommen, um ihren Prinzen zu kämpfen und ihn aus den Klauen der Hexe zurückzugewinnen. Entschlossen drückte sie ihren Rücken durch und schritt ihrer Feindin entgegen.

Auf der Schwelle blieb sie überrascht stehen.

„Heinrich!", jauchzte sie.

In dem Speisezimmer wartete alleine ihr Geliebter. Aber in was für einem desolaten Zustand war ihr heldenhafter Prinz? Das Haar hing ihm in verklebten Strähnen ins Gesicht, sein unbekleideter Oberkörper war mit blutigen Kratzern verunstaltet. Seine klatschnasse Hose hing wie ein Sack an ihm herab und tropfte auf die bloßen Füße, unter denen sich eine morastige Pfütze auf dem teuren Teppich gebildet hatte.

Am schrecklichsten aber waren seine Gesichtszüge anzusehen, düsterer als die Gewitterwolken hinter dem Fenster.

*

Leise Schritte und das kaum hörbare Rascheln eines seidenen Kleides zeigten Heinrich an, dass sich eine Dame näherte. Doch auf das Bild, das sich ihm bot, war er nicht vorbereitet.

In der Tür erschien Prinzessin Laureana in ihrer ganzen strahlenden Schönheit. Es verschlug ihm die Sprache. Da stand die lange Gesuchte. Er wollte ihr entgegenfliegen, sie in seine Arme nehmen und aus dieser finsteren Festung führen.

Dann setzte sein Verstand ein. Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. Dies konnte nicht wahr sein, so leicht würde Valyna es ihnen nicht machen. Er witterte geradezu die Falle.

So offensichtlich war der Fehler, den die Betrügerin gemacht hatte, dass er beinahe laut auflachte. Schließlich hatte er gesehen, in welchen schrecklichen Zustand Laureana durch die Haft versetzt worden war. Dagegen stand vor ihm das Bild einer Prinzessin wie aus seinen schönsten Träumen. Das goldgelbe Kleid umschmeichelte ihren zarten Leib. Ihr Haar war perfekt gerichtet. Ihre Haut rein und weiß, auf den Wangen schimmerte ein Hauch von Rouge. Lieblicher Rosenduft umwehte sie. Diese adrette Erscheinung konnte nicht real sein.

Er wusste schließlich aus leidvoller Erfahrung, dass die Zauberin die Gestalt anderer täuschend echt nachahmen konnte. Reue und Wut überkam ihn, als er an den ersten Fluchtversuch dachte. Da hatte er geglaubt, Laureana aus dem Turm zu bringen, doch die Hexe hatte ihn genarrt und verführt. Zweimal würde er ihr nicht auf den Leim gehen. Für wie einfältig hielt sie ihn eigentlich?

Ihre zur Schau getragene Überraschung und Freude machte ihn nur noch wütender. Aber er nahm sich zusammen und würde die Scharade mitspielen. Augenscheinlich hielt sie dies für eine Art Rollenspiel. Also würde er so tun, als ob er auf die Verkleidung hereinfiele, ganz im Sinne seines Schwurs, alles zu tun, was ihr Freude bereitete. Er setzte eine Miene auf, die nichts als Glück und Erleichterung erkennen ließ.

„Laureana, mein Augenstern! Endlich sehe ich dich wieder!"

Er breite die Arme aus und die junge Dame warf sich ihm entgegen. Sie umarmten und küssten sich, doch Laureana gewann den Eindruck, dass etwas nicht stimmte, weil ihr Prinz sich unerwartet zurückhielt. Sie trat auf Armeslänge von ihm weg und musterte ihn.

„Ach, mein Armer! Verzeih mir. Ich überfalle dich, ohne darauf zu achten, in welchem Zustand du bist. Du musst Schmerzen haben."

„Nein, mein Liebes, es sind nur ein paar Kratzer, kaum der Rede wert."

„Komm! Nimm deine Sachen und lass uns fliehen."

Einem ersten Impuls folgend nahm er sie bei der Hand und strebte dem Ausgang zu, dann stockte er. Draußen war tiefdunkle Nacht. Das Abkommen besagte, dass er bis Sonnenaufgang bleiben musste. Vermutlich war dies erneut einer ihrer hinterhältigen Tricks. Sobald er die Ruine verließ, könnte sie ihm höhnisch erklären, dass er gescheitert war und die Gefangene nicht herausgeben. Nein, so dumm war er nicht!

„Was hast du?", erkundigte sie sich.

„Draußen ist es pechschwarz und es tobt ein Unwetter. Nie und nimmer würden wir unter diesen Bedingungen den unwegsamen Wald durchqueren können. Unsere Flucht wäre von Beginn an zum Scheitern verurteilt."

„Was sollen wir denn sonst tun?"

„Wir verbergen uns und warten bis Tagesanbruch, dann sind unsere Erfolgsaussichten größer."

Heinrich war unglaublich stolz auf sich, dass er nicht nur ihren Versuch, ihn zu übertölpeln durchkreuzt hatte, sondern dabei noch nicht einmal aus seiner Rolle gefallen war. Im Gegenteil, wenn sie weiterhin Laureana spielen wollte, müsste sie ihn jetzt zu einem Versteck führen, anstatt ihn wieder ins Schlafgemach zu schleppen, wo er ihr zu Willen sein musste. Nun war es an ihm, ihr eine Falle stellen, damit sie sich endgültig verriet und aufgeben musste.

„Aber meine Geliebte, sagt mir zuvor: Als ich euch das erste Mal fand, lagt ihr in Ketten und wart kaum sittsam bekleidet. Wie seid ihr aus dem Kerker entkommen und woher habt ihr dieses wundervolle Gewand?"

„Nicht hier, wo wir jeden Moment entdeckt werden können. Dort vorne ist eine kleine Seitenkammer. Verstecken wir uns darin, dann kann ich dir alles erzählen."

Sie zog ihn mit sich ins Badezimmer. Hinter verschlossener Tür erzählte sie ihrem Prinzen, was ihr widerfahren war, seit er sie im Verlies gefunden hatte und anschließend von der bösen Hexe überrascht und überwältigt worden war. Nur die Episode in der geheimen Spiegelkammer behielt sie für sich. Es wäre zu heikel, wenn er erfahren würde, dass sie entgegen allen Regeln des Anstands zugesehen hatte, wie er mit der anderen verkehrte.

Obendrein fürchtete sie, dass ihre Chancen, seine Liebe zurückzugewinnen, schwinden würden, wenn er den Eindruck gewänne, dass sie aus gekränktem Stolz und Eifersucht agierte. Nein, sie musste ihn überzeugen, dass sie ihn nur seiner selbst willen begehrte und nichts von seinen Eskapaden wusste.

Heinrich hörte sich die unglaubliche Geschichte zunehmend amüsiert an. Ein Riese, der die Geisel ins Bad führte, pah! Nun, da er die Oberhand hatte und seiner Widersacherin einen Schritt voraus war, gewann er mehr und mehr Spaß an dem Theater. Interesse heuchelnd stellte er Zwischenfragen, um die Betrügerin zu zwingen, ihr Lügenmärchen immer weiter zu spinnen. Ihre Fähigkeit, auf alles eine Antwort und selbst kleinste Details zu erfinden, faszinierte ihn. Gleichzeitig frustrierte ihn, dass es ihm nicht gelang, sie aufs Glatteis zu führen und sie dazu zu bewegen, ihre Tarnung aufzugeben. Er beschloss, den Einsatz zu erhöhen.

*

Im Speisesaal breitete der schwarze Vogel seine Flügel aus und segelte lautlos bis vor die Tür des Bads. Er legte den Kopf schief, um zu lauschen. Im nächsten Augenblick wuchs er, sein Körper dehnte sich und verlor das Gefieder, bildete menschliche Arme und Beine. Statt seiner stand eine gefährliche Schönheit auf dem Teppich. Sie schien sehr zufrieden mit sich und der Art und Weise, wie sich die Dinge entwickelten.

Gerne würde sie den beiden genarrten Liebenden zusehen. Doch war das Zimmerchen zu winzig, als dass sie selbst in Tiergestalt unbemerkt hätte hineinschlüpfen können. Das bedeutete aber nicht, dass sie von dem Geschehen ausgeschlossen war. Ihr standen andere Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung.

Beschwingt spazierte Valyna in Richtung ihres luxuriösen Schlafzimmers. Frontal gegenüber dem gewaltigen Spiegel setzte sie sich auf die Bettkante. Sie vollführte arkane Gesten und sprach Worte, die vor Macht vibrierten.

Ihr Spiegelbild verschwamm und stattdessen erschien eine Szene, wie sich ein junges Paar in einer kleinen Stube unterhielt. Ihre Stimmen klangen ein bisschen verzerrt, doch ihre Worte waren klar verständlich.

Valyna lehnte sich zurück in die Kissen und genoss die Vorführung.

*

Heinrich deutete auf die Badewanne. Den Test, den er im Sinn hatte, könnte die Böse nicht bestehen.

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