Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Weihnachten - 01. Advent

Geschichte Info
Trau nicht dem Weihnachtsmann!
6.4k Wörter
4.54
10.7k
1
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

1. Advent

„Ho Ho Ho."

Christina fuhr erschrocken hoch und ließ die Lampe fallen. Das Lachen schallte durch den Raum, als gelte es nur ihr. Sie drehte sich gereizt herum und trat den Weihnachtsmann. Ihr Stiefel traf sein Hinterteil mit ungebremster Wucht. Der alte Fettsack schwankte, und beinah fiel er um. Einen Moment hatte sie Angst, zu weit gegangen zu sein, aber dann stellte sich die riesige Plüschfigur langsam wieder auf.

„Ho Ho Ho" kam es erneut aus Richtung Weihnachtsmann. Sein Lachen klang jetzt anders. Als käme es von sehr weit weg, und ärgerlich dazu. Es hallte durch das Atrium wie fernes Donnergrollen. Christina hielt kurz inne. Einen Moment fühlte sie sich seltsam eingeschüchtert, aber dann kehrten Wut und Frustration zu ihr zurück. Was lachte er so dumm. Sie trat noch einmal zu. Santa wankte wieder, doch sonst passierte nichts. Knecht Ruprecht schaute finster drein und hob die lange Rute, der Rentierschlitten fuhr vorbei und durch die Gänge tönte „Stille Nacht". Die Technik funktionierte. Christina war erleichtert, und auch etwas enttäuscht. Sie hasste die Figuren.

Eigentlich hasste sie Weihnachten. Sie hasste schon das Wetter, die Kälte und den Schnee. Sie hasste die Dauerbeschallung mit kitschigen Weihnachtsliedern und die Plätzchen, die sie nicht essen konnte, ohne dick zu werden. Sie hasste selbst den Weihnachtsmann. Besonders diesen hier. Vielleicht war es das ganze Rot: Die Farbe ihres Pickels.

Christina hatte noch nie einen Pickel gehabt. Nicht mal in der Pubertät. Ihre Haut war makellos, ein cremiges, zartes weiß mit samtiger Textur, so perfekt wie alles andere an ihr. Dann war der Pickel aufgetaucht, drei Tage vor dem Shooting. Und mitten auf der Stirn. Sie hatte dran herumgedrückt, er sollte einfach weg. Das war genau der Fehler. Aber wie hätte sie das wissen sollen? Es war ja gerade ihr erster Pickel.

Sie sammelte die Lampe ein und warf einen verärgerten Blick auf das wirre Arrangement, dass das Einkaufszentraum bevölkerte. Der Weihnachtsmanns, Knecht Ruprecht und der alberne Schlitten beherrschten die Szenerie. Dazwischen standen Rentiere und viel zu viele Bäume.

Am schlimmsten war der Weihnachtsmann. Alle paar Minuten schallte sein nervtötendes „Ho Ho Ho" durch das Einkaufszentrum. Von wegen „Stille Nacht.". Der alte Sack war niemals still. Und heilig war er auch nicht. Das Licht der Weihnachtsbeleuchtung verlieh seinen dunklen Knopfaugen etwas listiges, und sein Grinsen wirkte schräg, beinahe anzüglich. Er wirkte fast lebendig. Sie hatte sich mal umgedreht und seinen Blick bemerkt, und für eine Sekunde hätte sie schwören können, dass er ihr sie angeglotzt hatte. Vermutlich wurde sie verrückt. Kein Wunder, bei dem Job.

Christina seufzte tief. Das war nicht ihre Welt. Sie sollte auf Barbados sein, mit all den anderen. Alles war geplant gewesen. Ihre Agentur hatte sie sofort für die Bademodenkollektion vorgeschlagen. Christina wusste, dass sie den Auftrag bekommen würde. Ihr Gesicht war mehr als schön: die nordisch hohen Wangenknochen, ein kühnes Kinn mit stolzer Nase und dazu volle, sinnliche Lippen. Aber ihr eigentlicher Trumpf war immer ihre Figur gewesen. Zwei endlos lange Beine, gekrönt von einem Apfelpo, die superschlanke Taille, dazu ihr flacher Bauch. Und dann das allerbeste: Die festen, vollen Brüste. Für ein klassisches Laufstegmodel war sie zu üppig, aber für Bademoden und Dessous, da war sie wie geschaffen. Eigentlich hatte sie den Job schon in der Tasche gehabt. Sie hätte ihren Aufenthalt auf Barbados einfach verlängert und wäre mit den anderen Models noch zwei Wochen geblieben. Ein paar verpasste Vorlesungen hätte sie gern dafür in Kauf genommen. Eigentlich interessierte sie ihr Studium schon lange nicht mehr. Nicht mal die Kerle, die sie dabei traf, waren interessant.

Dann kam der Pickel. Drei Tage war er nur gewachsen, bis er die ganze Stirn zu überschatten schien, ein eitriger, ärgerlich roter Vulkan von einem Pickel. Der Fotograf der Bademodenfirma hatte sie angeschaut und gefragt, ob sie häufiger Probleme mit ihrer Haut hätte. Beinahe hätte sie ihm eine geklebt. Jetzt saß sie hier in diesem Kaff bei Schnee und Regen fest. Das Leben war nicht fair. „Ho Ho Ho.", kommentierte der Weihnachtsmann, und Christina antwortete mit einer rüden Geste ihres Mittelfingers.

Christina drehte sich herum, nicht ohne einen letzten, zornigen Blick auf den Weihnachtsmann und sein Gefolge zu werfen. Der Raum glich einer Huldigung der Weihnachtsfeiertage. Die Bäume standen überall. Ein kleiner Wald umringte die Figuren, und bunte Lichterketten tauchten jeden Winkel in ein unwirkliches Licht. Von den Zweigen hing Lametta wie glitzernde Flechten, und unter jedem Baum schimmerten Päckchen. Der Anblick war hypnotisch.

Christina riss sich los. Der Flitterkram war nichts für sie. Sie liebte Zeug das glitzerte. Nur eben nicht Lametta. Sie stand auf wahre Werte. Am liebsten lupenrein.

Sie wollte gerade gehen, da funkelte es hell. Ein tiefes, rotes Leuchten fing ihre Blicke ein. Christina drehte sich herum, und zum ersten Mal registrierte sie das Juweliergeschäft. Die Lichter der Weihnachtsdekoration spiegelten sich in dem Schaufenster, brachen sich in den Steinen der Ausstellungsstücke und glitzerten in einer Million Farben. Sie machte zögernd einen Schritt, und dann noch einen zweiten. Sie kannte diesen Laden. Hineingegangen war sie nie. Der Laden war zu teuer, so bitter das auch war. Aber ihre Zeit würde kommen. Ein entschlossener Ausdruck legte sich über ihr Gesicht. Sie musste sich die Sachen ja nicht selber kaufen. Es war nicht so, als hätte sie was gegen Geschenke. Ganz im Gegenteil. Geschenke waren das einzige, das Weihnachten eine Daseinsberechtigung verschaffte.

Der Schmuck im Fenster glitzerte in tausend bunten Farben. Christina trat ganz dicht heran. Sie klebte an der Scheibe, und beinahe hätte sie ihre Nase dagegen gedrückt. Das Funkeln zog sie magisch an. Eine Sekunde spielte sie mit dem Gedanken, ihre Karte zu benutzen und den Laden zu betreten, doch dann ließ sie es sein. Nicht gleich am ersten Abend. Und nicht das Juweliergeschäft. Was, wenn sie jemand sah?

Ihr Blick fiel auf ein Halsband. Es lag ein kleines Stück abseits auf einem kleinen Kissen. Das Stück war täuschend schlicht: Nichts weiter als ein Streifen Gold mit vielen roten Steinen. Die Vorderseite zierte ein kleiner, ringförmiger Anhänger. Ein wenig frivol, dachte sie. Aber wunderschön.

Der Anblick ließ sie nicht mehr los. Sie schaute und sie schaute. Irgendwann streifte ihr Blick das Preisschild. Das reichte, um sie eher unsanft in die Wirklichkeit zurück zu holen. Sie seufzte tief und sehnsuchtsvoll. Das Halsband musste warten.

Christina ging den Gang hinab, rüttelte an den Türen, leuchtete in Schaufenster und dachte über ihr Unglück nach. Das schlimmste war ihr Kontostand. Sie war so gut wie pleite. Obwohl sie gut verdiente, war Geld doch immer knapp. Es rann ihr durch die Finger. Irgendwann würde sie jemand an Land ziehen müssen, der ihren Lebensstil finanzierte. Jemand mit genügend Geld. Am besten richtig reich. Sie korrigierte sich sofort. Entsetzlich reich. Und attraktiv. Und irre gut im Bett. Ein Mann, der sie verwöhnte. Jemand, der es sich leisten konnte, sie mit Geschenken zu überhäufen. Mit Dingen wie dem Halsband.

Sie dachte an Paul Ehrlich. Der Mann war eigentlich zu alt, mit beinah dreißig Jahren. Und noch dazu verheiratet. Andererseits hatte sie zumindest letzteres noch nie gestört, nicht, wenn sie jemand wollte. Und Paul war wirklich attraktiv. Ein Teil seiner Attraktivität war dem Fitnesscenter geschuldet, dass er regelmäßig besuchte. Den anderen, größeren Teil verdankte er der Tatsache, dass ihm das Einkaufszentrum gehörte.

Auf dem Grundstück hatte es schon immer ein paar Geschäfte gegeben, darunter das Kaufhaus der Ehrlichs. Es war sein Vater Karl, der das gesamte Gelände gekauft und dann bebaut hatte, mit einer Mall nach amerikanischem Vorbild. Und es funktionierte. Das Center lief hervorragend. Nach dem frühen Tod der Eltern hatte Paul es dann geerbt. Christina hatte schon versucht, Paul kennen zu lernen. Es war auf einer Party. Sie hatte sich überhaupt nur einladen lassen, weil sie gehört hatte, dass Paul kommen würde. Und Paul war auch gekommen. Er und seine Frau.

Christina war nicht feige, aber ein Blick auf die eisige Entschlossenheit, mit der Bianka Ehrlich ihren Mann am Arm festhielt, während sie ihn durch die Menschenmenge manövrierte, hatte ausgereicht, sie auf Abstand zu halten. Sie lächelte nur einmal kurz, doch das war schon genug. Bianka sah es. Sie warf ihr einen Blick zu, der Christina dazu brachte, schnellstmöglich das Weite zu suchen. Sie tat, als wäre nichts gewesen, und verzichtete für den Rest des Abends auf jeden weiteren Annäherungsversuch.

Eine Zeit lang hatte sie mit dem Gedanken gespielt, in Pauls Fitnesscenter zu wechseln, aber dann hatte Elkes Vorschlag, direkt unter seiner Nase als Bewachungsassistentin anzufangen, das Problem gelöst.

Eigentlich war es völlig unter ihrer Würde, in einem verdammten Supermarkt zu arbeiten. Das hatte sie Elke auch gesagt. Nur leider war sie abgebrannt. Und Jobs als Model nicht verfügbar. Zwar war der Pickel unter den sachkundigen Händen ihrer Kosmetikerin schnell wieder verschwunden, aber sie hatte sich zu sehr auf das Engagement auf Barbados verlassen, um kurzfristig was anderes zu bekommen. Ein Modeljob war nicht in Sicht, und der hier gut bezahlt. Was auch kein Wunder war. Nicht so kurz vor Weihnachten, und noch dazu am Freitag. Zuletzt war es die Aussicht gewesen, Paul endlich allein zu treffen, die den Ausschlag gegeben hatte.

Für das Vorstellungsgespräch hatte sie sich einen Rock rausgesucht, dessen Länge bei der herrschenden Außentemperatur eine Blasenentzündung quasi garantierte. Sie kombinierte ihn mit einer enganliegenden, weit aufgeknöpften Bluse und ihren höchsten Schuhen. Paul schien es nicht zu merken. Er war so unbeteiligt freundlich im Gespräch, dass sie sich schon gefragt hatte, ob er heimlich schwul war. Zehn Minuten dauerte das Interview, dann hatte sie den Job, aber immer noch keine Handynummer. Beinahe wäre sie wieder gegangen, aber dann hatte Sie beschlossen, es als Herausforderung zu betrachten. So schwul konnte er gar nicht sein. Oder so verheiratet. Und außerdem, sie brauchte schlicht das Geld.

Von rechts blinkte ihr eine Lichterkette entgegen. Sie wandte den Kopf, und der Strahl ihrer Taschenlampe fiel auf die Auslage einer Boutique. Die üppige Weihnachtsdekoration, die auch dieses Geschäft zierte, hätte sie beinahe dazu gebracht, weiter zu gehen. Doch die Auswahl raffinierter Dessous und edler Nachtwäsche, die im Schaufenster zu sehen war, veranlasste sie, dem Laden eine Chance zu geben.

Das war schon interessanter als die langweilige Abfolge nichtssagender Läden mit Tabak oder Elektroartikeln, an denen sie bisher vorbeigegangen war. Sie betrachtete die ausgestellten Stücke mit dem Blick der Kennerin. Das war die Luxusklasse. La Perla. Passionata. Sie sah sich vorsichtig um, aber niemand war da, der sie hätte sehen können. Zumindest nicht in Person. Wo waren jetzt die Kameras? Sie versuchte sich angestrengt zu erinnern, was ihr über die Überwachungsanlage erzählt worden war.

Paul Ehrlich hatte sie zur Einweisung in das Büro des einzigen fest angestellten Wachmanns geschickt, einem dicken, ungepflegten Menschen von etwas über vierzig, der auf den Namen Walter hörte. Walter hatte sie angestarrt und ihre eifrig seine schwammige Pfote hingehalten. Christina hatte sie ignoriert. Walter schaute wie erstarrt und zog die Hand zurück. Wenigstens hatte er schnell kapiert, dass ihm Freundlichkeit nichts bringen würde. Er hatte ihr eine Chipkarte hingehalten, sie einmal angeknurrt, dass sie gefälligst pünktlich zu erscheinen habe, und sich dann weggedreht um seine Monitore zu betrachten.

Die Bildschirme nahmen eine ganze Wand des Zimmers ein, und ihr kühles, blaues Licht erhellte sanft den Raum. Man sah fast jeden Winkel. Sie hatte Walter eine Zeit lang zugeschaut, unschlüssig, was sie sagen oder machen sollte. Walter hatte stoisch vor sich hin geschwiegen und sich auf seine Bildschirme konzentriert. Glücklicherweise war seine Nichte aufgetaucht und hatte sich ihrer angenommen.

Die Systeme machten fast die ganze Arbeit, hatte Steffi ihr erzählt, während sie Christina durch das Einkaufszentrum führte. Ein Einbruch war höchst unwahrscheinlich. Ein Schließsystem sicherte alle Eingänge und Geschäfte, und überall waren Kameras montiert. Selbst wenn ein Dieb es schaffen würde einzudringen, musste er damit rechnen, dass der Einbruch aufgezeichnet würde. Es gab kaum tote Winkel, und die Polizei hätte leichtes Spiel.

Steffis Stolz auf das System war kaum zu übersehen. Scheinbar hatte sie geholfen, die Anlage zu planen. Sie studierte Informatik, arbeitete aber schon lange in dem Einkaufszentrum. Ihr Onkel hatte ihr den ersten Job besorgt, zunächst wie er im Wachdienst, genau wie jetzt Christina. Dann war das Alarmsystem installiert worden, und sie hatte ihre Chance genutzt. Jetzt machte sie die Wartung, und ihre Schicht war frei.

Christina betrachtete Steffi halb amüsiert, halb mitleidig. Ihre Begeisterung für Technik im Allgemeinen und Informatik im Besonderen war unverkennbar. Entsprechend sah sie aus, ein unscheinbarer, dickbebrillter Nerd von einem Mädchen. Umgekehrt musterte Steffi sie mit kaum verhohlener Bewunderung. Christina ignorierte es. Ein lesbischer Fan fehlte ihr gerade noch.

Steffi schien es nicht zu merken. Sie plauderte munter drauflos, zeigte ihr die Kameras, erklärte Sichtfeld und Funktion. Christina verstand nicht viel von dem technischen Blabla, außer, dass das Center völlig sicher und ihr Job im Wesentlichen überflüssig war. Ihre Anstellung verdankte sie wohl im Wesentlichen der Versicherung, die darauf bestanden hatte, dass jederzeit menschliches Wachpersonal anwesend war. Sie musste nichts weiter machen, als von acht Uhr abends bis 10 Uhr in der Frühe im Überwachungsraum zu sitzen. Gewöhnlich war um kurz nach neun schon keiner mehr vor Ort. Dann ging sie einmal durch das Haus und prüfte alle Türen. Die Chipkarte, die Walter ihr mürrisch überlassen hatte, öffnete jedes Schloss, führte Steffi aus. Christina hob den Kopf. Ein Hauch des Rasierwassers, das Paul im Vorstellungsgespräch getragen hatte, kitzelte ihre Nase.

„Ich komm damit in Pauls Büro?" Sie deutete auf die unauffällige, weiße Stahltür neben sich, die Pauls Büros vor Unerwünschten schützte. Steffi lachte nur. Sie zeigte auf ein Zahlenfeld, gleich neben dem Eingang.

„Paul ist ein netter Kerl. Er kennt beinahe alle hier und duzt sich auch mit jedem. Aber wenn er arbeitet, arbeitet er. Er hasst es, wenn ihn jemand stört. Da kommst du nur mit Code hinein, und den kennt wirklich keiner." Steffi grinste abfällig. „Noch nicht mal seine Frau."

Christina hatte sich bereits beim Vorstellungsgespräch über den schmucklosen Raum gewundert, der Pauls kleines Reich darstellte. Ein riesiger Schreibtisch mit einem schweren Ledersessel, ein paar Regale und ein kleinerer Konferenztisch mit vier Stühlen und einer Couch, das war alles. Ein Fenster neben der Tür zum Flur, fest verschlossen mit einer Blende, und eines nach vorn hinaus zum Atrium, dazu ein kleines Waschbecken mit Spiegel, mehr nicht. Das war alles. Spartanisch, aber irgendwie auch passend. Das Büro eines harten Arbeiters. Christina lächelte. Sollte er sich ruhig einsperren, dachte sie. Sie verfügte über andere Mittel und Wege, um sich Zugang zu ihm zu verschaffen.

Steffi setzte ihren Vortrag mit ungebremster Begeisterung fort. Alles automatisch, und so weiter, und so fort. Und bitte, bitte, fass nichts an, blabla. Christina rollte mit den Augen. Sie hätte auch ohne Steffis Ermahnung jeden unnötigen Handschlag vermieden.

„Und wenn es mal Probleme gibt, dann kannst du immer fragen. Walter kennt sich sehr gut aus. Und ein paar andere auch. Wenn wirklich der Alarm auslöst, dann rufst du nur den Wachdienst. Jürgen ist dann sofort da. Er wohnt nicht weit von hier."

Christina nickte nur. Die Arbeit als Bewachungsassistentin schien eher eine Art von Beschäftigungstherapie zu sein. Nun, sie würde sich zu beschäftigen wissen. Ihre Augen glitten über die Schaufenster. Ein Einkaufszentrum, ganz für sie allein. Die Aussicht war verlockend.

„Wenn du losgehst, nimmst du den Alarm mit. Der kleine Kasten auf dem Tisch. Wenn irgendwas im Haus nicht stimmt, dann macht er ein Geräusch. Es gibt ein lautes Summen, und eine Lampe leuchtet rot. Dann sperrst du dich im Wachraum ein. Du hast nur zehn Minuten, dann geht der Notruf raus. Schau einfach auf die Kameras. Sehr oft ist es nur Fehlalarm, dann stoppst du den Countdown. Das ist der große, rote Knopf, du findest ihn sofort. Du drückst nur einmal auf den Knopf, um den Alarm zu stoppen. Du wartest, oder drückst noch mal, dann kommt der Wachdienst her."

Christina nickte wieder stumm. Ihr wurde langweilig.

Steffi hatte ihr zum Abschied ihre Handynummer in die Hand gedrückt. Ganz klar die kleine Lesbe. Aber nützlich, hatte sie sich gedacht, und die Nummer aufgehoben.

Ihr Blick fiel wieder auf die Dessous. Wo waren jetzt die Kameras? Wenn sie sich recht erinnerte, waren vor dem Wäscheladen keine angebracht. Vielleicht vertrug sich das nicht mit der Art des Geschäfts. Manchen Leuten war es peinlich, sowas einzukaufen. Und eine Kamera, wie versteckt auch immer, könnte Kunden abhalten. Nun, umso besser. Sie hob die Karte an das Schloss. Die Tür ging summend auf.

Christina sah sich neugierig um. Eigentlich kaufte sie eher selten Dessous. Was nicht an ihrer fehlenden Begeisterung für heiße Unterwäsche lag, sondern an der Tatsache, dass sie die meisten Sachen gratis kriegte. Sie nahm sie nach den Shootings mit. Die wenigsten Fotografen sprachen sie darauf an. Aber das hier war was anderes. Sie fühlte sich wie ein Kind, das allein im Süßwarenladen herumtollen durfte, während die Eltern weg waren und der Verkäufer kurz mal eine rauchte.

Sie streifte durch die Regale, öffnete ungeniert Schubläden und Schränke und sah sich alles an. Ein paar Teile betrachtete sie genauer und legte sie für später zurecht. Dann ging sie kurz zur Tür hinaus und lauschte in die Stille. Die kitschige Inszenierung vorweihnachtlicher Beschaulichkeit im Atrium schien vorübergehend zum Stillstand gekommen zu sein, und die Weihnachtslieder waren verstummt. Sie hörte keinen Laut. Die Reinigungsteams waren weg, und auf den Bildschirmen war niemand mehr zu sehen gewesen. Das Einkaufszentrum war in Dunkelheit getaucht, und nur die Notbeleuchtung spendete ihr fahles Licht.

Sie sah sich noch mal prüfend um und zog die Tür ins Schloss. Drinnen streifte sie ungeduldig die enge Jeans herunter, die sie für ihren ersten Abend angezogen hatte. Sekunden später war sie nackt. Sie stellte sich vor einen bodenhohen Spiegel, schüttelte ihre blonde Mähne, drückte ihre Brust heraus und bog den Rücken durch. Dann legte sie eine Hand geziert auf ihren Po, während die andere durch ihre Haare strich, ohne die Frisur merklich zu verändern.

Sie spürte, wie sie feucht wurde. Modeln hatte ihr schon immer gefallen. Sie liebte es, nackt zu sein, sich selber anzusehen, genoss das Gefühl der Macht, dass es ihr gab, und den Schuss Verruchtheit. Vermutlich war sie ganz tief drin doch Exhibitionistin. Sie grinste. Nicht das schlechteste für ein Model.

Ihre erste Wahl fiel auf ein dünnes, schwarzes Höschen mit passendem Bustier. Das Set an sich war eher schlicht, aber an Christina wirkte es. Das Bustier schaffte es kaum, ihre Brüste im Zaum zu halten, und der schmale Steg des Slips verschwand zwischen ihren festen Pobacken. Sie mochte es. Dann kam ein rotes Hemdchen dran, und dann ein Babydoll.

Schließlich nahm sie ihren Favoriten vom Tisch, ein Set aus BH, Slip und ein paar weißen Strümpfen, komplett mit Strapsen und Gürtel. Sie zog zuerst den BH an, eine wunderschön gearbeitete Spitzenkreation mit eher kleinen Cups. Wie erwartet fasste er die Fülle ihrer Brüste kaum. Er stützte sie von unten, ohne die Spitzen vollständig zu verdecken. Der Anblick war genug, um einen Heiligen zu versuchen. Dann folgten beide Strümpfe. Christina zog sie langsam hoch, rollte das feine Gewebe vorsichtig über ihre Schenkel und strich den Saum aus weißer Spitze glatt. Sie musste sich zurückhalten, sich nicht zu berühren. Noch nicht, dachte sie. Noch lange nicht. Erst der Gürtel.