Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Zufall oder Schicksal?

Geschichte Info
Ein Treffen im Wald stellt Conny vor existenzielle Fragen.
6.1k Wörter
4.64
17.2k
8
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Ein Treffen im Wald stellt Conny vor existenzielle Fragen.

********************

Die junge Anwältin Conny wollte eigentlich nur einen freien Tag nehmen und wandern gehen. Im tiefsten Wald trifft sie unversehens auf Jake. Er behauptet, das sei kein Zufall, sondern das Schicksal hätte sie zusammen geführt. Conny glaubt nicht an so etwas, doch er hat Beweise. Handfeste Beweise.

Dingo666

********************

Wasser!

Sie brauchte unbedingt etwas zu Trinken. Und zwar bald.

Conny schluckte. Ein unangenehmes Gefühl bei ihrer ausgetrockneten Kehle. Die Sonne hatte den Zenit zwar überschritten, aber ihre Strahlen heizten den schwülen Augustnachmittag immer noch mit voller Kraft auf. Die Luft stand zwischen den Bäumen wie brühwarme Melasse. Kein Hauch bewegte die Blätter.

Schweiß rann ihr am Hals hinab. Große dunkle Flecken zeichneten die leichte Bluse in der Mitte und unter den Armen. Der dünne gelbe Stoff, über der Taille frei hochgebunden, um möglichst viel Haut an Bauch und Rücken freizulegen, klebte locker an ihrem feuchten Körper.

Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob dieser Trip wirklich eine gute Idee darstellte. Nach all dem Stress der letzten Wochen hatte sie sich einfach einen Tag frei genommen. Wegfahren wollte sie nicht. Nur ein wenig zur Ruhe kommen. Der Gedanke einer Tageswanderung besaß da einen doppelten Reiz.

Zum einen genoss sie ausgedehnte Fußmärsche. Die monotone Bewegung übte eine besänftigende, fast hypnotische Wirkung aus. Ihr Kopf, sonst schnell und beweglich und dem hektischen Büroalltag in der Züricher Anwaltskanzlei gut angepasst, kam dabei zur Ruhe. Eine andere Conny konnte dann wieder auftauchen. Die Conny, die früher tagelang selbstversunken malte oder bastelte. Die gerne mit nackten Füßen rannte und kletterte und tanzte, und die später jede durchgefeierte Nacht in vollen Zügen genoss. Ein Teil von ihr, der in letzter Zeit kaum an die Oberfläche dringen durfte.

Zum anderen hatte es einen verbotenen, fast sündigen Anstrich, an einem Dienstag -- also einem ganz normalen Arbeitstag -- ganz ungeniert dem eigenen Vergnügen nachzugehen, während alle anderen arbeiteten. Als sie morgens aufbrach, da schämte sie sich fast, in den leichten Freizeitklamotten ins Auto zu steigen. Ringsum traten Männer und Frauen in Business-Outfit oder anderer Arbeitskleidung aus ihren Appartements, die Gesichter müde oder bereits gehärtet für den Tag. Für einen Moment hätte ihr entrüstetes Juristen-Ich fast gewonnen.

„Hohes Gericht! Die Angeklagte erdreistet sich, mitten in der Woche einen Tag frei zu nehmen! Wir beantragen die Höchststrafe: Schlechtes Gewissen bis Büroschluss!"

Aber sie -- genauer: ihr anderes Ich, die Tänzerin -- hatte sich gestrafft, den Kopf hoch genommen und ganz locker den Rucksack in den Kofferraum gepackt. Sollten die Bürohengste der Vorstadt ihr doch auf die bloßen Arme und nackten Schenkel starren!

Sie war eine erfolgreiche Junganwältin, und mit zweiunddreißig Jahren genau im richtigen Alter, um ihr gutes Aussehen zu akzeptieren und zu genießen. Sie warf die langen, dunkelbraunen Haare zurück, strahlte in die Runde und entbot allen Nachbarn einen wunderschönen Morgen. Herr Spängler, der Bankvorstand von nebenan, lächelte schräg zurück.

Die Vormittagsstunden vergingen wie im Flug, zauberhafte Perlen auf einer Feenschnur. Sie hatte das Auto auf einem Waldparkplatz irgendwo hinter Stühlingen abgestellt und war einfach drauflos gelaufen. Der Pfad führte über warme, sonnenüberflutete Wiesen und durch kühlere Waldstücke. Aufgeräumt schritt sie durch hohes Gras, genoss den Gesang der Vögel und den lichten Schatten zwischen den Bäumen. Dunkle Käfer brummten durch die Luft wie winzige, schwebende LKWs mit surrenden Flügeln.

Schon nach kurzer Zeit stellte sie fest, dass sie nicht mehr an die Schriftsätze auf ihrem Schreibtisch dachte. Die kühle Juristin war zurückgeblieben und wartete irgendwo außerhalb. Durch diese sommerliche Umgebung aus üppigen Äckern, leuchtend gelben Rapsfeldern und Wäldern mit bemoosten Bäumen und flirrenden Sonnenstrahlen wanderte die andere, eine jüngere Conny. Manchmal tanzte sie vor kindlicher Freude einige Schritte auf dem weichen Waldweg und sang laut ein paar Takte vor sich hin.

Im Lauf des Vormittags wurde es stetig wärmer. Dann richtig heiß. Die Wettervorhersage hatte von 35 Grad gesprochen, und entgegen ihrer Vermutung blieb es im Wald keineswegs schön kühl. Im Gegenteil! Der satte Geruch nach Holz, Laub und Moder, der wie ein erstickendes feuchtes Tuch über dem Waldboden lag, schien die Temperatur weiter zu hoch zu drücken. Trotz ihrer minimalen Kleidung -- nur Shorts, die Bluse und Wanderstiefel -- schwitzte sie wie bei einem anstrengenden Workout im Fitness-Club.

Die Plastikflasche mit Wasser war schon sehr bald geleert, und seitdem wartete sie mit wachsender Ungeduld und einem immer hartnäckiger drängendem Durst auf einen Imbisstand oder eine Quelle. Sogar ein Bach mit einigermaßen klarem Wasser hätte sie akzeptiert. All dies schien in dem ausgedehnten Naturschutzgebiet allerdings Mangelware zu sein.

Zudem verfolgte sie seit einer Stunde hartnäckig der Verdacht, dass sie von der dünnen, rot gestrichelten Linie auf der Wanderkarte abgekommen war. Die Karte zeigte zwar nur ungefähr die Verteilung von Wald und Feldern, aber die Landschaft ringsum hielt sich enervierend wenig an den Plan. Wo war nur dieser Kreuzweg, den sie längst hätte passieren sollen?

An „Verirren" zu denken schien ihr ein wenig lächerlich. Ringsum mussten Straßen verlaufen, Autos fahren, Leute in den Dörfern und Gehöften ihrem Alltag nachgehen. Nur wenige Kilometer entfernt, höchstens zwei Stunden zu Fuß -- schließlich gab es im dicht besiedelten Schweizer Tiefland kaum noch ein paar Quadratkilometer ohne Siedlungen.

Tatsache war aber, dass sie seit dem Aufbruch am Parkplatz keine anderen Menschen mehr gesehen hatte. Nicht einmal Waldarbeiter waren heute unterwegs. Dies in Verbindung mit ihrem Durst sorgte für einen kleinen, bedrückenden Kitzel in ihrer Magengegend. Die Wanderung, anfangs ein wohltuender Ausbruch aus dem zivilisierten Berufsleben, entwickelte sich zu einer unerquicklichen Angelegenheit.

Ihr Juristen-Ich grinste hämisch herüber. Gott, was freute sie sich auf eine Dusche und auf ihr bequemes Sofa! Was für eine bescheuerte Idee, hier durch diesen Brutofen von Wald zu laufen. Sie könnte so schön in einem angenehm temperaturgeregelten Zimmer sitzen, gemütlich ein paar Akten nachschlagen und...

Ein entfernter Ruf riss sie aus ihrem lethargischen Trott.

Menschen!

Völlig automatisch ordnete sie ihre nassen Haarsträhnen, und strich ihre Kleider glatt. Vage war ihr bewusst, wie abgerissen sie aussehen musste. Zerknitterte Wandersachen, völlig durchgeschwitzt, mit zerkratzten Waden und an der Stirn klebenden Haaren. Das genaue Gegenteil der kühlen Anwältin vor Gericht, perfekt im dunklen Kostüm, dezenten Schuhen und streng hochgesteckten Haaren.

Zwischen den Bäumen glitzerte rotes Blech. Eine Windschutzscheibe reflektierte das Sonnenlicht in einem breiten Streifen. Dahinter lag eine kleine Lichtung, von der nun ein neuer Laut herüberdrang. Conny trat näher und spähte zwischen den dicken Bäumen hervor. Ihre Augen weiteten sich, als sie die Szene erfasste.

Ein Mann kniete dort vor einem kleinen Feuer. Er hatte einen Karton in der Hand und fütterte die Flammen vor ihm mit Papieren und Fotos. Conny konnte nur einen schwarzen Haarschopf und einen breiten Rücken im grob karierten Hemd erkennen. Der Unbekannte legte eine solch wütende Konzentration in sein rätselhaftes Tun, dass sie zögerte. Es schien unvorstellbar, ihn einfach zu stören und nach etwas so Profanem wie Wasser zu fragen.

Der Karton war nun leer und wanderte auch zu den Flammen. Die griffen gierig danach und schlugen für einige Sekunden hoch auf. Der Mann breitete seine Arme aus, sah zum Himmel, und murmelte etwas Unverständliches. Die Bitterkeit, die trotzige Trauer, die in seinem Ton mitschwang, rührte Conny eigentümlich an.

Er blieb eine ganze Weile in dieser seltsamen Haltung, dann ließ er die Arme mit einem Seufzen sinken und scharrte die Reste seiner Verbrennungen zu einem glimmenden Haufen zusammen. Endlich erhob er sich. Seine Bewegungen wirkten schwer, er sah mit gesenktem Kopf zu Boden. Conny hätte wetten können, dass er das Gras direkt vor sich nicht wahrnahm.

Zögernd trat sich vor.

„Hallo? Bitte entschuldigen Sie!"

Der Mann rührte sich für ein, zwei Sekunden nicht. Dann zuckte er zusammen und fuhr herum. Zwei graue Augen in einem ernsten Gesicht hefteten sich auf sie, nahmen ihre schlanke Gestalt auf. Sein Unterkiefer sackte herab, und perplexes Staunen malte sich in seine Miene. Conny biss sich auf die Unterlippe. Sah sie wirklich so schlimm aus?

„Entschuldigen Sie." wiederholten sie verlegen. „Ich -- äh, ich glaube, ich habe den Weg verloren. Können Sie mir sagen, ob das hier der Ahorn- oder der Weidenwanderweg ist?"

Er starrte sie immer noch in völliger Fassungslosigkeit an. Trotz der seltsamen Situation kam Conny nicht umhin, seinen athletischen Körperbau zu bewundern. Die hochgekrempelten Hemdärmel fassten starke Arme, die ausgewaschene Jeans umspannte einen flachen Bach und muskulöse Schenkel. Er musste etwas älter sein als sie selbst. Also Mitte dreißig, schätzte sie abwesend. Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn, aber das unterstrich nur seine Attraktivität.

Nun lachte er auf. Einmal nur, in einem skeptischen Tonfall.

„Ich glaube es einfach nicht!" murmelte er zu sich selbst.

Conny sah ratlos an sich herunter. Was war nur an ihr, das ihn so konsternierte? So fürchterlich konnte ihr Anblick doch nicht sein, oder? Normalerweise reagierten Männer ein klein wenig enthusiastischer auf sie.

Der Unbekannte trat plötzlich vor, direkt vor sie hin, und nahm ihre Hände. Verwirrt blickte sie zu ihm auf. Er musste mindestens einsneunzig groß sein, fast einen Kopf größer als sie selbst. Er lächelte nicht, sondern bannte sie mit einem Blick, so intensiv, dass er wie ein Magnetstrahl auf sie wirkte.

„Willkommen!" sagte er nur.

Conny schluckte. Trocken. „Äh..." brachte sie heraus.

Plötzlich schien ihm die Absurdität der Situation bewusst zu werden. Er lächelte verlegen, dann grinste er breit, und brach in lautes Lachen aus. Die grauen Augen, die zuvor so hart und zwingend wirkten, sprühten nun vor ungebändigter Heiterkeit. Seine Hände hielten die ihren immer noch warm und fest umfangen.

„Bitte entschuldige vielmals." sagte er mit angenehm sonorer Stimme. „Das muss alles ein wenig, hm, seltsam auf dich wirken."

„Nun ja, ich habe mich schon gefragt..." bekannte Conny und erwiderte sein Lächeln, ohne nachzudenken. War dieser Mensch mit allen Unbekannten sofort per Du?

Er gluckste amüsiert.

„Dabei bin ich extra an einem Werktag so tief in den Wald gefahren wie möglich, um nur alleine zu sein. Und dann -- kommst du so mir nichts, Dir nichts zwischen den Bäumen hervor." Er schüttelte staunend den Kopf. „Ich hätte nicht gedacht, dass mein Wunsch so schnell in Erfüllung geht."

„Wunsch?" Sie kapierte überhaupt nichts. Eine höchst ungewöhnliche Erfahrung für sie.

Er zögerte.

„Das ist eine längere Geschichte." meinte er dann und zauderte kurz. Dann sah er sie an, in seinen Augen blitzte es spitzbübisch.

„Ich habe eine Vermutung dazu." sagte er in seriösem Ton. „Eine Hypothese. Und ich würde diese Hypothese gerne experimentell überprüfen. Könntest du mich dabei unterstützen?"

Conny zuckte die Schultern und lächelte unsicher. Klar würde sie diesem nicht uninteressanten Typen mit dem leicht schrägen Verhalten helfen, aber wie...

Er beugte sich vor und küsste sie.

Das kam völlig überraschend. Conny erstarrte, überrumpelt von der unvermuteten Intimität. Sie fühlte seine festen, fast harten Lippen auf den ihren, während er ihren Blick weiter hielt. Dann löste er sich mit einem leisen Schmatz. Sah sie nur aufmerksam an.

Conny wirbelte davon, rettungslos verloren in der Eigentümlichkeit dieser bizarren Situation. Der leise prickelnde Nachhall auf ihren Lippen fühlte sich gut an, ebenso wie die körperliche Nähe zu diesem Fremden. Ihr Tänzerinnen-Ich zog innerlich erfreut die Augenbrauen hoch und hätte gerne nachgefühlt, wie sich die Haut auf seinen straffen Rippen wohl anfühlte.

Aber der Typ konnte sie doch nicht einfach so küssen? Eine völlig Fremde? Die Juristin wies sorgfältig auf alle potenziellen Gefahrenquellen, Unsicherheiten und Abnormalitäten dieses Sachverhalts hin. Mit anklagender Stimme zitierte sie einige alte, weniger erfreuliche Erfahrungswerte im Umgang mit Männern.

Die beiden Teile von ihr brachten es fertig, sich gegenseitig perfekt zu neutralisieren. Sie konnte nur stocksteif dastehen.

Ganz langsam breitete sich ein freudiges, immer noch zweifelndes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er sah dadurch auf einmal viel jünger aus. Offen. Und verletzlich.

„Du läufst nicht schreiend davon." konstatierte er zögernd. „Und du hast mir noch keine heruntergehauen. Ich komme daher zu dem Schluss, dass meine Vermutung zutrifft."

Mit diesen kryptischen Worten zog er sie erneut an sich und küsste sie zum zweiten Mal. Länger diesmal, und nachdrücklicher. Conny spürte den Hauch seines Atems auf ihrer Haut und nahm seinen herben Duft wahr. Er roch entfernt nach Holz, nach frischem Schweiß und nach Mann. Wie von selbst bewegten sich ihre Lippen, erwiderten seinen Kuss leicht.

Dann straffte sie sich durch, entzog ihre Hände seinem Griff und drückte gegen seine Brust, schob ihn etwas zurück. Er leistete keinen Widerstand, als sie so den Kontakt unterbrach, aber sein leuchtender Blick blieb an ihr haften.

„Das... kommt alles ein ganz klein wenig überraschend für mich." sagte sie ernsthaft und sah, wie er erschrak. Sie grinste, beugte sich vor und küsste nun schnell ihn. Nur um ihm zu zeigen, dass sie nicht direkt böse auf ihn war. Und vielleicht auch, um nicht als passives Weibchen dazustehen. So etwas würde die taffe Juristin niemals akzeptieren! Die Tänzerin war zum ersten Mal voll einverstanden.

„Nicht unangenehm. Nur... eben überraschend." wiederholte sie und strich leicht mit der Zungenspitze über die Unterlippe. „Ich würde wirklich gerne wissen, wie Ihre Vermutung aussieht."

Er lachte wieder laut auf. Sie mochte es, wenn er so lachte. Dann sah er ihr tief in die Augen, unvermittelt wieder sachlich.

„Ich vermute, dass du mein Schicksal bist." meinte er völlig ernst. „Dass es kein Zufall ist, dass wir hier zusammentreffen. Dass wir zusammengehören. Füreinander bestimmt sind. Und Deine erste Reaktion lässt mich hoffen, dass diese Vermutung nicht völlig an den Haaren herbeigezogen ist."

Und mit einer Selbstverständlichkeit, als seien sie bereits Jahre zusammen, küsste er sie ein drittes Mal. Sie schloss kurz die Augen, genoss die sonderbare Vertrautheit. Dann atmete sie tief durch und machte sich los, nicht ohne Bedauern.

„Das verstehe ich nicht. Kannst du..." sie stockte, als sie bemerkte, dass sie nun auch wie selbstverständlich zur Du-Form übergegangen war, „Kannst du mir erklären, warum es Schicksal ist?"

Er nickte.

„Gerne. Zumindest versuchen." Seine Kopfbewegung wies zu den glimmenden Resten hinüber.

„Gerade habe ich ein kleines Ritual durchgeführt." Er suchte nach Worten. „Ehrlich gesagt, das war mein erstes eigenes Ritual. Ein Freund, bei dem ich im Winter eine Schwitzhütte mitgemacht habe, hat es mir empfohlen und erklärt, was ich ungefähr tun muss." Ein Schnauben. „Dabei habe ich sonst mit diesem esoterischen Schnickschnack nichts zu tun."

„Ein Ritual?"

„Ja, genau. Sieh mal..." Wieder dieses Stocken, dieses Suchen nach der richtigen Beschreibung für das Unbeschreibliche. „Ich war mit einer Frau zusammen. Zehn Jahre. Große Liebe, verstehst du? Und sie hat mich dann verlassen, einfach so. Das war vor drei Jahren, und das hat mich ziemlich umgehauen."

Conny nickte mitfühlend. Der Mann schüttelte den Kopf, als sei er heute noch verwundert über die lange zurück liegenden Ereignisse.

„Seitdem läuft mit anderen Frauen irgendwie gar nichts." Er sah nun fast wütend aus. „Urs meinte, ich würde innerlich immer noch an Beatrix hängen und wäre nicht bereit für eine andere Liebe. Erst, wenn ich mich davon lösen würde."

„Ah." Conny verstand langsam. „Dann ging es bei dem Ritual um die Trennung von dieser Beatrix?"

„Richtig. Anfangs dachte ich: Was soll das? Ist doch kein Problem für mich! Aber es muss doch etwas dran sein, denn ich habe es monatelang vor mir hergeschoben. Heute Morgen habe ich mich endlich aufgerafft und alle Fotos, alle Briefe, alle alten Dinge von Bea hier in den Wald gebracht und Feuer gemacht." Er lachte kurz und ein wenig zittrig. „Ist ja eigentlich ganz einfach, ein paar alte Sachen zu verbrennen. Sollte man meinen."

„Nicht unbedingt." flüsterte sie und dachte zurück, wie sich damals Jochen von ihr losgesagt hatte. Jochen, ihr langjähriger Freund aus dem Studium, der für jeden Quatsch zu haben war. Jochen, der sie so oft zum Lachen brachte. Mit dem sie auf dem Rad bis Italien gefahren war. Der zum Schluss sagte, er hätte sich in eine lebenslustige Studentin verliebt, und nicht in eine Anwältin. Karrierefrau! So hatte er sie genannt, und es war nicht als Kompliment gemeint gewesen.

Schnell schüttelte sie den Kopf und vertrieb diese schattigen Erinnerungen. „Aber was hat das alles mit mir zu tun?" wollte sie wissen.

Er grinste breit und breitete entschuldigend die Arme aus.

„Als ich gerade eben alles ins Feuer geworfen hatte, da war es wirklich, als würde eine Last von mir genommen. Ich fühlte mich plötzlich leicht. Fast schwerelos. Da habe ich so ganz allgemein in Richtung Universum gesagt, dass ich jetzt bereit wäre für eine neue Liebe. Und nun rate mal, wer zwei Minuten später aus dem Wald und in mein Leben spaziert!"

„Oh." Fasziniert sah Conny zu ihm auf und ließ sich gerne wieder von seinem durchdringenden Blick bannen, während sie seine Worte überdachte.

Der Gedanke, dass die Schicksalsmächte sie wie an einer Schnur hierhergezogen hatten, war einerseits berückend romantisch. Die Tänzerin seufzte sehnsüchtig. Im Geiste sah sie bereits die ergriffenen Gesichter ihrer Freundinnen vor sich, wenn sie ihnen diese Geschichte erzählte. „Unglaublich! Unglaublich!" würde Astrid wohl sagen, und Josephine standen dann vermutlich schon Tränen der Rührung in den Augen.

Die Juristin wehrte sich heftig gegen diese Idee. Sie wollte selbst entscheiden, wohin sie ging und mit wem sie sich einließ. Schließlich war sie eine erwachsene, erfolgreiche Frau, und kein leicht zu beeindruckendes Mädchen mehr. Kein dummes Schicksal sollte da hineinpfuschen!

„Und? Bist du mein Schicksal?" fragte er mit leichter Stimme, in der ein merkwürdigen Unterton mitschwang. Conny öffnete den Mund. Stockte.

„JA!" jauchzte die Tänzerin.

„NEIN!" schrie die Juristin.

Heillose Verdrehung in ihrem Kopf.

„Wie heißt du denn überhaupt?" fragte sie zurück, um Zeit zu gewinnen.

„Oh -- Entschuldigung." Sein unvergleichliches Auflachen. „Ich bin Jakob. Jakob Federmann. Ich bin freiberuflicher Ingenieur und Wissenschaftler. Meine Freunde nennen mich Jake."

„Hallo Jake." Sie grinste leicht. „Schön, dich kennen zu lernen. Ich heiße Conny. Oder eigentlich Cornelia Mück."

„Conny." Er nickte. „Conny und Jake, das hört sich doch gut an, oder?"

„Also ich weiß nicht... Das ist doch eine komische Idee, das mit dem Schicksal, oder?" meinte sie. „Außerdem mag ich die Vorstellung nicht, dass ich ein Sklave des Schicksals bin. Das heißt ja, ich bin nur so eine Art Statistin. Eine Erfüllungsgehilfin für Dein persönliches Glück, oder?"

„Nicht unbedingt." Anscheinend genoss er diese Unterhaltung. Was auch daran liegen mochte, dass er sie immer noch in den Armen hielt. „Umgekehrt kann es ja genauso schicksalhaft sein. Du verirrst dich und stößt mitten in der Wildnis auf mich. Ich könnte genauso gut hier her geführt worden sein. Für Dich!"