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Alles Nicht So Einfach

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Zwei Männer, drei Frauen, aber wer bekommt wen?
9.3k Wörter
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Svenja schlug die Tür des Taxis hinter sich zu. „In die Karmeliter-Bar, bitte", sagte sie, während sie an ihrem kurzen Kleid herumzupfte. Das Auto setzte sich in Bewegung. Svenjas Aufregung wuchs. Sie würde IHN gleich sehen. Endlich! Sie hatte die Strafpredigt ihrer besten Freundin Claudia noch im Ohr.

„Spinnst du jetzt total? Hör endlich auf, den Typen zu stalken! Seit wann bist du den so eine Promi-Bitch?"

Svenja war wortlos und beleidigt aus der Wohnung gerauscht und hatte in der Kälte auf das Taxi gewartet. Stalking! Das war ja wohl ein zu starkes Wort! Und ein richtige Promi war er ja auch nicht. Omar war Radiomoderator und sie hatte sich vor Monaten in seine Stimme verliebt. Eigentlich war sie zufällig bei diesem Sender gelandet, hatte ihn danach aber nie wieder gewechselt. Seine samtweiche Stimme mit dem ganz leichten französischen Akzent war unwiderstehlich. Seither interessierte sie sich für diesen Mann. Wenn sie ehrlich war, war das Interesse inzwischen von Besessenheit abgelöst worden, doch diesen Gedanken schob sie weit von sich, wann immer er aufploppte. Darum hasste sie es, wenn Claudia versuchte, ihr ins Gewissen zu reden.

Anfangs hatte Svenja ganz normal im Internet nach ihm gesucht. Nun wusste sie, dass Omar aus Frankreich kam, marokkanische Wurzeln hatte und er definitiv kein Radiogesicht hatte. Der Mann sah richtig gut aus. Er war ein paar Jahre älter als sie, Ende 30, und passte genau in Svenjas Beuteschema. Mittelgroß (sie selbst war klein und wurde nicht gerne allzu sehr überragt) und dunkel. Tiefschwarze, mit Gel nach hinten gekämmte Haare, die sich am Oberkopf wellten. Nougataugen, die einem bis in die Seele schauten. Zumindest, wenn er Svenja jemals angesehen hätte.

Allerdings musste sie zugeben, dass sie ihm dazu nie wirklich Gelegenheit gegeben hatte. Das war ein weiterer Punkt, für den Claudia sie regelmäßig tadelte. Svenja hatte sich anfangs noch gerechtfertigt. Wozu war sie denn IT-Spezialistin, wenn sie es nicht nutzte. Sie musste aber auch zugeben, dass Claudia grundsätzlich recht hatte, nur deshalb waren sie immer noch Freundinnen. Sie wusste selbst, dass sie mit dem Hacken von Omars Kalender eine Grenze überschritten hatte. Aber wie hätte sie denn sonst herausfinden sollen, wo sie ihn sehen konnte?

Anfangs war sie nur bei Partys und in Lokalen erschienen, in denen auch er verabredet war. Doch stets war sie zu schüchtern gewesen, um ihm wirklich nahe zu kommen. Bald hatten ihr diese Treffen alle ein bis zwei Wochen nicht mehr gereicht. Er ging nicht oft aus, er moderierte schließlich ab 06.00 Uhr früh. Sie wurde regelrecht süchtig danach, Omar ansehen zu können und hatte ihm vor seiner Wohnung genauso aufgelauert, wie im Wartezimmer des Zahnarztes und in seinem Tennisclub.

Um nicht aufzufallen, hatte sie sich in der Zwischenzeit etliche Perücken und eine Unzahl Accessoires, farbige Kontaktlinsen und Kleidung, die sie als Svenja niemals tragen würde, zugelegt.

-------

Sebastian beobachtete seinen Fahrgast unauffällig im Rückspiegel. Sein Herz klopfte hart seit dem Moment, in dem er die Frau wiedererkannt hatte. Sie war vor genau 13 Tagen schon einmal mit ihm gefahren und seither dachte er an sie. Sebastian konnte nicht genau sagen, warum. Sie war sehr hübsch, aber sicher keine klassische Schönheit. Ungefähr erste Hälfte 30, schätzte er. Dunkle, kinnlange, glatte Haare, grünliche Augen, soweit er das erkennen konnte, eine auffällige, rechteckige Brille. Die schwarze Fassung fand er zu hart für ihr Gesicht, aber das war Geschmacksache. Sie musste etwa 1,60 groß sein, vielleicht auch etwas größer, schlank, aber nicht dünn. Durchschnitt, alles in allem. Und trotzdem spukte sie durch seine Gedanken, seit sie mit ihm gefahren war.

Er fühlte sich wie eine Fliege, die der Pheromonfalle nicht entkommen konnte, obwohl er sich für klüger hielt als ein Insekt und wusste, wie sexuelle Anziehung entstand. Ändern konnte er daran trotzdem nichts. Nun war die Frau tatsächlich wieder da. Sein Wunsch war in Erfüllung gegangen. Leider wurden dadurch neue Wünsche ausgelöst. Sie näher kennenzulernen, beispielsweise. Küssen, heiraten. Die Gefühle schienen jedoch nicht gegenseitig zu sein. Sebastian glaubte nicht einmal, dass sie ihn überhaupt wiedererkannt hatte. Sie war eingestiegen, hatte ihr Ziel genannt und starrte seither auf ihr Handy.

Da er sein eigenes kleines Ein-Mann-Unternehmen war, hatte er einen idealen Vorwand, die Frau anzusprechen. Immerhin würden sie mehr als eine halbe Stunde fahren.

„Freut mich, dass Sie wieder mit mir fahren", sagte er freundlich.

Sie sah auf. Fragend musterte sie ihn von schräg hinter ihm. Er konnte zusehen, wie sie dachte. Sie durchforstete offenbar ihr Gedächtnis, um herauszufinden, ob sie ihn tatsächlich kannte oder ob es eine plumpe Anmache war.

Er hatte mit dieser Annahme recht. Svenja überlegte krampfhaft, ob er die Wahrheit sagte. Sie hatte aber keine Ahnung, wenn sie ehrlich war. Jeder Mann in ihrem Umfeld verschwamm vor ihren Augen, wenn es sich nicht um Omar handelte. Sie entschied sich für ein höfliches Lächeln und schwieg. Einerseits wollte sie nicht unfreundlich sein, andererseits aber keinesfalls einladend wirken.

Sebastian gab nicht auf. „Ich habe Sie vor zwei Wochen zum Metropolkino gefahren. Sie haben Ihre Jacke vergessen und im letzten Moment noch einmal die Tür geöffnet."

Die Miene der Frau erhellte sich. „Tatsächlich! Jetzt weiß ich es wieder. Das waren Sie? Es tut mir leid, aber ich hatte in der letzten Zeit so viele Taxifahrten."

„Wenn Sie öfter fahren, gebe ich Ihnen beim Aussteigen gerne meine Karte. Dann können Sie mich direkt anfordern und bekommen einen Stammkundenpreis. Nur wenn Sie wollen, natürlich."

„Gerne!" Diesmal war ihr Lächeln eindeutig erfreut und nicht nur höflich. Sebastian schwieg wieder. Nun lag es an ihr, ob sie plaudern wollte. Er musste nicht lange warten.

„Fahren Sie nur nachts?"

„Nein, jederzeit, ich muss es nur rechtzeitig wissen, wenn Sie eine Fahrt tagsüber brauchen."

Sie nickte. „Gut zu wissen." Ich werde es testen und wenn er zuverlässig ist, warum nicht, dachte Svenja bei sich. „Zu arbeiten, wenn andere feiern, ist aber auch nicht immer lustig, oder?"

„Bei wem ist arbeiten schon immer lustig?" Sebastian zuckte mit den Schultern. „Vor Corona habe ich in einem Reisebüro gearbeitet, da hätte ich auch gerne mit manchem meiner Kunden getauscht."

„Möchten Sie nicht wieder dorthin zurück?"

Sebastian verneinte. „Bis die Branche sich wirklich erholt hat, wird es noch dauern. Erst Pandemie, jetzt Teuerungswelle. Das ist mir zu unsicher. Außerdem war der Taxischein teuer. Solange es passt, fahre ich weiter."

„Verstehe." Svenja widmete sich wieder ihrem Handy.

Minuten verstrichen. „Ich war auch vor Corona schon selbständig", sprach sie schließlich weiter. „Ich erarbeite IT-Sicherheitskonzepte für Firmen. Das habe ich immer schon von zu Hause aus gemacht und es gab auch keinen Rückgang bei den Aufträgen. Ich gehöre damit zu den wenigen, die keine Nachteile hatten."

„Einsamkeit?" Sebastian war dankbar für den Aufhänger, ihren Beziehungsstatus herauszufinden.

„Nicht einmal das. Ich wohne im Grünen und komme sehr gut mit mir alleine aus. Kinder musste ich auch keine bespaßen, ich habe wirklich keinen Grund zu jammern. Im Gegenteil. Ich habe es genossen, keine Ausreden für Partyabsagen erfinden zu müssen. Es fanden keine statt." Sie lächelte schelmisch.

Sebastian wäre sehr gerne an den Straßenrand gefahren, um sie zu küssen. Stattdessen fragte er: „Sind Sie dann heute beruflich unterwegs? In der Karmeliter-Bar ist doch die Party von diesem Radiosender, oder?"

Wieder lächelte sie, wieder fühlte er den Drang, sie zu küssen. Verdammt noch mal, er kannte nicht einmal ihren Namen und war sicher, für immer mit ihr leben zu wollen? Was war bloß mit ihm los?

„Fast richtig. Ich werde dort jemanden treffen, aber es ist nicht direkt beruflich." Sie sagte nichts mehr und er fragte nichts mehr. Er ließ sie vor der Bar aussteigen, überreichte ihr mit der Quittung seine Karte und wünschte ihr einen schönen Abend. Als er um die Ecke bog, atmete er einmal tief durch.

Svenja sah auf die Visitenkarte. Sebastian Quinn. Ob er mit Freddie verwandt war? Unsinn, das war doch nur ein Künstlername. Sie dachte noch einmal an die Taxifahrt. Netter Typ. Damit steckte sie die Karte ein und vergaß den Mann.

-------

„Jaaa?" Gedehnt und nicht allzu freundlich beantwortete Claudia am nächsten Tag Svenjas Anruf.

„Es hat geklappt!", rief diese ihr triumphierend entgegen. „Ich habe gestern mit Omar gesprochen!"

Claudia wartete Svenjas Jubel wortlos ab.

„Claudi? Bist du noch dran?"

„Ja. Und wie war es?", fragte sie immer noch deutlich reserviert. Sie liebte Svenja wie eine Schwester, doch in diesem einen Punkt wollte sie sie einfach nicht unterstützen. Svenja machte sich strafbar, wenn sie dem Typen hinterherspionierte und das wusste sie auch. Warum riskierte sie es also? Aus einer Schwärmerei hatte sich eine regelrechte Sucht bei ihrer Freundin entwickelt. Anfangs hatte Claudia es noch lustig gefunden, dass Svenja sich wie ein Teenager benahm, der sich in den Sänger einer Boyband verliebt hatte. Aber das Lachen war ihr rasch vergangen, als diese begann, ihm beim Sender aufzulauern, um zu sehen, wohin er nach der Arbeit ging und seine Hobbies und Vorlieben ausforschte.

„Es war großartig!", schwärmte Svenja. „Er sieht aus der Nähe noch viel besser aus! Und diese Stimme! Zum Weinen schön! Das habe ich ihm auch gesagt."

„Lass mich raten. Er hatte das schon einmal gehört."

„Claudi!! Sei doch nicht so schrecklich unromantisch. Freu dich doch für mich."

„Ich würde mich freuen, wenn ich an eine gesunde Beziehung glauben könnte und nicht an eine Selbstzerstörung deinerseits."

„Es kann doch eine gesunde Beziehung daraus werden!"

„Höchstens eine ungesunde. Und wahrscheinlich nicht einmal die. Du hast doch selbst recherchiert, dass er verheiratet ist und kleine Kinder hat."

„Aber die leben noch in Frankreich. Wer weiß, ob sie jemals nachkommen und wenn doch, kann ich ihn da längst erobert haben."

„Und wie willst du das anstellen?" Claudia kannte ihre Freundin. Sie war überhaupt nicht selbstbewusst, sondern schüchtern und durch ihre Hemmungen beim Kennenlernen von Männern ungeübt. Dass sie diesem Moderator auf Schritt und Tritt folgte, entsprach ihr überhaupt nicht und das machte Claudia Angst.

„Indem ich ‚ganz zufällig' immer in seiner Nähe auftauche. Daraus wird sich schon irgendwann ein längeres Gespräch ergeben."

„Darf ich daraus schließen, dass euer gestriges Gespräch kurz war?"

„Na ja", Svenja seufzte. „Eigentlich war es gar kein richtiges Gespräch. Er hat mir für das Kompliment gedankt und das war es dann auch schon."

„Ach, Svini. Und dafür hast du so viel Geld verschleudert? Friseur, Kleid, Eintritt?" Claudias Ärger war Mitleid gewichen. „Wirklich, Mädchen. Wenn du so dringend einen Mann willst, such dir doch einen netten, zuverlässigen Kerl, mit dem du dir auch nicht den Neid der halben Stadt einhandelst, weil du ihn hast. Ich könnte dir ein paar vorstellen."

„Hör doch auf mit deinem ewigen Realismus!" Svenja war schon wieder gereizt, wie immer, wenn zwischen den beiden Freundinnen das Thema Partnerschaft auftauchte. Claudia hatte eine On-Off-Beziehung mit einem Typen, der sich nicht zwischen ihr und einer anderen Frau entscheiden konnte oder wollte. Sie sollte Svenja also wirklich keine guten Tipps geben. „Wenn ich das wollte, könnte ich den Taxifahrer von gestern daten, aber ich will Omar."

Claudia wurde hellhörig. „Den Taxifahrer? Sieht er gut aus?"

Wider Willen musste Svenja lachen. „Keine Ahnung, ich habe ihn nicht genau angesehen. Also wahrscheinlich nicht. Jedenfalls entsprach er nicht meinen Vorlieben. Ich will einen dunklen, stämmigen Mann und das war er definitiv nicht." Sie überlegte. „Glatze, glaube ich. Brille. Schlank. Ich weiß es wirklich nicht mehr."

Halbwegs versöhnt verabschiedeten sie sich.

-------

Sebastian hatte keine Glatze, aber die Haare am Oberkopf wurden schon schütter. Er schnitt sie seit Ewigkeiten selbst, wozu gab es Haarschneider? 8 mm im Nacken, 20 mm darüber und an den Seiten, 40 mm am restlichen Hinterkopf und oben, gerade lang genug, damit sie nicht hochstanden. Die Übergänge beherrschte er bereits im Schlaf. Manchmal dachte er darüber nach, sie länger wachsen zu lassen, damit die Kopfhaut weniger durchschien, aber so wichtig war es ihm dann doch nicht. Er schwamm viel und in dieser Länge trockneten sie schnell.

Auch jetzt war er auf dem Weg ins Schwimmbad. Als Teenager war er bei den Jugendstaatsmeisterschaften mitgeschwommen und hatte immer vordere Plätze belegt, doch für eine Sportlerkarriere hatte sein Talent nicht gereicht, auch wenn seine Mutter immer noch der Meinung war, es wäre nicht am Talent, sondern am Ehrgeiz gescheitert. Ihm war es egal, das Ergebnis war dasselbe.

Beim Betreten der Umkleidekabine läutete sein Telefon. Unbekannte Nummer. „Taxi Sebastian Quinn?", meldete er sich höflich.

„Hallo! Hier ist Svenja Unteregger. Sie haben mir vor ein paar Tagen vor der Karmeliter-Bar Ihre Karte gegeben. Ich brauche morgen um 11.15 ein Taxi zum Bahnhof."

Sebastians Puls raste und er musste sich Mühe geben, ruhig zu klingen. „Moment, ich schaue nach." Er tippte auf seinen Terminplaner. „Ich habe davor eine Fahrt, wo soll ich Sie denn abholen?" Sie nannte ihm eine Adresse. „Ja, gerne, das geht sich mit dem vorherigen Fahrtziel problemlos aus. Dann also bis morgen. Schönen Nachmittag!"

„Sehr gut. Danke, ebenfalls!" Sie legten auf.

Er würde ganz sicher einen schönen Nachmittag haben, immerhin würde er ihn in Vorfreude auf den morgigen Tag verbringen. Als er die beginnende Erektion spürte, fragte er sich, ob ein paar Bahnen mehr sie vertreiben konnten oder ob er doch lieber kalt duschen sollte, um nicht aus dem Bad geworfen zu werden.

-------

Überpünktlich holte er Svenja am nächsten Tag ab. Er hatte schlecht geschlafen und war immer wieder hochgeschreckt, weil er geträumt hatte, zu spät zu kommen. Es war ein schöner Tag und seine Kundin noch nicht da, daher stieg Sebastian aus, streckte sich und blieb dann neben der Beifahrertür am Gehsteig stehen.

Als Svenja aus dem Haustor trat und ihn erblickte, sah sie ihn sich zum ersten Mal genauer an, um Claudia berichten zu können. Wie sie es geahnt hatte, war der Mann überhaupt nicht ihr Typ. Zu groß, zu schlank, zu hell. Glatze hatte er keine, aber viel fehlte nicht, daher waren ihr die hellbraunen Haare im Zwielicht des Taxis nicht in Erinnerung geblieben. Er überragte sie um Haupteslänge und hatte auch nicht die vierschrötige Figur, die sie bevorzugte. Wobei -- schlecht sah er nicht aus, wenn sie ehrlich war. Sie grüßte freundlich und lachte über seinen überraschten Gesichtsausdruck.

„Ja, passt schon, ich bin die richtige Kundin!"

Sebastian riss sich zusammen und öffnete ihr die hintere Tür. Nach dem Einsteigen sah er sie noch einmal im Rückspiegel an. Blonde Langhaarperücke, keine Brille, stark geschminkt. Oder waren das ihre Haare und die dunklen die Perücke?

Er fuhr los. „Haben Sie einen Undercoverjob?"

Wieder lachte Svenja. Sebastian schloss einen Sekundenbruchteil die Augen. Irgendwann MUSSTE er sie küssen. „Wenn es so wäre, könnte ich es Ihnen kaum erzählen, oder? Aber nein, es ist nur Recherche, bei der ich nicht erkannt werden will."

Recherche? Sie hatte ihm doch etwas von IT erzählt. Da war von Journalismus oder Ähnlichem keine Rede gewesen. Aber es ging ihn ja nichts an. Am Bahnhof stieg sie aus und er beobachtete, wie sie sich einen Moment suchend umsah und dann langsam Richtung Eingang ging. Plötzlich wurde sie auf einen von rechts kommenden, mittelgroßen, südländisch wirkenden Mann aufmerksam, der an ihr vorbeieilte und an dessen Fersen sie sich heftete. Irgendwie kam der Typ Sebastian bekannt vor, allerdings nur vage.

Spätabends rief er seine beste, engste und älteste Freundin an.

„Seb!? Etwas spät für einen Anruf."

„Hallo, Dotty. Ich weiß. Es war nur ein Versuch. Ich war nicht einmal sicher, ob du noch wach bist."

„Jetzt wäre ich es auf jeden Fall." Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Willst du vorbei kommen?"

Erleichtert atmete Sebastian aus. „Ich würde wirklich gerne mit dir reden. Ich rufe dich an, wenn ich da bin. Ich habe deinen Schlüssel nicht bei mir."

„Ok."

Nachdenklich beendete Dorothea den Anruf. Sie konnte sich nur einen Grund vorstellen, warum Sebastian so unglücklich klang. Eine Frau. Ihre Vorfreude auf diesen Besuch stieg. Nicht, dass sie ihm Liebeskummer gönnte, aber sie wollte wirklich gerne wissen, ob sie recht hatte. Sie sollte endlich ihre Neugier in den Griff bekommen.

Als Sebastian bei ihr ankam, wartete er nur ein einziges Freizeichen ab und legte auf. Er wusste, dass sie ihr Telefon im Blick hatte und in wenigen Augenblicken öffnen würde. Tatsächlich. Leise drehte sich der Schlüssel im Schloss. Direkt vor dem Haus hielt ein Auto, als Dotty ihn durch die Tür zog.

„Das sind die neuen Nachbarinnen, von denen ich dir erzählt habe." Sie verdrehte die Augen. Sebastian wusste, wen sie meinte. Zwei alte, aber äußerst lebenslustige Damen waren in die zweite Doppelhaushälfte gezogen. Offiziell handelte es sich um Schwestern, aber jeder wusste, dass sie ein Paar waren. Sie waren entzückend und hatten sich in der Nachbarschaft rasch eingefügt, doch leider war das Beobachten der Nachbarn ihr zweitliebstes Hobby. Übertroffen wurde es nur von der Liebe, über das Beobachtete zu schwatzen. Dorothea mochte die beiden, aber sie hatte keine Lust, am nächsten Morgen noch vor dem ersten Kaffee über den nächtlichen Besuch ausgefragt zu werden.

Leise ging Sebastian hinter Dorothea her in die Küche und schloss vorsichtig die Tür hinter sich. Erschöpft von der tagelangen Grübelei setzte er sich auf einen der Stühle und lehnte sich zurück.

„Was willst du trinken? Hast du heute noch eine Fahrt?"

„Nein, ich bin fertig. Hast du Bier?"

Dotty kaufte Bier nur für ihn, es war also nie sicher, ob sie eines da hatte.

„Eines müsste es von Weihnachten noch geben." Sie fand die Flasche ganz hinten im Kühlschrank und reichte sie zum Tisch. Zufrieden ließ Sebastian den Bügelverschluss ploppen.

„Prost! Auf dich!" Er nahm einen tiefen Schluck.

„Auf mich?" Dorothea zog die Augenbrauen hoch und setzte sich zu ihm an den Tisch. „Was ist los? Ärger mit einer Frau?" Leicht legte sie ihm eine Hand auf den Unterarm. Seb empfand die Geste als ungeheuer tröstlich. Beide sahen auf, als sich die Küchentür wieder öffnete.

„Papa!" Schlaftrunken schob sich Alessio in den Raum und kuschelte sich an Sebastian.

„Hallo, mein Großer", sagte dieser und drückte ihn an sich. „Waren wir zu laut?"

Der Junge schüttelte den Kopf. „Nein, Gretis Auto stand ziemlich lange vor der Garage und hat in mein Zimmer geleuchtet."

Fragend sah Sebastian seine Exfrau an. Die nickte wissend. „Sie ist selten nüchtern, wenn die beiden von einer Party kommen. Dann trifft sie das Garagentor erst nach einigen Versuchen und wenn sie dann auch noch das Fernlicht vergisst, wird es in Alessios Zimmer Tag." Sie seufzte und sah ihren Sohn an. „Jetzt ist das Tor aber zu, also ab zurück ins Bett."

Alessio hielt davon nichts. „Aber ich will bei euch bleiben, jetzt, wo Papa da ist."

„Nein, Häschen, du hast morgen Nachmittag ein Match, da willst du doch fit sein. Und Papa kommt auch hin, da hat er dann ganz viel Zeit für dich."

Sebastian machte sich bereit zum Aufstehen. „Ich bringe dich ins Bett und warte, bis du schläfst. Deal?"

Zögernd nickte Alessio. Es schien, als würde eine Diskussion derzeit nichts bringen.

Als Seb den Stuhl zurückschob, schrammte er laut über die Bodenfliesen. „Mist, hoffentlich habe ich jetzt nicht auch noch Noah geweckt."

„Ist der schon zu Hause?" Fragend sah Alessio zu seiner Mutter.

„Nein, das ist er nicht, darum bin ich so spät noch wach. Er hat noch Zeit, bis er da sein muss."