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Anita und wir Episode 09.1

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"Du hast mit meinem Chef gesprochen?"

"Klar. Dein Urlaub ist schon genehmigt. Zum anderen ist das eine schöne Gegend. Du kannst Rad fahren oder wandern, schwimmen, klettern, was immer du willst. Du musst nur immer zwischen Abendessen und Frühstück im Hotel sein und ihr eine Chance geben. Abends ausbüxen gilt nicht."

Ich holte Luft. Das hörte sich nicht mehr ganz so schlimm an.

"Und natürlich darfst du nicht mit einer anderen Frau — oder Mann — rummachen. Kein Sex mit jemand anderem als Johanna."

"Muss ich denn Sex mit ihr haben, damit ihr eure Wette gewinnt?"

"Nicht unbedingt. Und damit komme ich zum anderen Anderen ..."

* * *

Am nächsten Tag schon war ich in Bayern. Am Inn. Nicht weit von der Stelle, wo mein Bruder Frank und meine Schwägerin Laura Lisa gefunden hatten, die zierliche Transsexuelle, die sich hatte umbringen wollen, und die inzwischen auf dem besten Weg in ein glückliches Leben war.

Genau wie mein Bruder, der eine Frau und deren inzwischen fünfzehnjährige Tochter geheiratet hatte — so musste man das schon ausdrücken. Kathi — die Tochter — war eine Naturgewalt. Und Frank war glücklich bis über beide Ohren.

Jessica war glücklich mit Dorothea, ihr Vater Thomas war glücklich mit seiner Frau Anita, selbst meine Mutter und mein Vater waren inzwischen glücklich. Und ich?

Naja, guter Job für einen Berufsanfänger, Sex mit einer Menge toller Partner. Alle von den oben angegebenen mit Ausnahme von Kathi und meinen Eltern. Da sollte man doch nicht meckern.

Aber ich hatte noch nicht diejenige — oder denjenigen — gefunden, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Wahrscheinlich war es mein immer noch andauernder Zwiespalt, ob ich denn jetzt eher hetero oder homo war. Auch wenn es den anderen egal war. Mich kümmerte es irgendwie.

"Ja, Herr Schuppach, ihr Zimmer ist reserviert." Die dralle Alpenschönheit hinter dem Tresen zwinkerte mir zu. "Es ist ein Doppelzimmer. Kommt denn Frau Schuppach nach?"

"Es gibt keine Frau Schuppach", sagte ich mit einem Seufzer. Nicht hundertprozentig echt, aber die junge Dame war schließlich die, mit der ich flirten sollte. "Auch sonst niemand, mit dem ich das Zimmer teilen würde. Wenn Sie also das Doppelzimmer für jemand anderen brauchen ..."

"Nein, nein", sagte sie mit einem Augenaufschlag und beugte sich etwas vor. Es war tatsächlich kein Klischee: Die Mädchen trugen auch außerhalb des Oktoberfests ihr Dirndl. Und Johannas Oberweite war beachtlich. "Sie sollen sich doch bei uns wohlfühlen. Wir sind jederzeit für Sie da. Ich bin übrigens Johanna."

Sie schob mir den Anmeldezettel hin. Ich setzte meine Brille ab und unterschrieb.

"Zimmer Zwölf", sagte sie und gab mir den Schlüssel. "Soll ich jemand rufen, der Ihr Gepäck ..."

"Nicht nötig. Ich habe nicht viel." Nur einen Riesenkoffer aber glücklicherweise auf Rollen. Ich drehte mich um und machte einen Schritt.

"Herr Schuppach", rief sie. "Ihre Brille!"

"Oh!", sagte ich. "Danke!" Jessica würde mir ihre Bullenpeitsche über den Hintern ziehen, wenn ich die Brille verlor. Es war ein Prototyp. Ich setzte sie sicherheitshalber wieder auf.

Mein Handy piepste. "Lass die Brille auf!", stand auf dem Display. Gottseidank zu spät. Scheiße. Wieso habe ich mich eigentlich auf all das eingelassen? Weil es ein Agentenabenteuer ersten Ranges war. War es das denn?

Lukas

"Ihr seid ja alle vollkommen verrückt", sagte ich.

Sie hatten tatsächlich einen Freund nach Annabrunn geschickt, um Johanna auszuspionieren. Der Kerl hatte eine Brille, die alles, was er sah und hörte, live über das Internet auf den riesigen Bildschirm in das Haus der deVilles übertrug. Und die ganze Familie inklusive seiner Eltern saßen davor und mampften Popcorn.

"Ist doch mal etwas Anderes", meinte Anita, die neue Ehefrau von Thomas deVille, der vielleicht mein Vater war. Er war der einzige, der in dieser Runde fehlte. Auf Promotion-Tour in den arabischen Emiraten, wo man sicherheitshalber ohne Ehefrau hinfuhr. Ganz gut, denn alle — Gott, alles Menschen, die ich vor drei Tagen noch nicht gekannt hatte — waren der Meinung, dass wir den Test abwarten sollten, bevor wir ihm irgendetwas erzählten. Aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es den Leuten hier eigentlich gar nicht auf die Genetik ankam.

Anita hatte mich gleich umarmt wie den verlorenen Sohn, und die Schuppachs wie einen verlorenen Neffen. Mehr Umarmungen als ich die letzten zehn Jahre zusammen bekommen hatte — mal abgesehen von meinen Kumpels zu Hause.

Ja, dachte ich mir, ganz etwas Anderes. Was Johanna da mit einem Wildfremden aufführte, war oberpeinlich. Am Empfang des Hotels höflich und freundlich zu sein, war eine Sache. Dem Kerl — und damit uns allen in fast einhundert Zoll Breite — ihre Oberweite unter die Nase zu halten war eine ganz andere.

"Habt ihr alles drauf?", murmelte Max über die Lautsprecher.

Dorothea tippte auf ihrem Handy. Bei Max piepste es, und wir konnten den Text sehen, als er auf das Display schaute. "Perfekt. Doppel-D?"

Er lachte leise. "Mindestens." Dann keuchte er. "Ihr hättet mir sagen sollen, dass es hier keinen Aufzug gibt."

"Ich wollte ihm ja einen Tensing mitgeben", murmelte Jessica. "Selber schuld."

"Was ist ein Tensing?", fragte ich.

"Modell sechzig selbstfahrender und treppensteigender Koffer von deVille", antwortete sie. "Die Treppe wäre allerdings eine Herausforderung."

Ich blickte wieder auf den Bildschirm. Ich kannte die steile Treppe zu den Gästezimmern natürlich, war sie schon hunderte Male auf- und abgestiegen. Früher hatte ich immer in den Sommerferien im Hotel gearbeitet und anderer Leute Koffer geschleppt. Umsonst natürlich. Aus Liebe zu Johanna.

Wenn Dorothea recht hatte — was ich immer noch nicht glaubte, aber langsam befürchtete — dann hatte sie wohl schon damals gemerkt, was für ein Trottel ich war, den man ausnutzen konnte.

Eine Hand legte sich auf meinen Arm. Dorothea. "Ich hoffe echt", sagte sie, "dass ich Unrecht habe."

Was sollte ich darauf sagen?

Max

Ich war am Nachmittag angekommen, und wenn ich schon zum Abendessen wieder zurück im Hotel sein sollte, blieb mir nicht allzu viel Zeit. Also lief ich — mit Brille auf der Nase und Handy am Ohr — eine Stunde lang durch den Ort und ließ mich von Lukas über die örtliche Infrastruktur in Kenntnis setzen. Viel gab es allerdings nicht. Zwei Gasthäuser, ein Jugendzentrum, eine Tankstelle, Briefkasten, Bushaltestelle, Ortsgrenze. Echt jetzt?

Für ein Großstadtkind wie mich war das hier das Ende der Welt. Wenigstens vermietete die Tankstelle Fahrräder, und ich reservierte mir eines ab morgen für die ganze Woche. Ich wusste zwar noch nicht, wie oft und lange ich es brauchen würde, aber da ja Jessica die Spesen zahlte ...

Ich hätte sie ja zu gerne bluten lassen für teures Essen und Getränke, aber noch nicht einmal das gab es hier. Mittagessen für acht Euro inklusive einer Halben Bier.

Das würde kein echtes Loch in ihr Taschengeld reißen. Ich musste wohl schon nach Mühldorf fahren, um Geld ausgeben zu können oder zum "Schloss Guttenburg". Dort gab es einen Golfclub; die hatten bestimmt einen teuren Fresstempel.

Ich war nicht wirklich überrascht, dass Johanna mich beim Abendessen bediente — nur mich, für die anderen Gäste war eine andere dralle Alpenschönheit zuständig — und sich sogar neben mich auf die Bank setzte.

Das Gespräch war allerdings etwas einseitig. Ich wollte ja flirten, aber mit vollem Mund — und die Platte voller Fleisch, die sie mir hingestellt hatte, war wirklich gut — konnte ich nur gelegentlich einen Einsilber von mir geben. Zumindest erfuhr ich so — und natürlich auch die Zuschauer an den Bildschirmen zu Hause — fast ihr ganzes Leben.

Fast, denn Lukas schien darin nicht vorzukommen. Ich fragte sie einmal, ob sie denn auch Single sei, aber sie wich der Frage einfach aus und servierte mir den Nachtisch.

Als ich aufstand, merkte ich, dass mich ich unbedingt am nächsten Tag weit mehr bewegen musste als heute. Wenn das die ganze Woche so weiterging, würden mir meine Hosen am Samstag nicht mehr passen.

Im Zimmer angekommen, brachte ich dann die drei getarnten schnurlosen Webcams — mit Infrarotscheinwerfer — in Stellung, die Jessica mir auch noch mitgegeben hatte. "Du willst ja bestimmt nicht im Bett die Brille aufbehalten", hatte sie gemeint.

"Drei Webcams auf einmal? Reicht denn die Bandbreite in dem Dorf?"

"Überraschenderweise ja. Die Netzabdeckung ist super. Ist halt ein Touristenort."

Auf dem Handydisplay überprüfte ich, dass alle Kameras das Bett gut im Blick hatten, und dann legte ich mich schlafen.

* * *

Am nächsten Morgen — nach einer ereignislosen Nacht, aber hätte ich etwa erwartet, dass Johanna einfach so zu mir ins Zimmer kam? — ließ ich die Brille im Hotelzimmer. Der Auftrag, den Dorothea mir gegeben hatte, erforderte Diskretion. Und das Vertrauen der Leute, mit denen ich reden wollte.

Der erste Weg nach dem Frühstück — mal ausnahmsweise ohne Johannas Annäherungsversuche — führte mich zur Tankstelle. Zum einen, um mein Mietfahrrad abzuholen, zum anderen, weil Lukas normalerweise dort arbeitete und auch Tobias, sein bester Freund.

"Grüß Gott", begrüßte mich der. Ich hatte ein Foto von ihm gesehen.

"Hallo", sagte ich und streckte meine Hand aus. "Ich bin Max Schuppach. Bist du Tobias Saitling?"

"Ja?" Er schlug mit einem festen Griff ein.

"Ich wollte wegen Lukas Huber mit dir reden."

Seine Augenbrauen schossen hoch. "Hat er was angestellt?"

"Nein, nein. Er ist in Frankfurt. Auf der Suche nach seinem leiblichen Vater."

"Das weiß ich."

"Die Sache ist die ..." und dann erklärte ich ihm haarklein, was wir vorhatten. Irgendwann hörte er auch auf, den Kopf zu schütteln.

"I woaß ned ...", fing er an, doch ich stoppte ihn.

"Bitteee", sagte ich. "Verständliches Deutsch."

Er lachte. "Saupreißn! Es moants, es wissts bessa, wos Deitsch is, wia mia, ha?"

Ich zuckte verzweifelt die Schultern. "Häh?"

Er schlug mir hart auf die Schulter. "War doch gar nicht so schlimm", meinte er dann in einigermaßen verständlicher Zunge. "Also ich weiß nicht, ob Johanna ihn betrügt. Wenn, dann hätte ich ihm das ganz bestimmt gesteckt. Freunde verheimlichen so etwas nicht. Wenn es jemand weiß, dann nur eines der Madln."

"Wer zum Beispiel?" Mädchennamen hatte ich von Lukas nicht bekommen.

"Die Schanina vielleicht, seine Schwägerin."

Nun gingen meine Augenbrauen hoch. "Lukas hat nicht erzählt, dass er Geschwister hat."

"Kann ich verstehen. Das Verhältnis ist ... kompliziert. Am besten fährst auffi auf den Huberhof." Er zeigte irgendwo an den Himmel.

"Wo???"

"Halt oben am Berg. Is ned weit. Redst mit dem Huber Schorsch, das ist sein Bruder."

Okay. Is ned weit, dachte ich mir.

* * *

"Ned weit" war zwar nur ein Kilometer oder so Luftlinie. Aber zweihundert Höhenmeter mindestens und mit all den Serpentinen wahrscheinlich hundert Kilometer brutto. Ich hätte mir ein Elektrofahrrad leihen sollen. Ich hätte mir ein paar hundert Liter Wasser mitnehmen sollen.

Ich kam mit heraushängender Zunge und völlig außer Atem auf dem Bauernhof am Ende des Weges an und hoffte nur, dass es der richtige war.

Mein Keuchen muss so laut gewesen sein, dass man es im Haus gehört hatte. Zumindest kam ein junger Mann in Overall und Gummistiefeln heraus, noch bevor ich einen Platz für mein Rad gefunden hatte.

"Grüß Gott!", rief er freundlich.

"O mein Gott!", gab ich japsend zurück. "Ist das hier die Zugspitze?"

" Hock di erschtamal hi", meinte er. "Schanina", rief er dann. "Bringsch amol a Mooß!"

"Kein Bier", keuchte ich. "Bitte!" und brach auf der Holzbank zusammen.

"A Mooß Wasser!", korrigierte er sich. "Fia mi aaa." Dann drehte er sich zu mir. "Wir trinken nicht nur Bier."

"Gottseidank", gab ich zurück. "Ich weiß nicht, ob ich die Abfahrt mit einem Promille schaffen würde." Ich streckte die Hand aus und er schüttelte sie heftig. "Max Schuppach. Du bist Georg Huber? Der Tobias Saitling hat mich zu dir geschickt. Wegen Lukas."

"Aha!", sagte er und setzte sich mir gegenüber.

Eine junge, nette, gutaussehende Frau, die gar nicht den Typus "dralle Alpenschönheit" verkörperte, sondern eher schlank gebaut war, kam aus dem Haus mit zwei vollen Literkrügen.

"Dös is der Max", stellte Georg mich vor. "Un dös ist die Schanina."

"Janina", korrigierte sie ihn und stellte mir einen der Krüge hin. "Könnt ihr Gebirgsburschen nicht mal richtig Deutsch reden?"

"Das ist ja Musik in meinen Ohren", sagte ich und nahm einen tiefen Schluck. "Ahhh! Du bist also auch nicht von hier?"

"Hört man das?", meinte sie und wollte schon weggehen.

"Moment, bitte", bremste ich sie. "Ich bin eigentlich wegen dir hier."

Georg fixierte mich mit bösem Blick.

Ich hob die Hände. "Reden! Nur reden! Ich bin wegen Lukas in Annabrunn und wegen Johanna."

Das letzte Wort reichte, um sie sich neben ihren Mann hinsetzen zu lassen. Für ein Bauern-Ehepaar waren die zwei verdammt jung, sie noch jünger als er.

Georg fing an zu lachen, als ich den beiden von der Wette erzählte, und konnte sich erst einkriegen, als Janina — deren Dialekt mich eher an Nordsee als an Bayern denken ließ — ihm mehrfach und sehr fest mit der Faust auf den Rücken schlug.

"Ja", sagte er schließlich keuchend. "Das passt zu meinem großen Bruder."

"Großer Bruder? Wieso hast du dann den Bauernhof? Ich dachte, dass immer der älteste ..."

"Okay", sagte er. "Die andere Hälfte der Familiengeschichte."

Er war ein gutes Jahr jünger als Lukas, und die beiden hatten noch einen dritten Bruder, Sebastian, noch einmal eineinhalb Jahre jünger. Das machte sie siebzehn, sechzehn und vierzehn Jahre alt, als ihr Vater starb, immerhin mit über siebzig.

Davor schon war es klargeworden, dass Lukas kein Interesse an dem Bauernhof hatte, sondern Georg ihn irgendwann einmal übernehmen und zu guter Letzt erben sollte. In aller Freundschaft, Handschlag drauf.

Als dann ihr Vater überraschend gestorben war, kam bei der Testamentsverlesung der Überhammer. "Meinen Bauernhof vermache ich meinem ältesten Sohn—" alle hielten den Atem an "— Georg."

"Was???", war Lukas aufgefahren. "Wieso 'ältester Sohn'?"

"Er hat Recht", hatte Mutter leise gesagt. "Du bist nicht sein Sohn."

"Und wer ist dann mein Vater?"

"Können wir das bis nach der Verlesung vertagen?"

Doch die Vertagung zog sich hin, und als dann auch Mutter starb, kannte Lukas die Wahrheit immer noch nicht.

"Und du musstest mit sechzehn den Bauernhof übernehmen?", fragte ich. "Was für eine Verantwortung."

"Mutter hat mir sehr geholfen", sagte Georg leise, und seine junge Frau drückte sich an ihn. "Sie hat auch nichts dagegen gesagt, dass Janina und ich ohne Trauschein zusammenleben."

"Ihr seid nicht verheiratet?"

"Noch drei Monate", sagte Janina. "Dann bin ich achtzehn." Dabei strich sie sanft über ihren Bauch.

Diese Bewegung kannte ich. "Hmmm", meinte ich. "Die 'Kein-Sex-vor-der-Ehe-Regel gilt also nicht für euch beide?" Dabei zeigte ich auf ihre Hand.

Sie lächelte. "Es wird toleriert. Wir wollen heiraten. Es ist viel schlimmer, dass ich keine Einheimische bin."

"Quatsch", meinte Georg. "Das bildest du dir nur ein."

"Nur", sagte ich, "damit wird das Verhältnis zwischen Lukas und Johanna noch seltsamer."

"Ein Grund dafür", sagte Janina, "ist die Tatsache, dass die Aumanns eine der reichsten Familien im Ort sind. Lukas ist nicht wirklich eine gute Partie."

"Ihre Eltern würden ihn schon nehmen, ihre Mutter mag ihn sogar sehr. Aber Johanna will nächstes Jahr auf die Fachhochschule gehen, um Hotelmanagement zu studieren", warf Georg ein.

"Und auch noch in der Schweiz", vervollständigte Janina.

"Das wusste ich noch gar nicht", wunderte sich Georg.

"Das ist auch relativ neu."

"Aber sollte da Johanna nicht mit Lukas irgendwie —", ich kratzte mich am Kopf "— ich weiß nicht: entweder vorher heiraten oder die Verlobung lösen?"

"Das mit der Verlobung", sagte Janina, "sieht Lukas möglicherweise etwas anders als Johanna."

"Oh Scheiße. Wollt ihr mir sagen, Lukas lebt auf Wolke sieben und Johanna ganz woanders?"

Janina zuckte die Schultern. "So ungefähr. Sie will ihn schon. Sie wollte ihn schon immer. Er ist ihre große Liebe und umgekehrt."

"Sie war aber nicht die Einzige", warf Georg ein. "Weißt du was, Max, du solltest vielleicht mal mit Sanne reden."

"Susanne Schmieder", erläuterte Janina. "Sie war in derselben Klasse wie Lukas, Tobias und Johanna."

"Und hat sich für Tobias entschieden?", fragte ich.

"Überhaupt nicht", widersprach sie mir. "Tobias ist jahrelang um sie herumscharwenzelt, aber sie hatte nur Augen für Lukas."

"Und jetzt?"

"Sie ist immer noch Single und arbeitet beim Sat-Dienst ihres Vaters als Radio- und Fernsehtechnikerin."

"Sie hat doch auch die neue Fernsehanlage im Hotel Aumann installiert?", fragte Georg.

"Genau", antwortete Janina. "Wenn jemand etwas über Johannas Privatleben weiß, dann sie."

"Mittel, Motiv und Gelegenheit", murmelte ich.

Die beiden lachten. "Fühlst dich als Kriminalkommissar?"

"Soko Annabrunn", sagte ich grinsend. "Das Geheimnis der Hotelerbin." Ich stand auf. "Vielen Dank für eure Hilfe."

"Hältst uns auf dem Laufenden?", fragte Georg.

"Ganz sicher."

"Komm doch die Tage nochmal vorbei", lud mich Janina ein.

Ich blickte den steilen Hang hinunter, den ich noch einmal würde hochfahren müssen. "Ich ... äh ..."

"Zum Abendessen", vervollständigte Georg.

Ein Stein fiel mir vom Herzen. "Kann ich leider, leider nicht. Ab Abendessen bis einschließlich Frühstück bin ich verpflichtet, meiner Hauptaufgabe nachzugehen."

"Na dann pfiat di", meinte Georg.

"Oder so", murmelte ich, schwang mich auf mein Rad und radelte los. Ich blickte mich noch einmal um und winkte zurück.

Die beiden standen Arm in Arm lachend hinter mir. Zwei Menschen, die glücklich waren, ohne sklavisch die Regeln ihrer Gesellschaft zu befolgen. Einfach weil sie sich liebten. Wenn Lukas seine Wette verlor, dann musste Jessica einfach den beiden ihre Hochzeit bezahlen.

Auf dem Weg nach unten kam ich an einem kleinen Verkaufsstand vorbei. Frische Äpfel lachten mich an. Das war doch was Echtes. Statt irgendwo Bratwurst mit Pommes reinzuziehen, ein paar gesunde Vitamine. Heute Abend würde es höchstwahrscheinlich wieder kalorienreich werden.

Derart gestärkt, machte ich mich auf den Weg in den Nachbarort. Mühldorf war eigentlich schon eine kleine Stadt, und im ersten Moment dachte ich schon, ich müsste mir eine Landkarte oder ein Navi kaufen. Doch die Straße, die Richtung Altötting ging, hieß logischerweise Altöttinger Straße, und das Schild von Satellitendienst Schmieder war schwer zu übersehen.

Das Glück war mir hold, und die etwas herbe Schönheit mit einem dunkelblonden Zopf hinter dem Tresen sicher Susanne.

"Grüß Gott!" Wen auch sonst?

"Guten Tag. Ich bin Max Schu—"

"Ich dachte schon", grinste sie mich an, "dass du hier auftauchen würdest."

"Wie ..."

"Hast du schon mal was von Handys gehört? Tobias hat mich vor zwei Stunden angerufen, und Janina vor einer halben. Hast uns ja schnell gefunden."

"Natürliche Begabung", sagte ich. "Das heißt, ich muss meinen ganzen Roman nicht noch einmal erzählen?"

Sie lachte auf. "Komm mit nach hinten. Willst du ein—"

Ich stöhnte auf.

"—Wasser?"

"Gott, ich könnte mich an euch Leute gewöhnen. Ihr seid echt nett. Wenn nur die Sprache nicht wäre."

Sie drückte mir eine Halbliterflasche in die Hand und setzte sich mir gegenüber an den Esstisch.

"Also", sagte sie. "Ich weiß nicht, ob Johanna mit Hotelgästen schläft, aber ich habe da so meine Vermutungen."

Ich nickte. "Ich habe schon erfahren, dass, wenn sie es tut, sie es penibel geheim hält. Im Hotel laufen doch immer eine Menge Leute herum."

Sie lächelte wissend. "Nicht im zweiten Stock. Du hast doch sicher Zimmer zwölf, oder?"