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Ausweglos - Teil 05

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Es wird schlimmer ...
2.6k Wörter
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4.4k
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Deine Wohnung ist ab heute auch unsere Wohnung

Die schwere hölzerne Treppe taumle ich herunter und halte mich nur auf den Beinen, weil meine Hände sich am Geländer festkrallen. So fest, dass sich die Gelenke weiß abzeichnen. Nachdem ich mich fast übergeben muss, gewinne ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder die Gewalt über meinen Körper und nehme wortlos Contessa vom Portier in Empfang.

Natürlich fahre ich nicht, sondern leite das Rad. Meine Gedanken suchen sich Auswege, um nicht an der Grausamkeit meiner aktuellen Situation zu zerbrechen. So betrachte ich geistesabwesend die vier kleinen Risse in der rechten Lenkerpolsterung, die ich selbst verursachte, als ich beim 11. Frankenwald-Radmarathon im vergangenen Sommer -- physisch fast am Ende -- meine Nägel in das weiche Material krallte und so die Kraft für die letzten Meter aufbrachte.

Meine Augen gleiten über ein Plakat vor der Rossmann-Filiale, dessen Aufschrift mit Sicherheit ein Fall für Bastian Sick gewesen und mich unter normalen Umständen zum Lachen gebracht hätte. „Haut strafende Feuchtigkeitscreme -- heute im Sonderangebot". Heute fühle nur ich mich gestraft. Und irgendwo aus einen offenen Fenster höre ich eine Mutter, die ihrem nicht ganz so braven Nachwuchs im schönsten Mecklenburger Dialekt die Leviten liest. Ja -- wir sind jetzt ein geeintes Vaterland. Auch wenn längst nicht alles blüht. Aber ist dies angesichts der Not in der Welt ein Grund sich zu beschweren? Ganz sicher nicht. Tatsächlich müsste man.... Als unerwartet ein Windzug unter meinen Rock fährt und kalt an meine ungeschützte Spalte trifft, nimmt mit aller Gewalt wieder die Ausweglosigkeit meiner persönlichen Lage Besitz von mir und fegt alles Gutmenschentum brutal aus meinem Hirn.

Als ich, zu Hause angekommen, die mir fremden Sachen ablege, unter Tränen Wasser in die Wanne lasse und dann mit einem Glas rot schimmerndem Bordeaux in die angenehme Wärme tauche, fällt ein kleiner Teil der Spannung von mir ab. Ein kleiner Teil dessen, was mich seit heute Morgen ununterbrochen am Limit hielt. Natürlich ist es unvernünftig, dem ersten Glas des schweren Weins zwei weitere folgen zu lassen. Denn in Kombination mit der nassen Hitze verschwimmen meine Gedanken. Das dunkle Treppenhaus im Haus des Advokaten beginnt sich zu drehen, immer schneller, in ungeordneten Bahnen, mit Schleifen aus schwarzbraunem Holz und rotem Teppich.

Die Eiseskälte des Badewassers reißt mich mitten in der Nacht aus einem alkoholinduzierten Schlaf. Klappernd vor Kälte hebe ich mich aus der Wanne, schleppe mich zitternd unter die Dusche und fühle langsam wieder die Lebensgeister zurückkehren. Mit diesen kommt aber auch der hämmernde Schlag der Migräne, die ich mit dem Wein herausgelockt habe. Ich hoffe, der Attacke noch durch eine hohe Triptandosis begegnen zu können. Nicht bei all der Hölle um mich herum noch die Hölle dieser Kopffolter!

Der Schlaf in meinem Bett ist unruhig und kurz aber am Morgen ist die Migräne auf dem Rückzug -- das Medikament kam gerade noch rechtzeitig, um den Angriff zurückzuschlagen. Um die Aura bin ich heute völlig herumgekommen. Ließen sich doch auch diese Teufel auf so saubere Art bekämpfen, denke ich resignierend, während ich appetitlos mein Müsli löffle und mit starkem, heißen Kaffee herunterspüle.

Die wenigen Schritte zum Briefkasten kommen mir vor wie der Gang zu Schafott. Ich könnte weinen vor Freude, als ich keinen der diabolischen braunen Umschläge finde. Etwas erleichtert kehre ich in die Wohnung zurück, schlüpfe in Jeans und Rolli, sehe mich noch einmal in meiner liebgewonnenen vertrauten Wohnung um, greife mir Contessa und radle zur Uni. Radeln trifft es ganz sicher nicht, denn wie üblich überhole ich alle -- heute ausnahmslos alle -- Radfahrer, die sich den Berg zum Universitätsgelände hochquälen. Auch in der Uni erwarten mich keine bösen Überraschungen, so dass es mir gelingt, mich leidlich auf das Seminar zu konzentrieren.

Erst kurz vor Seminarschluss explodiert die Bombe. Und dies in Form der Stimme von Hans Albers, die zunächst leise, dann immer lauter werdend, aus meiner Umhängetasche kriecht und bald den kleinen Seminarraum ausfüllt. Meine konzentriert arbeitenden Studenten überrascht die Situation und sie wissen nicht, was sie davon halten sollen. Mehrere Dinge verwirren sie. Zum einen, dass ich mein Handy nicht abgeschaltet habe. Es ist ein ungeschriebenes aber fest zementiertes Gesetz, dass ich in meinen Lehrveranstaltungen keine Mobiltelefone dulde. Und ich gehe stets mit gutem Beispiel voran. Und dann der Titel -- „Auf der Reeperbahn...." Auf den Gesichtern der jungen Menschen wechselt Überraschung mit Neugier. In einigen erkenne ich auch Sorge. Sorge bei denen, die die Verfärbung meines Gesichts verfolgt haben -- „Weiß wie ein frisch gekalkter Rinderstall." hätte meine Großmutter gesagt. „Einen Moment bitte.", presse ich heraus, als ich endlich das iPhone in der Hand habe und die Stimme des Hamburgers verstummt. „Bin gleich wieder da, bitte machen Sie weiter".

Auf dem Flur angekommen, bringe ich mit einigen großen Schritten Raum zwischen mich und die Zurückbleibenden und lasse mich dann in eine der neumodernen Sitzecken sinken, die im vergangenen Jahr in den Seminarfluren aufgebaut wurden. Ich bin stolz, dass die Möbel auch nach Monaten noch aussehen wie am ersten Tag: nicht der kleinste Kratzer, keine Schmierereien, nichts. Solche Kleinigkeiten geben mir Vertrauen in eine Jugend, für die einige meiner Kollegen nur abfälliges Kopfschütteln übrig haben und immer wieder die „alten Zeiten" glorifizieren.

Aber meine „Helden" können mich nicht vor der Stimme des Hellmasters beschützen, die mittlerweile ungeduldig und kalt aus dem Gerät schießt. „Professorenfotze, was ist nun. Schläfst Du? Bring Deine Kiemen auseinander oder es ist vorbei mit dem Spaß!" „Ich bin ja hier, ich bin doch schon am Apparat. Ich ich ich musste erst den Raum verlassen, um ungestört zu sein." erwidere ich kleinlaut. Ich spüre, wie sich augenblicklich kalte Schweißperlen auf Stirn und Rücken bilden. „Wie auch immer" sagt er jetzt ruhig. „Hast Du Deine Schlüssel bei Dir Chantalle?"

Ein Würgereiz ergreift mich und kurz pulsiert der Hammerschlag der Kopfschmerzen wieder auf. „Ja, warum?" „Gewöhn Dir das Fragen ab. Du bewegst jetzt Deinen hochgebildeten Arsch zur Bushaltestelle, direkt vor dem Seminargebäude E, da bist Du doch gerade oder?" Erschrocken von seiner detaillierten Kenntnis meines aktuellen Aufenthaltsortes antworte ich mit einem „Ja, das stimmt." Meine Hand ist nass von kaltem Schweiß, und das Handy entgleitet mir beinahe. „Also begib dich dorthin. Dort wird in exakt 3 Minuten und 16 Sekunden ein Fahrradkurier auftauchen. Er wird dich nach deinem Namen fragen, und Du stellst Dich als Chantalle vor. Dann überreichst du ihm Deine Wohnungsschlüssel. Parier oder Du bist erledigt!" Noch ehe ich auch nur darüber nachdenken kann zu protestieren oder nachzufragen, höre ich das Freizeichen.

Gegen die Tränen ankämpfend schaue ich aus dem Fenster des Flurs und sehe, wie in diesem Moment ein Kurier der „Flinken Beine" die letzten Meter zur Haltestelle hinter sich bringt. Ohne wirklich zu realisieren, was ich tue, setze ich mich in Bewegung, renne immer schneller den Flur entlang, die Treppen hinunter und dann auf den Kurier zu. Verwundert sieht er mich an. Errötet etwas, ihm ist die Situation sichtbar nicht geheuer. Mit jugendlicher Stimme fragt er. „Darf ich fragen, wer Sie sind?"

Etwas außer Puste, mich umsehend, antworte ich gepresst „Ich ich bin Chantalle." „Mhh" antwortet er, „da bin ich ja beruhigt, ich dachte schon, das wäre einer dieser Fakeanrufe, wo man irgendwo hinbestellt wird und dann doch kein Auftrag wartet. Ich soll etwas von Ihnen abholen?" Unsicher nickend zerre ich den Schlüsselbund aus meiner Jeans, löse den Ring an dem sich die Schlüssel für Wohnung, Hausflur und Keller befinden und reiche sie ihm zögernd. „Bezahlt werde ich von ihrem Mann?" fragt er noch immer etwas misstrauisch. Obwohl es mir die Eingeweide umdreht nicke ich. „Ja, sicher. So war es vereinbart." „Danke." sagt er, verstaut die Schlüssel in seiner Lenkertasche und sieht mich dann mit unschuldig jugendlicher Verlegenheit an. „Noch eine Frage Frau, äh Chantalle, na wie auch immer." „Ja, was denn noch?" frage ich. „Sagen Sie, sind sie die Lady, die uns regelmäßig in der Stadt abhängt?" Erst verstehe ich nicht, dann kann ich aber nicht verhindern, dass sich ein schwaches Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet. „Wer weiß." sage ich, drehe mich um und verschwinde wieder im Seminargebäude, den Blick des Kuriers auf meinem Po und meinen Beinen spürend.

Wie ich den Tag an der Uni überstanden hätte, wenn er mich nicht in fast peinlicher Weise unterfordert hätte, weiß ich nicht.

Die Teilnehmer meines Seminars kommen mir schon entgegen, als ich wieder ins Gebäude zurückgehe. Die polnischen Zwillinge, zwei zerbrechlich wirkende Geschöpfe, bei denen man sich fragt, ob sie schon die 8. Klasse besuchen, die hinsichtlich ihren körperlichen Entwicklung zwar Spätzünder zu sein scheinen, mit ihrem brillanten Intellekt aber ausnahmslos alle Kommilitonen in den Schatten stellen, kommen mit besorgten Mienen auf mich zu. Die Erleichterung ist ihnen anzusehen, als ich ihnen versichere, dass es beim Anruf nur um eine wichtige, aber nun glücklicherweise geklärte familiäre Angelegenheit ging. Dass aus den einfachsten Verhältnissen stammende Menschen zu Persönlichkeiten werden, Erstaunliches vollbringen und dabei menschlich bleiben, ist tröstlich. Ich habe das Glück, einige dieser Menschen persönlich zu kennen -- meine beiden Polinnen, oder Salome, erste Geigerin des genialen National Chamber Orchestra of Armenia, die ich seit Jahren als wirkliche Freundin bezeichnen darf.

Die kurzfristig einberufene Sitzung des Prüfungsausschusses hätte ich unter normalen Umständen auf Grund anderer „dringender Verpflichtungen" ausfallen lassen, man könnte auch sagen, ich hätte geschwänzt. Heute bietet sie mir aber einen Rückzugsraum. Es geht um einen einzigen Fall, die Zulassung der Nachprüfung eines Studenten, den ich nicht persönlich kenne.

Entgegen meinen sonstigen Gepflogenheiten konnte ich in der Verworrenheit und Tragik der vergangenen Tage nicht die Kraft aufbringen, mich mit dem Vorgang vertraut zu machen. So lausche ich den beiden Studentenvertretern, die vehement und klug für die Zulassung argumentieren und den eitlen und versnobten Erwiderungen meines Kollegen Prof. Dr. von Hohenweichheim. Hohenweichei hätte ihn besser charakterisiert, sinniere ich, den aalglatten Mittvierziger beobachtend, dessen Schlüsselqualifikationen sicherlich nicht in seinem Fachgebiet liegen. Vielmehr versteht er es besser als jeder andere an dieser Hochschule, nach oben zu buckeln und nach unten zu treten. Überraschend, wie weit er mit dieser Strategie gekommen ist. Selbst seine Frau, verarmter Baden-Adel, die das in meinen Augen lächerlich unbedeutende „von" hinter seinen „Prof. Dr." brachte und das „Müller" gegen ein „Hohenweichheim" ersetzte, war nur eine Figur in seinem eigenen Spiel des Lebens.

Und schließlich unser Dekan, ein liebenswürdiger alter Herr kurz vor der Emeritierung, der wenig sagt, dafür aber mit seinem Montblanc wichtige Punkte skizziert -- die sich, wie ich vorausahne und wenig später bestätigt finde -- in seiner geschliffenen, wohl durchdachten Argumentation wiederfinden. Ein Rhetoriker per excellence. Am Ende bin ich es, die dem mir unbekannten Studenten zu einer letzten Chance verhilft. Eigentlich nicht, weil ich die Argumente seiner Fürsprecher als so überzeugend empfinde -- die Einwände unseres Dekans hatten ebenfalls etwas für sich. Schon gar nicht, weil ich selbst von dieser Entscheidung überzeugt gewesen wäre -- ich hatte mich ja kaum mit dem Fall beschäftigt und bin deshalb der Argumentation der Engagierten ausgeliefert. Letztlich hebe ich meine Hand an dieser Stelle nur, weil Hohenweichheim seine unten lässt. Er quittiert das 3:2-Votum mit einer wehleidig-wütend-herablassenden Grimasse in meine Richtung, einem von einer Verbeugung begleiteten Lächeln in Richtung des Dekans und dem völligen Ignorieren der beiden Studenten.

Dann ist die Zeit der Refugien vorbei. Seit 16:00 Uhr versuche ich im Minutentakt, den Hellmaster oder den Advokaten zu erreichen -- bevorzugt Letzteren, weil er aus irgendeinem Wunsch heraus das kleinere Übel zu sein scheint. Aber ich erhalte stets die Information, dass die angerufenen Nummern derzeit nicht „available" seien. Aber was bleibt mir übrig? Wo soll ich hin? Ein Blick in meine Geldbörse bringt den ernüchternden Bargeldbestand von 7 Euro und 48 Cent zutage, mangels Kreditkarte kann ich mich in keinem Hotel einmieten und überhaupt -- ich will in meine Wohnung. Zumindest will ich das zu diesem Zeitpunkt noch. Gegen 19:00 Uhr, die Sonne ist gerade hinter dem Horizont verschwunden und Nebelschwaden wabern den Berg herauf, um 19:00 Uhr also klingelt mein Handy. Obwohl ich über Stunden versucht habe, diesen Kontakt herzustellen, nimmt es mir nun doch den Atem, als der tiefe Gesang den Hellmaster ankündigt. „Ja, hallo". „Na Schlampe, schon müde?" „Ich würde jetzt gern nach Hause fahren, wo sind meine Schlüssel?" erwidere ich mit ruhiger Stimme. Die Stimme ist allerdings das einzige, was an mir „ruhig" ist. „Ach so, ja, Blondchen braucht ja die Schlüssel." säuselt er. Dann fährt er mit vor Eiseskälte klirrender Stimme fort „Du hast ja noch den Schlüssel für das Bahnhofsschließfach. Und viel Spaß in „Deinem Heim"..." Die letzten beiden Worte katapultiert er in einer Weise heraus, die mich in meinen Stuhl sinken lässt. Dann hämmert nur wieder das monotone Freizeichen in mein Ohr.

Es bereitet mir keine körperliche Mühe, einen Zwischenstopp am Bahnhof einzulegen. Ein Schauer des Ekels und der Scham macht mir aber bewusst, dass mir an dieser Stelle vor kurzer Zeit viel Schlimmeres widerfahren ist. Außer meinen Schlüsseln ist nichts mehr im Fach -- gähnende Leere, die meine Sachen von gestern inhaliert zu haben scheint. Als ich in meine Straße einbiege, erscheint alles wie gewohnt, die üblichen Fenster sind beleuchtet, die üblichen Fernsehschatten zucken durch Gardinen und meine Wohnung ist dunkel -- wie üblich. Eine schwer zu begründende Vorahnung ergreift dennoch von mir Besitz und bringt mich dazu, mehrfach „Hallo, ist da jemand?" zu rufen, als ich die Wohnung betrete. Es antwortet mir eine laute, bedrohliche Stille.

Getragen von diesem unguten Gefühl renne ich durch alle Räume, schalte das Licht an, sehe mich um -- aber nichts. Nichts Ungewöhnliches, alles wie immer. Selbst das schmutzige Geschirr vom Morgen steht noch unverändert in der Spüle -- wer sollte das für mich auch abgewaschen haben? Etwas erleichtert schalte ich den Wasserkocher an, schiebe mir todmüde zwei Frühlingsrollen in die Mikrowelle, nehme den kleinen Imbiss noch im Stehen in der Küche ein und lasse mich dann in mein Bett sinken. Ein unruhiger Schlaf ergreift Besitz von mir und erst der Wecker am kommenden Morgen lässt mich aufschrecken.

Schlaftrunken torkle ich ins Bad, dusche, und als mich die Kälte des finalen Wasserstrahls erfasst, bin ich wieder ich selbst. In ein Handtuch gewickelt gehe ich zurück ins Schlafzimmer, auf dem Weg schon die Kaffeemaschine anwerfend. Als ich mir die Sachen für den heutigen Tag aus dem Schrank nehmen will, entweicht mir ein gedämpfter Schrei. Hinter den Türen meiner „Kleiderburg" wie meine Mama ihre Schränke immer nannte, ist überhaupt nichts mehr wie früher! Sicher, die Fächer und Stangen sind noch da. Aber nicht der Inhalt.

Sämtliche Hosen haben für Röcke und Kleider Platz gemacht. Die längsten etwas kürzer als knielang, wenn ich es recht überblicke. Mit Ausnahme von zwei knöchellangen extrem eng geschnittenen Röcken, einer davon von oben bis unten geknöpft, der andere ohne jegliche Accessoires. Zu den Röcken gesellen sich Blusen, Blazer und zwei elegante Mäntel die ich nicht kenne.

Voller Angst öffne ich die Tür, hinter der sich meine Trainingssachen und meine Unterwäsche verbergen. Letztere verbarg. Denn an Stelle der Strumpfhosen und warmen Socken sind Halterlose und Strapse in verschiedenen Farben getreten. Aus den BHs „wurden" Brustheben. Und egal wie panisch ich die Schubladen aufziehe -- es gibt keinen einzigen Slip. Oder nicht ganz. Es gibt ein slipähnliches Teil aus Leder. Das einzige was unverändert blieb, ist der obere Teil dieses Schrankteils, der meine Trainingssachen enthält. Mit vor dem Mund zusammengeschlagenen Händen sinke ich -- ungläubig in den Schrank starrend -- auf die Knie.

Nach einer kurzen Pause des Luftholens rapple ich mich auf, schleppe mich in den Flur und öffne den dort stehenden Schuhschrank. Ich hatte erwartet, dass auch hier etwas fehlt. Aber die Rigorosität und Grausamkeit lässt mich hysterisch schluchzen. Sämtliche meiner geliebten bequemen Schuhe und Stiefel sind durch teuer aussehende Pumps und Heels ersetzt, deren Absatzhöhen mir den Schweiß auf die Stirn treiben. Nur der Inhalt der rechten oberen Hälfte -- Lauf- und Radschuhe -- ist noch vorhanden, allerdings durch eine verschlossene frisch eingebaute Gittertür meinem Zugriff entzogen.

Wortlos, die Tränen im Bademantel abwischend, schließe ich den Schrank, um mich notgedrungen noch einmal in die verschwitzten Sachen des Vortages zu kleiden. Doch als ich den Stuhl am Schlafzimmerfenster erblicke und statt des Haufens unordentlich übereinandergeworfener Sachen einen DIN A4 großen Computerausdruck sehe, sacke ich zur Seite und werde ohnmächtig. Das Letzte, was ich registriere, ist der Satz, der immer schneller in meinem Kopf kreist und dann zu einem gleißend hellen Ball explodiert: „Deine Wohnung ist ab heute auch unsere Wohnung".

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7 Kommentare
AnonymousAnonymvor 10 Tagen

sehr schön geschrieben, detailiert mit einwenig langatmigen Abschniiten aber definiv so damn den nächsten Teil schon gespannt erwartet.

Incognito_CologneIncognito_Colognevor 18 Tagen

Schön erzählte Geschichte. Gefällt mir und warte sehnsüchtig auf die erste Action.

Boss124Boss124vor 19 Tagen

Tolle Geschichte ... ich freu mich auf die Fortsetzung ....

AnonymousAnonymvor 21 Tagen

Sehr gut. Ich warte sehnsüchtig auf den nächsten Teil

AnonymousAnonymvor 22 Tagen

Mal ehrlich, noch heftiger geht wohl nicht? Das ist dermaßen dick aufgetragen, dass es mehr als lächerlich wirkt. Wer, mit auch nur etwas Verstand, würde sich für ein paar Fotos und ein paar Peinlichkeiten derart sein Leben ruinieren lassen? Ohne auch nur daran zu denken, dass man die Bande locker für ein paar Jahre in den Bau befördern könnte? Da kann man ja auch gleich jemanden, der bei Rot über die Ampel gegangen ist, zu lebensgefährlicher Sklaverei erpressen. Ausweglos ist hier in der Tat nur die Dummheit.

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