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Beziehungsunfähig 08

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Was stört es die Eiche, wenn sich ein Wildschwein an ihr schubbert.

Irgendwann, gut zwei Monate nach ihrem ersten Erscheinen in meiner kleinen Welt, suchte sie erstmals das direkte Gespräch zu mir. Ich war gerade dabei, an meiner Billardtechnik zu feilen, als sie mich fragte, ob ich mal paar Minuten Zeit hätte. Ich hatte.

Wir fanden ein ruhiges Plätzchen und ich war schon recht gespannt war, warum sie denn nun doch mit mir sprechen will. Wenn es mir zu dumm werden würde, würde ich einfach gehen.

Schließlich war die Stunde der Wahrheit gekommen.

"Ich wollte mal mit dir über was sprechen." fing Kathi an.

"Mhm." brummte ich zustimmend. Soviel hatte ich bereits allein heraus gefunden.

Sie schien kurz zu überlegen, wie sie beginnen sollte; um dann den direkten Weg zu bevorzugen. War mir nur Recht, so konnte ich mich wieder meiner Solo-Partie widmen.

"Stimmt es, dass du dich über mich beschwert hast?"

"Nein." Antwortete ich sofort. Bei ehrlichen Gesprächen kann man immer gleich sagen, was man denkt. Und ich hatte keinerlei Grund, sie zu belügen.

Kathi schien ein wenig verblüfft ob meiner ad hoc Antwort. Taxierte mit leicht verengten Augen mein völlig offenes Gesicht. Überlegte vielleicht, woran sie merken sollte, ob ich lüge.

Da ich absolut keine Ahnung hatte, worauf sie im Kern hinaus wollte, gestattete ich mir selbst eine Gegenfrage.

"Warum sollte ich mich über dich beschweren?" Kathi sah mich an. Klar, sie war nicht nett zu mir. Glotze mich zumeist nicht mal mit ihrem Gesäß an. Aber wie gesagt. Eiche und Wildschwein. Das waren allesamt keine Gründe, jemanden ihretwegen die Ohren voll zu jammern. Bin ja nicht mehr Neun.

"Darüber, dass ich herkomme." Rückte sie schließlich heraus.

Nun war ich in Gänze perplex. Was ich sogleich mit einem eloquentem "Hä?" zum Ausdruck brachte.

Da mein "Hä" für sie offenkundig nicht umfangreich genug war, erweiterte ich meine Rückfrage.

"Wieso; weil du herkommst. Versteh ich nicht."

Und wiederum musste ich prüfenden Blicken standhalten. Und wiederum war es mir einerlei.

Schließlich, als ich schon glaubte, Kathi würde das so im Raum stehen lassen, erklärte sie sich doch noch.

"Weil ich erst 16 werde und trotzdem her komme."

Ich fand ihr Ausdrucksweise putzig. Nicht etwa 'Weil ich 15 bin.', nein, 'Weil ich 16 werde.' Da dieser Gedanke wohl ein unwillkürliches Mienenspiel bei mir hervorrief, musterte mich Kathi nun wieder eindringlicher. Ich entschied mich, ihr wieder mit Offenheit entgegen zu treten.

"Warum sollte ich das tun? Mir ist es egal, wer herkommt und wie alt er oder sie ist. Solange es keinen Ärger gibt." Mit schwer zu lesender Miene hörte mir Kathi zu.

"Und bei dir wüsste ich nicht, warum es Ärger geben sollte." schob ich nach, immer noch den prüfenden Blick auf mir spürend.

Mit 'Ärger' meinte ich, dass, bei Alterskontrollen, welche sporadisch in den üblichen Einrichtungen durchgeführt wurden, jemand, der nicht achtzehn Lenze zählte, für Probleme sorgte. Bei der Bedienung bis hin zum Betreiber des Geschäftes. Und dass bedeutete immer für alle Ärger.

Aber da sah ich bei Kathi keine großen Probleme. Aufgrund ihres Erscheinungsbildes hatte nie jemand daran gezweifelt, dass sie bereits volljährig war.

Nun, wie soll ich das versinnbildlichen. Sie sah halt wesentlich älter aus, als sie war. Ziemlich hoch gewachsen, knapp über Einmetersiebzig. Und auch ihre Proportionen waren eher die einer Volljährigen als eines Kindes. Auch ich konnte kaum ihr wahres Alter glauben, als es mir das erste Mal zugetragen wurde. Nun gut. Zurück zu dem Gespräch.

Nach meiner Antwort erkannte ich recht schnell, dass sie sich nun selbst in eine Zwickmühle gebracht hatte. Es schien ihr nicht möglich zu sein, die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden. Und ich wusste nicht so recht, wie ich ihr da helfen konnte. Oder wollte.

Also hakte ich nach.

"Wer hat denn gesagt, dass ich mich beschwert habe soll?"

"Rainer." erwiderte sie.

"Ach der, alles klar." schmunzelte ich.

Rainer, einer der Bedienungen. Der Mann hatte einen Ruf. Er log gern. Dachte sich gern Geschichten über Andere aus. Versuchte Zwietracht zu sähen, wo es nur ging. Wobei mir seine Motivation völlig schleierhaft war. Vielleicht versuchte er lediglich, sein eigenes kümmerliches Selbst durch Herabsetzung Dritter auf zu werten. Wer weiß.

Kathi sah mich nur schweigend an. Ich seufzte. Sie schien echt keine Ahnung zu haben, von wem sie Informationen hatte.

"Ok, pass auf." fuhr ich fort, langsam etwas genervt. "Rainer ist ein ausgemachter Kohlenmunk-Peter."

Kathis Blick wurde eine Nuance verständnisloser.

"Ein Märchenonkel." erklärte ich.

Ihre Miene erhellte sich ein wenig.

"Bei wem soll ich mich denn beschwert haben." wollte ich nun wissen.

"Renata." 'Aha, der Chefin.' "Und wenn sie mich jemals hier drin sieht, gibt sie mir Hausverbot, bis ich achtzehn bin. Hat er gesagt."

'Ach, darum kommt sie nur, wenn Rainer Schicht hat.' Das Bild ging langsam auf; auch, warum sie dann immer zu ihm hinter den Tresen durfte.

'So ein...'

"Sorry, Kathi, wir können das jetzt beenden."

Kathi sah mich wieder nur an.

"Ne, im ernst, ich hab mich nicht beschwert über dich. Ich glaube, Renata weiß gar nicht, dass es dich gibt. Außerdem, warum sollte sie mit dem Hausverboten warten, bis du dich mal in ihre Schicht verirrst? So ein Humbug."

Ich drehte mich um, bereit zu gehen.

"Und woher soll ich wissen, wer von euch beiden schwindelt?"

'Schwindelt?'

'Ach ja, 15.'

Ich überlegte kurz.

"Dass wirst du riskieren müssen."

Fragender Blick.

"Soweit ich weiß, hat Renata morgen Frühschicht. Geh hin und find es raus."

Damit drehte ich mich um und ging.

Wie ich später erfuhr, folgte Kathi meinem Rat. Wenn auch mit Herzklopfen. Die Chefin kannte sie nicht, und sie fanden sich beide nett.

Kathi und ich wurden danach recht enge Freunde.

In den darauf folgenden Jahren durfte ich immer wieder erleben, wie sie unkontrolliert in Szene-Kneipen, Discos und andere Einrichtungen, bei denen Volljährigkeit geboten war, eingelassen wurde. Soviel dazu.

Ich will jetzt auch nicht so tun, als wären Kathi und ich seit dem unzertrennliche Freunde geworden. Man verlor sich auch schon mal für ein paar Monate aus den Augen. Meistens hatte dass mit der Länge ihrer Beziehungen zu tun. Ja ja, die junge Liebe ist ein wankelmütig Ding.

Aber springen wir wieder vor in die Zeit, in der diese Geschichte spielt.

Wie gesagt, ich kannte Kathi nun gut drei Jahre, und wir hatten Alles in Allem ein recht gutes, freundschaftliches Verhältnis zu einander.

Meine Stammspielo war mittlerweile geschlossen; aber das hatte sich schon lange angekündigt.

Die meisten Mitarbeiter konnten in ein anderes Etablissement wechseln; und mit ihnen migrierte auch die Stammkundschaft. So lernte man auch neue Leute kennen. Kathi zum Beispiel ihren Freund, mit dem sie es fast ein Jahr lang schaffte.

In der 'neuen' Spielo arbeitete auch Ramona, welche mir bei einer Gelegenheit mal zuraunte, dass, wenn sie nicht einen Freund hätte, sie mich "auf der Stelle zu Boden knutschen würde".

Für mich war diese Vorstellung absolut gruslig; Ramona war zu der Zeit 32 Jahre alt und damit neun Jahre älter als ich. Sie sah wirklich gut aus. Hübsches Gesicht, Sanduhr-Figur; vor allem ein wohlproportionierter Hintern. Und sie sah auch wesentlich jünger, aber trotzdem. Neun Jahre!

Aber halt, um Ramona gehts hier nicht.

Ich kam gerade aus einer Spätschicht und wollte mir noch einen Feierabendkaffee genehmigen. So fuhr ich, wie so oft, zur Spielhalle. Wer Schicht hatte, wusste ich nicht.

Als ich auf den Parkplatz fuhr nahm ich im Augenwinkel einen Schatten war, der sich direkt vor meinem Auto positionierte. Nur durch eine Vollbremsung gelang es mir, die Person nicht über ihren eigenen Haufen zu fahren.

Der Schatten umrundete mein Fahrzeug und kam Richtung Fahrerfenster. Ich ließ es herunter und wollte gerade eine Schimpfkanonade vom Stapel lassen, da erkannte ich, um wen es sich handelte.

"Kathi? Bist du verrückt geworden? Ich hätte dich beinahe über..."

"Ich muss mit dir reden!" unterbrach sie mich.

Aufgrund ihres ernsten Gesichtsausdruckes, welcher mich an einen geprügelten Hund erinnerte, verstummte ich und nickte bloß.

Nachdem ich geparkt hatte stieg ich aus. Kathi war bereits bei mir angekommen.

'Hoffentlich nichts schlimmes...'

"Was ist denn los?" fragte ich mit trockenem Mund. Meine Zunge schien sich am Gaumen fest haften zu wollen.

"Jörg hat mit mir Schluss gemacht!"

'Jörg?'

'Ach ja, ihr Freund. Klar. Kenn ich. Netter Typ.'

Erleichtert atmete ich aus. Wenigsten keiner gestorben.

Ich bemerkte, dass Kathi mich immer noch ansah.

'Ach ja, ich hab ja noch gar nicht gesagt, wie sehr sie mir leid tut.'

"Das tut mir leid!"

'Sehr leid!'

"Sehr leid!"

Man möge mich jetzt nicht für Gefühlsarm halten, aber nach einer Acht-Stunden-Spätschicht war ich nicht sonderlich fit. Ich fand auch nicht, dass man sich deswegen gleich vor ein Auto werfen sollte, nur um das Kund zu tun.

Aber Kathi sah das wohl anders. Sie stand immer noch vor mir, mit ihrem Hundeblick.

Also gut.

"Und nun?" fragte ich, so allgemein wie möglich.

"Ich brauch jemanden zum reden...". So sprach sie.

'Oh man, auch das noch.'

Ich mochte sie wirklich und redete auch gern mit ihr. Jedenfalls meistens. Aber ich war total kaputt; hatte mich auf den Kaffee gefreut. Und auf eine Mütze voll Schlaf.

Also versuchte ich mein Glück.

"Ich bin echt müde Kathi. Können wir nicht morgen..."

"Och bitte, ich brauch dich. Als Freund!" Sie sah mich flehentlich an.

Ja, sie hatte damals schon was vereinnahmendes an sich. Und sie wusste, welche Knöpfe sie bei mir drücken musste.

Seufzend atmete ich aus.

"Na, ok."

Kathi strahlte plötzlich.

Jetzt fiel mir ein, dass ich immer noch den Blaumann von der Schicht an hatte.

"Darf ich wenigstens vorher duschen?"

"Na klar!" antwortete sie jovial. Drehte sich um und ging.

Da ich dachte, sie würde zurück in die Spielo gehen und dort auf mich warten, wollte ich ihr noch sagen, dass ich in einer halben Stunde wieder da sein würde. Insgeheim rechnete ich mir Chancen aus, dann aus Versehen einzuschlafen.

'Aber das würde sie mir wohl ewig nachtragen.'

Gerade, als ich meinen Mund öffnen wollte, registrierte ich, dass Kathi zu meiner Beifahrertür gegangen war.

Ich sah ihr zu, wie sie sie öffnete und einstieg.

'Aha, dann doch ein Gespräch im privatem Rahmen. OK.'

Also stieg ich ebenfalls wieder in mein Auto, gurtete mich an und fuhr los.

Schweigend glitt der Asphalt unter uns dahin. Die Straßenlampen tauchten die Umgebung in ein warmes, schummeriges Licht. Grüne Ampeln wünschten eine gute Reise.

'Gott, bin ich müde...'

"Ich bin so happy, dass du für mich Zeit hast!" dröhnte es fast fröhlich vom Beifahrersitz. Nach dem Schreck war ich erst mal wieder wach.

"Kein Problem."

'Lügner.'

Ich wohnte nur ein paar Kreuzungen weit weg, so kamen wir rasch an. Irgendwie kam mir ein lange vergangener Abend in den Sinn, als Kathi wortlos aber interessiert in das Wohnzimmer ging, während ich mich unter die Duschen stellte.

Nach zehn Minuten fand ich mich dann auch im Wohnbereich meines kleinen, sporadisch eingerichteten Heimes ein.

Kathi fletzte auf meiner Couch, aufgestützt auf ihrem linken Arm. In der rechten Hand eine Zigarette. Diese hielt sie hoch, als sie mich sah.

"Ist das ok?"

"Klar." antwortete ich kurz.

"Ascher?" ich holte ihr einen, setzte mich zu ihr. Zündete mir auch eine an. Schweigend rauchten wir eine Weile gemeinsam.

"Und?" fragte ich schließlich. Auch, um der Müdigkeit entgegen zu wirken.

Kathi sah mich fragend an.

'Will die mich veräppeln?'

'Ruhig bleiben!'

"Jörg?" versuchte ich, ihr Gedächtnis aufzufrischen. Zu meinem Erstaunen blieb der fragende Ausdruck auf Kathis Gesicht kleben. Ich fühlte Frustration in mir aufkeimen.

"Wo fang ich da an..." begann sie endlich. Nun verstand ich, dass ihr fragender Ausdruck nicht mir galt.

Wie, um mich selbst zu besänftigen, legte ich eine Hand auf ihre Hüfte. Drückte sie leicht.

Mit einem kurzen Lächeln unter Augen, in denen sich Tränen sammelten, vergalt Kathi mir diese kleine Geste.

"Ich würde sagen, am Anfang." sagte ich leise zu ihr, strich ihr dabei aufmunternd über ihre Taille.

Kathi legte ihre Hand auf Meine, während sie, diesmal etwas breiter lächelnd, nickte.

Und so begann sie am Anfang.

Nun will ich den geneigten Leser nicht mit Einzelheiten quälen. Im Grunde war das, was ich folgend hörte, eigentlich ganz simpel.

Kathi hatte Jörg kennengelernt, kurz nachdem sie achtzehn geworden war. Sie waren zusammen gekommen, und etwas über ein Jahr später hatte er keine Lust mehr auf die Beziehung. Und machte Schluss.

Banaler ging es wohl kaum.

Aber, wie viele Mädchen bzw. Frauen in Kathis Alter, hatte sie eine gewisse Vorstellung vom "Für immer zusammen sein.".

Für immer. Wer so was denkt, weiß gar nicht, wie lange "Für immer" ist.

Und, was noch erschwerend für sie hinzu kam, Er hatte mir Ihr Schluss gemacht. Ein Konzept, dass sie bis dahin offensichtlich gar nicht kannte. Den Aspekt fand ich schon fast lustig.

Aber egal, wie banal ich es finden mochte; für sie brach da eine Welt zusammen. Ich erinnerte mich, wie Kathi mir noch vor gut drei Monaten die Ohren voll gejault hatte, wie sehr ihr ihr Jörg fehlte. Dieser war da eine Woche auf Schulung gewesen.

Wie sehr Kathi mich mit ihrem Selbstmitleid damals nervte.

Eine Woche? Was war schon eine Woche getrennt?

Dagegen, das jedes Mal, wenn ich meine Augen schloss, ich ein unerreichbares Antlitz vor mir sah.

Ich wusste, dass ich Kathi mit diesen Gedanken unrecht tat. Aber bei Gott, ich hasste sie in diesem Augenblick für ihre Wehleidigkeit. Wegen einer kurzen Woche.

Doch nun saßen wir hier. Und der damalige Zorn auf sie war schon lange verflogen.

Und ja, sie tat mir leid. Das lag vielleicht auch an meiner Müdigkeit; ich werde schnell emotional, wenn ich eigentlich ins Bett gehöre.

Im Laufe des Gesprächs hatte sich auch eine, für Beide bequeme, Position gefunden. Ich lag auf der Couch, den Oberkörper aufrecht. Kathi saß zwischen meinen Beinen. Den Rücken zu mir, ihr Kopf ruhte an meiner Brust. Und erzählte. Und weinte.

Da mir nichts Besseres einfiel, hielt ich sie mit meinem linken Arm umfasst, die Hand auf ihrem Bauch. Die Rechte streichelte beruhigend ihren Arm.

So saßen wir. Sie redete sich weinend ihren Kummer von der Seele. Und ich fand es schön, für sie da sein zu können.

'Ob Olive auch jemand getröstet hat?'

Kathi sah fragend zu mir hoch. Jetzt erst bemerkte ich, dass ich ihren Unterarm fest umschlossen hielt. Ich lockerte meinen Griff.

Doch nun legte Kathi ihre linke Hand auf meine Rechte.

"Was war denn?" fragte sie.

"Nichts. Ich war nur kurz in Gedanken." kam es leise von mir.

Nach einer kleinen Pause hakte Kathi nach. "Verstehe. Olivia, stimmts?"

Ich sah sie an. Korrigierte sie nicht. Nickte schließlich stumm. Einmal. Kathi drückte meine Hand. "Du hast mir nie davon erzählt." Erneut nickte ich. Wusste nicht, wie ich sonst auf ihre Frage reagieren sollte.

Kathi zog ihre Stirn kraus, legte ihre Lippen nachdenklich schief. Ich glaube, sie weiß bis heute nicht, wie süß sie in solchen Momenten aussieht.

"Du redest nicht gern über so was, oder?"

Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf erwidern sollte. Mich hatte nie jemand zu dem Thema was gefragt. Letztlich zuckte ich leicht mit den Schultern.

Mir war diesen plötzliche Aufmerksamkeit irgendwie unangenehm. Kathi schien das zu spüren; sie richtete sich etwas auf, legte ihre rechte Hand an meine Wange und sagte "Ist schon OK. Musst du nicht, wenn du nicht willst."

Dann zog sie mich an sich und drückte mich. Ich war just so überrascht von ihrer Geste, dass ich erst ein, zwei Sekunden später ihre Umarmung erwiderte. Das erste Mal, dass ich seit der Trennung körperliche Nähe spürte. Kathis seitlichen Rücken streichelnd genoss ich diesen Moment. Der Kloß in meinem Hals konnte nicht verhindern, dass meine Augen feucht wurden. So hielt ich Kathi. Und sie hielt mich. Ich hatte mich ihr nie verbundener gefühlt.

Und gerade, als wir uns langsam von einander lösten, wagte eine Träne die Flucht aus meinem linken Auge. Das war echt peinlich.

Aber Kathi wischte sie einfach mit dem Daumen fort, streichelte erneut meine Wange und sagte "Ich weiß."

Nun strich ihr mit meinem Handrücken über ihr tränen getränktes Gesicht. Lächelte bitter.

"Ich auch."

Kathi sah mir immer noch direkt in die Augen. Ich scheute ihren Blick nicht.

"Hat sie mit dir Schluss gemacht?" Ich nickte zögerlich. Sie nickte auch. Kaum wahrnehmbar.

"Warum? Du bist doch nett." flüsterte sie, während ihre Rechte wieder meine Wange streichelte.

Ich sah sie an. Was sollte ich darauf antworten.

Olives letzte Worte, bei unserem letzten Telefonat, hallten durch meinen Kopf.

"Ich kann mir nicht vorstellen, mit jemandem wie dir den Rest meines Lebens zu verbringen."

'Jemanden wie mir. Was immer das heißt.'

Erinnerte mich, wie ich wie betäubt den Hörer auf die Gabel legte.

Das konnte ich Kathi nicht erzählen. Mein Blick richtete sich von ihr ab.

"War's der Sex?" hörte ich Kathi fragen.

Ruckartig sah ich sie an, konnte aber keinen Spott in ihrem Gesicht erkennen. Nur Offenheit.

"Nein. Wie auch." sagte ich schließlich leise.

'Oh Scheiße -- Ben!'

Wieder schob sich der Versteh-Ich-Nicht-Ausdruck auf Kathis Gesicht.

"Wie meinst du das? Ihr habt nicht?"

'Nun ist es auch egal, mach dich ruhig zum Klops.'

Langsam schüttelte ich mit gesenktem Blick den Kopf. Kurioser Weise machte mir diese Offenbarung nichts aus.

Kathi zog mit ihrer Hand wieder mein Gesicht zu sich. In Erwartung, ausgelacht zu werden, erwiderte ich schon fast trotzig ihren Blick. Aber sie lachte nicht. Sah mich nur nachdenklich an. Ich konnte ihre Frage schon fast hören, bevor sie sie stellte.

"Warum nicht?"

Wieder etwas, dass ich nicht beantworten konnte. Was sollte ich ihr sagen? Ihr Olives entsetzten Gesichtsausdruck beschreiben, als sie -- unbeabsichtigt -- mich gesehen hatte? Ihn gesehen hatte? Ich hatte damals, beim Umziehen, versehentlich mit meiner Hose auch meinen Slip heruntergezogen. Obwohl ich das schnellst möglich wieder bereinigte, dauerte es zu lange.

Als ich Olive ansah, saß sie mit aufgerissenen Augen, eine Hand vor dem Mund, da und starrte mich an. Ich wusste es damals noch nicht, aber der Moment war der Anfang vom Ende.

Und es tat immer noch weh, wenn ich daran dachte. Auch das konnte ich Kathi nicht sagen. Schon rein körperlich hätte mich dieses Geständnis umgebracht.

Also erwiderte ich nur kurz "Sie wollte es nicht."

"Hmm" kam es nachdenklich von Kathi. Ich wusste selbst, dass ich mit diesem Satz nicht Klarheit brachte.

"Na ja, sie wollte halt nicht mit mir. Weil..." ich strich geistesabwesend über mein Sorgenkind.

'Lass es Ben.'

"...und dann war halt Schluss."

'Glanzleistung. Viel besser. Jetzt weiß sie ja Bescheid. Jetzt noch n roten Kopp kriegen, und die Sache ist geritzt.'

'Ach, Klappe.'

"Ist ja auch egal, warum." riss mich Kathi aus meinem inneren Dialog.

Sie setzte sich noch weiter auf, ohne den Kontakt zu mir zu verlieren.

"Ich mag dich. Du bist echt ein guter Freund. Einer, der da ist, wenn man ihn braucht."

Diese Bemerkung machte mich einerseits froh, andererseits stach sie auch ein wenig.

"Es ist nur" fuhr Kathi fort "Du tröstest mich. Das ist sehr lieb von dir." Ich strich ihr über die Schulter zum Arm. "Und ich möchte auch für dich ein wenig da sein." Sie strich mir von meiner Schulter zur Brust, zurück zu meinem Hals. "Das machen Freunde doch so. Trösten." Kathis Daumen fuhr von meinem Kinn über meine linke Wange.

"Wenn du mich fragst, versteh ich sie nicht. Du bist doch echt ein Lieber."