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Das Buch der Träume - 01

Geschichte Info
Erster Teil: Vater Jan.
35.3k Wörter
9.6k
19
Geschichte hat keine Tags

Teil 1 der 6 teiligen Serie

Aktualisiert 06/05/2024
Erstellt 05/17/2024
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Anmerkung: Vorsicht, heiß und fett. Soll heißen, dies ist ein umfangreiches Werk (Roman) mit vielen Elementen, die Anhängern von Fantasy-Geschichten nicht zwangsläufig zusagen. Ich hatte ihn ursprünglich nur für mich selbst geschrieben, und mich amüsieren komische Dinge. So muss mit allerlei Gedöns wie Homosexualität, Inzest, Interspezies-Experimenten, abwegigem Humor und noch viel mehr gerechnet werden. Blut und Gewalt natürlich auch. Nichts für zarte Seelen. Viel Spaß dabei.

Erster Teil: Vater Jan

„Es ist gleich halb elf, du musst morgen zur Schule. Machst du bitte langsam das Licht aus?"

„Nur noch das Kapitel zu Ende."

Seufz. Dieses Kind. Schaute mich mit ihren großen blauen Augen flehentlich an und wusste bereits, dass ich ihr den Wunsch nicht abschlagen konnte.

„Und das ist noch wie lang?", erweckte ich zumindest den Anschein eines Rückzugsgefechts.

„Paar Seiten", war die lakonische Antwort; dann wanderte ihr Blick wieder auf die sie so fesselnden.

Natürlich würde ich es erlauben. Konnte ich ihr schlecht etwas abschlagen. War mit dieser, wie so vielen anderen Situationen, überfordert. Zwölf war sie jetzt, würde bald dreizehn werden. Ich gebe es zu, ich war faul und vertrauensvoll genug gewesen, einen Großteil ihrer Erziehung Paula zu überlassen.

Die das nach meinem Empfinden auch ganz wunderbar hinbekommen hatte. Nur war sie jetzt schon ein halbes Jahr tot, von einem besoffenen Jugendlichen über den Haufen gefahren, als sie von einem Kurzbesuch bei meiner Schwiegermutter nach Hause geradelt war. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus, ihren Verletzungen erlegen.

Vielleicht war es mehr der Impuls, Lara und mir zu zeigen, dass wir nicht alleine waren, sondern immer noch uns hatten, der mich nicht gleich das Zimmer verlassen, sondern mich zu ihr aufs Bett setzten ließ.

„Was liest du da eigentlich?", fragte ich mit mildem Misstrauen, denn das Buch sah merkwürdig altertümlich und groß aus, eigentlich ganz anders, als was sie sonst so las.

„Es handelt von drei Prinzessinnen und ihren Abenteuern", wurde ich informiert.

„Echt, Märchen? Wusste gar nicht, dass du sowas noch liest."

„Kein Märchen. Fantasy. Es sind Kriegerinnen, die zufällig auch Prinzessinnen sind."

Aha. Na sowas.

„Sieht alt aus."

Sie nickte, ohne auch nur aufzublicken. Schien ja wirklich spannend zu sein. Aber für ihr Alter passend und angemessen? Fantasy hatte ja gegebenenfalls auch schon mal ordentlich Gewalt drin, wenn das so ein Xena-Verschnitt war. Und das schien es zu sein.

Sie hatte gerade umgeblättert und eine der Seiten war eine ganzseitige Illustration. Hoppla. Die dort abgebildete junge Dame sah nicht nur kriegerisch aus, sondern auch, als ob sie den Fieberträumen pubertierender männlicher Jugendlicher entsprungen war.

Große Brüste, von denen gerade mal so die Brustwarzen von schmalen Lederriemen versteckt waren, eine Art Lendenschurz aus gleichem Material, der den Unterleib knapp verdeckte.

„Ehm ... woher hast du das Buch?"

„Aus dem Buchladen gegenüber von unserer Schule."

„Aha. Und der Titel ist?"

„Das Buch der Träume."

Würde ich googeln, um zu sehen, ob das wirklich altersgerecht war. Wow, dieses Bild ... hatte etwas Hypnotisches, besonders, und das war neben der sehr, sehr fraulichen Erscheinung dieser Kriegerin/Prinzessin fast ein Wunder, dass mir das überhaupt auffiel, ihre Augen.

Dunkle, abgrundtiefe Augen, die irgendwie aus sich heraus zu glühen schienen. Lara schien irritiert, dass ich immer noch neben ihr saß und folgte meinem Blick.

„Tu das nicht."

„Tu was nicht?"

„Sie so anzusehen. Wenn Männer das zu lange tun, verfallen sie ihr, und sie lockt sie in ihre Welt. Das ist Nia, die älteste der drei Schwestern; sie beherrscht auch einiges an Magie."

„Aha. Männer verfallen ihr. Und was fängt sie mit denen dann an?"

„Das kannst du dir doch wohl denken", kam die alarmierende Antwort. Oh?

„Ehm ... das klingt allerdings, als ob die Geschichte eventuell dann doch nichts für dich wäre ..."

„Unsinn. Das kannst du gar nicht beurteilen. Männer können sie ohnehin nicht verstehen."

„Aha. Na denn. Gut zu wissen. Aber jetzt wirklich nur noch die angesprochenen paar Seiten, okay?"

Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Warf einen letzten Blick auf die Amazone, der auch wieder länger als geplant dauerte und verabschiedete mich mit einem „Gute Nacht". Ich machte mir ein frisches Bier im Wohnzimmer auf und gähnte.

Irgendwas lief im Fernsehen, aber ich schaute nicht hin, googelte tatsächlich erst einmal nach dem Buchtitel. Auf der Seite, die mir Paula mal gezeigt hatte, und wo es relativ gute Altersempfehlungen von anderen Eltern gab. Nur für diesen Titel nicht.

Merkwürdig. Bücher dieses Namens fand ich zwar im Internet, aber die konnten unmöglich das genannte Buch sein. Hm. War es vielleicht Prä-Internet herausgekommen und so schlecht, dass es nicht einmal die Aufnahme in Kataloge oder Referenzseiten fand?

Vielleicht über den Namen der Heldin? Nia? Auch hierzu fand ich nichts, außer, dass es ein weiblicher Vorname war. Und dann ... einen möglichen indirekten Treffer. Eine Person in einem Fantasy-Forum, die sich so nannte, mit dem Untertitel magische Kriegerin. Aha.

Wahrscheinlich war es ein Typ, der zu sehr auf die Illustrationen abgefahren war. Die ich gesehen hatte, war allerdings faszinierend gewesen, dabei erstaunlich realistisch gemalt. Besonders die Augen. Die mir tatsächlich nicht mehr aus dem Kopf gingen.

Das Wetter lenkte mich ab. Es fing an, zu schütten. Der Wind trieb den Regen prasselnd gegen das Wohnzimmerfenster. Dieser Herbst hatte ungewöhnlich warm und extrem windig begonnen. Vor zwei Wochen hatte es einen richtigen Sturm gegeben.

Selbst von unserem recht neuen Dach waren einige Ziegel heruntergekommen, die ich erst am letzten Wochenende ersetzt hatte, und etliche Äste waren aus den großen alten Bäumen im Garten gerissen worden. Ging das schon wieder los?

Nein, nur Windgeschwindigkeiten in Böen um sechzig km/h, wie mir ein Blick auf die Wetterseite anzeigte. Sollte ich auch langsam ins Bett? Müde genug war ich schon. Ich machte den Fernseher eigentlich nur noch gewohnheitsmäßig an, damit irgendwas lief.

Ich mich im Wohnzimmer nicht so schrecklich alleine fühlte, wenn Lara im Bett war. Seufzend trank ich mein Bier leer. Ohne Lara wäre ich wahrscheinlich nicht mal aus dem Bett gekommen. Ich konnte mir keine Depression erlauben. Nur eine kurze Trauer. Es musste ja weitergehen.

Ich war nicht nur für mich verantwortlich. Unser Leben musste weitergehen, und ich musste mich strecken, Laras Trauer auffangen. Sie hatte den ersten Monat nach Paulas Tod kaum gesprochen. Hatte viel geweint und sich immer wieder auf ihr Zimmer zurückgezogen.

Las sehr viel. Hatte sie eigentlich vorher auch schon so viel gelesen? Wahrscheinlich nicht. Genau das aber schien sie wiederaufzurichten, sie zu beschäftigen, zu absorbieren. Das war mir als Kind und Jugendlicher nicht anders gegangen.

Eine halbe Flucht in fantastische Welten, die deutlich interessanter und schmerzfreier waren als die sogenannte Realität. Obwohl sie natürlich erheblich mehr Anlass für so eine Flucht hatte, Gründe hatte auch ich damals mehr als genug. Und einfach die Neigung. Vielleicht kam sie da wirklich nach mir.

Meine Lese-Empfehlungen hatte sie allerdings allesamt mit krauser Stirn zurückgewiesen. Dabei hatte ich mich damit wenigstens noch auf halbwegs sicherem Terrain gewähnt. Was soziale Netzwerke und was die Kinder heutzutage so faszinierte, anbetraf, war vieles an mir vorbeigelaufen.

Hatte mich nie interessiert. Verdammt, das regnete tatsächlich rein, obwohl das Fenster nur auf Kipp war. Schnell schloss ich es komplett und sah in den regengepeitschten Garten hinaus. Was zum ... da war eine Gestalt in unserem Garten.

Fast am Ende des Grundstücks, nur schwach vom Licht des angrenzenden Hauses der Familie Peters erhellt, ein dunkler Schemen, doch klar genug vom dunkleren Hintergrund der Bäume und Sträucher abgesetzt.

Irritiert versuchte ich Einzelheiten auszumachen, was aufgrund der dicken Tropfen auf der Fensterscheibe gar nicht so einfach war. Nur dass die Person offenbar recht spärlich bekleidet war und möglicherweise eine Frau, schien ich zu erkennen.

Ich öffnete die Terrassentür, um besser sehen zu können. Kriegte gleich richtig fett Regen ins Gesicht und keine bessere Sicht. Stattdessen begannen meine Augen zu tränen, und ich musste mir kurz mit dem Ärmel drüber wischen. Als ich endlich klare Sicht hatte, war die Gestalt verschwunden.

Was zum Teufel? Wahrscheinlich eine optische Täuschung. Vielleicht der Sauerkirschbaum, den ich beschnitten hatte? Nein, der lag eigentlich ein ganzes Stück weiter links. Komische Sache. In den Regen rauslaufen und mich endgültig durchweichen lassen, wollte ich nun auch nicht.

Klar, irgendeine optische Täuschung. Ich schloss die Tür schnell wieder, denn der nächste Windstoß drückte genug von dem Regen herein, um den Teppich nass zu machen, von mir selbst ganz zu schweigen.

Kopfschüttelnd und seufzend ging ich zurück zum Sofa, aber nur, um den Fernseher abzuschalten und mich auf den Weg ins Schlafzimmer zu machen. Zufrieden sah ich, dass Lara nun wirklich das Licht gelöscht hatte.

Für einen Moment war ich versucht, mich in ihr Zimmer zu schleichen, um mir ihr ominöses Buch zu schnappen und in Augenschein zu nehmen. Ach, Unsinn, ich würde sie einfach morgen früh beim Frühstück oder auf der Fahrt zur Schule befragen, worum es darin ging.

Ob viel Gewalt drin war. Und ... ach Quatsch, Sex doch wohl sowieso nicht. Da hatte ich ihre Äußerung ja vermutlich total falsch aufgenommen. Sie meinte wahrscheinlich ... ja, was? Die Kopfschüttel-Bewegung passte zum Zähneputzen.

Meine Haare waren von der Minute an der offenen Terrassentür tatsächlich nass geworden, also rubbelte ich sie kurz trocken. Elendiges Wetter. Das Fenster im Schlafzimmer lag zur anderen Seite raus, also würde ich dort zumindest nicht den Regen an die Scheibe prasseln hören.

Wie leer das Schlafzimmer ohne Paula war. Ohne sie dort erwarten zu dürfen. Nie wieder ihren Atem zu hören, ihre Wärme zu spüren. Ihre Liebe. Ihren weichen, immer wohlriechenden Körper in die Arme schließen zu können.

Der nur nachts manchmal andere als Wohlgerüche abgegeben hatte. Der Gedanke daran zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Ich schaute noch eine Weile gedankenverloren auf Paulas Bild auf meinem Nachtschrank, bevor ich das Licht löschte.

Und doch war es nicht ihr Gesicht, das vor meine Augen trat, als ich kurz vor dem Einschlafen war. Dunkle Augen, die von innen heraus zu glühen schienen. Der Schlaf siegte, bevor mich die Verblüffung darüber weiter beschäftigen konnte.

In der Nacht schreckte ich einmal kurz hoch. Hatte für einige Momente das Gefühl, nicht allein im Zimmer zu sein. Griff an meinen leicht schmerzenden linken Arm und schaute auf mein Handy. Halb vier. Viel zu früh, um wach zu werden oder gar aufzustehen.

Verwirrt kuschelte ich mich wieder in die Decke und schlief nach einigen wirren Gedanken wieder ein.

~~~~~

„Soll ich dir ein Brot machen, oder willst du dir in der Schule was kaufen?"

„Ich hab' noch Geld. Du brauchst nichts zu machen."

War mir auch recht. Zufrieden schüttete ich mir den Kaffee ein und setzte mich zu Lara an den Tisch. Sie kaute lustlos auf ihrem Toast herum und ignorierte mich weitestgehend, wischte stattdessen auf ihrem Handy rum. Seit Paulas Tod hatte ich sie kaum noch mit ihren Freundinnen erlebt.

Aber zumindest schien sie ja auf anderen Wegen weiterhin mit ihnen verbunden zu sein. Internet. Das brachte mich auf ...

„Sag mal ... dieses Buch ... ich habe gestern mal im Netz geschaut, das ist da tatsächlich nicht mal zu finden. Hast du gesehen, wann es herausgegeben wurde?"

„Nein. So etwas steht da auch nicht drin."

„Doch, klar, jedes Buch hat eine ISBN, den Verlag und das Erscheinungsdatum, meist auf den ersten Seiten."

„Dieses nicht. Die erste Seite hat nur den Titel des ersten Abenteuers und ein kleines Bild darunter. Danach geht schon die Geschichte los."

„Das ist ja ungewöhnlich. Hm ... vielleicht ist es ein Vanity-Print, also der Autor hat es gar nicht irgendwo veröffentlicht, sondern nur eine oder mehrere Kopien selbst drucken lassen. Oder die Seiten davor wurden entfernt."

„Spielt das eine Rolle?"

„Nein ... obwohl ich so natürlich nicht entscheiden kann, ob das Buch für Mädchen deines Alters wirklich geeignet ist, verstehst du?"

„Das ist es."

„Kann ich dir da vertrauen? Keine exzessive Gewalt oder ... andere eher erwachsene Themen?"

„Kriegerinnen kämpfen. Aber es wird nichts Brutales beschrieben, wenn du das meinst. Es überlässt vieles der Fantasie und wie weit man sich hineindenken möchte. Hineinbegeben möchte. Nach kurzer Zeit ist man mittendrin."

„Aha, so Michael-Ende-mäßig? Wie die unendliche Geschichte?"

Es ist kein Kinderbuch", sagte sie in einem Tonfall, der mir gar nicht gefallen wollte.

„Kann ich es mir mal angucken?"

„Wir müssen los."

Da hatte sie allerdings recht. Mein linker Arm juckte. Schon im Aufstehen öffnete ich irritiert den Knopf meines Ärmels und schob ihn etwas hoch. Auf meinem Unterarm war eine vielleicht zehn Zentimeter lange ovale Rötung zu sehen. Was war das?

Von der Gartenarbeit oder den Dachreparaturen konnte sie nicht kommen, dann hätte ich sie vorher schon bemerkt. Eine allergische Reaktion? Aber worauf? Ich kratzte die Stelle, wohl wissend, dass man das wahrscheinlich nicht tun sollte, und knöpfte den Ärmel eilig wieder zu.

Seufzend setzte ich mich ins Auto und wartete, bis sich Lara ebenfalls angeschnallt hatte. Sie beschäftigte sich wieder mit ausdrucksloser Miene mit ihrem Smartphone. Eigentlich störte ich sie dabei nicht.

„Diese ... Nia ... ist also die älteste der drei Schwestern?", versuchte ich sie zurück ins Gespräch zu locken.

„Ja, die Jüngste heißt Denia und die Mittlere Itha. Denia erlebt zu Beginn eine Reihe von Prüfungen, die sie zur echten Kriegerin machen."

„Ist sie in deinem Alter?"

„Nein, das nicht. Es ist eine andere Welt, wo alles ganz anders ist."

„Aber du kannst dich mit ihr am besten identifizieren?"

Sie krauste die Stirn.

„Vielleicht. Nein, eher mit Itha."

„Und diese Nia ..."

„Ist vollkommen. Itha auch."

„Na, du doch auch, mein Schatz. Klingt aber wirklich interessant. Vielleicht leihst du mir das Buch, wenn du damit durch bist?"

„Nein", sagte sie einfach. Machte mich sprachlos, mit der Ruhe und Bestimmtheit, mit der sie das ausgesprochen hatte. „Du kannst hier schon halten. Da sind Lena und Trudi."

Verwirrt hielt ich am nächsten freien Parkplatz an und ließ sie raus. Sie verabschiedete sich, begrüßte kurz ihre Freundinnen, lief dann wortlos mit ihnen zum Eingang des Schulgeländes. Ich kratzte noch einmal die Stelle an meinem Arm und fuhr dann los.

Ein Tag wie jeder andere im Büro. Ich aß mit Lothar und Marlene im Pausenraum Mittag, als mich der Juckreiz ein weiteres Mal übermannte und ich mir die Stelle unbedingt noch einmal ansehen musste.

„Was hast du denn da gemacht?", interessierte sich Marlene, als sie das nun feuerrote Mal auf meinem Unterarm erblickte.

„Wenn ich das wüsste ... es war plötzlich da. Es juckt und brennt etwas, also nicht wie eine Allergie, mehr, als ob ich vielleicht irgendwie mit einer Pflanze in Berührung gekommen bin, mit der man das besser nicht tun sollte. Ich weiß aber nicht, wie und wann."

„Dermatologe. Der Fischer ist gut, der hat mir bei meinen Problemen immer schnell geholfen", steuerte Lothar bei. Lothar und seine Pilzerkrankungen. Gott sei Dank war Marlene am Tisch, sonst würden jetzt Details kommen.

Stattdessen wurden andere Krankheiten besprochen. Ich hörte schon nicht mehr hin. Verwirrt, weil mir wieder die Illustration aus Laras Buch vor den Augen tanzte. Dasselbe Gesicht, dieselben abgründigen Augen. Nur der Mund verändert. Der jetzt fein lächelte. Ich schüttelte mich unwillkürlich.

„Alles in Ordnung? Fühlst du dich wohl?", fragte Marlene sofort nach.

„Ja, alles gut. Ich brauche noch einen Kaffee, bevor wir wieder reingehen. Oder ist es schon ..."

Es war schon zu spät, um den dort noch genießen zu können. Also mit an den Arbeitsplatz. Wo ich später dann noch einmal den Ärmel hochschob. Es war jetzt keine gleichmäßig rote Fläche mehr. Als ob sich Linien absetzen würden, ein Muster.

Doch damit zum Arzt? Ach, nicht vor morgen, wahrscheinlich verschwand es ohnehin schon vorher. Das Jucken war bereits leicht zurückgegangen. Auf dem Nachhauseweg dachte ich noch nicht einmal mehr daran. Lara wartete schon auf mich.

Sie hatte Violinen-Unterricht an der Musikschule. Eigentlich war sie immer mit dem Fahrrad hingefahren. Nach Paulas Unfall hatte ich allerdings darauf bestanden, dass ich sie fuhr. Ich hatte es nicht erklären müssen, sie hatte einfach zugestimmt. Fuhr auch sonst kein Fahrrad mehr.

Ich nutzte die Zeit, um einzukaufen. Normalerweise. Und wartete dann die verbliebene Zeit im Auto, bis ihre Stunde beendet war. So auch an diesem Nachmittag. Da schräg vor mir eine Apotheke war, rollte ich noch einmal den Ärmel auf, um zu sehen, ob die Stelle vielleicht doch eine Salbe oder sowas vertragen konnte.

Apotheker kannten sich ja meist ebenfalls aus, da brauchte man nicht gleich zum Arzt zu laufen, was ich sowieso hasste. Das ... sah nicht nach so einem Fall aus. Eher einen für die Psychiatrie. Das war doch ... unmöglich. Das war keine Rötung mehr, sondern ein Zeichen.

Wie ein Tattoo. Klare rote Linien. Ein langschenkliges Dreieck, auf dem sich ein weiteres, dachähnliches befand. Dabei keine geraden, sondern geschwungene Linien, fast wie Blütenblätter. Vor dem höchsten Punkt eine kreisförmige Struktur, die von einer länglichen eingefasst wurde.

Sah aus wie eine Art Wappen. Wie eine ... stilisierte ... Vagina? Das ist doch ... verflucht. Ich befeuchtete meinen Zeigefinger mit Spucke und rieb an diesem merkwürdigen Tattoo auf meinem Unterarm. Das sich so nicht entfernen ließ. Was zum Henker war das?

Die kurze Wachperiode in der Nacht fiel mir ein. Ob Lara ... vielleicht inspiriert von diesem komischen Buch, irgendwas Seltsames ... ach, Unsinn. Das würde sie niemals tun. Aber was zum Teufel war dieses Ding, und wie kam es dahin?

Bei einem frischen Tattoo würde man Reste der Nadelstiche sehen können, nahm ich zumindest an. Hier war absolut nichts dergleichen wahrnehmbar. Ich zweifelte langsam an meinem Verstand. Es juckte nicht mehr, es schmerzte nicht mehr. Aber es schien irgendwie zu glühen für einen Moment.

Das gibt es doch nicht. Gerade noch rechtzeitig sah ich Lara den Eingang der Musikschule passieren. Eilig machte ich den Ärmel wieder runter und zog das Jackett an, das ich dafür abgelegt hatte. Da öffnete sie auch schon die Tür und stieg ein.

Wir unterhielten uns kaum, sie griff wieder zu ihrem Handy und beantwortete meine kurzen Fragen abwesend und lustlos. Wieder einmal überließ sie mir die Entscheidung, was wir zu Abend essen würden. Und mich im Anschluss dem Kochen und meiner heillosen Verwirrung.

Na, ihr konnte ich das schließlich nicht zeigen. Je öfter ich drauf sah, desto obszöner sah es aus. Man gut, dass es langsam zu kühl für kurzärmlige Geschichten wurde. Hm, am Ende musste ich damit vielleicht wirklich zum Dermatologen, es notfalls entfernen lassen, bevor die Jahreszeit dazu wieder einlud.

Lara machte am Esstisch ihre Hausaufgaben. Fleißig war sie, da kam sie nicht nach ihrem Vater. Disziplinierter als ich es damals gewesen war, auf jeden Fall. Vielleicht klammerte sie sich auch daran, an das bisschen Normalität, das uns nach Paulas Tod geblieben war.

In der Schule hatte sie jedenfalls davon unbeeindruckt normal gute Noten nach Hause gebracht. Während ich das Geschnetzelte anbriet, sah ich sie schon ihre Sachen wieder zusammenpacken. Minuten später kam sie mit dem Buch an der Küche vorbei und ging ins Wohnzimmer.