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Das Vagina-Syndrom

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Henry entdeckt die Kunst.
9k Wörter
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Dezenter Hinweis: Das ist mal einer von meinen älteren Texten, den ich schon unter einem früheren Autorennamen hier veröffentlicht hatte, also nicht wundern, wenn er euch bekannt vorkommt.

Oh Elke. Warum konnte ich bei ihr nie nein sagen? Könnte es an den zweihundertdreißig vorherigen Versuchen liegen, wo sie es schlicht und ergreifend nicht akzeptierte? Aber diesmal hatte sie mich richtig eingetunkt. Ausstellung ihrer besten Freundin. Natürlich, da konnte ich keine guten Gründe dagegen vorbringen.

Vor allem, da ihre Klapperkiste wieder in der Werkstatt vor dem überfälligen Gnadentod bewahrt wurde. Und sie einen Fahrer brauchte, der sie zu diesem abgewrackten Fabrikgelände fuhr. Wohin sich weder Bus noch Bahn wagte. Gut, aus geschwisterlichem Großmut heraus machte ich das.

Kunst war natürlich in etwa so interessant wie Häkeln für mich. Von beidem verstand ich auch in etwa gleich viel. Ihre Freundin war Avantgarde, soviel wurde mir mitgeteilt. Das klang nach angepissten Milcheimern in einer Ecke, mit einem blinkenden Herzchen obendrauf. Aber das hier. Die hier. Oh mein Gott.

Ihre Freundin hatte nur ein Thema. Auf überlebensgroßen Leinwänden, in erschreckend lebensechten Skulpturen, in tausenden von Zeichnungen und kleineren Gemälden. Das war genau das, was ich drei Monate nach der Trennung von meiner Partnerin nach acht qualvollen Jahren absolut sehen wollte. Vaginen.

Gut, bei dieser Gelegenheit hatte ich endlich die korrekte Mehrzahl für das Wort erlernt. Aber ansonsten war ich doch eher unangenehm berührt. Eine war für mich schon an der Grenze des Erträglichen. Spätestens nach hundert fühlt sich der geistig gesunde Mann verfolgt. Jetzt fehlte nur noch die mannsgroße, in die man hineinkriechen konnte. Und fertig war der Stoff für Alpträume auf Lebenszeit.

„Willste die sehen, für die ich Modell gesessen habe?", fragte mich Elke.

„Ehm ... ja, das würde das Erlebnis in seiner Abscheulichkeit angemessen abrunden. Ich verzichte dankend. Es kam dir nicht in den Sinn, dass es fairer gewesen wäre, mich vom heutigen Themenschwerpunkt vorab in Kenntnis zu setzen?"

„Natürlich musste das tunlichst vermieden werden. Oder wärst du dann gekommen?"

Wo sie recht hatte, hatte sie recht.

„Und du nimmst billigend in Kauf, dass dein liebster, weil einziger Bruder, im Verlauf erblindet? Das zahlst du mir, Schwesterlein. Die erste Rate ist, dass du die Rückfahrt bestreitest. Sodass ich mich dem freien Alkohol so ausgiebig widmen kann, dass mir der Dialog mit den Exponaten hier natürlich und sinnvoll erscheint."

Elke zuckte mit den Schultern und ging Adele suchen. Was für ein Name, da hatten die Eltern wahrscheinlich schon Böses geahnt. Was war denn das? Eine Öffnung in dieser Skulptur?

„Das ist eine Fühl-Skulptur", wurde ich von der Seite informiert. „Du musst deinen Finger hineinstecken."

„Danke für die Warnung", gab ich gedankenlos zurück. „Ich hätte es jetzt mit meinem Schwanz probiert."

„Na, endlich mal ein Mann, der seine Penisgröße korrekt einschätzen kann."

Hallo, wer war denn das? Eine vielleicht dreißigjährige rothaarige Frau mit Kriegsbemalung, wobei sich ein schwarzer Streifen von einer Schläfe zur anderen zog, und sie so ein wenig an Daryl Hannah in Blade Runner erinnerte. Oh. Ich hatte immer gehofft, das mal an einer dreidimensionalen Frau zu erleben.

Auch sonst war die Frau recht ansprechend dimensioniert, trug Kleidung, die das unterstrich. Ein schwarzer Lederrock, Netzstrumpf-Strapse, und ein irritierend irisierendes weißliches Faden-Top, das mit einem parallel zur Gesichtsbemalung verlaufenden Balken ihre Brustwarzen verdeckte. Aber auch nur die.

„Ah. Ich werde weder das eine, noch das andere wagen. Das Modell könnte meine Schwester sein. Das würde ich bis an mein Lebensende zu hören kriegen."

„Oh, ich kenne das Modell. Sie hat keinerlei Geschwister. Na los, Probieren geht über Studieren. Und dann sag mir, was du fühlst."

„Das kann ich mit meinem persönlichen Codex nicht vereinbaren, ich müsste ihr wenigstens vorher einen Drink spendieren. Du scheinst ja hier den Überblick zu haben: Wo gibt es denn möglichst hochprozentige Muntermacher, an denen ich mich laben könnte?"

„Du brauchst einen Muntermacher? Der Anblick einer Möse schläfert dich ein?"

„Psst, ich glaube, wir sollten hier nicht von Mösen sprechen. Sagen wir es so: Mit einer Vagina kann ich mich notfalls noch angemessen auseinandersetzen. Bei dieser Stückzahl rechne ich instinktiv mit einem Angriff. Da fragt Mann sich doch, was will uns die Künstlerin mit ihrem Werk sagen?"

„Was glaubst du, was sie damit sagen möchte?"

„Nun, ist dir schon aufgefallen, wie einsam und isoliert all diese Viecher ohne einen männlichen Widerpart wirken? Ich fühle eine tiefe Einsamkeit, eine Geworfenheit ins Dasein, eine ästhetische Isolation vor der Wirklichkeit. Oder glaubst du ernsthaft, dass Muschis, die so ansprechend aussehen und ... sich ... oh ... so interessant anfühlen ... lange alleine blieben?"

„Interessant. Eine Möse ohne Schwanz ist für dich unvollständig? Vielleicht ist die Künstlerin Feministin und der Ansicht, Vaginen sind alles, was diese Welt in Wirklichkeit braucht?"

„Ah ... man beachte diesbezüglich den fehlenden Pelz auf fast allen hier dargestellten Subjekten. Das spricht gegen diese Theorie. Die feministische Amazone von heute kämpft auch und vor allem mit ihrem Urwald gegen das Patriarchat."

„Vielleicht will sie ja damit darstellen, wie wenig Frauen sich tatsächlich noch der ästhetischen Entmündigung durch das Patriarchat entziehen können?"

„Oh ... du meinst, die Frauenbewegung scheitert an der Vollrasur? Interessanter Gedanke. Nun, du wirkst mir doch reichlich emanzipiert. Was würde ich bei dir vorfinden? Haarigen Widerstand oder blankes Einvernehmen?"

„Spendiere mir einen Drink und finde es heraus."

„Ehm ..."

„Ach, hier bist du, mein Schatz", mischte sich eine nur zu bekannte Stimme ein. „Oh, du hast meinen allerliebsten Bruder Henry also schon kennengelernt?"

„Ich war im Begriff, das zu tun", schmunzelte Adele, während sie Elke umarmte und auf die Wangen küsste.

„Adele", ergänzte ich im Bewusstsein singulärer Blödheit.

„In Person. Deinen Finger hast du übrigens gerade in meiner Möse. Wo sich unser Kennenlernen doch ohnehin gerade beschleunigt hat."

„Oh."

„Henry! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du von meinen Freundinnen gefälligst deine Finger lassen sollst?"

„Na, dazu habe ich ihn animiert. Es liegt mir viel daran, dass er in voller Tiefe begreift, worum es hier geht. Und an seinem Wohlbefinden. Mit Hochprozentigem kann ich nicht dienen, aber soweit ich sehr gut weiß, gibt es in der Lounge Sekt. Wollen wir drei was trinken gehen?"

Ich nickte, konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Sauber vorgeführt. Gleich in der Vorrunde ans Heimteam geraten. Pech in der Auslosung.

„Ich darf leider nicht, Henry zwingt mich, die Rückfahrt zu übernehmen, als Rache dafür, dass ich ihn gebündelter Weiblichkeit in dieser Form ausgesetzt habe. Er ist ein bisschen zart besaitet, nachdem er von einer Vertreterin unseres Geschlechts kürzlich vor die Tür gesetzt wurde."

„Zum einen war es genau andersherum, zum anderen wird dir dann hoffentlich klar, warum ich dir daher keinen Drink spendieren kann, so großzügig das Angebot auch war. Mal abgesehen davon, dass die Drinks doch wohl hoffentlich umsonst sind?"

„Das sind sie, und das war keine Einladung in mein Leben, sondern nur zu dem Ursprung meines Werks", gab Adele grinsend zurück.

„Na, da habe ich wohl einiges Interessantes verpasst und so neugierig auch bin, ihr setzt euch vielleicht besser weiter alleine auseinander. Und ich schaue mal, ob hier irgendjemand durch deine Bilder ähnliches Interesse an meiner Vorlage entwickelt. Oder zumindest das eine oder andere Kompliment zu erhaschen ist. Viel Spaß, ihr zwei", verabschiedete sich Elke und verschwand in den Tiefen der Ausstellung.

„Na, dann komm, mein Guter", lockte mich das Künstler-Weib.

Das hatte sie doch wohl hoffentlich nicht alles ernst gemeint? Wie ließ sich das herausfinden, ohne dass ich in unzählige Fettnäpfchen tappte, sie beleidigte oder anderweitig vergrätzte? Auf den Mund war sie nicht gefallen, ihr futuristisches Aussehen, sowie ihr sehr, sehr ansprechender Körper, machten sie sicher objektiv interessant.

Und nicht nur wegen des Vorabeinblicks, der nicht zwangsläufig zu dem Standard-Kennenlernprozess zählte, soweit ich da noch auf dem aktuellen Stand war. Immerhin war ich nicht nur acht Jahre aus dem Verkehr gezogen, sondern auch vorher nicht unbedingt das Flirt-Monster gewesen. War das hier überhaupt nötig? Hatte ich hier nicht schon bereits verloren oder ungewollt gewonnen?

Sie reichte mir ein Sektglas und sah mich schmunzelnd an. Unfair, ich spielte das Spiel nach ihren Regeln, die mir nicht einmal bekannt waren.

„Danke schön. Eigentlich könntest du mir ja sagen, was sich die Künstlerin bei diesem Vaginen-Heer oder Mösen-Meer gedacht hat."

„Eigentlich schon. Das widerspricht aber dem Wesen der Kunst. Jeder baut sich sein eigenes Verständnis und eigene Assoziationen auf. Geworfenheit ins Dasein ... Einsamkeit ... ästhetische Isolation vor der Wirklichkeit ... das waren doch schon hochinteressante Ansätze. Inhaltsleeres Gefasel, aber immerhin. Du musst dich selbst dazu in Bezug setzen."

„Da ahnte ich natürlich noch nicht, dass ich mich da unter anderem zu deiner Möse in Bezug setzte."

„Ja, das war köstlich, das gebe ich zu. Und, wie hat sie sich nun angefühlt, mal abgesehen von interessant?"

„Erstaunlich. Das war kein Marmor mehr innen drin?"

„Allerdings."

„Ich spürte zudem eine ... vertraute Feuchtigkeit."

„Dass dir diese vertraut erscheint, sagt einiges über dich aus. Und mich."

„Ehm... hm, ja. Auf jeden Fall ein unerwartet lebensnahes Gefühl. Sogar ... eine gewisse Wärme, grenzend an Hitze, meinte ich zu fühlen."

„Oh ja, die fühle ich auch."

Uff?

„Wie hast du das gemacht?"

„Mir vorgestellt, was ich mit dir noch alles anstelle. Oder meinst du die Skulptur?"

Upps. Langsam fehlten mir die Worte? Ein Novum.

„Ehm ... letztere."

„Ah ... eine gute Zauberin verrät ihre Tricks nicht. Ich will doch die Möse nicht entmystifizieren."

Jetzt wurde sie von zwei ebenfalls reichlich überkandidelt wirkenden Damen begrüßt. Oje. Das erträgliche Limit um das doppelte überschritten. Geordneter Rückzug?

„Ich will dich dann nicht länger deinem Publikum vorenthalten."

„Das zeugt von menschlicher Größe. Du kannst dich stattdessen weiter mit mir auseinandersetzen, von mir durchdrungen werden. Tu mir den Gefallen, schau mich an. Zwei Drittel hier bin ich. Ich hole dich später wieder ein. Du entkommst mir nicht."

Den Eindruck hatte ich langsam auch. Und so weckt man Interesse an seiner Ausstellung. Da steckte ein Marketing-Genie in ihr. Also gut, setzte ich mich eben zu ihrer Möse in Bezug. Hm. In Bezug auf ihre Möse war ich erschreckend in der Unterzahl. Na, diese hier war sie mal nicht.

„Sie ist schön, nicht wahr?", kam die Frage, die ich nie hatte hören wollen.

„Sag mir nicht, dass das deine ist", flehte ich meine Schwester an.

„Nein, ich rede von Adele. Das da ist nicht meine Muschi. Die ist ..."

„Das habe ich schon nicht wissen wollen, als du vier warst. So schnell ändere ich meine Meinung nicht."

„Na sowas. Spielverderber, damals wie heute. Und? Sie gefällt dir?"

„Sie hat ein forsches Wesen. Ich soll mich nunmehr mit ihrer Möse auseinandersetzen. Es gelang mir bisher nicht, ihr das auszureden."

„Als ob du das wolltest. Ja, setz dich mit ihrer Möse auseinander. Setz dich dazu in Bezug."

„Das hat sie auch gesagt. Nur der Sinn will sich mir weiterhin nicht erschließen."

„Na, stell dir doch vor, was du alles mit ihr anstellst. Wie du sie leckst und fickst."

„Iiih, sowas verlangt nicht von seinen Geschwistern. Du hast die Grenzen der Familiarität grob missachtet. Geh zu deiner Vagina und schäm dich."

„Ja, ich stell' mich jetzt davor. Damit du weißt, wo du sie findest. Und du hast im Übrigen meine Erlaubnis, diese Freundin zu fingern."

Was war denn hier mit den Frauen los? Kaum sahen sie lauter Mumus, dachten sie nur noch an Sex? War das nicht unsere Domäne? Wurde so die zweite feministische Revolution eingeleitet? Der Untergang des patriarchalischen Abendlands?

War klar, dass ich wieder bei der Fühl-Muschi endete. Das war aber auch ein abgefahrenes Gefühl. Wie hatte sie das bloß hingekriegt?

„Wusste ich doch, dass du hierher zurückkommst", hauchte mir Adele hinter mir stehend ins Ohr. „Na, wieder nur der Finger ... macht nichts, stell dir einfach vor, er ist es nicht ... wie du ganz langsam in mich eindringst ... ganz tief in mich hinein ... dich langsam, ach so langsam bewegst ... Ahh ... Oh ... und jetzt ... fick mich ... fick mich ... hart ... ohh ...", und dann deutlich lauter: „Übrigens, ich wollte dich meiner Mutter vorstellen. Mutter, das ist Henry. Henry, das ist Mutter."

Ah. Und jetzt? Umdrehen, bevor oder nachdem ich meinen Finger aus dem Mösen-Replikat ihrer Tochter gezogen hatte? Und dann diese Hand reichen? Ein harter Test meiner Kompetenz in sozialer Etikette. Die gerade entstandene Beule in meiner Hose machte das nicht leichter.

Nein, der militärische Gruß war sicher nicht die beste Lösung gewesen. Spontane Gesten fortan vermeiden. Verbal auffangen.

„Ich bin entzückt."

Das beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Dabei musste sie von den Freunden ihrer Tochter einiges gewohnt sein. Immerhin war meine Schwester darunter. Und jetzt? Den Eindruck verstärken? Ein irres Lachen vielleicht? Der erste Eindruck war hier Gott sei Dank völlig irrelevant. Du wirst nicht meine Schwiegermutter werden. Kinnlade bitte wieder hoch.

Alle Achtung, das war Selbstbeherrschung. Adele wurde von einem inneren Lachkrampf geschüttelt, sah so aus, als ob sie bald platzen würde, lief rot an, aber hielt es aus. Dieser Frau saß der Schalk fest im Nacken. Da konnte ich mich auf einiges gefasst machen. Ihre Mutter erholte sich rasch.

„Ich bin ebenfalls erfreut, einen so ... großen Bewunderer der Kunst meiner Tochter kennenzulernen. Das Stück hat es Ihnen offenbar angetan."

„Offensichtlich", pflichtete ihre Tochter ihr bei. Dann kicherten beide wie die Hexen von Eastwick.

Oder war der Teil eine Halluzination? Hatte eine Möse psychotrope Eigenschaften, die hier ums tausendfache potenziert wurden? Oder war das alles eine surreale Installation, und ich der nichtsahnende Hauptdarsteller? Henry im Mösenwald?

„Ehm ... ich bin mit meiner Schwester hier. Ich sollte sie jetzt besser suchen", fand ich einen preisgünstigen Abgang und ließ sie stehen. Ich musste mit meinen Möglichkeiten arbeiten. Immerhin konnte ich keine Mutter aus dem Hut zaubern. Ach, Elke. Dich fahr' ich nochmal irgendwo hin.

Ah, es ging nicht nur mir so. Fast alle Männer, denen ich begegnete, hatten einen irren Glanz in den Augen. Alkohol. Ich brauchte einfach mehr Alkohol. Nur, wo war jetzt die Lounge? Das war ein echtes Mösen-Labyrinth. Ich hätte an Brotkrumen denken müssen. Der ältere Mann dort hatte ein Glas in der Hand. Ansprechen?

„Entschuldigen Sie bitte. Sind sie mit Adele verwandt oder verschwägert?", kam meine für ihn vermutlich zusammenhanglose Frage. Kein Risiko mehr. Es könnte ihr Vater sein.

„Öh, was? Ich kenne keine Adele."

„Die Künstlerin, deren Ausstellung das ist?"

„Ach so. Keine Ahnung, wie die heißt, ich bin mit meiner Frau hier."

„Das beruhigt mich ungemein. Können Sie sich noch an den Weg zur Lounge erinnern? Ich glaube, ich habe mich verlaufen."

„Natürlich. Hier den Gang hoch und dann rechts. Nicht so einfach, das nüchtern zu ertragen, nicht wahr?"

„Ah, und ich dachte schon, ich bin der Einzige, dem das so geht. Verbindlichen Dank."

Ja, das sah wie die vertraute Oase aus. Durchatmen. Ah, und noch einen bitte. Ach was, besser gleich zwei.

„Dich kann ich nicht überraschen, oder? Danke dir", meinte Adele und nahm mir ein Glas aus der Hand.

„Nun ... darüber kann man geteilter Meinung sein. Irgendwie tauchst du immer aus dem Nichts auf. Teleportation?"

„Faszination. Wenn du dich mit meiner Möse beschäftigst, nimmst du nichts mehr von deiner Umwelt wahr."

„So, so. An Selbstbewusstsein mangelt es dir offensichtlich nicht. Nur lass uns an dem Punkt einmal einiges klarstellen: Auch wenn ich jetzt offiziell deiner Mutter vorgestellt bin ... und so sehr ich deine Kunst bewundere und mich von deinem Angebot geschmeichelt fühle ... Ich bin nicht der Mann für eine Nacht. Ich habe Prinzipien und Gefühle. Ethik und Moral. Ich komme gerade aus einer langjährigen Beziehung, mit einer Frau, die ich mal glaubte, zu lieben. So seltsam wie das vielleicht auch in deinen Ohren klingen mag ... was kneifst du jetzt so deine Augen zu?"

„Ich versuche, deine Untertitel zu lesen. Ich spreche kein Elfisch."

„Ich glaube, ich laufe ernsthaft Gefahr, mich in dich zu verlieben."

„Meine Möse hat manchmal diesen Effekt."

„Der solltest du nicht alles anrechnen. Du machst mich sprachlos und verlegen. Sogar um Antworten. Das habe ich in dieser Form noch nie erlebt."

„Du meinst, du fühlst dich von meinem Geist angezogen? Mutter hat recht. Da ist irgendwie ein perverser Zug in dir."

„Das wundert mich nun wiederum nicht. Ich nehme an, vor ihr salutieren nicht oft Männer mit Halb-Erektionen?"

„Ja, ich wollte sie nicht so lange warten lassen, sonst wäre es eine volle geworden. Ich hab ihr übrigens auch nicht erklärt, dass dies eine Fühl-Skulptur war. Für den Fall, dass ich dich mal zum Sonntagsessen einlade.

„Ich dachte, du wolltest mich nicht in dein Leben einladen?"

„Das ist richtig, solche Einladungen spreche ich grundsätzlich nur nach dem fünften Orgasmus in einer Nacht aus. Traust du dir das zu?"

„Problemlos. Oder sprichst du von deinen?"

„Wie du vielleicht mittlerweile erkannt hast, dreht sich bei mir vieles um meine Möse. Und ihr Wohlbefinden."

„Vielleicht solltest du dich mal um eine ernsthafte Beziehung bemühen. Wohlbefinden garantiert, allerdings würde deine Produktionsrate vermutlich drastisch zurückgehen."

„Du kennst meine Kriterien. Die Zahl erfolgreicher Kandidaten, die die erste Hürde meistern, ist erschreckend gering."

„Das klingt nach Einsamkeit."

„Oder auch nur einem Heer ungeeigneter Kandidaten."

„Hm ... und jedes deiner Selbstporträts ist vielleicht die Dokumentation eines gescheiterten Versuches?"

„Nimmst du in ihnen eine unterschwellige Traurigkeit wahr?"

„Ganz ehrlich: Dafür reicht mein Kunstverständnis nicht. Oder meine eigene Erfahrung. Ich weiß nicht, wie eine traurige Möse aussieht."

„Das könnte für dich sprechen."

„Was könnte für ihn sprechen?", erkundigte sich meine Schwester, die diesen Trick, mit dem aus dem Nichts auftauchen, ebenfalls zu beherrschen schien.

„Er weiß nicht, wie eine traurige Möse aussieht", klärte Adele sie auf.

„Das wundert mich nicht, er weigert sich seit meinem vierten Lebensjahr, meine anzuschauen. Dabei gestatte ich ihm alle Freiheiten. Sogar dich zu fingern."

„Das ist lieb von dir, mein Schatz. Er weiß mit seinen Freiheiten nicht gut umzugehen, nicht wahr?"

„So ist es. Dabei habe ich sogar, seine Vorstellungskraft in deinem Namen anzuregen versucht."

„Das habe ich allerdings auch. Da hast du einen Folgeauftritt mit meiner Mutter verpasst, der eigentlich kaum zu überbieten war."

„Oh, hast du ihm ihre Möse gezeigt?", erkundigte sich meine Schwester interessiert.

„Bislang noch nicht. Möchtest du die Möse meiner Mutter sehen, Henry?"

„Vaginen von Familienangehörigen liegen für mich grundsätzlich außerhalb meines Interessengebiets", erwiderte ich selbstsicher.

„Er sieht sie vermutlich schon als Schwiegermutter", erklärte Adele mit träumerischem Gesichtsausdruck. „Dabei hat er mir nicht einmal einen Antrag gemacht, nur mitgeteilt, dass er sich in mich verlieben könnte."

„Henry! Du musst auch immer gleich übers Ziel hinausschießen", beschwerte sich Elke.