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Der Fahrradunfall

Geschichte Info
Sie kümmert sich um ihn nach seinem Unfall
10.3k Wörter
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Erad
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64 Anhänger

Mia fährt mit dem Rad vor dem Deich entlang in Richtung Greetsiel. Sie lebt gern hier in Ostfriesland - es ist eine schöne Landschaft, und wenn man den Touristen aus dem Weg geht, auch immer ruhig. Sie mag diese Gegend sehr, beobachtet alles sehr genau, hat aber auch immer den Weg im Blick, hier gibt es schon mal Überraschungen - Pferdeäpfel, ein Schaf ruht sich auf der Straße aus, ein Tor quer über dem Weg. Sie kennt sich aus.

Vor sich sieht sie einen jungen Mann, ebenfalls auf dem Rad. Er fährt ungefähr so schnell wie sie, der Abstand ist über die letzten Kilometer gleichgeblieben, zwischen 100 und 200 Meter. Er kommt an das nächste Tor, fährt durch das kleine Gatter daneben und hat eine Schafherde neben sich auf dem Deich, mit vielen kleinen Lämmern. Er fährt langsamer weiter, macht mit seiner Kamera Fotos und achtet überhaupt nicht mehr auf den Weg.

Als dann das nächste Tor kommt, knallt er ungebremst dagegen. Er geht über den Lenker und landet auf der anderen Seite des Tores, will sich mit der rechten Hand abfangen. Es gibt ein hässliches Geräusch, das Mia noch hören kann, es klingt so als wäre das Handgelenk gebrochen. Ein gedämpfter Schrei entfährt ihm, er fällt auf die Schulter und verdreht sich noch den Rücken.

Mia ist total geschockt, sie hat den Unfall genau gesehen. Alles ist für sie fast wie in Zeitlupe abgelaufen, aber natürlich konnte sie nichts tun. Sie beschleunigt, kommt zu dem Tor und stellt ihr Rad neben der Straße ab. Dann geht sie zu ihm. "Hallo, ich bin Mia Hansen. Das sah ziemlich schlimm aus. Tut es irgendwo weh?" Er nickt. "Ja leider, die Hand und die Schulter." "Beides rechts?" "Ja."

"Dann helfe ich Ihnen jetzt erstmal auf, so dass Sie mit dem Rücken zum Tor sitzen, danach rufe ich den Krankenwagen und dann sehen wir weiter." Sie geht zu seiner linken Seite, er reicht ihr die Hand und gemeinsam schaffen sie es, ihn fast ohne Schmerzen so mit dem Rücken an das Tor zu setzen, dass er einigermaßen bequem dort sitzen kann. Mia setzt den Notruf ab, beschreibt genau, wo sie ist, und verspricht, bei dem Patienten zu bleiben.

"Und jetzt räume ich erstmal das Wrack aus dem Weg, dass mal Ihr Fahrrad war. Haben Sie einen Schlüssel? Dann schließe ich das hier an, in den Krankenwagen werden die es wohl nicht mitnehmen." In einem Versuch, unter Schmerzen einen Scherz zu machen, sagt er: "Wieso, vielleicht ist es schwerer verletzt als ich?" Mia lacht. "Wenn ich mir das so richtig anschaue, würde ich sagen, bei einem Rahmenbruch und einer 8 im Vorderrad ist die Diagnose 'Exitus'. Wir sollten uns um die Lebenden kümmern." "Danke, dass du da bist, Mia. Ich bin Ralf - ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte."

"Ach Ralf, mach dir keine Gedanken, ich bin bei dir, ich kümmere mich schon. Mach die Augen zu, ruh dich aus, such eine Position, die am wenigsten schmerzt. Der Krankenwagen kommt gleich, dann fahren wir nach Emden ins Krankenhaus und da wirst du wieder zusammengeflickt."

"Gute Idee das mit dem Ausruhen. Bleibst du neben mir sitzen?"

"Nein - ich stehe hier neben dir, damit ich den Fahrer des Krankenwagens einweisen kann."

Kurze Zeit später ist der Wagen da, sie besehen sich den Schaden und packen ihn auf die Krankenliege. "Kann ich ihn begleiten, ich habe den Unfall gesehen und möchte mich noch ein wenig um ihn kümmern."

"Klar, Mädchen, steig ein. Das kriegen wir hin, vor allem ist dann jemand da, der Fragen beantworten kann." Sie setzt sich zu ihm, er hat schon ein Beruhigungsmittel im Blut, sie nimmt seine linke Hand und so fahren sie zum Krankenhaus. Dort wird er sofort operiert, das Handgelenk gerichtet und fixiert, während sie draußen sitzt und wartet.

Ihr geht so einiges durch den Kopf in der Zeit. 'Warum mache ich das eigentlich? Ich kenne den doch überhaupt nicht. Aber vielleicht ist er alleine. Er hat zumindest nicht gesagt, 'bitte rufe hier, da oder dort an'. Und es ist ein spannendes Abenteuer. Oder das kann es werden. Im Moment geht alles immer seinen gleichen Gang, da kann durchaus mal eine Überraschung dazwischenkommen. Vielleicht entwickelt sich da ja noch was. Und jetzt muss ich mal überlegen, wie ich oder wir nachher wieder nach Hause kommen.'

Sie ruft ihren Bruder Nils an. "Kannst du nachher mit dem Hänger zwei Räder vom Deich wegholen? Ich habe einen Fahrradunfall beobachtet, bin dann mitgefahren und sitze jetzt in Emden im Krankenhaus. Nein, mach dir keine Sorgen, bei mir ist alles in Ordnung, ich habe nur den jungen Mann begleitet. Ach ja, könntest du mich vielleicht gleich auch abholen?" "Nee nee, du machst aber auch immer Sachen. Geht klar, kann ich aber erst nach der Arbeit. Also in frühestens zwei Stunden bin ich dann bei dir." "Au ja, das passt glaube ich. Ich frag hier mal, ob die absehen können wie lang das noch dauert. Dann melde ich mich kurz."

Sie verabschieden sich und Mia geht zum Schwesternzimmer, um nach Informationen zu fragen. Anscheinend ist Ralf fast fertig, wird dann auf ein Zimmer gelegt und soll dort seine Narkose ausschlafen. Sie lässt sich die Zimmernummer geben, geht in den kleinen Laden unten im Krankenhaus und holt eine Flasche Saft, ein Rätselheft und einen Kugelschreiber sowie eine Zeitschrift, damit er was zu tun hat, wenn er wach wird. Das legt sie ihm auf das Zimmer und bleibt dort sitzen. Sie betrachtet ihn. Ein freundliches Gesicht, anscheinend nicht viel älter als sie selbst, geschmackvoll frisiert, - der Gesamteindruck ist 'nett'. Dann kommt ihr Bruder, sie schreibt noch einen Zettel, dass sie morgen gegen 9:00 Uhr wieder da ist und verabschiedet sich leise.

"Jetzt erzähl mir erstmal in was du da rein geraten bist." Als sie einsteigt, lächelt ihr Bruder sie an und stellt sofort die Frage, die ihn schon die ganze Zeit umtreibt. Sie verstehen sich gut, helfen sich immer gegenseitig und unternehmen auch viel zusammen.

"Ach es ist eigentlich nichts Gewaltiges. Ich habe gesehen, wie Ralf nicht auf die Straße geachtet hat, vor das Tor geknallt und über den Lenker gegangen ist. Dann habe ich den Notruf abgesetzt, mich um ihn gekümmert und bin mit ins Krankenhaus gefahren. Das ist eigentlich alles."

"Und du kümmerst dich jetzt um den Patienten? Ich kenne dich doch, jedes verletzte Kätzchen landet bei dir, du machst und tust und dann ist das Kätzchen geheilt und wieder weg. Außerdem kennst du den doch überhaupt nicht."

"Also, ich weiß schon was ich tue. Ich bin jetzt für ihn da, bis sich seine Freundin, Frau, Familie oder was weiß ich denn ihn übernehmen kann. Aber erstmal sehe ich mich als verantwortlich an. - Jetzt holen wir die Räder und dann geht's zu meinem Haus im Dorf."

"Genauso machen wir das."

Am nächsten Tag fährt sie mit ihrem Auto ins Krankenhaus. Sie hat ihm ein Buch und eine Tafel Schokolade mitgebracht. Er lächelt sie etwas gequält an. "Du bist ein Wunder. Danke. Die Schokolade wird nicht lange überleben, und das Buch kann ich im Moment gut gebrauchen. An was du alles denkst!"

"Im Moment denke ich an dich. Wen kann ich denn benachrichtigen, dass du eine vernünftige Betreuung bekommst? So kannst du ja wohl nicht in irgendeine Ferienwohnung zurück gehen, und Auto fahren nach Hause ist auch nicht drin."

"Ach, weißt du, Frau oder Freundin gibt es nicht, meine Eltern kommen von hier oben, sind aber ins Ruhrgebiet gezogen und im Moment in den USA selbst im Urlaub. Also bin ich frei, aber behindert. Der Physiotherapeut war schon da, hat sich den Schaden angesehen. Er meinte ich bräuchte eine Rundumbetreuung, die kann das Krankenhaus aber nicht leisten, also werden die mich wohl morgen, vielleicht übermorgen raus setzen. Und den Schaden am Körper hat er auch ganz genau beschrieben. Das Handgelenk ist gebrochen und operiert, geschient und stillgelegt. Das muss erstmal zusammenwachsen. In der Schulter ist mindestens eine schwere Prellung, vielleicht ein Band gerissen, also ist das auch erstmal stillgelegt. Beim Sturz bin ich dann wohl mit dem Rücken aufgekommen, der ist schwer geprellt. Wir haben so einige Übungen gemacht, den Rumpf drehen kann ich im Moment kaum, eigentlich nur unter Schmerzen."

"Oh. Tja, war es das Foto von dem Lämmchen wert?" Mia grinst ihn an. "Ich habe es noch nicht kontrolliert, aber so gut kann es nicht geworden sein, dass ich dafür mit mindestens 6 Wochen Invalidität bezahlen muss. -Ich weiß überhaupt nicht, wie es jetzt weitergeht. Ich kann nichts, und ich habe niemanden. Das geht mir schon den ganzen morgen im Kopf rum."

"Du hast mich. Keine Sorge, dass kriegen wir hin. Also: lass uns planen. Du kannst nicht in deine Ferienwohnung zurück, nach Hause fahren kannst du nicht, das lohnt auch nicht, da ist keiner. Es gibt nur einen logischen Schluss: Du kommst zu mir. Ich bin meistens im Home Office und kann dich betreuen, mir macht das nichts aus, und ich habe dann auch mal etwas Leben in der Bude."

"Das würdest du wirklich für mich machen? Du kennst mich doch gar nicht."

"Ja, das hat mein Bruder auch schon gesagt. Macht aber nichts, wir werden uns schon kennen lernen. Geht wahrscheinlich ganz schnell. - Sollen wir das so angehen?"

"Ich glaube, ich habe keine andere Wahl. Danke - und: Ja!"

"Dann geht's jetzt an die Einzelheiten. Heute ist Sonntag, morgen bin ich wieder am Rechner und arbeite. Wo liegt deine Ferienwohnung? Hast du ein Handykabel hier? Ist dein Handy noch geladen? Gib mir deine Nummer, dann können wir schneller kommunizieren und auch Fotos und so durch die Gegend schicken. Ich würde vorschlagen, dass ich die Wohnung auflöse, alle deine Klamotten zu mir in das Gästezimmer bringe, in der Wohnung saubermache und den Schlüssel abgebe. Wie wir dein Auto rüber kriegen schau ich mal, wird wohl irgendwie gehen. War das dein Fahrrad oder war das geliehen?"

"Du legst ja ein Tempo vor. Moment, ich muss erstmal mitkommen. Anscheinend ist noch Betäubungsmittel im System, oder die verabreichen mir ein Beruhigungsmittel über den Tropf. Keine Ahnung, normalerweise bin ich eher auf Scheibe. - Es ist mein Fahrrad."

"Es WAR dein Fahrrad. Beachte die Zeit. WAR! Das Rad ist Geschichte. Du kannst es auf einem Schrottplatz beerdigen oder zum Ausschlachten an einen Händler geben, vielleicht kriegst du noch 20 Euro dafür." Mia grinst ihn an, während er ein etwas gequältes Gesicht macht.

"Okay. Das muss ich mir jetzt klarmachen - ich hatte mal ein Rad. Und an das andere muss ich mich auch gewöhnen."

"Woran?" Mia fragt mit einem Lächeln, sie ahnt schon was jetzt kommt.

"Na ja, dass ich im Moment vielleicht noch mitentscheide, aber dass ich nichts wirklich machen kann."

"Gewöhne dich schnell dran. Hier habe ich noch einen Block, auf dem du Sachen notieren kannst, die dir einfallen."

Jetzt lacht Ralf einmal kurz auf, aber das ist für den Rücken nicht gut, sofort hat er ein schmerzverzerrtes Gesicht. "Ich bin ausgesprochener Rechtshänder, die linke Hand ist nur wegen der Vollständigkeit da. Die kann nichts."

Mia überlegt. "Dann nimmst du das Handy und schreibst mir alles per WhatsApp, was dir einfällt. Und ich notiere was ich jetzt machen muss." Damit geht es los, er nennt ihr die Adresse der Ferienwohnung, gibt ihr den Schlüssel. "Ich fahre jetzt direkt dorthin, packe alles von dir ein. Dann mache ich Fotos, ob ich alles hab, die musst du kontrollieren. Dann wird einmal schnell geputzt, wahrscheinlich nur gesaugt, und ich gebe den Schlüssel ab. Den Eigentümern sage ich noch, dass sie alles bei mir abgeben können, was sie noch von dir finden. Heute Abend komm ich wieder und berichte." Sie steht auf, gibt ihm die linke Hand zur Verabschiedung, dann ist sie zur Tür raus.

Er blickt ihr versonnen nach. Ihm gehen Worte wie ‚Engel', ‚tatkräftig', ‚nett', ‚zupackend' und immer wieder ‚warum macht sie das für mich?' durch den Kopf. Aber er sieht ein, dass er keine andere Wahl hat, er muss mitspielen. Im Moment nach ihren Regeln, er hat sich gründlich außer Gefecht gesetzt.

Sie fährt direkt zur Ferienwohnung, packt alles ein und trägt es runter in ihr Auto. Sofort kommen die Vermieter um die Ecke und fragen sie, was sie da tut. Sie erklärt den Unfall, dann ruft sie Ralf per Video an und lässt den Vermietern von ihm bestätigen, dass sie nichts klaut. Als die verstanden haben, wie die Situation ist, kommen sie mit in die Wohnung, helfen und kontrollieren, ob wirklich alles weg ist. Auch eine Grundreinigung muss Mia nicht machen. "Lass mal, du hast genug um die Ohren, das machen wir gründlich, und die nächsten Feriengäste kommen ohnehin erst in 14 Tagen. Also ist Zeit genug."

Sie fährt zu sich nach Hause, stellt einiges erstmal in ihre Garage, die Klamotten kommen in den Schrank im Gästezimmer. Der Rest aus der Garage wird im Wohnzimmer, in der Küche und im Bad verteilt, dann ist sie fertig. Im wahrsten Sinne des Wortes ist sie fertig. Sie setzt sich auf ihre Terrasse, nimmt ein Müsli und etwas zu trinken mit und macht es sich gemütlich. Nach dem Essen ist noch Zeit für eine Mittagspause, sie schläft draußen in der Sonne ein.

Dann fängt sie an, ihre Woche zu planen. Morgen, also Montag muss sie arbeiten und auch einkaufen, denn sie hat bisher nur für eine Person vorgeplant. Dienstag, vielleicht Mittwoch kommt er aus dem Krankenhaus, dann muss die Wohnung fertig sein. Sie überlegt, macht Listen, was zu erledigen ist, und legt los, damit sie soviel wie möglich vorbereiten kann.

Abends fährt sie ins Krankenhaus und hat eine Reisetasche mit Klamotten, seine Kamera und seinen Laptop im Gepäck. "Hi, da bin ich wieder. Deine Ferienwohnung ist aufgelöst. Du bist jetzt offiziell bei mir eingezogen."

Ihm stehen plötzlich die Tränen in den Augen. "Das ist vollkommen unwirklich. Dass ich dich getroffen habe. Was du alles für mich tust. Unglaublich. Ich weiß gar nicht, wie ich das je wieder gut machen kann."

Sie nimmt ihn vorsichtig in den Arm. "Lass gut sein. Das würde jeder machen. Na ja - fast jeder. Ich mach es auf alle Fälle gerne. Und es ist auf Zeit. Für mich ist das kein Problem." Sie drückt ihn einmal kurz, dann kommt sofort ein schmerzliches Stöhnen.

"Oh Mann das wollte ich nicht. Entschuldigung!" Aber Ralf lächelt sie an. "Das macht nichts, ich muss mich auch erst dran gewöhnen was ich kann und was nicht. Das wird wohl das Motto unseres Zusammenlebens auf Zeit."

Sie holt sich aus der Kantine ein belegtes Brötchen, dann essen sie am Krankenbett gemeinsam zu Abend. Die Krankenschwester kommt rein und besieht sich die Situation. Dann wendet sie sich an Ralf. "Und wie geht es jetzt weiter? Übermorgen früh sind sie hier weg. Wohin gehen sie dann?"

"Na, zu ihr, zu Mia. Sie wird mich betreuen."

Die Krankenschwester blickt Mia zweifelnd an. "Und können sie einen Mann pflegen, anziehen und so weiter?" Mia zuckt die Schultern. "Keine Ahnung. Ich hab es noch nie gemacht, ich vermute Learning by Doing."

"Ich würde sagen, wir sollten das üben, solange ich als Profi noch greifbar bin. Ist in der Reisetasche auch ein Schlafanzug?" Mia nickt. "Ja ich dachte, dass er den vielleicht brauchen könnte."

"Gut.", kommt von der Krankenschwester. "Dann wollen wir mal."

Sie zeigt Mia, wo sie anfassen darf, um Ralf beim Aufstehen zu helfen, wo sie stehen muss, damit er seine Füße stellen kann. Er hat ein Krankenhaushemd an, mit einer Schleife im Nacken. Mia löst die Schleife, und er steht nackt da. Mia versucht ihm dann ein T-Shirt überzuziehen, das geht aber nicht, weil der rechte Arm ja vollkommen fixiert ist und das Shirt zu eng ist. Also muss ein Hemd her, es gibt aber keins, sie wird dann morgen welche kaufen müssen. Die Krankenschwester holt einen Kittel, wie ihn alle im Krankenhaus tragen, damit funktioniert es. Die Schlafanzughose wird Bein für Bein im Stehen angezogen, dann kommt von ihm: "Jetzt müsste ich zum Klo."

"Gut dann können wir auch das üben." Mia stellt ihn vor den Klotopf, zieht ihm die Hose wieder runter, dreht ihn und hilft ihm beim Hinsetzen. "Ich warte draußen." Sie geht, unterhält sich mit der Krankenschwester. Von drinnen kommt ein unterdrückter Fluch. "Ich kann mich nicht drehen. Mia, ich glaube, du musst mir den Hintern abwischen."

"Oookay. Das Zusammenleben wird aber ganz schön intim. Das hatte ich nicht vorausgesehen." Sie erledigt ihre Aufgabe, dann zieht sie ihm die Hose wieder hoch. Sie gehen zurück, er legt sich vorsichtig wieder hin.

Die Krankenschwester hat sich das Ganze ruhig angesehen. "Das war schon recht gut. Ich mache euch einen Vorschlag. Ich komme alle zwei Tage abends vorbei, wir besprechen wie es war, was gut gelaufen und was daneben gegangen ist, welche Tipps und Tricks ich euch noch weitergeben kann."

"Das wäre ja super, so eine professionelle Betreuung. Aber dann sollten wir uns auch duzen. Ich heiße Mia."

"Ich bin Ann."

"Und ich heiße Ralf. Danke Ann! Du bist im Moment meine zweitliebste Frau - natürlich nach Mia." Alle drei lachen. "Und jetzt bin ich kaputt, ich glaube ich muss jetzt schlafen." "Alles klar, ich verabschiede mich. Bis morgen Abend." Sie schickt ihm eine Kusshand. Er gibt eine zurück, lehnt sich in die Kissen und schließt die Augen.

Draußen unterhalten sich Ann und Mia noch kurz. "Wenn du ihn abholst, dann komme ich an dem Abend das erste Mal und schaue, wie dein Haus aussieht. Ob du irgendwas noch ändern solltest oder so. Wo wohnst du genau?" Sie tauschen die Adressen aus.

"Braucht er eigentlich ein Pflegebett?" Mia ist sich nach der Aktion gerade doch unsicher.

"Nein, das wäre zwar bequemer für ihn, aber ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist. Er soll sich so weit wie möglich die normalen Lebensumstände erhalten und sich nicht allzu sehr pampern lassen."

Mia lacht. "Ja, das Argument kann ich verstehen. Mal schauen wie sich das ab Mittwoch anlässt. Ich bin gespannt." Die beiden Frauen verabschieden sich voneinander, Ann geht weiterarbeiten und Mia fährt zum Feierabend nach Hause. Vielleicht noch eine kleine Radtour zum Deich? Lieber nicht, bei der letzten Tour hat sie schon einen Patienten aufgesammelt, das reicht im Moment.

Am nächsten Tag, ein Dienstag, gibt es den gleichen Ablauf. Nach einem vollen Arbeitstag fährt Mia ins Krankenhaus, besucht Ralf, die beiden lernen sich durch Gespräche über alle möglichen Themen weiter kennen und zum Schluss kommt Ann noch kurz vorbei, schaut sich ihren Patienten an und fragt, ob alles soweit klar ist, weil ja morgen der große Tag ist und Ralf aus dem Krankenhaus entlassen wird.

Mia hat sich für den Mittwoch morgen frei genommen. Sie hat keine Ahnung, wie der zeitliche Aufwand sein wird. Er sitzt allerdings schon auf seinem Bett, hat die Papiere in der Hand. Sie zieht ihn an, ein neues Hemd und eine kurze Hose - schließlich ist Sommer und es ist recht warm. Sie packt noch seine Tasche mit den restlichen Sachen und dann geht's los.

Er läuft bis zum Auto. Das Einsteigen wird sehr langwierig, er muss irgendwie auf den Sitz kommen ohne den Rücken zu verdrehen. Ann kommt dazu, sie schaut sich das an und gibt ihm den Tipp, sich einfach von außen auf den Sitz zu setzen und dann mit dem ganzen Oberkörper in das Auto zu drehen. Damit klappt es dann mit einem Minimum an Schmerzen - was die beiden Frauen an seinem Gesicht klar ablesen können.

Ralf sieht Ann aus dem Wagen heraus an. "Danke für alles." "He, das ist kein Abschied, ich komme heute nach Feierabend vorbei und schaue nach dir, ob alles in Ordnung ist." Mia lehnt sich vom Fahrersitz rüber: "Dann steht das Abendessen auf dem Tisch, du isst doch mit?"

"Danke, gerne. So habe ich auch noch was davon. Muss ich nicht selbst kochen. Bis später."

Die Fahrt ist für ihn ziemlich anstrengend, jeder Schlag in den Rücken schmerzt. Irgendwann - für ihn nach einer Ewigkeit, aber eigentlich nach nur einer halben Stunde - ist es geschafft. Er will gedankenlos schwungvoll aussteigen, wird dann abrupt von seinem eigenen Körper gebremst. "Warte, ich helfe dir." Mia kommt um den Wagen herum, er greift nach dem Handgriff und dreht sich heraus, dann legt er Mia den Arm um den Nacken und gemeinsam stehen sie auf. "Das ging doch schon mal gut." Mia grinst ihn an, durch die Methode, die sie angewendet haben, steht sie ganz nah vor ihm. "Und jetzt zeig ich dir mein Haus, dein temporäres Zuhause."

Erad
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