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Die Schlaflandschaft

Geschichte Info
Zärtliche Liebesgeschichte und behutsamer Gruppensex.
6.9k Wörter
4.5
18.1k
3
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Jolinka saß mit überschlagen Beinen auf der Sitzgruppe im Besucherbereich, eine Tasse in der Hand. Sie zog ihren Bleistift-Rock ein Stück tiefer. Weil sich der Verleger ein zweites Standbein im Online-Erotikbereich aufbaute, arbeitete sie stundenweise als Beraterin im Verlag. Ihre Arbeitszeit begann am Nachmittag. Sie wollte vorher eine Tasse Kaffee trinken, aber Felix konnte es nicht abwarten, sie um Rat zu bitten. Zu nervös war er, wegen der Webseite, die er mit Text füllen sollte. Er hatte auf sie gewartet.

Felix war Mitte Zwanzig, hatte rötliche Haare, war etwas füllig und lächelte immer. Er stand vor Jolinka und sortierte Papiere in seiner Band. „Ich erstelle eine Webseite über nicht einvernehmlichen Sex", erklärte er. Er konnte viele Worte um nichts machen und war damit bestens geeignet Web-Texte zu schreiben. Seine Aufgabe war es, unter seriösen Stichworten Artikel zu veröffentlichen, die die User anlockten und auf dem Portal hielten.

„Kann ich Folgendes übernehmen?" Er las von einem Blatt ab. „In unserer Gesellschaft gibt es Sexualpräferenzen, die nicht einvernehmlich praktiziert werden. Wie BDSM und Nekrophilie. Letzteres versteht sich von selbst, wenn man weiß, dass Nekrophilie das Einverständnis einer schlafenden Person voraussetzen würde, das einzuholen nicht möglich ist."

„Das kannst du nicht übernehmen, Felix. An dieser Aussage ist fast alles falsch. Woher stammt das?" fragte Jolinka mit gerunzelter Stirn. Ihre Haut war hell und ihre blauen Augen waren mit kleinen Fältchen umrahmt. Lange blonde Haare fielen ihr weit über die Schultern hinaus auf den Rücken. Sie war eine von den Frauen um die Fünfzig, denen nicht bewusst war, wie attraktiv sie sind.

„Der Text stammt aus einem Podcast. Was ist falsch, Jo?"

„Wenn du zu einem BDSM'ler sagst, er oder sie praktiziert nicht einvernehmlich Sex, wirst du was zu hören bekommen. BDSM'ler machen Verträge untereinander und sorgen dafür, dass ihr Vorgehen einvernehmlich ist. Streich das."

„Was ist mit diesem Nekro..."

„Nekrophilie bezieht sich auf sexuelle Handlungen an toten Personen, definitiv nicht einvernehmlich. Wie war der Satz der danach kam?"

„...das Einverständnis einer schlafenden Person voraussetzen würde..."

„Sex mit schlafenden oder bewusstlosen Personen ist Somnophilie, nicht Nekrophilie. Der Podcast vermischt das. Du solltest dich auf Nekrophilie konzentrieren, Felix. "

„Das Thema wird die Besucher sicherlich reizen. Ich informiere mich darüber."

„Sag mir, falls es dir zu schaurig wird und ich schreibe den Artikel mit dir zusammen."

„Das ist ein Angebot. Danke, Jo."

Als Felix das Foyer verließ, fiel Jolinkas Blick auf eine Gruppe junger Männer, in Begleitung ihres Chefs Harold. Sie hatte nicht bemerkt, wie sie durch die Glastür hereingekommen waren. Die Männer sahen sich ähnlich wie Geschwister, alle um die Dreißig Jahre alt. Dunkelhaarig, mit leicht olivfarbenem Teint, sportlich gekleidet. Nur Harold trug wie immer Schwarz. Jolinka stand zur Begrüßung auf. Sie war fast genauso groß wie die Männer.

„Meine Vettern", erklärte Harold und zeigte einen Halbkreis. „Jolinka, meine Beraterin."

Jolinka sagte entschuldigend: „Sie haben gerade mein Gespräch mitgehört. Das war kein schönes Thema, tut mir leid."

Der Größte der Gruppe, gekleidet in eine beige Hose und ein dunkelblaues Poloshirt, legte den Kopf schief: „Sie haben eine sachliche Frage sachlich beantwortet, es gibt nichts zu entschuldigen." Damit rettete er Jo vor Harolds zu erwartendem Vorwurf, sie hätte derartige Gespräche in ihrem Büro zu führen. „Mein Name ist Leon, ich bin Harolds ältester Cousin." Er sah die beiden neben ihm stehenden Männer an, offensichtlich eineiige Zwillinge, und gab damit das Wort an sie weiter.

Einer von beiden sprach. „Wir sind Kilian und Benedikt. Grafiker. Cousins ersten Grades. Sie können uns auseinanderhalten, wenn Sie sich merken, dass ich das karierte Hemd anhabe, kariert mit K wie Kilian und mein Bruder das braune Hemd, mit B wie Benedikt."

Jolinka lachte leise und entgegnete: „Danke für die Hilfe." Was für nette, höfliche Männer, dachte sie. Wer war der Letzte in der Runde? Sie sah ihn an. Er war der Einzige mit grünen Augen, alle anderen hatten braune, fast schwarze Augen. Sie achtete sehr auf Augenfarben.

„Mein Name ist Timur, ich bin ein Verwandter. Da wir nicht wissen, wie das Verwandtschaftsverhältnis heißt, zähle ich als Cousin." Timur trug Jeans, ein weißes Polo-Shirt aus Piquet und hielt ein Körbchen. Es war rechteckig, etwas kleiner als eine Packung Kosmetiktücher. „Das hier drin", er hob das Körbchen an, „ist Tigger. Ich konnte ihn nicht allein lassen, es geht ihm schlecht."

Jolinka trat einen Schritt näher und sah in den Behälter. Eingehüllt in ein blaues Microfasertuch erblickte sie ein kleines Katzenbaby. Es lag auf der Seite und atmete schwer. In der Ecke lag eine 5ml Spritze mit Milch. „Ach herrje", entfuhr es Jolinka, „das Kätzchen ist mehr tot als lebendig. Aber was für tolle Fell-Zeichnung."

Tigger war ein orange-beige gestreifter Kater. Sein Schnäuzchen war hell. Während bei den meisten Katzen die Streifen auf der Stirn senkrecht verliefen, hatte er zwei waagerechte Striche, als habe er Augenbrauen. Der Körper erinnerte an ein Tigerfell. Tigger kam sehr schwach auf die Welt. Offenbar bezahlte er sein außergewöhnliches Aussehen mit geringen Überlebenschancen.

Harold ergriff das Wort. „Meine Vettern besichtigen den Verlag und haben zudem eine Bitte an dich, Jo. Wir sollten uns setzen und uns einen Kaffee aus dem Automaten lassen." Er zeigte in Richtung der sandfarbenen, U-förmigen Sitzgruppe. Daneben stand ein runder Tisch mit Stühlen, aber der bot nicht genug Platz für die Gruppe. Neben dem Tisch standen ein Kaffee- und Getränke-Automat, ein großer Papierkorb und ein Regal mit Prospekten lokaler Geschäfte.

An der Wand hingen gerahmte Ausgaben der örtlichen Tageszeitung, die Harolds Vater gegründet hatte. Die Leserinnen und Leser waren an der gedruckten Ausgabe der Tageszeitung der Kleinstadt nicht mehr interessiert. Sie wurde eingestellt. Nur die Online-Ausgabe konnte Harold aufrechterhalten. Sie brachte ihm aber nicht genug Geld ein, um seine Handvoll Mitarbeiter zu finanzieren.

Die Statistik zeigte ihm, dass die am häufigsten angeklickten Beiträge auf seiner Verlags-Webseite die über Sex-Themen waren. In Framersdorf gab es einen Erotik-Club. Die Berichte darüber hatten die höchsten Zugriffszahlen. Gerüchten nach wurden in dem Club Gruppensex-Partys gefeiert, deren Teilnehmer aus ganz Deutschland anreisten. Man konnte das anhand der Nummernschilder der auf dem Hof parkenden Autos erkennen. Einwohnern entlief hin und wieder „aus Versehen" der Hund auf den Hof. Man roch Zigarettenrauch und Kerzenqualm aus den rot beleuchteten Fenstern und empörte sich darüber.

Der Club hieß Liebesschaukel und hatte nur eine primitive Webseite, die Harold auf der Suche nach einem zweiten Standbein für seinen Verlag auf eine Idee brachte. Er führte ein langes Gespräch mit dem Besitzer „nenn-mich-einfach-Otto", einem Gastronomen mit dickem Bauch und Bart, Inhaber mehrerer Clubs. Sie beschlossen, ins Online-Geschäft einzusteigen.

Mit Hilfe eines jungen Programmierers aus dem Ort und unter Beratung von Jolinka, entstand ein erotisches Online-Portal. Anfangs führten die Klicks so unauffällig wie möglich zu den Angeboten von Ottos Clubs. Allmählich wurde das Angebot größer, immer mehr Erotik-Clubs buchten Werbeplätze. Die Zugriffszahlen wurden höher. Gebühren gingen auf Harolds Firmenkonto ein. Das zweite Standbein funktionierte.

Die ruhige, belesene Jolinka half beim inhaltlichen Aufbau der Seiten. So sehr wie sie äußerlich einer Erotik-Expertin glich, war sie innerlich sexuell zurückhaltend. Schuld an ihrer Zurückhaltung war eine große Narbe auf ihrem flachen Bauch. Resultat eines Schlitten-Unfalls als Kind. Jolinka glaubte, das sei ein unschöner, wenn nicht sogar unerotischer Anblick. Die wenigen Männer, mit denen sie im Laufe der letzten dreißig Jahre zusammen war, hatte das nicht gestört und sie betonten das ausdrücklich. Jolinka glaubte ihnen nicht. Sie überlegte, wann sie das letzte Mal Sex hatte, ausgelöst durch den Anblick der geballten Männlichkeit der Besucher im Verlag.

Die Besucher gingen auf die großflächige Sitzgelegenheit zu und Jolinka wandte sich an ihren Chef. „Soll ich euch allein lassen?"

Harold schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall, wir brauchen dich. Kilian und Benedikt werden es dir erklären."

Die Männer warteten, bis sich Jolinka gesetzt hatte, dann erst nahmen sie Platz. Die Besucher stammten aus vornehmen Familien und waren gut erzogen. Umgangsformen und Benimmregeln waren ihnen vertraut. Insbesondere in Bezug auf Frauen waren sie immer auf dem neuesten Stand.

Timur saß links von Jolinka. Leon, das älteste und attraktivste Familienmitglied, saß rechts von ihr. Jo schätze ihn auf Fünfunddreißig. Harold nahm gegenüber Platz.

Tigger zuckte mehrmals hintereinander. Timur legte seinen Zeigefinger unter die winzig kleine Pfote. „Er wird immer kälter. Er hat heute nichts getrunken. Ach Gott, Tigger, was mache ich nur mit dir." Er seufzte laut. „Ich bin Tierarzt", sagte er zu Jolinka. „Es fällt mir schwer, mir das tatenlos anzusehen."

„Soll ich ihn wärmen?", fragte Jolinka und beugte sich über das Körbchen.

„Wie wollen Sie das machen?", fragte der Tierarzt schulterzuckend, „Eine Wärmelampe hat nichts gebracht."

„Ich würde es machen, wie mit einem Frühchen", erklärte die Frau neben ihm und Timurs Augen wurden groß. „Äh, wie...", er war so verblüfft, dass er schlucken musste. „Wenn Sie... Wenn Sie das wollen."

„Geben Sie her", sagte Jolinka kurzentschlossen, nahm das Körbchen, stand auf und verschwand im WC, der ersten Tür rechts im vom Foyer ausgehenden Flur.

Der Verlag befand sich in einem einstöckigen Gebäude. Ein wenig beeindruckendes Haus mit vielen Fenstern, es hätte einen Handwerksbetrieb beherbergen können. Das Dachgeschoss war ausgebaut, bot durch die Schrägen aber wenig Wohnraum. Dennoch wohnte Harold mit Frau und Kind dort, weil es praktisch war.

„Was hat sie vor?", fragte Harold und besah sich Timurs verblüfftes Gesicht.

„Sie legt Tigger zwischen ihre Brüste, das wirkt wie ein Brutkasten", sprang Leon mit einer Erklärung ein. Er hatte Medizin studiert. Er wollte Menschen helfen, aber nicht auf Leben und Tod. Deshalb hatte er sich für Sportmedizin entschieden. Mit Babys hatte er nichts zu tun, aber so viel wusste er: „Das macht man mit Frühgeborenen, wenn sie nicht in einem Inkubator sind."

Kilian konnte sich ein Lachen nicht verbeißen. „Der Kater wird nicht überleben, schätze ich, aber er hat wenigstens einen schönen Tod." Die Männergruppe nickte andächtig. Zwischen den Brüsten einer Frau zu sterben, war nicht der schlechteste Tod.

Jolinka kam wieder und setzte sich an ihren vorherigen Platz. Tigger lag bequem auf ein paar Blättern Toilettenpapier zwischen ihren weichen Brüsten, umgeben von fast 40 Grad, gewiegt von Jolinkas Atmung und beruhigt von ihrem Herzschlag. Zu sehen war von ihm nichts. Jos helle Bluse war züchtig geschlossen, die Phantasie der Männer schlug Purzelbäume.

Sie sah in die Runde und fragte: „Sie wollten etwas Bestimmtes von mir?"

Kilian setzte sich zurecht und ergriff das Wort. „Wir haben ein Designbüro. Wir werden tyrannisiert. Stinkbombe im Briefkasten, Fisch unter dem Fußabtreter, solche Sachen. Der Täter war eine Online-Bekanntschaft unserer Sekretärin, die an einem Diabetes-​Schock verstorben ist. Der Mann glaubt, wir seien daran schuld. Sie habe sich überarbeitet und wir haben ihm seine große Liebe genommen."

Jolinka hörte schweigend zu und musterte Kilian. Seine Cousins waren ordentlich frisiert, nur Kilians Haare waren gewollt strubbelig. Er signalisierte damit, aus der geordneten Reihe zu fallen, ohne dabei ernsthaft Regeln zu brechen. Er rieb sich den Nacken und sprach weiter.

„Der Täter hat Hannelore, unsere Sekretärin, in einem Erotik-Chat kennengelernt. Wir haben einen kurzen Chat-Verlauf und Mails gefunden und kennen sein damaliges Pseudonym. Wir haben eine Detektei beauftragt, ihn zu finden, damit der Terror aufhört. Die haben nichts herausgefunden. Harold meinte, Sie könnten vielleicht helfen, wenn Sie die Mails lesen." Er zog zusammengefaltete Blätter aus der Brusttasche seines Hemdes und reichte sie hinüber.

Jolinka faltete sie auf und las. Währenddessen ließ Harold Kaffee aus dem Automaten und teilte die Tassen aus. Ein wundervoller Duft durchzog das Foyer, bis in den langen Flur. Dort lagen hinter dunkelbraunen Holztüren die Büros. Es wurde fleißig gearbeitet und niemand störte sie.

Als sie die letzten Zeilen der Texte gelesen hatte, murmelte Jolinka „Er ist ein Rigger. Das grenzt die Suche ein."

„Was ist ein Rigger?", fragte Harold.

„Das ist ein aus der Seefahrt stammender Begriff, ein Beruf", erklärte seine Mitarbeiterin. „Rigger können Seile zu Takelage knoten. Den Begriff hat man im BDSM übernommen, für Fesselungskünstler. Bondage, das haben Sie sicherlich schon gehört."

Die Männer waren zu geistesgegenwärtig und wohlerzogen, um zu einer solchen Frage zu nicken. Sie waren in einem privaten Internat aufgewachsen. Ihre wohlhabenden Familien schickten die Söhne jeder Generation dorthin. Sie hörten Jolinka fasziniert zu, wie damals, wenn ein Mitschüler im Dunkeln zusammengesponnene erotische Geschichten erzählte und verzogen keine Mine.

Bis auf Kilian. „Wie können Sie das aus diesem Text herauslesen?", fragte er und vergaß an seinem Kaffee zu nippen.

Jolinka räusperte sich und Tigger hüpfte auf und ab. Er strampelte, für Jolinka ein Zeichen, dass er am Leben war. „Dass es sich in diese Richtung bewegt, habe ich schon zu Beginn der Texte geahnt. Der Schreiber betont, dass Hannelore bei ihm in Sicherheit ist und spricht von Vertrauen. Er benutzt Redewendungen, die in dieser Szene beliebt sind, wie Die Angst ist nur in deinem Kopf. Wobei ich den Verdacht habe, dass Hannelore das nicht verstanden hat. Sie antwortet ihm, bezieht sich aber nicht auf seine Worte."

„So war sie auch im richtigen Leben", warf Benedikt ein. „Sie hat nicht zugehört, sondern erzählt, was sie erzählen wollte. Völlig zusammenhanglos." Das dunkle Hemd, dass er über einem schwarzen T-Shirt trug, ließ ihn seriöser wirken als sein „kariert mit K"-Zwillingsbruder. Trotz ihrer unglaublichen Ähnlichkeit lernte Jolinka langsam die Unterschiede der beiden Brüder kennen. Der lebhafte Kilian gefiel ihr etwas besser, aber mit mehr Zeit würde sicherlich auch Benedikt sie für sich gewinnen.

„In einem der letzten Texte spricht der Gesuchte von Momo, da war mir alles klar", erklärte Jolinka.

„Die Detektei meinte, er spricht von dem Kinderbuch", sagte Kilian und Jolinka lachte auf. „Momo ist eine Shibari-Fesselung," widersprach sie. „Asiatisch. Der Mann, den sie suchen, wollte mit Hannelore Fesselspiele machen. Eine Frau dafür zu finden ist nicht leicht. Kein Wunder, dass er maßlos enttäuscht war, sie zu verlieren, bevor es richtig begann."

„Meinen Sie, Sie können den Mann anhand dieser Informationen ausfindig machen?" Kilians Kaffee war kalt. Er konnte die erfahrene reife Frau nicht aus den Augen lassen. Seine Cousins erging es genauso. Sie bemühten sich, es als höfliche Aufmerksamkeit zu tarnen. Am besten beherrschte das Leon. Vielleicht wirkte es bei ihm durch seine Dominanz am glaubwürdigsten.

„Ich denke, ich habe eine Chance ihn zu finden", wagte Jolinka zu behaupten. „Für Erotik-Angebote im Internet bin ich Expertin, deshalb arbeite ich hier, bevor ich meinen Hauptarbeitsplatz aufsuche, einen Club. Der Gesuchte war rund um die Uhr online und hat nach einer Frau gesucht. Das wird er wieder tun. Wieviel Zeit habe ich?" Sie sah ihren Chef an.

Harold antwortete: „Wir machen eine Besichtigungstour durch die Verlagsräume und wir besuchen meine Familie. Wir sind ungefähr zwei Stunden beschäftigt. Möchtest du gleich versuchen, den Gesuchten zu finden? Ansonsten hast du die Zeit, die du im Verlag entbehren kannst."

Jolinka hatte Lust dazu, den Tyrann zu finden und wollte die zwei Stunden ausnutzen. Sie nahm das Tigger-Körbchen mit, wegen der darin liegenden Milch-Spritze. Sie setzte sich in ihr Büro, hinter eine der hinteren Türen. Die Männer gingen die schmale Treppe hoch, die zu der Wohnung führte, in der Harold mit seiner Frau und seinem zwei Jahre alten Töchterchen lebte.

Jolinka registrierte sich in dem auf den Ausdrucken erwähnten Chat. Ihr Profil spickte sie mit Stichworten, die auf Interesse an Fesselungen hindeuteten. Sie setzte auf die Postleitzahlsuche, da der Unbekannte im Umkreis von Framersdorf wohnte. Ein private Nachricht nach der anderen poppte auf und sie klickte weg, was von vornherein ausschied. Eigentlich klickte sie alle Nachrichten weg. Mist, das klappte nicht so, wie sie es sich vorstellte. Sie hätte keine Versprechungen machen sollen. Es hing alles davon ab, ob der Gesuchte auf sie aufmerksam wurde.

„Hi! Ich wohne in deiner Nähe. 55 m. Hast du Zeit zu chatten?"

Jolinka reagierte sofort und entlockte dem Schreiber Infos. Nach einer Weile, als sich ihre Hoffnung bestärkte, den Richtigen gefunden zu haben, schrieb sie: „Wir sollten telefonieren, da wir nah beieinander wohnen."

Der Mann gab ihr eine Handynummer und sie rief ihn mit unterdrückter Rufnummer an. Die Begeisterung eine echte Frau - eine an seinem Fetisch interessierte Frau - am Telefon zu haben, war dem Mann anzuhören. „Ich heiße Gunter", sagte er atemlos. Der Name passte, aber es gab viele Männer in dem Alter, die diesen Namen trugen.

„Ich bin Jay", flunkerte Jolinka, „du hast Erfahrung und suchst eine neue Partnerin? Hast du dich getrennt?"

„Meine Partnerin ist gestorben, an Überarbeitung", antwortete Gunter. Laut und mit Nachdruck sagte er: „Ihre Ausbeuter-Chefs haben dafür gesorgt, dass sie sich zu Tode gearbeitet hat."

Sie hatte den Übeltäter gefunden. Der Rest war ein Kinderspiel. Jolinka erfuhr seinen Wohnort und dass er neben einer Kirche wohnt. Er war Frührentner und lebte in seinem Geburtshaus, das er von seinen Eltern geerbt hatte. Das reichte, den Rest konnte die Detektei ermitteln, wenigstens das sollten sie hinbekommen. Sie verabredete sich mit Gunter in einem Biergarten und schob das Treffen weit hinaus. Sie hatte nicht vor, ihm zu begegnen. Zufrieden loggte sie aus.

„Tigger, wir haben es geschafft", sagte sie in den Ausschnitt ihrer Bluse und ließ etwas frische Luft hinein. Das Katzenbaby spürte den Luftzug und quickte. Jolinka zog Tigger heraus, setzte ihn in auf das Microfasertuch, nahm die Spritze und bot ihm Milch an. Tigger schlabberte los. Er machte eine riesige Sauerei, sein Gesichtchen war voller Milch und seine Umgebung bekam einiges ab. Nachdem er abgewischt worden war, kam er mit vollem Bauch in seinen Brutkasten und schlief augenblicklich ein.

Ein enorm lauter Knall, der die Fenster wackeln ließ, ließ Jolinka zusammenfahren. Selbst der Monitor auf dem Schreibtisch wackelte. Sie hatte gerade erst registriert, dass der Knall von außen kam, als eine zweite heftigere Explosion den Raum erschütterte. Sie sprang auf und sah aus dem Fenster. Aus der Richtung in der die Liebesschaukel lag, stieg Rauch auf, ebenso aus dem Ortskern. Sie starrte die Szene entsetzt an. Ihr Handy klingelte. OTTO stand auf dem Display.

„Scheiße, Jo, wo bist du?!" schrie er ins Telefon.

„Im Verlag", rief Jolinka lauter als nötig, „was ist passiert?"

„Auf dem Hof des Clubs ist eine Autobombe hochgegangen. In der Karre von diesem Minister für ... für Irgendwas. Scheiße, den hat's erwischt!"

„Und was ist mit dir? Was ist mit dem Personal?"

„Wir sind Okay, Jo. Bleib wo du bist. Ich ruf dich an, wenn ich mehr weiß."

Die verängstigte Jo sank auf den Drehstuhl. Die Bürotür wurde aufgerissen und Harold stürmte herein. Er fragte atemlos, ob sie in Ordnung sei. Jolinka wusste durch den Anruf mehr als er und informierte ihn. Woher der zweite Knall kam, wussten sie beide nicht. Im Ortskern von Framersdorf gab es nichts Wichtiges, am ehesten konnte das Rathaus das Ziel gewesen sein.