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Die zweite Chance Teil 03

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Für Jenny und Mike hatte ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Ich wusste, dass Mike an Heiligabend Frühdienst hatte, aber dass Silvester kein Dienst anstand. In seinem Beruf selten. Sein letzter Dienst war ein Spätdienst am 30.12. und erst am 04.01. musste er wieder zur Arbeit. Jenny hatte ebenfalls frei und Kira war zwischen Weihnachten und Neujahr bei Anke und Werner an der Küste.

Ein alter Schulfreund hatte eine Hütte in den Bergen, die er eigentlich immer vermietete. Dieses Jahr wollte er selbst hinfahren, ihm war aber kurzfristig etwas dazwischengekommen. Über seinen WhatsApp-Status sah ich, dass die Hütte zur Vermietung freistand und allen erdenklichen Luxus bot - Kaminofen, Whirlpool, Himmelbett und so weiter. Ein echter Traum. Daher buchte ich die Hütte für Jenny und Mike. Das sollte mein „Dankeschön" für die Hilfe in der letzten Zeit und ihre Freundschaft sein.

Für Caro hatte ich ein Handy besorgt und eine Prepaid-Karte damit sie mit einer neuen Telefonnummer auch für diejenigen erreichbar sein konnte, für die sie erreichbar sein wollte. Zusätzlich hatte ich im Keller mein „Reisetagebuch" von unserer damaligen Sprachreise gefunden. Es handelte sich um ein vermutlich sehr kitschiges Tagebuch mit allerlei Notizen, ein paar Bildern, eingeklebten Eintrittskarten und ein paar Ansichtskarten. Ich hatte etwas Angst davor, dass es zu kitschig rüberkommen könnte. Sie hatte es damals nicht gesehen und es standen auch ein paar Worte über sie selbst drin. Da ich ihr gegenüber nie über meine damaligen Gefühle gesprochen hatte, könnte es peinlich enden. Aber das Risiko war es mir wert. Es war vermutlich sowieso besser endlich einmal über die damalige Zeit zu sprechen. So richtig viel wussten wir nicht voneinander über unsere Vergangenheit. Es war bisher nie Thema gewesen, was zum Beispiel mit meinen oder ihren Eltern war. Aktuell hatten wir mit der Genesung und den Veränderungen in unseren beiden Leben den Kopf ziemlich voll.

Heiligabend

Wenn man an Heiligabend nicht arbeiten musste und das Essen geliefert wurde, kann man den Tag doch recht entspannt angehen. Direkt nach dem Frühstück kümmerte sich Caro um den Feinschliff beim Wohnungsputz und ich nahm mittags die Essenslieferung an. Der Chef ließ es sich nicht nehmen, das kurzfristig bestellte Essen selbst vorbeizubringen und so konnte ich mich nochmals für die Hilfe bedanken.

Er erzählte, wie viel ihm die Hilfe durch die Versicherung bedeutet hatte und wie schwer es während der Pandemie gewesen war. Nicht jeder seiner Kollegen hatte die Pandemie unbeschadet überstanden und zum Teil fehlte immer noch eine Menge Personal. Da die Versicherung auch die Löhne weiterbezahlt hatte, blieben alle Servicekräfte bei ihm und zumindest der Sommer und Herbst liefen sehr gut. Auch einige Touristen verirrten sich in unser Städtchen und halfen mit ihren Umsätzen dabei, das Lokal zu retten.

Der vorbereitete Umschlag wurde von mir an ihn übergeben. Ich hatte den Rechnungsbetrag verdoppelt. Sein Team und er hatten es sich verdient.

Jenny kündigte per SMS an, dass sie gegen 17 Uhr mit der gesamten Familie zu uns kommen würde.

Der Baum war geschmückt, der Tisch bereits gedeckt, die Geschenke lagen unter dem Baum. Mike hatte deren Geschenke schon vorab vorbeigebracht. Das Essen musste nur noch kurz in den Ofen geschoben werden. Es war alles vorbereitet.

Pünktlich startete der Abend dann mit großen leuchtenden Kinderaugen und endete mit vollen Mägen und wunderbaren Gesprächen. Es war zu keiner Zeit anstrengend und die jeweiligen Eltern von Jenny und Mike waren sehr sympathisch. Caro hatte sich von Jenny ein Kleid geliehen und sah umwerfend aus. Bisher kannte ich sie nur in legeren Klamotten. Kira tobte sich nach dem Essen mit der neuen Tanzmatte am Fernseher aus und nach dem dritten Glas Wein wollten Jennys Mutter Susanne, Anke und Werner sich auf den Weg in die Kirche machen. Der späte Weihnachtsgottesdienst war Pflichtprogramm und startete um 22 Uhr. Thomas ließ sich von Kira breit schlagen noch einen Disney-Film auf dem heimischen Sofa zu schauen und zu warten, bis Oma Susanne wieder zurück kam.

Vielleicht war es der Alkohol oder es war die weihnachtliche Stimmung, aber so gelöst hatte ich Caro bisher nicht gesehen. Bisher war immer ein Schatten auf ihrer Seele, anders konnte ich es nicht beschreiben. Durch die traumatischen Erlebnisse der letzten Jahre war es für mich auch absolut nachvollziehbar. Und vielleicht war ich gerade deshalb besonders stolz auf sie.

Sie lag in meinem Arm auf dem Sofa und unsere Freunde kuschelten auf der gegenüberliegenden Seite. Jenny war es dann, die mich auf meine Eltern ansprach und ob wir uns Weihnachten noch sehen würden. Ich versuchte, die Stimmung nicht kippen zu lassen und erklärte in kurzen Worten, dass meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Da es schon 6 Jahre her war, kam ich damit auch mittlerweile einigermaßen klar.

Ich wechselte schnell das Thema und verwies noch auf unsere eigenen Geschenke. Damit Kira nicht so lange warten musste und wir Erwachsenen uns eigentlich nichts schenken wollten, hatten wir die restlichen Geschenke noch gar nicht ausgepackt. Für mich gab es von Jenny und Mike ein Basketball-Trikot der Chicago Bulls von Michael Jordan mit der legendären Rückennummer 23. Ich war total baff und forderte Mike für den kommenden Frühling zu einem 1 gegen 1 heraus. Er nahm die Herausforderung an und bot an, sich dann einen Arm auf den Rücken zu binden in Anbetracht meines Gipsarms. Ich hatte aber die Hoffnung, dass der linke Arm dann wieder voll einsetzbar war und auch sportlichen Tätigkeiten standhalten würde.

Caro freute sich über das Parfüm von Jenny & Mike und über ihr neues Handy von mir.

Dann überreichte uns Caro jeweils einen Briefumschlag mit persönlichen Worten von ihr an uns. Wir sollten die Briefe aber erst später in Ruhe (und vermutlich nüchtern) lesen. Mich berührte das Geschenk schon jetzt, ohne den Brief an mich überhaupt gelesen zu haben.

Dann wollte ich endlich die Bombe platzen lassen. Ich hatte nur Angst davor, mit dem Geschenk für Jenny und Mike übertrieben zu haben. Kreativität lag mir nicht besonders, vielleicht hatte ich deswegen auch einen Beruf gewählt in dem es vor allem um Daten und Fakten ging. Ich hatte mich an den PC gesetzt und mit einer Hand „Euer Jahreswechsel" geschrieben und dann einen QR-Code mit dem Link zur Homepage der Hütte eingefügt.

Gespannt zückte Mike sein Handy und Jenny hing auf seiner Schulter um aufs Display schauen zu können. Es wirkte wie eine halbe Stunde, es waren aber vermutlich nur 1-2 Minuten in denen die beiden mit offenen Mündern die Webseite verschlungen. Natürlich sah auf der Homepage alles perfekt aus, aber bei einem Besuch vor einigen Jahren hatte ich mich auch vor Ort davon überzeugen können, dass es ein traumhafter Platz war, um zu entspannen.

Mike war als erstes wieder im Hier und Jetzt und stand auf, um mich in den Arm zu nehmen. Er flüsterte mir ins Ohr, dass er das Geschenk nicht annehmen konnte. Ich verzichtete darauf zu flüstern und meinte nur, dass zwei tolle Menschen wie sie es waren, es sich auf jeden Fall verdient hatten. Auch Jenny umarmte mich und drückte mir noch einen dicken Kuss auf die Wange. Als alle sich wieder gefangen hatten, sprudelte es auch aus Jenny heraus. Die letzten Jahre mit Kind und Corona waren alles andere als leicht gewesen für die Familie. Kira konnte ihre Großeltern nicht besuchen und auch die Ehe der beiden wurde auf eine harte Probe gestellt. Der normale Familienalltag war schon anstrengend genug - auch ohne Pandemie. Und ein Kind stellte einen immer wieder vor neue Herausforderungen. Ich konnte nur erahnen wie schwierig es sein musste, immer allem gerecht werden zu wollen. Schon die Übernachtung heute und morgen bei uns war eine schöne Abwechslung für die beiden.

Die leere Weinflasche läutete dann das Ende dieses schönen Abends ein. Jenny und Mike zogen sich in Caros Zimmer zurück und wir warteten noch einen Moment, bis es ruhiger wurde.

Ich setzte gerade zur Frage an, ob ich nicht doch auf dem Sofa schlafen sollte. Aber noch bevor ich den Satz beenden konnte, legte mir Caro den Zeigefinger auf den Mund und schüttelte den Kopf.

„Du bist der wundervollste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Mein Retter in der Not, der mich wie ein Ritter mit auf seine Burg nimmt und mir Schutz bietet. Ich weiß noch nicht, wie sich die Zukunft entwickelt. Ich kann dir nichts versprechen, aber ich vertraue dir und ich mag deine Nähe sehr. Lass uns ins Bett gehen und schauen ob dein neues Bett so gemütlich ist wie es aussieht."

Ich ließ diesen Satz einfach so stehen und folgte ihr ins Schlafzimmer.

Caro schaute nur mit dem Kopf aus der leicht geöffneten Badezimmertür und fragte, ob sie ein T-Shirt von mir haben könnte. Sie hatte ihr Schlafzeug in ihrem Zimmer vergessen und nur an die Kosmetik- und Hygieneartikel gedacht. Ich warf ihr also eines meiner T-Shirts zu und kurze Zeit später schlüpfte sie mit meinem T-Shirt und Slip unter die Bettdecke.

Ich brauchte mich zwar nicht abschminken, aber der Gips nervte sehr. Aber auch ich schaffte trotz der körperlichen Einschränkung den Weg ins Bett. Ich konnte wegen dem Gips nur auf der rechten Seite schlafen und drehte mich somit von ihr weg.

Kurze Zeit später merkte ich, wie jemand sich an mich heranrobbte und sich von hinten an meinen Rücken schmiegte. Es war ein sehr schönes Gefühl, sie so intensiv an mir zu spüren und natürlich ein deutlicher Unterschied zu dem Kontakt, den wir auf dem Sofa hatten. Deutlich näher und wesentlich weniger Stoff dazwischen.

Ich bin kein sexversessener Typ und durch die Schmerzen nach dem Unfall war Sex für mich in den letzten Tagen kein Thema gewesen, auch wenn nach zwei Wochen ohne Orgasmus sich einiges angestaut hatte. Zum Glück lag sie aber an meinem Rücken und ich nicht an ihrem, sonst hätte sie die körperlichen Auswirkungen gespürt.

Leider reagierte ich auf weiblichen Körperkontakt sehr schnell mit einer entsprechenden Erektion, was schon als Jugendlicher in der Schule zu einem peinlichen Moment führte. Eine Mitschülerin und ich sollten mit den Händen Gefühle gemeinsam ausdrücken und ihre zarten Hände sorgten bei mir auch für sichtbare Gefühlsregungen unterhalb der Gürtellinie.

Mir fiel nur noch ein, dass ich weder ihren Brief gelesen noch ihr mein altes Reisetagebuch gegeben hatte. Aber Weihnachten war ja noch nicht vorbei und das konnten wir beides morgen in Ruhe nachholen. Ihr ruhiger und gleichmäßiger Atem in meinem Nacken signalisierte mir, dass sie offensichtlich eingeschlafen war. Es war somit auch für mich an der Zeit, die eigene Nachtruhe einzuläuten.

Ich wachte als erster auf und offensichtlich hatten wir die ganze Nacht in derselben Position verbracht. Meine etwas unbeholfenen Bewegungen, um aus dem Bett und ins Bad zu kommen, weckten Caro auf und sie blinzelte mir zu. Ein leises „Guten Morgen, Tobi!" kam aus ihrem Mund und ich hätte beinahe mit „Guten Morgen, Schatz!" geantwortet. So richtig wach war ich noch nicht, aber diesen Fauxpas konnte ich gerade noch verhindern. Es blieb dann bei „Guten Morgen, Caro!" und ich verschwand schnell im Badezimmer. Nach dem Toilettengang und einer Dusche klopfte es an der Tür und Carolin fragte, ob sie mich kurz unterbrechen könne, sie müsse mal dringend und offensichtlich nutzten unsere Besucher gerade das Gäste-WC.

Ich überließ ihr das Badezimmer und nach kurzer Wartezeit rief sie mir „Kannst reinkommen!" durch die geschlossene Tür zu. Sie fragte mich, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn sie auch kurz unter die Dusche springen würde. Ich hatte damit kein Problem und drehte mich mit dem Rücken zur Dusche. Der Spiegel war nach meiner Dusche noch beschlagen, so dass ich sie nicht sehen konnte. Allerdings klappte eine Rasur ohne Spiegel nur suboptimal und ich rieb mit dem Handtuch zumindest einen kleinen Teil des Spiegels frei.

Was ich in dem kleinen Ausschnitt sah, sorgte dafür, dass mir kurz die Luft wegblieb. Sie stand mit dem Rücken zur mir und ihr hübscher Po war wirklich zum Anbeißen. Aber ich bin kein Spanner, also konzentrierte ich mich wieder auf meine Rasur und hoffte, dass mein um die Hüfte gewickeltes Handtuch halten würde.

Letzteres klappte ganz gut und ich konnte mich im Schlafzimmer in Ruhe umziehen. Ich legte Caro ihre Klamotten noch schnell auf den Hocker neben der Badezimmertür und ging ins Wohnzimmer.

Die Frauen hatten gestern den kompletten Abwasch bereits erledigt, bevor es in die Kirche ging und somit war das Chaos nach dem Abend erfreulich überschaubar. Der Frühstückstisch war bereits gedeckt und es standen frisch aufgebackene Brötchen bereit. Da sie noch warm waren und dampften, konnte Jenny sie vor wenigen Sekunden erst hingestellt haben. Mir war auch so, dass ich die Wohnungstür ins Schloss fallen gehört hatte.

Mike kam in dem Moment aus unserem Gästezimmer und war auf dem Sprung zurück in seine eigene Wohnung um den Rest der Familie zu begrüßen. Somit war auch das Rätsel gelöst, wer im Gästebad war.

Er bedankte sich nochmals für die Übernachtungsmöglichkeit und sein Grinsen ließ entweder einen schönen Abschluss des Abends zu zweit oder einen guten Start in den Tag vermuten. Vielleicht sogar beides. Mitbekommen hatten wir davon nichts. Ich gönnte es ihnen etwas Intimität ausleben zu können, ohne Angst haben zu müssen, dass eine quirlige Siebenjährige jederzeit ins Zimmer platzen könnte.

Ich bedankte mich für das Frühstück, wünschte einen schönen Tag und freute mich auf das Wiedersehen am Abend, denn eine Nacht in unserem Gästezimmer hatten die beiden ja noch vor sich.

Kurze Zeit später kam Caro ins Wohnzimmer und war erstaunt über den fertig gedeckten Frühstückstisch. Ich klärte sie auf, da ich mich nicht fremden Federn schmücken wollte und verwies auf unsere Nachbarn. Wobei „Nachbarn" wirklich langsam der falsche Begriff war. Es waren Freunde oder um es noch genauer zu sagen: sehr gute Freunde.

Aufgrund des reichhaltigen Abendessens am Vortag hatten wir keinen großen Appetit, genossen aber die Zeit am Frühstückstisch und schnitten auch neue Themen an.

Caro fiel es schwer über die Vergangenheit zu reden und sie beließ es oft bei groben Informationen ohne ins Detail zu gehen. Aber vielleicht hatte diese gemeinsame Nacht ja etwas verändert, denn sie war deutlich offener mir gegenüber.

Sie erzählte mir Anekdoten aus ihrer Ausbildung und sprach über ihren Wunsch ein Studium im Bereich der Physiotherapie zu machen. Die Beziehung mit Adam hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dass sie andere Männer anfasste, passte gar nicht in sein Welt- beziehungsweise Frauenbild. Selbst als sie die Kursleitung für die Aqua-Fitness-Kurse übernommen hatte, die komplett ohne Körperkontakt und mit nahezu 100% Frauenanteil waren, war das für Adam ein rotes Tuch. Seine Freundin im Badeanzug vor fremden Menschen? Niemals!

Sie wechselte dann als Teilzeitkraft zur Hotline, aber auch das passte ihm nicht. Zuviel unter Leuten und vor allem: nicht unter seiner Kontrolle.

Also drängte er sie, den Job zu kündigen. Er war sowieso der Meinung, dass sie zu nichts zu gebrauchen war, denn sie machte ja auch zuhause aus seiner Sicht alles falsch. Warum sollte es auf der Arbeit anders sein.

Ich nutzte die Gelegenheit und fragte sie nach Ihren Eltern und ihrer restlichen Familie. Es gab noch einen älteren Bruder, Daniel, und ihre Mutter Eva. Ihr Vater war vor Jahren schon an Krebs gestorben. Aber durch die Beziehung zu Adam war der Kontakt zu ihrer Familie komplett abgebrochen. Und in Situationen wie dieser zeigte sich wieder ihre Unsicherheit. Vermutlich war das auch einer der Gründe wieso sie positiv auf meine spontane Idee reagiert hatte, dass wir Heiligabend alle bei uns verbringen. Die Ablenkung schadete nicht.

„Aber deinen Arm kriegen wir wieder hin, ich habe schon ein paar Ideen wie wir hier die Muskeln wieder stärken können." Ja, dieser Gips nervte wirklich und ich befürchtete noch vier weitere Wochen mit Gips und einem dauerhaften Juckreiz leben zu müssen.

Jetzt war aber der passende Zeitpunk,t um mein letztes Geschenk zu übergeben und ihren Brief zu lesen.

Ich überreichte ihr mein, mehr schlecht als recht, eingepacktes Reisetagebuch und hatte wirklich Magenschmerzen dabei, ihr meine persönlichsten Gedanken aus dieser Zeit zu offenbaren.

2008 wurde Barack Obama Präsident der USA, die Olympischen Sommerspiele fanden in Peking statt und in Österreich wurde Josef Fritzl festgenommen.

Für uns stand damals aber die in den Sommerferien stattfindende vierwöchige Sprachreise nach England im Fokus. Fish & Chips, Gastfamilien, die kein Deutsch sprachen und der Brighton Pier erwarteten Horden von jungen Schülern die oftmals das erste Mal über einen so langen Zeitraum von zuhause weg waren.

Zu zweit übernachtete man bei den Gastfamilien in Brighton oder in den Vororten und am Vormittag gab es 5x pro Woche Englischunterricht in einer Schule. Wir wurden, je nach Sprachkenntnissen, auf verschiedene Klassen aufgeteilt. Caro und ich landeten bei den Schülern, die schon gute Vorkenntnisse mitbrachten. Die bereits angesprochenen Probleme mit der ersten Gastfamilie sorgten bei ihr für einen Umzug nach wenigen Tagen, aber leider war die Ersatzgastfamilie nur minimal besser gewesen.

Bei meiner Gastfamilie wurde ich sehr offen empfangen, bekam ein wunderschönes Zimmer mit zwei einzelnen Betten unter dem Dach und hatte sogar vom Fenster aus Aussicht auf das Meer. Mit meinem Zimmergenossen kam ich gut aus und auch das Essen schmeckte uns, denn verpflegt wurden wir von den Gastfamilien. Natürlich investierten wir unser Taschengeld aber auch in englisches Fast-Food.

Bei Caro war es das genaue Gegenteil. Unfreundliche und sehr distanzierte Gastfamilie, schlechtes Essen und eine zu groß geratene Abstellkammer als Zimmer für sie und das zweite Mädchen. Sie hatte aber zumindest eine gute Freundin dabei und war nicht alleine dort.

Es gab mehrere geführte Ausflüge, die über den Reiseveranstalter geplant worden waren. Unsere dortigen Englischlehrer, die alle kein Deutsch sprachen, begleiteten uns auch auf diesen Ausflügen.

In der freien Zeit besuchten wir die traumhaft schönen englischen Parkanlagen, gingen shoppen oder auch abends ins Kino. Da konnten wir uns frei ausleben und hatten mit einem entsprechenden Busticket auch die Möglichkeit uns einfach von A nach B zu bewegen.

Und so fanden sich in meinem Reisetagebuch nicht nur meine Gedanken aus dieser Zeit wieder, sondern auch das Ticket von unserem Kinobesuch als wir „Batman -- The Dark Knight" geschaut hatten, Quittungen von einer gekauften Coldplay-CD und natürlich diverse Fotos.

Caro im Park, Fotos von uns beiden beim Hunderennen und auch unser Gruppenfoto mit den ca. 50 teilnehmenden Jugendlichen. Ein weiteres dokumentiertes Highlight war die Tagesfahrt mit dem Zug nach London. London? London! Oder wie man es im Film „Snatch" beschreibt: Fish & Chips, Tasse Tee, schlechtes Essen, grauenhaftes Wetter und Mary fucking Poppins!

Für mich war London die zu dem Zeitpunkt beste Stadt der Welt. Ich hatte damals aber tatsächlich nur wenige bis gar keine vergleichbaren Metropolen gesehen.

Dieses Extrakt aus den schönsten Momenten der Reise, garniert mit einigen meiner Gefühle für sie, lag nun vor ihr. Meiner Gefühle für sie wurde ich mir damals erst kurze Zeit nach der Rückkehr nach Deutschland bewusst und somit fehlten die intensivsten Gefühlsausdrücke eines Teenagers im Buch. Aus heutiger Sicht ein sehr glücklicher Umstand.

Ich öffnete ihren Brief an mich und begann ihn zu lesen.

Lieber Tobias,

Du bist in mein Leben getreten, als ich meine bisher dunkelste Stunde hatte. Körperlich und seelisch war ich gebrochen und ich hatte keine Ahnung wie es weiter gehen sollte.

Es war kein Licht am Horizont zu erkennen und mir fehlte die Kraft gegen die Widerstände meines Lebens anzukämpfen.