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Dunkler Abgrund Ch. 13

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Mit leichten Schritten näherte er sich Alec, der in der Eingangshalle stand und aus einem Fenster sah. Die Kolonne von insgesamt fast hundert Autos war von hier aus nicht zu sehen, denn Damon hatte seine Truppen auf einem nahegelegenen Supermarktparkplatz sammeln lassen. Trotzdem spürten sie alle die neue, geballte Kraft an Leben und Tot, die sich unaufhaltsam näherte. „Sie werden von allen Seiten angreifen", sagte Alec plötzlich. „Die Opacus werden in ein paar Sekunden die Fenster verrammeln und die Ausgänge hinten verschließen." Alecs Körper schien seltsam entspannt zu sein. „Wir können uns allerdings nicht ewig in diesem Haus verstecken. Wenn Damon sich auf eine der Seiten oder den hinteren Bereich des Hauses konzentriert, werden wir rauskommen und ihn angreifen müssen. Grace hat viel von Feuerwerfern geredet, deshalb habe ich die Wasserversorgung aufgestockt. Wenn es zum Brand kommt, werden die Frauen instinktiv trotzdem das Haus verlassen, auch wenn die Sprinkler angehen. Das Haus ist dann ungeschützt. Ich hoffe, diese Miranda wird es wirklich schaffen, in diesem Fall das Wasser in Säure zu verwandeln. Das wird die Eindringlinge in jedem Fall aufhalten." Alec warf ihm einen kurzen Blick zu. „Hast du gesehen, wie das Zeug funktioniert?"

Jean Antoine schüttelte langsam den Kopf.

„Es verätzt nur Fleisch." Alec klang beeindruckt. „Aber das Haus wird nach so einer Flutung sowieso unbewohnbar sein." Er wandte sich wieder zum Fenster. „Falls ich im Kampf falle, verlange ich von dir, dass du Grace aus den Trümmern holst, sobald alles vorbei ist. Hast du mich verstanden?"

Jean Antoine nickte stumm und schluckte den gereizten Spruch herunter, der auf seinen Lippen lag. Jetzt war einfach nicht der Moment dafür. „Hast du... dich von ihr verabschiedet?"

Alecs Gesicht wurde hart und statt einer Antwort, spannten sich seine Muskeln an. „Die erste Welle."

Jean Antoine hob den Kopf und starrte aus dem Fenster. Um die Straßenecke traten die ersten Menschen hervor und steuerten auf das Haus zu. Ihnen schlossen sich weitere an, bis die ganze Straße von Menschen erfüllt war. „Ich habe mit mehr gerech...", begann Jean Antoine und verstummte, als der Strom an Menschen nicht wie gedacht abbrach.

„Ich mit weniger." Alec umfasste die Magazine an seinem Gürtel und zählte scheinbar im Geist durch, bevor er seine Waffe zog. Auf seinem Rücken kreuzten sich zwei Schwerter. Auch Jean Antoine hatte diese Ausrüstung angelegt. Pistolen, Schwerter, Dolche und Messer fanden überall an seinem Körper Platz. Wäre er so groß wie Alec, würde diese Montur bei ihm sicherlich bedrohlich und nicht lächerlich aussehen.

„Ich werde nicht alle kontrollieren können", murmelte Alec leise und meinte damit seine Fähigkeit, den Verstand von Fremden zu kontrollieren. „Ein paar werden durchbrechen können."

Jean Antoine hatte mit nichts anderem gerechnet. Er zog seine Waffe. Alle Kugeln und auch die Klingen seiner anderen Waffen waren mit einer feinen Silberschicht überzogen; wie alles, das Jean Antoine in den Waffenkammern von Alecs Anwesen gefunden hatte. Im Augenwinkel sah er wie sich etwas mit hoher Geschwindigkeit näherte. „Was zur...?" Im selben Moment zerbrach das Glas der Scheibe und Feuer explodierte direkt neben seiner Brust.

*

Grace ließ den Verschluss der Chipstüte platzen und griff hinein. „Auch was?", fragte sie fast widerwillig, denn das erste Mal, seit sie Alec kennengelernt hatte, würde diese Tüte allein ihr gehören und nicht halb vom ihm aufgegessen werden. Ein Privileg, wie sie schnell festgestellt hatte. Allerdings hatte sie seit sie Alec kannte auch einen unglaublichen und unerfüllbaren Hunger. Was wahrscheinlich an den ganzen körperlichen Aktivitäten lag.

Holly blieb mitten im Schritt stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie kannst du nur so ruhig bleiben?"

„Wegen des Krachs?", fragte Grace zurück und lauschte einen Moment. Obwohl die Stahlwände und die Tonnen an Beton, die diesen Schutzraum umgaben, undurchdringlich waren, hörte sie oben das Gepolter der ersten Angriffe. Selbst im Bad und den drei anderen Räumen, die diesen Bunkerkomplex ausmachten, war es nicht anders. „Ich kann den Fernseher lauter schalten, wenn du willst."

Holly starrte sie einen Moment fassungslos an. Dann schüttelte sie stumm den Kopf und begann wieder den kleinen Raum auf und ab zu schreiten. Das tat sie schon seit gut einer Stunde; seit sie diesen Raum überhaupt betreten hatten.

Grace zuckte innerlich mit den Schultern und machte den Ton zum Fernseher lauter, als oben eine Explosion die Wände erschütterte. Dann ließ sie die Fernbedienung sinken, stellte die Chipstüte auf ihre Schenkel, sodass sie sich gegen ihren Bauch lehnte und sah zu, wie Angelina Jolie auf Brad Pitt feuerte. Mr. & Mrs. Smith passte irgendwie zur Hintergrundmusik. Genüsslich griff sie in die Tüte und ließ ein paar Chips zwischen ihren Zähnen zerbröseln. „Ich liebe diesen Geschmack."

„Du machst mich wahnsinnig, weißt du das?" Holly blieb erneut stehen und sah sie anklagend an. „Da oben herrscht Krieg und du..."

Grace legte den Kopf schief und betrachtete Holly. Die dunkelhaarige Hexe mit den Kurven, die sich die zierliche Grace ihr ganzes Leben schon gewünscht hatte, blitzte sie gereizt an. „Im mittleren Osten und in Afrika herrscht schon seit Ewigkeiten Krieg und das hat dich wahrscheinlich auch nicht davon abgehalten, Chips zu essen und Filme zu sehen."

„Das ist etwas vollkommen anderes."

„Weil dort niemand ist, den du liebst?"

Holly runzelte die Stirn. „Ja", sagte sie schlicht. Denn genau das war ihr Punkt.

Grace legte die Tüte beiseite und setzte sich aufrechter hin. „Gut, okay. Ich könnte jetzt genau wie du in diesem Raum herumtigern und durchdrehen, weil ich nicht weiß, was dort oben abgeht. Ich könnte auch heulen oder rumschreien. Oder in Panik ausbrechen und hochrennen." Sie lehnte sich wieder zurück. „Oder ich blende den Scheiß aus und tue so, als passiere das gar nicht. Mir persönlich gefällt die zweite Option besser, aber ich mache dir keine Vorwürfe, weil du dich gerade verrückt machst. Es wäre also nett, wenn du auch mir keine Vorwürfe machst. Ich habe schon eine ganze Menge Scheiße hinter mir wegen Damon von der du keine Ahnung hast. Also hör auf mich anzugreifen, nur weil ich nicht die Kraft habe, mich mit dem auseinander zu setzen, was dort oben geschieht." Sie funkelte die Hexe an. „Wenn Alec etwas passiert, kann ich immer noch den Verstand verlieren und etwas wirklich Dummes tun... Wie Damon alleine angreifen, wenn er sich in Sicherheit wiegt. Vielleicht habe ich ja mal eine Vision und... Aber darüber mache ich mir dann Gedanken."

Hollys verschränkte Arme lösten sich. Langsam atmete sie durch und trat an das Sofa heran, auf dem sich Grace breit gemacht hatte. „Wie lange kennst du den Vampir schon?"

Grace zog ihre Beine an, um Holly Platz zu machen und griff nach der Chipstüte. Widerwillig bot sie der Hexe erneut etwas davon an und lächelte dankbar, als sie den Kopf schüttelte. „Nicht lange." Sie zögerte einen Moment. „Eigentlich knapp über zwei Wochen, aber davon waren wir eine Woche in einem Bunker eingesperrt, eine Woche lag ich im Koma und... naja, dies hier ist unser dritter, offizieller Tag in Freiheit."

„Nicht viel Zeit, um einander kennen zu lernen."

Grace hob eine Augenbraue. „Das klang nicht so, als sagst du das zu mir."

Holly blinzelte und fasste gedankenverloren in die Chipstüte. „Lukan ist seit drei Monaten Gast in meinem Diner gewesen, aber eigentlich haben wir nie ein Wort miteinander gewechselt, bis er... bis vor zwei Tagen. Wir kennen uns auch noch nicht lange, aber..."

Grace nickte. „Dieses Aber ist seltsam, nicht? Manchmal weiß man es eben."

„Was?"

„Dass es für die Ewigkeit ist." Sie grinste. „Seelenverwandte. Wahre Liebe. Der Richtige. Nenn' es, wie du willst." Sie zuckte mit den Schultern und rettete ihre Tüte vor Hollys abwesend greifenden Händen.

Holly sah hinunter und faltete dann die Hände vor dem kleinen Bäuchlein. „Lukan... Er sagt mal das eine und verhält sich dann anders. Ich durchschaue ihn einfach nicht. Es ist verdammt schwer mit ihm klar zu kommen. Vielleicht wird es besser, wenn wir uns länger kennen."

„Ihr habt ja auch alle Zeit der Welt."

Hollys Augenbrauen zogen sich zusammen. „Falls du auf die Unsterblichkeit von Vampiren ansprichst... Ich werde mich nicht verwandeln lassen. Mein Leben... Das kann ich nicht einfach so wegschmeißen. Ich liebe meinen Job im Diner. Ich bin gern in dieser kleinen Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Das will ich nicht einfach aufgeben, um reisen zu können oder was weiß ich." Sie zögerte. „Ich meine, Lukan ist mein Richtiger. Ich fühle es einfach, aber sollte das nicht einfacher sein? Willst du denn keine Kinder? Keine Familie?"

Grace kaute langsam und schluckte. „Nein. Ich weiß, wie das klingt, aber ich will keine Kinder. Ich hatte nie den Wunsch, deshalb... Ich verstehe dich, aber bei mir ist es eben anders." Sie stopfte sich weitere Chips in den Mund. Nuschelnd fuhr sie fort. „Das Problem bei mir liegt darin, dass Alec mir keine Verwandlung angeboten hat. Sei doch zumindest froh, dass Lukan die Ewigkeit mit dir verbringen will. Alec... sieht das vielleicht anders."

Wortlos hob Holly eine Augenbraue, doch bevor sie ihrer Skepsis über diese lächerliche These Ausdruck verleihen konnte, sah sie fassungslos zu, wie sich Grace' Pupillen weiteten und dann nach hinten rollte, sodass nur noch das Weiße zu sehen war. Grace Kopf fiel kraftlos nach hinten und blieb auf der Rückenlehne liegen.

Holly sprang auf und trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als sei Grace' Verhalten vielleicht ansteckend. Ihr Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals und mühsam schluckte sie gegen den Kloß in ihrer Kehle an. „Grace?", fragte sie zögernd und wagte sich leicht vor. Doch die Blonde blieb wie hingegossen liegen. Als sich auf einmal ihre Hand öffnete und die Chipstüte zu Boden rollte, sprang sie einen Schritt zurück. Was zur Hölle war hier denn los? Unschlüssig blieb sie einen Moment stehen. War Grace gerade mitten im Gespräch in Ohnmacht gefallen? Oder hatte Pheobe recht und irgendetwas stimmte nicht mit ihr? Das war in jedem Fall nicht das Verhalten einer Telepatin. Holly hatte zwar bisher keine kennengelernt, doch in den Büchern stand ausdrücklich, dass die Telepaten zwar Gedanken hören, aber nicht einfach in eine Art Starre verfielen. Das wäre doch erwähnt worden! Das musste doch jemand aufgeschrieben haben, denn so etwas vergaß man doch nicht einfach!

Vorsichtig trat Holly wieder einen Schritt vor und hob zögernd eine Hand. Doch bevor Grace berühren konnte, begann sie am ganzen Körper zu zucken. Scheiße! Heilige Scheiße! Holly sah fassungslos zu, wie Grace von Krämpfen geschüttelt wurde und wich wieder zurück. Panisch sah sie sich auf der Suche nach irgendetwas um, mit dem sie Grace wecken könnte und fasste nach dem erstbesten, das ihr in die Hände fiel. Mit zitternden Händen warf sie ein Kissen nach Grace. „Aufwachen! Scheiße, verdammte Scheiße! Aufwachen, Grace!" Sie warf noch ein Kissen, denn die Angst, dass Grace plötzlich irgendwie durchdrehen könnte, ließ sie einen Sicherheitsabstand einhalten. Vielleicht hatten der Segen und der Bann wirklich etwas in Grace verändert. Vielleicht war dies die Rückkopplung! Wenn Holly sie jetzt berührte, könnte sie vom Bann getroffen werden. Trotzdem musste sie etwas unternehmen.

Ihr Blick blieb an der Tür hängen, die nach oben führte. Doch schnell verwarf sie den Gedanken. Sie war zwar nicht gut an der Uni gewesen, aber dumm war sie auch nicht. Und mitten in einen Krieg zu platzen, um Alec zu holen, fiel definitiv in die Kategorie dumm. Was könnte sie also...? Grace' Körper schüttelte sich stärker und sie rutschte vom Sofa. Hart schlug sie auf dem Boden auf, doch Holly wagte es nicht, ihr zur Hilfe zu kommen. Ihre Kehle wurde eng, als sie sich ein weiteres Mal umsah. Ihr Blick huschte über Einrichtungsgegenstände, Lampen, Tische, Essensvorräte und den Fernseher, dann wieder zur Tür. Bevor sie allerdings einen Schritt darauf zumachen konnte, hörte Grace plötzlich auf und sank reglos in sich zusammen. „Grace?", fragte Holly leise, doch das Mädchen antwortete nicht. „Grace!" Sie musste sie aufwecken. Bloß wie?

Panisch dachte sie an all die Filme und Romane, die sie in der letzten Zeit gelesen hatte, um irgendeine Antwort zu finden. Doch keine davon behandelte so etwas. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Wasser. Sie könnte Grace Wasser ins Gesicht spritzen!

Ihre Füße quietschten auf dem Boden, als sie herumfuhr und zum kleinen Gang zum Bad rannte. Dort riss sie nacheinander Türen und Schränke auf, auf der Suche nach einem geeigneten Gefäß. Sekunden später plätscherte Wasser in einen kleinen Bottich, der wohl zur Fußpflege im Regal stand. Kaum zur Hälfte gefüllt, fuhr Holly auch schon wieder herum. Und erstarrte.

Jean Antoine stand im Türrahmen des Badezimmers und lächelte sie auf seine spitzbübische Art an. Es hätte wie immer harmlos bei ihm ausgesehen, doch irgendetwas hatte ihm bei dem Krieg oben getroffen. Ein Teil seines Wangenfleisches fehlte, sodass einer seiner Mundwinkel bis in seinen Wangenknochen reichte. Blutige Zähne und ein Stück des Knochens waren zu sehen und ließen Holly vor Ekel schaudern. Er hatte Brandverletzungen auf der Stirn, die dicke, eitrige Blasen warfen und ihm klaffte ein Teil seines Halses auf. Schaumiges Blut trat aus vielen Stellen an seinem Körper hervor und tränkte sein zerfetztes Hemd.

Schon vorher war sich Holly bewusst gewesen, dass Jean Antoine eine Gefahr für ihr Leben darstellte, doch in diesem Moment ergriff sie die Panik. Der Bottich fiel aus ihren kalten, gefühllosen Händen und landete platschend auf dem Boden.

Jean Antoine sah sie noch einen Moment an, genoss ihre ohnmächtige Angst wie einen guten Wein, dann trat er ganz in den Raum und schloss die Tür hinter sich. Seine Augen glühten wie eine unausgesprochene Warnung, doch Holly wusste schon, was er vorhatte. Er hatte sich vom Schlachtfeld zurückgezogen, um sie still und unbemerkt umzubringen.

Sie wusste, dass ihr niemand helfen konnte. Sie wusste, dass ihr Schicksal besiegelt war. Sie wusste, dass es keinen Zweck hatte. Trotzdem öffnete sie den Mund und schrie.

*

Sie konnte sich nicht bewegen. Nicht einmal einen Finger konnte sie rühren. Lautlos schreiend kämpfte Grace dagegen an, doch der Traum hielt sie gefangen. Er war anders als sonst. Selbst anders als diese grauenvolle Attacke von heute morgen. Da war sie von Kopf zu Kopf gereist und war fast durchgedreht von all den unvollendeten Erinnerungen. Alec hatte ein paar Lücken gefüllt, doch das meiste blieb unausgegoren und setzte sich in ihrer Seele fest, um sie eines Tages von hinten anzufallen. Sie hatte gesehen, wie Damon zuerst seine Finger und dann seine Hände in eine Frau einführte und ihr dann von unten die Gedärme aus dem Leib riss. Sie war währenddessen in seinem Kopf gewesen. Hatte seine Gedanken gehört, seine Lust verspürt. Und dieses perverse Gefühl von Machtbesessenheit wahrgenommen. Und sie hatte von seinen Plänen gehört. Ein wildes Triumphgefühl hatte sich in ihrer Brust festgesetzt, als sie von Damons Ausrüstung und von seinem Zeitplan erfuhr, doch für das arme Mädchen hatte sie nichts tun können. Schockiert und mit einer unbeschreiblichen inneren Qual hatte sie zugesehen und gleichzeitig diese unfassbare Lust am eigenen Leib verspürt. Sie hatte genau wie Damon reagiert, hatte sich an ihrem Leid gelabt, auch wenn der bewusste Teil von ihr versuchte sich krampfhaft an ihrem Mitgefühl und ihrer Wut auf Damon festzukrallen. Es hatte nichts genützt, bis sie endlich erlöst wurde. Doch sie wachte nicht auf. Hyrie, Alecs Schwester, kämmte sich gerade die Haare und sah sich im Spiegel an, während sie aufgeregt wie ein kleines Kind darauf wartete, endlich das Zeichen zu bekommen und Alec angreifen zu können. Sie wollte ihn abschlachten, langsam und genüsslich töten. Damit sie ihre Rache hatte, nachdem sie ihren Geliebten durch Alec verloren hatte. Sie wusste, was passiert war. Sie wusste es tief in ihrem Inneren. So, wie Alec die Gedanken von Menschen beeinflussen konnte, war ihr Blut angefüllt mit Säure. Es war ihre Gabe. Ihre Fähigkeit. Seither hatte sie hunderte durch dieses Blut umgebracht. Sie hatte Männer um den Finger gewickelt und feindliche Vampire in ihr Bett eingeladen, um ihnen nach dem Sex ihr Blut anzubieten. Die Menschen starben und die Vampire zerfielen. Nur so hatte sie ihr hartes Regiment in Europa weiterführen können. Doch das alles bedeutete ihr nichts. Denn ihr Geliebter war nicht mehr am Leben. Und Alec war daran schuld. Er hatte gewusst, was passierte. Später redete er zwar von altem Blut und dass es Menschen umbringen könnte, wenn man zu alt war, doch daran lag es nicht. Das Alter des Blutes hatte nichts mit einer Verwandlung zu tun. Ja, das Alter machte es stärker, aber Hyrie hatte gesehen, wie uralte Vampire ihre Geliebten verwandelten. Jean Antoine war älter als sie damals, als er Lukan verwandelte. Doch nur bei ihr war es nicht geglückt. Alec wusste die Wahrheit, doch er speiste sie mit Lügen über das Alter ab. Weil er von ihrer blutigen Gabe gewusst hatte, als sie es selbst noch nicht wusste. Trotzdem hatte er zugelassen, dass sie ohne das Wissen von dem Gift in ihrem Blut, ihren Geliebten damit gefüttert hatte. Er starb, wie viele nach ihm. Und dafür würde Alec bezahlen.

Sie würde ihm alles nehmen, was für ihn von Bedeutung war: Sein verdammtes Leben. Jahrhunderte hatte sie darauf gewartet, dass er wie sie ihr Herz verlor und sie sich an ihm rächen könnte. Sie wollte ihm dasselbe antun, unter dem sie ihr Leben lang litt. Sie wollte ihrem Bruder die Geliebte nehmen. Doch Alec hatte sich nie verliebt. Er hatte niemals Fragen gestellt, oder sich gewundert, warum so viele seiner Frauen plötzlich verstarben, denn es war ihm egal. Doch nun würde Hyrie handeln. Sie konnte ihm vielleicht nicht die Geliebte nehmen und ihm das Herz brechen. Aber sie könnte immer noch sein verdammtes Leben auslöschen.

Trotzdem wusste sie tief in ihrem Inneren, in einem abgeschlossenen Teil ihrer Selbst, dass Alec nicht schuld daran war. Doch so war es leichter. So hatte Hyrie noch einen Grund zum Leben, wenn sie sonst doch nichts mehr hatte. Während sie sich das Haar kämmte, dachte sie an ihren verlorenen Geliebten und weinte stumme Tränen.

Endlich wurde Grace erlöst, doch bevor sie die Augen aufschlagen konnte, riss sie etwas zurück in die Traumwelt. Sam. Sam, wie er vor seinem Rudel stand und nichts außer Hass und Wut verspürte, als er in die altbekannten Gesichter sah, die ihn bis in die Träume hinein verfolgten. Grace hörte, wie er von dem Zeitplan sprach und wie die Werwölfe vorgehen würden, doch das einzige, was sie empfand war Hass. Hass und der Wunsch, sie alle abzuschlachten. Die Wünsche waren grausam. Die Bilder noch grausamer und zusammenhangslos. Doch dieser Hass überlagerte alles. Und dann mischte sich Lust dazu. Keine schwarze Lust. Kein schmerzhaftes Verlangen, sondern das warme, helle Gefühl, geliebt zu werden. Zuerst wusste Grace nicht, was es bedeutete, doch dann wurde sie endlich aus der Traumwelt herausgezogen und wachte in einem brennenden Körper aus, der sich vor Lust verkrampfte. Alec war über ihr, stöhnte heiser und zeigte ihr, dass sie am Leben war und wach und... gierig.

Doch jetzt war kein Alec da. Jetzt waren nur schwarzrote Fäden da, die an ihrem Fleisch rissen und sie in eine Dunkelheit abtauchen ließ, die ihre Augäpfel in ihrem Schädel schmelzen ließ. Brennendes Schwarz ergoss sich in ihr, als sei sie an einem Ort, an dem ihr nicht gestattet war zu leben. Zu sehen. Immer noch kämpfte sie und fühlte tief in ihrem Unterbewusstsein, dass auch ihr Körper gegen diese Schmerzen ankämpfte. Doch es half nichts. Die Vision krallte sich in ihrer Seele fest und riss sie mit. Für einen Moment war sich Grace sicher, dass sie nie wieder auftauchen würde. Für immer gefangen wäre in diesem schmerzenden Nirvana ohne Farben und ohne Gedanken. Sie konnte einfach nichts fassen, konnte nicht bleiben. Immer tiefer wurde sie hineingezogen. Als sei sie nicht in einem Jetzt, sondern in einem grauenvollen Jenseits.