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Dunkler Abgrund Ch. 16

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Sein Lächeln endete, als er auf niemanden im Apartment traf. Wo war er bloß?

Gerade wollte er sich umdrehen und sich auf die Suche nach ihm machen, als ihm etwas ins Auge fiel. Er zögerte, sah sich erneut um und fand ihn. Er stand nackt neben dem Fenster, halb verborgen durch die Vorhänge, die sich um ihn bauschten. Ein feiner Luftzug kam durch das halb geöffnete Fenster und brachte den samtigen Stoff zum Schwingen.

„Bist du bereit für das Chaos?"

Er antwortete nicht, sondern schien aus dem Fenster zu sehen. Erst, als ein Auto vorbeifuhr und das Licht der Scheinwerfer das Glas streifte, sah Jean Antoine, dass seine Augen geschlossen waren.

„Der Rat beginnt in einer halben Stunde", versuchte Jean Antoine es erneut.

Ein Wind hob die Vorhänge und umspielte seine reglose Gestalt. Er antwortete nicht und blieb wie eine dunkle Statue aus schwarzem Granit am Fenster stehen. Ein weiteres Auto fuhr vorbei und ließ sein Scheinwerferlicht über sein Gesicht gleiten. Zwei helle Streifen huschten über geschlossene Lider, ein vernarbtes Kinn und eine gespaltene Augenbrauche und verschwanden plötzlich. Dunkelheit legte sich über seine Züge.

„Wir sollten aufbrechen, sonst kommen wir zu spät." Diese Reglosigkeit machte Jean Antoine nervös, deshalb wich jede Heiterkeit aus seinem Tonfall.

Der Schwarze Arkaios hob seine gespaltene Augenbraue. „Der Rat tagt dann, wenn ich komme", erklärte er tonlos. Ohne jede Spur von Arroganz und Blasiertheit. Eine tonlose, emotionslose Feststellung.

Jean Antoine nickte automatisch, um ihm in dieser Stimmung Recht zu geben. Außerdem hatte er recht: Der Rat würde erst dann beginnen, wenn er kam. So einfach war das. „Willst du es nicht endlich voranbringen? Willst du die Schuldigen nicht bestrafen?"

Der König der Vampire schwieg erneut und die Stille begann schließlich an Jean Antoines Nerven zu zerren. Zwei Mal öffnete er noch den Mund, doch er wagte es nicht mehr, den Schwarzen Arkaios zu drängen.

„Manchmal", begann Alec gedankenverloren und Jean Antoine zuckte bei dem plötzlichen Geräusch zusammen „wenn ich genau hier stehe und der Vorhang vom Wind bewegt wird, fühlt es sich an, als lebe sie noch. Als berühre sie mich."

Jean Antoine schluckte hart, als er die Qual in der Stimme seines Freundes hörte. „Alec..."

Doch sein Freund war wieder erstarrt, als der Vorhang sich hob und seine nackte Haut streifte. Ein trauriges Lächeln umspielte sein Gesicht. „Ich darf mich nur nicht bewegen. Es ist wie ein Zauber."

Jean Antoine nickte stumm. Es war das erste Mal, seit Sam und er Alec am Strand gefunden hatten, dass er überhaupt sprach. Er hatte einfach dagestanden und dem Meersrauschen zugesehen. Von Grace gab es keine Spur, deshalb war für Jean Antoine klar, dass etwas Schreckliches passiert war. Nun wusste er es mit Gewissheit. Schmerz ballte sich in seinem Inneren, denn er wusste nur zu gut, wie es sich anfühlte, die Liebe des Lebens zu verlieren. Offensichtlich war Alec noch nicht bereit den Ausgang zu akzeptieren.

„Ich hab ihr nie gesagt, dass ich sie liebe", fuhr Alec plötzlich wispernd fort und Jean Antoines Herz zog sich vor Verzweiflung zusammen, als die Stimme von Alec vor unterdrückten Emotionen brach. „Oh Gott."

Eine Pause entstand, während Alec die Hände neben seiner Hüfte zu Fäusten ballte und das Kinn auf seine Brust senkte. Er atmete langsam und tief aus, bis plötzlich der Vorhang seine Knöchel umspielte. Dann hob er das Gesicht wieder. Traurigkeit umspülte seine harten Züge.

„Du solltest dich anziehen", schlug Jean Antoine hilflos vor.

Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte.

Alec drehte leicht den Kopf und sah ihn verwirrt an, als bemerke er erst jetzt, dass er im Raum war. Dann nickte er fast schlafwandlerisch und ging durch den Raum bis zu seinem Kleiderschrank. Danach schwieg der Schwarze Arkaios, während er sich anzog und später in die Limousine stieg, die ihn zum Rat brachte. Er schwieg die ganze Fahrt über und schien irgendeinen Punkt in der Ferne zu betrachten, als die Anhörungen begannen.

Jean Antoine bemerkte das Verhalten seines Königs und Freundes, doch er konnte nichts weiter tun, als den riesigen Haufen an Schuldigen zu ordnen und die Prozesse zu führen. Die Wahren Familien waren kurz nach Alecs Verschwinden aufgetaucht und hatten seither allen Einfluss benutzt, um selbst den letzten Anhänger von Damon aus Amerika nach Paris zu überweisen. Sie sammelten sich alle in den Kellern des Gerichtsgebäudes und warteten auf ihren Prozess.

Das Gerichtsgebäude war schon seit jahrhunderten im Besitz von Vampiren. Der helle Renaissancebau erinnerte stark an das Weiße Haus in Amerika, doch der Schluss war nur auf die Bekanntheit des Regierungssitzes der Vereinigten Staaten begründet. Das Gerichtsgebäude der Vampire war um einiges älter, aber bei weitem nicht so bekannt. Es hatte nur als Vorlage für den Architekten gedient, der dem Präsidenten ein herrschaftliches Anwesen bauen wollte.

Mit der Zeit und durch die Abgase des vorbeirauschenden Verkehrs waren die weißen Wände und Säulen langsam grau geworden, doch Hyrie, die Königin und Vorsitzende des Gerichts, hatte sich gut um das Aussehen des Inneren gekümmert. Während ihre intriganten Überreste irgendwo in Amerika durch die Luft wirbelten, glänzten hier die Kronleuchter, die polierten Treppen und die schweren Möbel. Der Hauptraum, in dem die Verhandlungen geführt werden sollten, hatte ein ovales Dach, auf dem nicht ohne gewisse Ironie eine breit gefächerte Sonne eingeritzt war. Jeder Vampir, der den Kopf hob, wurde so daran erinnert, dass er vor diesem Gericht nur ein dummes Wort davon entfernt war, zu Asche zu werden.

Die Bänke waren gefüllt und eine gewisse Unruhe herrschte unter den Anwesenden. Viele von ihnen hatten seit Jahrzehnten, zum Teil sogar seit Jahrhunderten den Schwarzen Arkaios nicht mehr gesehen. Zischelnde und murmelnde Gespräche wurden über den spektakulären Ausgang des Krieges geführt. Doch die meisten sahen stumm Alec an, der ebenso reglos und wortlos auf seinem erhöhten Sitz in der Mitte der Arkaios saß.

Neben ihm war noch ein Platz frei, doch Jean Antoine gab den Wächtern mit einem Nicken zu verstehen, dass sie die Türen schließen sollten, als eine Vampirin hinter dem abgeschlossenen Bereich für die Angeklagten erschien.

Melania, ein hohes Mitglied der Wahren Familien und Arkaios über Italien, bewegte sich langsam durch die Massen und setzte sich auf seinen Platz neben Alec. Ihr Blick glitt kurz über ihren König, bevor sie Jean Antoine ansah und ihm ein angespanntes Lächeln schenkte. Auch wenn sie Alec zwar zur Hilfe geeilt war, hatte sie nicht versucht ihn zu retten. Nun lag es nur noch an Alec, ob Melania aus Sorge um ihn vorsichtig geblieben war, oder ob sie ihren König verraten hatte.

Alec blinzelte einen Moment und sah mit leeren, unmenschlichen Augen auf die erste Gruppe an Angeklagten herunter. In den Gefängnissen warteten noch weitere aus Amerika und viele aus Europa, die sich Damon angeschlossen hatten. Selbst Merethmet, der Arkaios von Irland und Mitglied der Wahren Familien, war nur einer unter vielen, die dort unten auf den Tod warteten.

Jean Antoine beobachtete Alec, auf der Suche nach einem Anzeichen, dass ihm dies befriedigte. Er selbst hätte damals alles dafür gegeben, wäre ihm die Möglichkeit geblieben, Sams vermeintlichen Tod zu sühnen. Er hätte brutal zurückgeschlagen und jeden einzelnen von ihnen in der Luft zerfetzt. Doch gegen Werwölfe hatte er keine Chance gehabt und auch keine Unterstützung war ihm zuteil worden. Wäre er an Alecs Stelle, würde er dieses Spektakel nicht kühl hinnehmen, sondern grausam lachend die Angeklagten in Stücke reißen.

Doch in Alecs Augen fand er nichts. Als sei er nur eine leblose Hülle ohne Rachedurst und eigene Wünsche. Es war nicht das erste Mal, dass Jean Antoine die Beweggründe des uralten Vampirs nicht verstand. Und es würde wohl auch nicht das letzte Mal sein.

Melania winkte den ersten Angeklagten heran und legte ihm eine Hand auf die Stirn. Sie schloss einen Moment die Augen und zog sich dann zurück. „Was hast du zu den Anschuldigungen zu sagen, Robin Slawslow?" Sie fixierte ihn streng. „Hochverrat. Entführung. Folter. Krieg. Du hast die Anklage bereits gehört."

„Ich wusste es nicht..."

„Lüge", unterbrach ihn Melania schmetternd und beugte sich zu ihm. Mit zuckersüßer Stimme fuhr sie fort. „Dein Erschaffer hat dir wohl nichts von den Fähigkeiten eines Arkaios erzählt, richtig? Ich kann Gedanken lesen, Robin Slawslow. Versuchen wir es erneut: Was hast du zu sagen?"

„Ich wurde gezwungen!", sagte der Mann verzweifelt und suchte in den Augen der sitzenden Männer und Frauen nach Verständnis. Doch der Rat betrachtete ihn nur kühl. „Mein Erschaffer hat mir Ruhm, Reichtum und Freiheit versprochen. Alles, was ich mir jemals erträumt habe. Ich sollte Damon nur helfen, diesen Krieg zu gewinnen."

„Wusstest du, dass du falsch handelst?", fragte Jean Antoine.

„Nein", sagte der Mann schnell. „Ich hatte keine Ahnung!"

Bevor Melania den Mund öffnen konnte, um die Lüge zu entlarven, meldete sich Alec zu Wort.

„Bringt ihn um."

Jean Antoine warf ihm einen kurzen Blick zu, doch Alec erwiderte ihn nicht. Emotionslos betrachtete er den Mann vor sich. „Du hast dich einem Krieg angeschlossen, weil du geglaubt hast, auf der Gewinnerseite zu stehen. Du verabscheust die Menschen und wolltest, dass sie vor dir knien wie Sklaven. Damon wollte dir diesen Traum ermöglichen und du hast zugeschnappt. Du wusstest, was dir blüht, wenn ihr scheitert. Du hast es trotzdem getan."

„Nei-nein!", stotterte der Mann.

„Doch", sagte Melania unsicher und warf Alec ebenfalls einen Blick zu. „Das... das stimmt."

„Bringt ihn zum Sonnenaufgang nach draußen", wiederholte Alec und plötzlich herrschte im ganzen Raum Stille. Das Urteil war nach Maßstäben der Vampire gerecht. Die Bestrafung grausam.

*

„Hallo? Hallo? Hallo? Spricht da wer? Hallo? Hallo?" Crazy Chase war nervös. Sehr nervös. Doch er musste sich doch melden, richtig? Jaja, das war gut. Das machte jeder gute Bürger. Man meldete so was.

„Sir, hier spricht die Notfallzentrale von New Orleans. Um was für einen Notfall handelt es sich?"

„Sie hat mir Geld gegeben!", brüllte Crazy Chase in den Hörer und betrachtete panisch das Ende der Straße. „Sie ist ein guter Mensch!"

„Beruhigen Sie sich erst einmal, Sir. Es ist wichtig, dass sie auf die Fragen antworten. Was ist passiert?"

„Dieses Mädchen! Es hat mir Geld gegeben. Fa-fa-ast vierhundert Doller!" Chase' Stimme überschlug sich, doch er konnte nicht verhindern, dass er mit panischer Stimme fortfuhr. „Und jetzt sucht ihr nach ihr! In den Nachrichten lief das! Das ist nicht richtig!"

„Von wem reden Sie, Sir?"

„Ihr müsst mir verspr-sprechen, dass Ihr dem Mädchen nichts tut. Aber sie braucht Hilfe!"

„Gab es einen Unfall? Ist jemand verletzt?"

Chase' Hand um den Hörer zitterte so stark, dass er die letzten Worte kaum verstand. „Ihr dürft ihr nichts tun. Sie ist ein gutes Mädchen. Hat mir Geld gegeben! Ich hab es in die Höhle gebracht und hab mich am anderen Ende des Strandes versteckt. Der Krieg war ja da, wissen Sie? Und ich bin zurückgegangen. Da war sie. Dieses nette Mädchen!"

„Ist jemand verletzt?"

Diesmal verstand Chase die Worte. „Ja! Jajajaja! Sie bricht!"

„Hat sie sich etwas gebrochen? Kennen Sie den Namen des Mädchens?"

„Nein!" Chase wischte sich über das schweißnasse Gesicht. „Ich... Ich glaube nicht. Sie bricht! Blut!" Chase versuchte das flaue Gefühl im Bauch zu ignorieren, doch sein Magen hob sich unaufhaltsam. „Sie übergibt sich seit einer Stunde und es kommt imm-immer mehr Blut raus."

„Gab es einen Schusswechsel?"

„Was?" Chase schnappte nach Luft, als sein Würgereflex zuschlug. „Nein. Nur das Mädchen in der Höhle. Ihr geht es nicht gut, aber ihr wollt sie nur ins Gefängnis schicken. Das ist nicht richtig!"

„Welche Höhle, Sir? Die Schmugglerhöhlen bei den Docks? Soll ich einen Krankenwagen schicken?"

Chase versuchte einmal durchzuatmen. Jaja, ein Krankenwagen klang sehr gut. „Ja. Aber keine Polizei!"

„Warum, Sir?"

„Wei-weil sie das Mädchen aus den Nachrichten ist. Grace Newland."

*

Polizeichef Robert McIntyre betrachtete skeptisch den Eingang der schmalen Höhle.

„Eingang gesichert!", brüllte es aus seinem Funkgerät an seiner Schulter.

Er warf dem Mann vom S.W.A.T.-Team einen langen Blick zu, der nur drei Meter vor ihm vollkommen nutzlos am Eingang stand und seine Waffe in die Höhle richtete. Auch Robert sah von seinem Standpunkt, dass der Eingang gesichert war. Zwanzig Männer um ihn herum sahen, dass der Eingang gesichert war.

Dies war lächerlich.

„Haben Sie den Zeugen befragt?", fragte Agent Goldman seine Partnerin, die sich gerade durch den sandigen Untergrund zu ihnen kämpfte. Die Wagen standen auf dem befestigten Boden der Docks und konnten somit hier unten keinen Feuerschutz bieten. Hinter ihnen waren der Strand und das Meer. Vor ihnen war eine dunkle, undurchsichtige Höhle. Die dritte an diesem Morgen, die sie durchsuchen wollten und mittlerweile schwand Roberts Hoffnung.

Agentin Cornwells nickte und tauchte ihre Daumen in die Schlaufen ihres Gürtels. Eine männliche Geste und sie sollte wohl auch so wirken. „Chase Mendeland hat jede Menge seltsames Zeug gequatscht, aber so wie es aussieht, stehen wir gerade vor der richtigen Höhle." Sie löste eine Hand aus der Schlaufe und nahm aus ihrer Hemdtasche eine Sonnenbrille. Mit einem Blick auf die noch tief liegende, blendende Sonne, setzte sie die Brille auf. „Ich denke, es wäre am besten, wenn McIntyre als erstes reingeht. Sie kennt ihn. Vielleicht bringt das etwas."

„Hat Mendeland irgendetwas von Waffen erzählt?", fragte Robert unwillkürlich. Er würde nicht die Vorhut übernehmen, wenn um ihn herum zwanzig Männer besser dafür ausgebildet und ausgerüstet waren.

„Nein." Agentin Cornwells warf ihm einen Blick zu, den abgebrühte Kerle normalerweise den Anfängern beim Polizeidienst schenkten. „Er hat gesagt, sie sei vollkommen allein, verwirrt und halb nackt. Keine Waffen. Sie hat ihn auch nicht angegriffen, als er versucht hat ihr sein Wasser einzuflößen."

„Sein Wasser?", fragte Agent Goldmann unwillkürlich. „Ist das eine Art Slang?"

Agent Cornwells lächelte nicht einmal. „Nein. Er besitzt einen Vorrat an dieser exklusiven Sorte von Elsenham. Koste zehn Dollar die Flasche."

Robert und der Agent rollten gleichzeitig mit den Augen.

Agentin Cornwells zuckte mit den Schultern. „Kriegstrauma. Hat wohl in irgendeinem Loch gehockt und Pisse getrunken. Zumindest steht das in seinem Bericht. - Wenigstens ist er kein Säufer. Wenn wir also eines Tages irgendwo einen verdammten Verdächtigen finden, kann er vor Gericht aussagen."

„Und der Verteidigung in die Hände spielen", schloss ihr Partner. „Der tickt nicht sauber. Das bringt dem Staatsanwalt Nada."

„Tja", schnaubte die Agentin. „Zumindest scheint er bisher der einzige Anwohner von New Orleans zu sein, der gecheckt hat, dass hier ein Konvoi aufgefahren ist und ein Krieg stattfand. Deshalb hat er sich auch versteckt."

Robert runzelte die Stirn. Bisher waren sie mit dem ganzen Fall nicht ein Stück weitergekommen. Der Kriegsschauplatz hatte sich innerhalb von Sekunden in eine Staubschicht verwandelt und hatte keine brauchbaren Spuren hinterlassen. Weder radioaktive Reste noch einen Nachweis auf Drogen oder Krankheiten bei den übrigen Opfern. Trotzdem wurden täglich Menschen in die Krankenhäuser eingeliefert, die an einer seltsamen Krankheit starben und die nachweislich auf dem Grundstück von Aleandro Slaughter IV., einem reichen, verwöhnten Erben, der sich fast ununterbrochen in Europa aufhielt, gewesen waren.

Im Haus selbst waren nur im Untergeschoss, in einer Art Bunker, einige Nachweise von Einbruch und Kämpfen gefunden worden. Eine Pfütze Blut war jeweils im Badezimmer und im Hauptraum hinter einer Couch zu sehen. Beide hatten lebensbedrohliche Ausmaße, auch wenn die im Hauptraum sich mit Staub verbunden und schneller getrocknet war.

Im Obergeschoss hatten sie eine abgefeuerte Schrotflinte gefunden und ein Loch in der Wand. Doch das war nicht das seltsamste.

Der Besitzer des Hauses hatte sich bisher nicht gemeldet und wenn, würde er einige Schwierigkeiten bekommen. Ein ganzes Waffenarsenal hatten die Cops gefunden. Ein ganzes verdammtes Waffenarsenal! Von den seltsamen Überwachungsräumen, den Trainingsmöglichkeiten und dem ganzen anderen Mist abgesehen, war dies eine Hochburg für Kriegsführung.

Die Regierung schien mit dem Stillschweigen-Programm begonnen zu haben, um die Medien nicht aufzuschrecken, doch sie hatten zumindest durchgesetzt, dass nach Grace landesweit gesucht wurde.

Doch das Mädchen schien gar nicht geflüchtet zu sein. Nein, sie war hier. In einer Höhle in der Nähe der Docks.

Robert straffte sich. „Vielleicht finden wir durch Grace mehr heraus."

„Wenn sie nicht schon lange an inneren Blutungen gestorben ist", murmelte Agent Goldman leise, doch Robert hörte ihn. Dass Grace Blut gekotzt hatte, war ihnen allen bereits mitgeteilt worden. Er warf ihm einen gereizten Blick zu und zog seine Waffe.

Tief durchatmend nickte er dem S.W.A.T.-Einsatzleiter zu, der daraufhin einen Schritt zurücktrat und den Eingang freigab. Um ihn herum gingen die Männer in die Knie, um eine kleinere Schussfläche zu bieten und zückten ihre Waffen. Die Höhle an sich hatte einen Eingang, in den man kaum ein Einzelbett schieben konnte. Ungefähr eins siebzig mal einen Meter. Es passte jeweils nur ein Mann hinein, deshalb war die Höhle leicht zu verteidigen, aber verdammt schwer zu stürmen. Wenn dort drinnen jemand mit einer Knarre lauerte und nur darauf wartete, dass sich ein Mensch hineintraute um abzufeuern, dann war Robert... nun, am Arsch.

Vorsichtig schob er sich vor die kantige Seite und drehte den Kopf. „Grace Newland? Erinnerst du dich an mich? Ich bin der Polizeichef von Dimesville. Robert McIntyre. Ich komme jetzt rein!", rief er und kam sich gleichzeitig total dumm dabei vor. Dies war die dritte Höhle, die sie durchsuchen wollten, deshalb musste jemand, der diesen Mist unbeteiligt beobachtete, die ganze Polizei für dämlich halten. Denn es war wirklich dümmlich, was sie hier machten. Sie hätten einen Entführungs- und Verhandlungsspezialisten dazuziehen sollen.

„Grace?", fragte er vertraulicher mit einem warmen Tonfall, doch in der Höhle war nichts zu hören. Die Waffe im Anschlag, griff er nach seiner Taschenlampe und leuchtete hinein.

Die kantigen, dunklen Ränder des Eingangs schluckten das Licht, deshalb richtete Robert den Lichtkegel auf den sandigen, hellen Boden. Er hatte nicht vor, Grace und jeden mit dem sie da drin war zu blenden und sie dadurch nervös zu machen, deshalb war indirektes Licht wohl cleverer.

Mit einem kurzen Seitenblick auf die Männer um ihn herum legte er die kleine Taschenlampe an seine Waffe und setzte einen Schritt vorwärts. Der sandige Untergrund gab leicht nach und für einen schwindelerregenden Moment meinte Robert, dass der Boden vollkommen unter ihm nachgab. Doch der seltsame Eindruck verpuffte augenblicklich.

Trotzdem schlug ihm sein Herz plötzlich bis zum Hals. Das war alles einfach nicht gut für ihn. Er sollte gar nicht hier sein. Dies hier gehörte nicht zu seinem normalen Arbeitstag. Dies war die Arbeit für andere. Mein Gott, hier waren Spezialisten für Kindesentführungen und Menschenhandel über die mexikanische Grenze anwesend, statt Experten für... Krieg? Gott, er hatte keine Ahnung, wem man diesen Mist eigentlich zuschieben sollte.

Er drehte sich leicht, sodass er frontal zum Höhleneingang stand und ging dann über den weichen Untergrund hinein. Seine Schuhe knirschten, als er einige Muscheln zertrat und den Kopf senkte. Mit plötzlich zitternden Knien betrat er die Höhle und biss sich auf die Unterlippe, als Kühle ihn augenblicklich umspülte. Gänsehaut brach auf seiner Haut aus und alle Haare an seinem Nacken stellten sich auf.