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Ein letztes Mal Björn

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Zwei Spitzenpolitiker und eine verregnete Chance.
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Zweitausendsiebzehn. Sahra hat den Parteivorsitz abgegeben. Wird Björn ihr verzeihen?

*

Trostlos platzte der Regen auf dem grauen Quader. Nur unmerklich geschützt von weit in die Senke überhängenden Lindenästen saß Sahra lange auf einem Betonblock des nachgebildeten Holocaust-Mahnmals in Bornhagen. Kaum einsehbar von den honigglühenden Fenstern des niedrigen Giebelhauses saß sie reglos und stumm dort und ließ sich vollregnen.

Das hatte sie verdient. Mindestens. Für die Schwäche, hierherzukommen.

Sie wusste, dass es vorbei war. Egal, ob sie nun die ganze Nacht hier ausharren würde, in der blöden Mädchenhoffnung, ein einziger Blick von ihm nach draußen möge sie retten wie die Damsel in distress; oder ob sie irgendwann nochmal die verschissene Courage aufbringen würde, an seine Türschwelle zu treten. Es musste aus sein zwischen ihnen; zumindest musste er das glauben. Es war lange nach Acht, die Tagesschau sicher durchgerattert; vielleicht in den Armen seiner Frau. Aber über seine zahlreichen Drahtmänner in den Bundestag, die schneller funkten als die Tagesschau für den Normalbürger, hatte er es sicher schon heute Nachmittag erfahren.

Was ihm wohl dabei durch den Kopf gegangen war? Zu der Zeit war sie schon im Zug hierher gesessen. Sie musste es ihm persönlich eingestehen; beichten und hoffen, dass ein einziger sanfter Blick all die bissigen Genossensottisen wieder gut machen würde. Wie so oft reichte schon das Bild seiner friedfertigen, ja fast lämmischen Augen, die Klammer um ihr Herz ein wenig zu lösen. Und eine Minute in der Kammer seines starken, trainierten Arms reichten aus, wenn der Trotz gegen das Establishment drohte, über ihrer Weiblichkeit zusammenzustürzen.

Aber so nicht heute. Heute gab es nichts zu erleichtern, keine Absolutionen zu erteilen, ja nicht einmal schirmende Männlichkeit durch die sanfte Schwelle ihrer Emanzipation zu drücken. Auf Sahras Herz lastete keine Parteipolitik. Nicht mehr. Still beobachtete sie, wie das von Reportern und Paparazzi zertretene Gras um den Block, der ihr Ansitz war, zunehmend verschlammte. Heute kam sie einzig und allein wegen Björn selbst. In der Hoffnung, ihn, wenn sie auch alles andere aufgab, behalten zu dürfen. Sie seufzte. Und das war naiv. Verdammt naiv.

Sie zog den kaffeefarbenen Trenchcoat enger, der zunehmend durchnässte. Ihr Parteiausweis glühte in ihrer Brusttasche. Ein letztes Mal -- der Reiz dieses Gedanken hatte sie angelockt wie Pheromone die brünftige Ricke. Ein letztes Mal das Galanteriespiel in der Garderobe, mit den Kinderschuhen und dem Frotteemantel seiner fremden Frau; ein letztes Mal die Liegestützen vor dem flackernden Kamin mit all den Bismarck-Postern und Preußischen Insignien, die er wie ein verrückter Teenie über die Wände und auf den Sims aufbahrte. Ein letztes Mal Parteiausweise tauschen, ein letztes Mal die Räuber skandieren, wenn das Öl schon von den Ellenbogen tropfte...

Schmatzend versank Ihr schwarzer Halbschuh im Schlamm, als sie endlich aufstand, um den ersten Schritt zu machen. Frischer Regen, nun nichtmehr tröpfelnd von den Lindenblättern, zerwusch ihre frisch aufgemachten Löckchen. Beides schüttelte sie unwillig ab.

Da ertönte ein helles Lachen von vorn, vom Haus her. Ein Kichern -- ein Mädchen. Sie schrak zurück, und barg sich hinter dem nächsten Obstbaum. Mondlicht blakte über die Raster polierter Betonquader, die ihren Björn an einen seiner populärsten Missgriffe mahnten. Da tänzelten zwei Schatten, sich umarmend; nein umschließend, die Senke zum schlammigen Bach hinab.

»Hihi -- Aber Oskar...!« hörte sie heraufflöten. Ja, das musste eine von Björns Töchtern sein. Gebannt sah sie das verliebte Paar hinter der Schuppenwand verschwinden. Über den Regen hörte sie keine Küsse, aber spüren tat sie sie umso wunder in der eigenen Brust.

Aus ihrem Versteck heraus zog Sahra eine eigenwillige Grimasse. Sie hatte ja selbst ihren Oskar daheim. Der wartete gerade betäubt von einigen MonCherie in ihrem grünen Ohrensessel vor dem Fernseher darauf, dass entweder der billige Tatort ihn einschläferte -- oder sie zu Hause anrief. Auch vor ihm hatte sie sich noch nicht gerechtfertigt -- auch ihm hatte sie es nicht zuvor erzählt. Mit einem Stich der Wehmut dachte sie an ihre einzige Tochter. Hoffentlich lag die nun schon im Bett.

Ein Bild zog vorbei vor den Dunkelheiten der Hecke, das sie schaudern machte. Die siebzehnjährige Lydia Wagenknecht, wie sie, lippenbepierct und kajalverbrämt wie sie wäre, nachts heimkam, und einer allzu alleinerziehenden Sahra das Leid einer vaterlosen Jugend in den Schoß kotzte. In ihren Augen den ungesagten Vorwurf einer schicksalshaften Nacht vierzehn Jahre davor.

Sahra spürte, dass sie weinte. Die Tropfen wurden wärmer. Auf einmal fühlte sie sich schuldig. Und dreckig, trotz dem eisigen Rinnsal, das sich den Weg durch ihren Kragen ihre Halswirbel hinunter bahnte. Was machte sie hier? Sie hätte sofort heimfahren sollen, an die französische Grenze, zu ihrem Oskar; und ihm alles gestehen sollen!

Nun, vielleicht nicht ganz alles. Da war ja noch die Sache mit Björn. Er zu allererst hätte erfahren müssen, warum sie heute ihren Parteivorsitz geschmissen hatte. Hätte erfahren müssen, warum sein ›neuer deutscher Morgen‹ für sie nur noch Wintertage zeitigte. Hätte.

Aber dieses ›letzte Mal‹ schien ihr auf einmal gar nicht mehr so reizvoll. Nur der letzte Krümel eines lang gegärten Hefeteigs aus Fehltritten. Übrigens auch verfehlte Politik. Sie waren ja letztendlich nur Protagonisten...

Dieser Gedanke gab ihr ein wenig Kraft. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie würde ihrer Tochter nicht erklären müssen, dass Björn, der kontroverse Björn, sie in jener regnerischen Nacht dabehielt. So wie sie es sich offen gestanden gewünscht hatte. Entschlossener nun stapfte sie den schlammigen Hang hinauf. Zur Straße. Und mit einem letzten Stoßseufzer wandte sie sich von der goldleuchtenden Fassade ab. Björns persönlichem ›Bullerbü‹.

Fahl strahlten hier die Straßenlaternen. In ihrem Licht schien sich der Regen abzumildern.

Für einen Augenblick stand sie unschlüssig auf dem Bürgersteig. Zwar wenn seine Tochter irgendwelche Oskars im Schuppen versorgte, war er wahrscheinlich eh nicht zu Hause. Derartige Laxheiten passten nicht unter seine Vaterhand. Dennoch wusste sie, wenn sie jetzt ohne Abschied ging, strafte es sie selbst mehr als ihn.

Aber wenn, dann hatte sie es nicht anders verdient. Immerhin hatte sie dem Druck ihrer Partei nachgegeben, wo Björn immer noch Perspektiven sah. Darum... Wie hätte sie ihn denn nicht lieben können, diesen frechen, lammfrommen Revoluzzer mit den starken Begriffen und dem einen fiebrig unverrückbaren Ideal? Außerdem... so verboten. Teuflisch...völkisch... Wenn das der dicke Gysi wüsste! Am Abend jenes makabren Politballs hatte der mit der busigen Matrone selbst, der Merkel getanzt. Sie hatte wieder diesen phänomenalen V-Ausschnitt in ihr rotes Kostüm gepflügt. Er war der einzige gewesen, der sich an jenem Abend nicht von diesen tiefen Einblicken abwandte. Sahra traute dem eigentlich alles zu. Der fantasierte doch bestimmt bis hinab zur Nuckelei.

Aber sie hatte ja gut reden. Sie war ebenso allein geblieben. Im Abseits, von ihren Genossen verwaist, knapp hinter dem goldenen Riesel der Scheinwerfer auf dem Parkett. Wo nur die weißen Tischlaken geisterhaft im Zug der Klimaanlage tanzten. Dorthin war er ihr entgegengekommen. Ein weiterer Außenseiter. Ein anderer Isolierter. Ein Patriot. Denn als er ihre trostlos hängende Hand weich heraufgenommen hatte, wusste sie: Wenn sie schon ihr Land nicht lieben würde -- sie würde Björn lieben. Und das sei, wie er ihr an jenem Abend eindringlich vermittelte, im Großen und Ganzen dasselbe.

Lächelnd blieb sie auf dem Bordstein stehen. So ein Träumer. Indem sie jetzt die Parteiführung fallen ließ, ließ sie auch ihn fallen, ihn und die fürsorgliche Hand jenes Abends.

Eine Gestalt am Ende der Straße riss sie aus ihrem Flashback. Durch das Wechsellicht der Laternenkegel näherte sie sich in Sahras Richtung herab.

Mannomann, wenn das nur keiner der Paparazzi war... Erwischte man sie hier, würde die Öffentlichkeit sie zerstören, das wusste sie. Es war auch wirklich eine Dummheit, hierherzukommen, vom ersten Treffen an! Aber der Mann war magnetisch. Und sie ganz Frau. Sie war ihm hörig gewesen. Und über kurz oder lang bangte sie dieses Schicksal allen ihren Parteifreunden und -freundinnen zu, wenn nicht der ganzen alten Politikerkaste, zu deren Teilhabe sie selbst keine Kraft mehr gefunden hatte. Seine stahlblauen Augen. Sie waren wie Winter. Winter und Krieg. Sie durchdrangen -- Systemfäden als gut als die Kleider einer unbescholtenen einsamen Linken.

Sie musste jetzt gehen. Der Paparazzi näherte sich. Hinter ihm lag irgendwo im Grün von Bornhagen versteckt dessen Bahnhof. Sich jetzt in die andere Richtung zu wenden käme noch verdächtiger. Und sie hatte genug Teleobjektive und Funkgeräte vor ihrem eigenen Parkplatz rumlungern gesehen, um zu wissen, das diese Typen wie Kakerlaken waren. Wenn man einen bei Tageslicht sah, war es schon zu spät. Da half nur noch sich jetzt teilnahmslos zu geben, so schwer es auch fiel; Mut aufzubringen und an ihm vorbei, gemessenen Schritts.

Wie sie so, immer noch arg mitgenommen, frierend von den durchnässten Kleidern und all den Gedanken, die niemand wissen durfte als sie, auf den fremden Mann zustolperte, war es ihr, als müsste sie mit jedem Schritt erneut einmal zum letzten Mal Björns Türschwelle überwinden. Sie kämpfte mit dem ganz natürlichen Reflex, herumzuwirbeln und an seine Tür zu stürzen, greinend vielleicht, und dann pochen, bis wer aufmacht, sei es auch seine Frau selbst.

Aber sie blieb stark. Sie hatte ihre Partei nicht zwei Jahre durch die Opposition geführt, um jetzt den Kräften nachzugeben, die alles zusammenschmelzen wollten; In ihr, wie im politischen Hufeisen. Sie spürte, das war eine Welt in ihr, die sie nicht globalisiert wissen wollte. Nicht von denen.

Der Fremde trug den Kragen aufgestellt. Er bückte sich in den Regen. Eine Kapuze deckte weite Teile seines Gesichts. Sahra passierte ihn scheinbar unbesehen. Er ging eiligen Schrittes. Sei es, dass er dem Regen entfliehen wollte, oder dass er auf dem Heimweg war -- --

Sahra aber hörte erst bei Hann Münden wieder auf zu zittern. Der Zug blies warme Luft über ihre völlig schmoddrigen Stiefel. Wenn er es nun gewesen war? Wenn er es nun gewesen war! Der stets stechende Gang. Immer vorwärts, immer greifend in die Welt. Schwer atmete sie aus. Dann wäre es wohl tatsächlich das letzte Mal gewesen.

*

Es ist noch zwei Jahre später, als ein langer sonniger Herbst den unruhigen Rausch blauer Wahlsiege einläutet. Sein friedliches Gesicht bauscht lose aus dem Monitor in Sahras Wohnung. Sie sitzt vor dem Fernseher; irgendeine Wahlsendung. Die Saar glitzert draußen hinter dem Garten, und auf der Röhrenkiste liegt der unwirkliche Schatten eines Innenraums an einem schönen Tag. Sahra hat abwesend mit ihrer Tochter gespielt auf dem warmen Teppich, aber nun horcht sie auf.

»Herr Höcke, nun da sie Thüringen überzeugt zu haben scheinen; was planen sie als Nächstes?«

Sahra stutzt. Sie sieht Björn sich vorsichtig die Lippen befeuchten. Lippen, die Sahra enger gekannt hat, als das gebannt schweigende Studiopublikum, ja enger als die meisten der Deutschen. Aber auch zu ihr war er unehrlich gewesen. Und genauso den Deutschen, die er so sehr liebt, wird er die Wahrheit nicht sagen. Jetzt nicht.

Sie selbst hatte ihre Chance gehabt, das weiß sie. Und es hätte nicht mehr gefordert als ein Zupfen an der Jacke und ein Lächeln auf dem Bordstein.

»Björn, lieber Björn.« Ihr Finger streicht über seine Wange unter dem Monitor, und macht den Staub darauf brutzeln. »Was hast du nur mit uns vor?«

***

© Emanuel Senden 2020

EmaSen
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2 Kommentare
AnonymousAnonymvor etwa 4 Jahren
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Außerdem heißt der Obernazi Bernd!

AnonymousAnonymvor etwa 4 Jahren
Echt Jetzt?

Eine AFD-Sex-Beichte? Sorry, aber die radikalen Randgruppen haben schon mehr Aufmerksamkeit, als sie verdienen. Bitte nicht wieder.

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