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Ein Studentenleben in den 80ern 05

Geschichte Info
Die Nachhilfelehrerin.
8.7k Wörter
4.68
40.3k
6

Teil 5 der 10 teiligen Serie

Aktualisiert 06/08/2023
Erstellt 02/23/2018
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Leider habe ich mit meiner Fortsetzung schon wieder viel zu lange gebraucht. Wer die ersten vier Kapitel nicht gelesen hat, ist herzlich eingeladen. Man kann aber auch unmittelbar einsteigen. Denn die Vorgeschichte ist rasch erzählt: Christoph beginnt in den 1980er Jahren sein Jurastudium in einer süddeutschen Kleinstadt. Seine ersten Kontakte mit dem weiblichen Geschlecht enden mehr oder weniger enttäuschend. Auch Frauke, seine bezaubernde Wohnheimnachbarin, kann ihm nicht helfen. An Männern ist sie nicht wirklich interessiert.

Der Rest des Saunaabends verlief unspektakulär. Das galt auch für die Beschäfti-gung mit der Hausarbeit in den nächsten Tagen. Frauke und Christoph kamen gut voran. Die gemeinsame Arbeit machte ihnen Spaß. In den Arbeitspausen war genug Zeit, Frauke mit Uni, Kommilitonen und Stadt bekannt zu machen. Nur die gemeinsamen morgendlichen Joggingrunden wurden seltener, seit Frauke eines Abends verkündete, sie würde diese Nacht nicht zuhause verbringen. ‚Hat die Versöhnung mit Christiane also geklappt', dachte sich Christoph und grinste in sich hinein.

Nach drei Wochen waren sie mit der Hausarbeit fertig. Christiane hatte sich in den letzten Tagen noch eingebracht, mit klugen und guten Ideen. Fachlich hatte Chris-toph nichts Anderes erwartet. Was das Zwischenmenschliche anbelangt, war er be-eindruckt: Sie war offen, freundlich und humorvoll. Christoph mochte sie. Er freute sich, dass Frauke mit ihr ganz offensichtlich glücklich war. Schön war, dass die bei-den sich keineswegs abschotteten, sondern ihn immer wieder in gemeinsame Aktivitäten einbezogen. Und zwar so, dass er sich nie wie das fünfte Rad am Wagen fühlte.

So war es nur folgerichtig, dass die drei die Abgabe der Hausarbeit gemeinsam feierten. Zu diesem Zweck hatte Christiane in ihre, wie erwähnt, großzügig eingerichtete, Studentenbude eingeladen. Kochen gehörte offensichtlich zu ihren zahlreichen Talenten. Sie zauberte eine wunderbare, riesige Pizza auf den Tisch. Dazu gab es leckeren Chianti. Letzterer trug dazu bei, dass die Stimmung im Lauf des Abends immer lockerer wurde.

„Komm Christoph", flötete Frauke, „als wir in der Sauna waren, habe ich Dir meine ganze Lebensgeschichte erzählt. Jetzt ist es nur fair, wenn Du auch ein bisschen was von Dir berichtest."

„Echt?", fragte Christiane, die von den dreien noch die Nüchternste war. „Was hast Du denn von uns so zum Besten gegeben?"

„Ach, nichts Konkretes", meinte Frauke. „Ich habe eigentlich nur erzählt, wie verliebt ich bin. Das stimmt ja auch. Und dass ich sauer war wegen Deiner Ex. Stimmt auch. Was ich gerade meinte, bezog sich auf meine allererste Beziehung. Aber was rede ich hier schon wieder so viel? Jetzt ist erst einmal Christoph dran."

„Ja genau, Christoph", wurde Frauke von Christiane unterstützt, „erzähl doch mal ein paar saftige Geschichten, damit Deine Mädels auf schmutzige Gedanken kommen!"

„Ich fürchte, sooo viel gibt es da nicht zu erzählen", versuchte Christoph die aufkom-mende Euphorie zu dämpfen. Und berichtete dann doch sehr detailgetreu: Über erfolglose Annäherungsversuche in der Schulzeit, die unbefriedigenden Bordellbesuche während der Bundeswehr, über Freude und Frust mit Gabi und über das aus seiner Sicht immer noch sehr peinliche Missgeschick mit Sylvia, der Skilehrerin.

Danach folgte erst einmal ratloses Schweigen. Dann übernahm zu Christophs Überraschung Christiane die Gesprächsführung: „Also ich sehe eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder Du suchst Dir jetzt schnell ein Mädchen, das ähnlich wenig Erfahrung hat und ihr erschließt Euch gemeinsam den Kosmos der Liebe. Da musst Du aber schnell sein. Vermutlich gibt es in unserem Semester nicht mehr viele Kandidatinnen. Oder Du nimmst bewusst in Kauf, dass eine Partnerin in Sachen Sex mehr Erfahrung hat als Du. Scheint ja bei Gabi auch geklappt zu haben."

Christoph war nicht wirklich überzeugt. Sich auf eine deutlich erfahrenere Partnerin einzulassen, hatte bei Gabi wunderbar, bei Sylvia aber gar nicht funktioniert. Die letzte Jungfrau des Semesters zu suchen, war umgekehrt auch nicht seine Traumaufgabe für den kommenden Sommer. Am besten war es wohl, Augen und Ohren offenzuhalten und sich vom eigenen Gefühl leiten zu lassen.

Auf dieses Gefühl zu hören, hatte er in den letzten Monaten schon ganz gut gelernt. Deswegen beschloss er jetzt auch, sich langsam aus der Dreierparty zurückzuziehen. Frauke und Christiane waren auf Christianes breitem Sofa immer enger zusammengerückt und tauschten Zärtlichkeiten aus. Bliebe er jetzt noch länger, wäre er wirklich fünftes Rad am Wagen gewesen. So endete dieser Abend für ihn ebenso unspektakulär wie nachdenklich.

Am nächsten Tag brach Christoph seine Zelte für die nächsten Wochen ab und fuhr nach Hause, wo er sich mit einem Ferienjob ein bisschen Geld für das Sommersemester verdiente. Nach Feierabend arbeitete er an seiner Kondition und abends traf er sich ab und an mit alten Freunden.

Entspannt, austrainiert und neugierig auf den Studiensommer kehrte er kurz vor Semesterbeginn ins Wohnheim zurück. Er hatte seine Sachen allenfalls halb ausgepackt, als es an der Tür klingelte. Natürlich war es Frauke. Mit breitem Grinsen im Gesicht und dem örtlichen Wochenblatt in der Hand. Nach der ersten Begrüßungsumarmung strahlte sie ihn an und verkündete:

„Ich hab's!"

„Wunderschön! Aber bitte: was?"

„Ich hab' die Lösung für Dein Problem!"

„Und die wäre? Über welches Problem sprechen wir eigentlich? Mir geht es super!"

Wortlos hielt sie ihm das Wochenblatt vor die Nase. Aufgeschlagen war die Seite mit der Rubrik ‚Kontakte'. Frauke hatte eine der Anzeigen mit Leuchtstift markiert.

‚Akademikerin, Ende Dreißig, gut erhalten, würde gerne jungen Mann in die Geheimnisse der Liebe einweihen. Lebe allein und habe nachmittags oft Zeit. Keine fin. Interessen. Zuschriften mit Foto bitte unter Chiffre-Nr. xxx123.'

„Sag mal, spinnst Du? Du glaubst doch nicht, dass ich jetzt Sex-Nachhilfe nehme? Das ist doch absurd!"

„Jetzt sei doch nicht schon wieder so spießig! Ich hab' mir schon gedacht, dass Du nicht gleich drauf anspringst. Aber das ist doch die Gelegenheit! Du kannst ganz entspannt das kleine bisschen lernen, was Dir noch fehlt und dann knackst Du die heißesten Bräute der Uni."

„Ist das nicht komplett albern? Warum sollte eine normale Frau so etwas machen? Vielleicht hat die einen totalen Schaden. Oder sie ist so hässlich, dass sie keinen abbekommt."

„Kann sein. Aber dann kannst Du ja nach dem Kennenlernen wieder die Biege ma-chen. Ich glaube das aber nicht. Ich glaube, das ist eine ganz normale Frau, die sich vielleicht von ihrem Mann getrennt hat und sich noch nicht wieder binden will. Vielleicht hat sie ja eine Position, in der es nicht guttut, in der Gegend herumzuvögeln. Und jetzt sucht sie eine sichere Alternative. Außerdem tut sie der Menschheit mit ihrem Angebot einen Gefallen."

Christoph wurde nachdenklich. Das Ganze kam ihm doch sehr spanisch vor. Ande-rerseits hatte Frauke ja auch Recht. Ein echtes Risiko gab es nicht. Wenn es nicht passte, könnte man die Aktion in aller Freundschaft beenden. Wenn es aber gut lief, könnte er wirklich etwas lernen und käme aus dieser blöden Defensivsituation endlich heraus. Deswegen reagierte er jetzt mit deutlich weniger Widerstand:

„Erst mal würde sie wohl mir einen Gefallen tun. Aber das ist ja der Punkt. Wer weiß, ob ich da überhaupt eine Chance habe. Wenn man es so sieht wie Du, ist das ein höchst attraktives Angebot. Da bewirbt sich jetzt sicher die halbe Stadt. Und ganz sicher nicht nur solche, die Nachhilfe nötig haben."

„Mann, Christoph, jetzt sei doch nicht schon wieder so verzagt. Ich kann mich an eine Aktion erinnern, in der Du deutlich mutiger warst", grinste sie. Die Anspielung auf den ‚Saunaabend' sollte ihn provozieren. Das gelang auch.

„Liebchen, Du siehst das falsch!" Bei Loriots gesammelten Werken war Christoph textsicher. „Mir ist nur gerade klargeworden, dass ja keineswegs garantiert ist, dass die Gute sich für mich entscheidet."

„Das ist wohl richtig. Es ist aber wie bei jedem Wettbewerb, Herr Leichtathlet: Wer gewinnen will, muss auch etwas investieren."

„Jawohl, Frau Basketballerin. Klingt überzeugend. Was meinst Du konkret?"

„Konkret meine ich, dass ich heute Abend für uns beide was Schnuckeliges koche, während Du Dich jetzt an den Schreibtisch setzt und eine astreine Bewerbung ver-fasst. Keine Phrasen, kein Schmu! Erzähl' ihr einfach von Dir. Was Du magst, was Du nicht magst, was Dir bisher im Weg stand. Wenn Du willst, lese ich mir den Brief nachher auch gerne durch. Liegt ganz bei Dir."

Frauke hatte sich durchgesetzt. Aber Christoph gefiel die Idee immer besser. Er überlegte erst einmal, wie er den Brief angehen könnte und schrieb ihn dann in einem Rutsch herunter. Er schilderte die frustrierenden Erlebnisse der Schul- und Bundeswehrzeit, den Fehlschlag mit Sylvia, aber auch die großartige Nacht mit Gabi. Die Unbekannte sollte sich ein möglichst genaues Bild von ihm machen können. Er las sich das Endprodukt mehrfach durch und feilte so lange daran, bis er halbwegs zufrieden war. Jetzt passten der Inhalt und die Sprache. Formulieren hatte ihm schon immer Spaß gemacht.

Dann kramte er in seinen Fotos und fand ein Bild von der Skipiste, auf dem er auch nach seinen eigenen kritischen Maßstäben ganz gut aussah. Mit Brief und Bild marschierte er nach nebenan und hielt Frauke beides unter die Nase. Sie lächelte ihn ermutigend an und las den Brief konzentriert durch. Danach schaute sie sehr ernst.

„So schlecht? Mist!", sagte Christoph.

„Unsinn! Das weißt Du selber. Der Brief ist genial. Und der Typ auf dem Bild ist total süß. Wenn ich die Frau wäre, wüsste ich, was ich zu tun hätte."

„Puh", atmete Christoph auf. „Jetzt hast Du mich aber total verunsichert. Weil Du so ernst geschaut hast."

„Vielleicht bin ich ja gerade ernst..."

„Weil?"

„Christoph?"

„Jaaa..."

„Ich sollte das jetzt nicht sagen. Wir reden auch nie mehr darüber. Versprochen?"

„Was immer Du möchtest. Aber was ist denn los, um Himmels willen?"

Frauke sah ihn noch ernster an als zuvor. Wenn das überhaupt möglich war. Dann antwortete sie. Mit fester Stimme. Die aber längst nicht so ruhig war, wie sie das ger-ne gewollt hätte.

„Weißt Du, es gibt Momente, da frage ich mich, ob das immer so richtig ist, was ich mache. Zum Beispiel mit Christiane. Oder überhaupt mit Frauen."

Pause. Und dann, schon deutlich leiser:

„Als ich gerade den Brief zu Ende gelesen habe, war das so ein Moment. Aber es war nicht der erste."

Und noch leiser:

„Der erste war nach der Sauna."

Nach diesem Satz hatte Christoph das Gefühl, als würde sich der Boden, auf dem er stand, in Luft auflösen. Er hatte plötzlich ein sehr flaues Gefühl in der Magengrube. Er war nicht in der Lage, irgendetwas zu sagen. Reden wäre auch falsch gewesen. Wenn, dann hätte man jetzt etwas tun müssen. Dieser Ball lag allerdings bei Frauke.

Frauke nahm den Ball nicht auf. Man sah ihr an, wie sie mit sich kämpfte. Mit sich, mit ihren widerstreitenden Emotionen, am Ende sogar mit den Tränen. Dann schluckte sie einmal und brach das Schweigen. Sie sprach immer noch sehr leise.

„In Wirklichkeit brauchst Du keine Nachhilfe. Nicht in Sachen Sex und auch sonst nicht. Du musst nur viel öfter der Christoph sein, mit dem ich in der Sauna war und der diesen Brief geschrieben hat. Das ist leichter gesagt als getan. Das weiß ich. Aber wenn Du das schaffst, dann kannst Du echt jede haben. Und jede heißt: jede. Dann ist der Nachhilfeunterricht allerspätestens nach dem zweiten Treffen nur noch Spaßvögeln. Ich hoffe, die Frau merkt, welchen Volltreffer sie macht."

Dann wieder in normaler Lautstärke. Und mit einem Grinsen, das fast echt war:

„So, und jetzt betrinken wir uns. Komplett! Und komplett sinnlos. Watt mutt, dat mutt."

Sprach es, nahm den für Christophs Rückkehr kaltgestellten Sekt aus dem Kühl-schrank und ließ den Korken knallen. Als sie beim Einschenken die Melodie von ‚As time goes by' summte, musste Christoph noch einmal schlucken. Danach gaben sich beide Mühe, nicht in das Loch zu fallen, das sich gerade aufgetan hatte. Das klappte im Lauf des Abends ganz gut. Nachdem sich zur ersten Flasche die zweite gesellt hatte, wurde das Gespräch abschnittsweise sogar heiter, ja fast unbeschwert. Was aber nichts daran änderte, dass in der Nacht, als sie wieder in ihrem jeweiligen Bett lagen und Hand an sich legten, bei beiden der gleiche Film im Kopfkino lief. Er spielte im Ruheraum einer Sauna.

Der denkwürdige Abend wurde in der Tat nicht mehr erwähnt. Am nächsten Morgen taten beide so, als sei nichts gewesen. Frauke bestand darauf, Christophs Bewer-bungsbrief eigenhändig beim Wochenblatt abzugeben. Um sicherzugehen, dass er keinen Rückzieher machte.

Einige Tage später hatte sie das Semester wieder. Großes Hallo, alle trafen sich nach den Ferien zum ersten Mal. Neue Vorlesungen, neue Profs, viel Gesprächs-stoff. Der Semesterstart war so intensiv, dass Christoph gar nicht mehr an das Inse-rat und seine Folgen dachte. Bis er eines Abends von der Uni nach Hause kam und ihm beim Öffnen des Briefkastens ein Brief entgegenkam. Geschmackvolles Briefpapier, ausdrucksvolle Handschrift. Mit kompletter Absenderangabe. Als Christoph dieses Detail ins Auge sprang, war er sicher, dass Frauke Recht gehabt hatte. Und so war es dann auch.

Karin, so hieß die Unbekannte, schrieb fast nichts über sich. Nur dass sie Lehrerin sei und von Dienstag- bis Donnerstagnachmittag ab zwei Uhr gut Zeit hätte. Haupt-sächlich schrieb sie über ihn. Dass sie beim Abfassen ihrer Annonce eine ziemlich konkrete Vorstellung im Kopf gehabt hätte. Dass sein Brief und das Foto diese Vor-stellungen noch übertroffen hätten. Dass sie sich wahnsinnig auf ihn freuen würde. Und dass sie sicher sei, sie beide könnten zusammen sehr viel Spaß haben. Um das zu illustrieren, hatte sie ihrerseits ein Foto beigelegt. Und das war allerliebst: Eine auch mit Ende dreißig immer noch sehr junge Frau im blauen, recht knappen Bikini. Schlanke, sportliche Figur, ein wahnsinnig hübsches Gesicht mit grünblauen Augen, einem strahlenden Lächeln, und blondem, gelockten Haar. Und zur Krönung das, was man „eine Handvoll Busen" nennt. Mit Sicherheit also niemand, der es nötig hatte, Kontaktanzeigen zu schalten.

Dass zu dem hübschen Gesicht und dem Traumbody auch noch eine sehr sympathische Stimme mit leichtem, aber unüberhörbarem fränkischen Akzent gehörte, erfuhr Christoph wenig später. Ganz unkompliziert hatte Karin in dem Brief auch ihre Telefonnummer preisgegeben und geschrieben, Christoph könne sie jederzeit anrufen. Sie vereinbarten am Telefon, sich übermorgen Nachmittag bei Karin zuhause zu treffen. Erst einmal zum zwanglosen Beschnuppern, alles Weitere könne man dann ja immer noch sehen.

Als Christoph sich, ganz Gentleman der alten Schule, mit einem sehr geschmackvollen Blumenstrauß bewaffnet auf den Weg machte, nahm er sich vor, nicht wieder durch übergroße Nervosität alles zu vermasseln. Die Ermahnung von Frauke hatte er sich zu Herzen genommen. Nachdem ihm das Schicksal jetzt diese wunderbare Gelegenheit geboten hatte, wollte er sie auch in vollen Zügen genießen.

Und er hielt diesen Vorsatz durch. Karins Hausnummer hatte er schnell gefunden. Bevor er an der Tür klingelte, setzte er seinen entspanntesten Gesichtsausdruck auf und versuchte, locker zu bleiben. Das war nicht einfach. Denn als sich die Tür öffnete, stellte Christoph fest, dass das Foto, das Karin mitgeschickt hatte, äußerst aktuell war. Statt des dunkelblauen Bikinis hatte sie ein ebenfalls dunkelblaues Sommerkleid an. Ansonsten war alles wie auf dem Bild. Auch das strahlende Lächeln.

„Hallo Christoph, schön, dass es geklappt hat. Komm doch erst mal rein. Die Blumen sind ja super. Sind die für mich?"

„Ich habe mir gedacht, Du magst so etwas vielleicht."

„Und ob! Ich liebe Blumen! Vor allem, wenn sie so schön sind. Hast Du super ausgesucht! Ich hole nur schnell eine Vase. Wenn Du magst, kannst Du schon mal hier durch auf die Terrasse gehen. Ich habe gedacht, wir trinken draußen erst mal eine gemütliche Tasse Kaffee und plaudern ein wenig." Sie sagte tatsächlich ‚plaudern', genauer gesagt ‚blaudan'.

Christoph tat wie ihm geheißen und bewegte sich durch das Wohnzimmer in Rich-tung Terrasse. Was er dort sah, gefiel ihm sehr. Der Garten lag auf der stadtabge-wandten Seite mit Blick auf die nahen Berge. Er war nicht riesig, aber sehr gepflegt. Die Grenzen zu den Nachbarn war durch Hecken und Bäume gut geschützt. Alles machte einen freundlichen Eindruck. Der verstärkte sich noch erheblich, als Karin mit einem Tablett auf die Terrasse kam, auf dem nicht nur Kaffeekanne und Tassen, sondern auch Apfelkuchen zu sehen waren.

„Du hast aber jetzt nicht extra für mich Kuchen gebacken?"

„Na klar! Ich hatte gerade Lust drauf. Und was heißt hier ‚extra'? Dein Besuch ist doch etwas Besonderes. Ich hab' mich schon über Deinen Anruf so gefreut und jetzt freue ich mich, dass Du da ist."

„Trotzdem wäre das mit dem Kuchen nicht nötig gewesen. Ganz herzlichen Dank! Und außerdem freue ich mich, dass Du mich ausgewählt hast."

„Die Wahl ist mir nicht schwergefallen. Dein Brief war so ehrlich und persönlich. Und als ich das Foto gesehen habe, dachte ich mir: ‚Karin, den jungen Mann musst Du kennenlernen!' Gehst Du gerne Skifahren?"

Und schon entwickelte sich eine entspannte Unterhaltung über Skifahren, andere Hobbies, die Uni, Christophs Heimat und seine Familie. Die Zeit verging wie im Flug, der selbstgemachte Kuchen war köstlich und nach einer knappen Stunde hatte Christoph völlig das Gefühl dafür verloren, dass er hier mit einer Frau zusammensaß, die zumindest theoretisch seine Mutter hätte sein können. So locker-flockig gestaltete sich das Gespräch. Deswegen fasste Christoph auch den erforderlichen Mut, um in Erfahrung zu bringen, was wirklich hinter Karins Annonce stand.

Als er sich vorsichtig erkundigte, ob sie denn das große Haus und den wunderbaren Garten ganz für sich alleine hätte, wurde Karin sehr ernst. Es stellte sich heraus, dass sie über zehn Jahre lang mit einem Arzt verheiratet gewesen war, der hier am Ort eine sehr erfolgreiche Praxis als Orthopäde betrieben hatte. Beide hatten sich in Erlangen im Studium kennengelernt und waren dann nach den jeweiligen Examina hierhergezogen.

„Wir waren, wie man so schön sagt, glücklich verheiratet. Wir haben uns hier wohlgefühlt, uns über Schule, Praxis und Sportverein schnell neue Kontakte erschlossen und hatten trotz des Berufsstresses immer noch genug Zeit füreinander. Zwischendrin sind wir auch durch eine Krise gegangen, als sich herausgestellt hat, dass wir keine Kinder bekommen konnten", berichtete Karin. „Das lag an mir, und sicher nicht daran, dass wir es nicht versucht hätten. Eher im Gegenteil. Georg war ein sehr guter und einfühlsamer Liebhaber und ich hatte auch ... ja einfach Spaß am Sex. Wir haben wirklich viel ausprobiert und wenig ausgelassen.

Irgendwann hat man uns dann dieses Haus zum Kauf angeboten und wir haben uns hier häuslich eingerichtet. Und gerade als es am allerschönsten war, war es vorbei. Im Sommer vor drei Jahren. Georg war morgens mit dem Auto zu einer Fortbildung nach München gefahren. Ich war gerade im Unterricht, als es plötzlich hieß, ich solle ins Direktorat kommen. Da war dann die Polizei, die mir gesagt hat, Georg sei ohne fremdes Verschulden von der Straße abgekommen und mit dem Auto gegen einen Baum geprallt. Er sei in München in der Klinik, aber sein Zustand sei sehr ernst. Ich bin dann sofort hin. Aber als ich in München ankam, war er schon ..."

Hier brach Karin ab. Sie weinte nicht, sondern blickte einfach nur einige Minuten ins Leere. Christoph entschied sich dafür, zunächst auf Beileidsbekundungen zu verzichten, sondern nur ihre Hand in seine zu nehmen und zu drücken. Das war genau richtig. Sie drückte zurück. Und erzählte weiter:

„Das war echt eine schreckliche Zeit. Erst der Schock und die Verzweiflung. Sachlich verstehst Du sofort was passiert ist. Du kannst es aber nicht begreifen und wartest eigentlich immer darauf, dass sich herausstellt, dass alles ein großer Irrtum war und Dein Mann wieder vor Dir steht. Und dann diese ganze Bürokratie und die Vorbereitung für die Beerdigung. Da habe ich funktioniert wie eine Maschine. Aber nach der Beerdigung war ich komplett fertig und habe mich für Wochen in mich zurückgezogen.