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Freundschaftsanfrage zur Unzeit

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Ich verbrachte die Wartezeit an der Werkstatt damit, die neuesten Freundschaftsanfragen durchzugehen und sie eine nach der anderen zu entfernen. Jedes Mal fragte ich mich, ob dieser Typ jemand sein könnte, den ich tatsächlich im wirklichen Leben getroffen hatte und als Freund haben wollte.

Ich hatte weit über hundert Anfragen entfernt, als ich endlich ein bekanntes Gesicht sah.

Es war Lothar. Der hilfsbereite junge Mann, dem sogar mein Raucheratem schmeckte. Ich lächelte zurück in sein freundliches Gesicht auf meinem Display und wollte ihn gerade als Freund hinzufügen, als mir klar wurde, dass seine Anfrage auf Mitte Mai zurückging.

Ich zögerte. Wie konnte er mir im Mai eine Freundschaftsanfrage schicken, wenn wir uns erst seit Sonntagfrüh kannten?

Ich ging nach draußen, zog meine Maske herunter und musste noch schnell eine rauchen, bevor ich zu meinem Handy zurückkehrte.

Ich suchte nach dem letzten privaten Foto, das ich aus Versehen öffentlich gemacht hatte. Bald fand ich es. Das war auch im Mai, ungefähr zur Zeit von Lothars Freundschaftsanfrage. Es war ein ziemlich unschuldiges Bild mit mir im Vordergrund, lachend, rauchend und Bier trinkend und mit einigen von meinen Freunden aus dem wirklichen Leben. 266 Likes kriegte es innerhalb von zwei Stunden, bevor ich den Fehler erkannte und den Status in 'Nur für Freunde' änderte. Ich bin die Likes durchgegangen. Und da war Lothar wieder. Er hat mein Foto schon zwei Monate bevor wir uns trafen gelikt.

Ich habe die Ereignisse vom Sonntag noch einmal Revue passieren lassen. Lothar hatte viel übers Rauchen geredet, mich zum Rauchen in seinem Auto ermuntert, wollte mir beim Autofahren beim Rauchen zusehen, und er wollte mich unbedingt leidenschaftlich küssen, als ich gerade einen Zug aus meiner Zigarette genommen hatte. Alles sehr verdächtig.

Wenn ich je einen Mann mit einem Rauchfetisch getroffen hatte (und das hatte ich), dann war Lothar einer.

Ich kehrte in Gedanken zu unserer 'zufälligen' Begegnung auf der Straße am frühen Sonntagmorgen zurück und fragte mich, warum Lothar an einem Sonntag vor sieben Uhr bei mir im Stadtteil in Joggingklamotten rumlief und sein Auto vor einer Einfahrt geparkt hatte.

Die Stimme meines freundlichen Mechanikers unterbrach meine Gedanken:

"Der Reifen war in Ordnung. Er brauchte nur Luft."

"Was? Kein Loch?"

"Nein. Und das Ventil ist in Ordnung. Vielleicht hat jemand absichtlich die Luft rausgelassen?" sagte er mit einem Schulterzucken.

"Ich wüsste nicht, wer sowas tun würde," log ich und dachte an Lothar.

Mein Mechaniker überreichte mir eine Rechnung von 25 Euro, die ich gleich bezahlte. Ich fuhr zerstreut und nachdenklich durch den dichten Feierabendverkehr.

Zurück in meiner Wohnung, um sechs, rauchte ich auf dem Balkon und dachte über die Lage nach.

Als ich die Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, hatte ich einen Entschluss gefasst: Ich würde Lothar auf dem Restaurantschiff treffen und ihn mit meinem Wissen konfrontieren.

Ich duschte ausgiebig und putzte mir gründlich die Zähne, um meinen angeblich leckeren Raucheratem womöglich loszuwerden. Danach kleidete ich mich fast androgyn in ein neutrales schwarzes T-Shirt mit einem engen Sport-BH darunter, blaue Levi's-Jeans, weiße Tennissocken und meine alten Birkenstocks. Ich wurde also eine Vertreterin der deutschen Socken-in-Sandalen-Spezies. Überhaupt gab ich mir die größte Mühe so unsexy wie möglich zu erscheinen.

Ich trug kein Make-up auf und zog meine Haare straff zu einem Pferdeschwanz zusammen. Mein einziges sichtbares Tattoo waren die beiden Sternchen an meinem Ohr.

Ich steckte nur Schlüssel, Telefon, Kreditkarte und die Quittung von der Werkstatt ein. Meine Camel-Schachtel und mein Feuerzeug ließ ich auf der Küchentheke liegen.

Als ich mit dem Fahrrad durch die Innenstadt fuhr, wurde mir zweierlei klar: Erstens: Ich brauchte dringend was zu rauchen. Und zweitens: Das Wetter war umgeschlagen, und beim kühlen Wind war es zu kalt, um nur im T-Shirt draußen zu sitzen.

Ich fuhr absichtlich langsam, und kam 10 Minuten zu spät. Lothar winkte von einem Tisch auf dem Deck des Restaurantschiffs und hatte schon eine Flasche Wein in einer Kühlbox vor sich.

Ich schloss mein Fahrrad ab, betrat das Schiff und ging auf Lothar zu, der aufstand, um mich zu begrüßen.

Das Date mit mir schien für ihn eine gewisse Bedeutung zu haben. Er trug einen noblen Anzug mit weißem Hemd aber ohne Krawatte. Es ließ ihn noch jünger aussehen, ein bisschen wie ein übergroßer Konfirmand. Seine Joggingklamotten hatten ihn am Sonntagabend etwas underdressed erscheinen lassen. Jetzt war ich diejenige, die eher unkorrekt gekleidet war.

Ich ließ seine Umarmung über mich ergehen und blieb stehen, als er sich wieder hinsetzte und mich mit einer Handbewegung einlud, den zweiten Stuhl am Tisch einzunehmen.

"Ich möchte drinnen sitzen. Ich friere," protestierte ich und versuchte, so fies wie möglich zu sein.

"Gestern hast du mir gesagt, dass du lieber draußen sitzt."

"Gestern war gestern. Gestern ist nicht heute. Hast du mich nicht gehört? Mir ist kalt!"

"Ich hab uns diesen Tisch besorgt, damit du rauchen kannst, Sara."

"Ich hab aufgehört!"

"Du hast was?"

Lothar versuchte offensichtlich, seine Enttäuschung als Überraschung zu tarnen.

"Ich hab mit Rauchen aufgehört!"

"Wann?"

"Heute!"

"Einfach so? Cold turkey?"

"Genauso ist es!"

"Kannst du das?"

"Sicher! Warum nicht?"

"Gestern hast du deiner Tochter erklärt, wie süchtig du bist, und dass du unmöglich aufhören kannst."

"Ich hab schließlich auch aufgehört, als ich schwanger war," log ich. (Wahr ist, dass ich das Rauchen während meiner Schwangerschaft nie ganz lassen konnte. Ich habe zwar meinen Zigarettenkonsum drastisch gesenkt, aber jeden Tag eine oder zwei geraucht, die ich dann vor Mirandas Vater verheimlichen musste.)

"Aber warum? Bist du jetzt etwa schwanger?"

"Das geht dich nichts an. Aber nein. Nicht dass ich wüsste. Und ich verstehe nicht, wieso du mich fragst, warum ich aufgehört hab. Rauchen ist extrem ungesund. Weißt du das nicht?"

Ich hatte die Aufmerksamkeit der hart arbeitenden jungen Kellnerin auf mich gelenkt:

"Entschuldigung, könnten wir bitte drinnen einen Tisch bekommen?"

"Es tut mir leid. Bei der Reservierung hat der Herr ausdrücklich nach einem Tisch draußen gefragt. Er meinte, Sie wollten unbedingt rauchen. Und das geht leider nur an dieser Reihe von Außentischen."

"Das muss ein Missverständnis sein. Ich bin Nichtraucherin. Und ich möchte drinnen sitzen, wo es wärmer ist, und wo mir beim Essen kein Rauch ins Gesicht geblasen wird."

"Sie hatten großes Glück diesen Tisch zu bekommen, nur weil wir eine Absage hatten. Alle Tische drinnen sind besetzt."

"Aber viele Tische sind doch leer!" sagte ich und zeigte auf das Innere des Schiffs.

"Ja. Wegen Corona müssen wir Tische unbenutzt lassen."

"Ach so."

Ich blieb unschlüssig stehen, als die Kellnerin den sauberen Aschenbecher von unserem Tisch wegnahm und weiterflitzte, um andere Gäste zu bedienen. Lothar stand auf und legte mir seine Jacke um die Schultern. Widerstrebend setzte ich mich.

Lothar goss Wein in mein Glas, und wir tauchten in unsere Speisekarten ein, während ich ab und zu neidisch auf die beiden rauchenden Frauen hinter Lothar einen Blick warf.

"Ich denke, ich nehme die Calamari als Vorspeise. Apropos deine Tintenfisch-Tattoos," sagte Lothar.

"Würdest du bitte aufhören über meine Brüste zu reden?"

"Komm schon, Sara! Wir haben gestern drüber Witze gemacht."

"Schon möglich. Aber wie gesagt: Gestern war gestern. Hör bitte auf, dich über meine Brüste lustig zu machen?"

Die rauchenden Frauen am Nebentisch drehten ihre Köpfe, als ich am Ende meines letzten Satzes etwas laut geworden war. Vielleicht mochten sie es auch nicht, wenn Männer Witze über ihre Titten machten.

Lothar entschied sich schließlich für eine andere Vorspeise.

Er arbeitete hart, um ein Gespräch in Gang zu bringen, fragte mich nach meinem Arbeitstag, ob ich von Miranda gehört hätte und so. Ich gab immer wieder kurze Antworten wie 'ja', 'nein' und 'vielleicht', ohne irgendwie zu einer netten Atmosphäre beizutragen. Dies dauerte ungefähr 20 Minuten, während wir unsere Vorspeisen aßen. Als die Kellnerin, die wohl etwa gleichaltrig mit Lothar war, unsere Teller abgeholt hatte, ging ich zum heiklen Thema über:

"Du hast mir eine Freundschaftsanfrage auf Facebook geschickt?"

"Ja?"

"Ja. Und zwar am 15. Mai."

Lothar schwieg.

"Und ich frage mich, warum du mir im Mai eine Freundschaftsanfrage geschickt hast, da wir uns erst seit gestern kennen."

"Ich weiß nicht. Aus Versehen nehme ich an."

"Aus Versehen? Du findest mein Facebook-Profil aus Versehen? Und dann schickst du aus Versehen eine Freundschaftsanfrage an eine Frau, die du nicht kennst? Passieren solche Fehler dir oft?"

"Ich weiß nicht."

"Du hast am 13. Mai auch ein Foto von mir auf Facebook gelikt. Erinnerst du dich dran?"

"Nein."

"Es ist ein Bild von mir, wie ich mit ein paar Freunden ein Bier trinke und eine Zigarette rauche."

"Das sagt mir jetzt nichts."

"Vielleicht hast du das Bild auch aus Versehen gelikt?"

"Könnte sein."

Jetzt war Lothar derjenige mit den kurzen Antworten.

"Noch eine Frage: Was hast du gestern Morgen um Viertel vor sieben vor meinem Haus gemacht?"

Wir wurden von der Kellnerin unterbrochen, die unsere Hauptgerichte brachte. Wir schwiegen, solange sie am Tisch war.

"Ich war joggen."

"Ach so. Du wohnst in Wandsbek. Warum joggst du nicht bei dir in Wandsbek?"

"Ich... mag die Strecke um die Außenalster."

"Okay. Du fährst also von Wandsbek und parkst dein Auto vor einem Tor, und nimmst dabei ein heftiges Bußgeld in Kauf. Und dann fasst du spontan den Entschluss, mich und meine Tochter nach Travemünde zu fahren?"

"Ja."

Keiner von uns hatte die vollen Teller vor uns noch angerührt.

"Hast du die Luft aus meinem Reifen gelassen?"

"Warum fragst du das?"

"Weil mein Mechaniker mir sagt, dass mit dem Reifen und dem Ventil alles in Ordnung war, und dass jemand die Luft rausgelassen haben muss. Auch so ein Versehen von dir, Lothar?"

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er sah fast aus, als würde er weinen. Ich redete weiter:

"Die Luft aus einem Autoreifen zu lassen, gilt als Sachbeschädigung im Sinne des Paragraphen 303 Strafgesetzbuch. Ich hab das heute im Internet nachgeschlagen. Müsstest du als angehender Jurist eigentlich wissen. Ich hab übrigens in der Werkstatt 25 Euro bezahlt. Das Geld hätte ich gern von der Person zurück, die die Luft rausgelassen hast."

Ich zog die Quittung aus der Tasche und legte sie demonstrativ neben Lothars Teller.

Er murmelte etwas von einem Handy.

"Was? Ich hab dich nicht gehört!"

"Ich fragte: Hast du die PayPal-App auf deinem Handy?"

"Ja."

Lothar überwies Geld von seinem Handy auf mein Konto. Ich füllte mein leeres Weinglas auf und nahm einen großen Schluck.

"Ich nehme das als Geständnis," sagte ich. "Aber ich hätte auch gerne eine Erklärung. Du scheinst mich seit Monaten im Internet zu verfolgen. Du hast wohl die Sylt-Bilder im Internet gefunden?"

"Ja."

"Als ich gestern geraucht habe... Hat es dir gefallen?"

"Sehr."

"Und du bekommst einen Ständer, wenn du mich rauchen siehst?"

Bei meiner betonten Aussprache des Wortes 'Ständer' schauten die beiden rauchenden Frauen am Nachbartisch wieder zu uns rüber. War mir aber egal.

"Jedes Mal," gab Lothar zu.

"Weißt du, dass ich jede Woche Freundschaftsanfragen auf Facebook bekomme von völlig fremden Männern? Die meisten mit ausländischen Namen. Würdest du dich mit Leuten anfreunden, wenn alles, was du über sie weißt, ist, dass sie einen Steifen bekommen, wenn sie ein Foto von dir mit einer Zigarette sehen?"

"Vielleicht nicht."

"Ich, eine völlig unbekannte Krankenpflegerin aus Hamburg, hab 3.600 männliche Follower auf Facebook. Tendenz steigend. Und du bist einer von ihnen, ne?"

"Ja."

Ich trank aus und füllte mein Glas wieder, bevor ich weitersprach:

"Ich glaub, dass die meisten von meinen Followern auf Facebook und die meisten Männer, die meine sogenannten Freunde auf Facebook werden wollen, einen Rauchfetisch haben. So wie du, ne?"

"Ja."

"Gut. Zumindest weißt du es. Jetzt iss. Dein Essen wird kalt."

Wir aßen einige Minuten in einer etwas angespannten Stimmung. Ich bestellte noch eine Flasche Wein, wohl wissend, dass Lothar dafür bezahlen musste, und überlegte meinen nächsten Schritt.

Dann fing Lothar plötzlich an, in längeren Sätzen zu sprechen:

"Vor ein paar Monaten bin auf deine Fotos gestoßen. Als ich die ersten gesehen hatte, suchte ich gezielt nach Bildern von dir. Ich fand sie auf Websites in Deutschland, in Europa, in Amerika und in Fernost."

"Ich weiß. Mein Ruf als Starmodel hat sich seit 16 Jahren herumgesprochen," kommentierte ich und trank einen Schluck Wein.

"Ich hab die Bilder von dir heruntergeladen und chronologisch sortiert, um die Reihenfolge zu rekonstruieren, in der sie aufgenommen wurden. Ich hab mir Serien gemacht wie 'das rote Kleid', 'das blaue Kleid', 'der BMW', 'beim Bodypainter', 'im Leuchtturm', 'im Casino' und so weiter. Ich hab sie als Diashows gespielt und sie wirklich genossen. Irgendwann hatte ich alles heruntergeladen, was ich finden konnte, und ich spürte das Bedürfnis, näher an dich ranzukommen."

Mit einem Nicken ermutigte ich ihn, weiterzureden.

"In einem Thread unter einem Bild von dir hab ich dann irgendwann deinen vollen Namen herausgefunden."

"Ja?"

"Der Rest war ein Kinderspiel. Ich hab dich gegoogelt und dich auf Facebook gefunden. Auf dem Profilbild siehst du genau so unwiderstehlich und sexy aus wie auf den Sylt-Bildern."

Ich persönlich habe keine Probleme, zwischen meinem Aussehen vor 16 Jahren und heute zu unterscheiden. Aber das war ja kein Grund, ihn zu unterbrechen. Er sprach weiter:

"Auf Facebook fand ich heraus, wo du arbeitest. Deine private Adresse und die Telefonnummer waren leicht zu finden. Also wusste ich, wo du wohnst. Ich kam vorbei und erkannte den BMW von den Fotos. Dann fand ich einen alten Facebook-Post, wo dein Ex-Mann dich getaggt hatte."

"Andreas hast du also auch gestalkt?"

"Nur das Nötigste, um mit dir in Kontakt zu kommen. Letzte Woche hat er über den Segeltörn gepostet. Er schrieb, wie sehr er und seine Freundin sich darauf freuten, Miranda am Sonntagmorgen in Travemünde zu begrüßen. Ich hab am Samstag dein Haus überwacht und festgestellt, dass du noch mit Miranda zu Hause warst."

"Du hast mich also nicht nur online sondern auch offline überwacht?" fragte ich wütend und leerte mein Glas.

"Ein bisschen. Ja," gab er zu.

"Als Jurastudent weißt du bestimmt, was eine einstweilige Verfügung ist."

"Jaja. Jedenfalls beschloss ich, sonntagfrüh vorbeizukommen und Kontakt aufzunehmen. Ich hab in der Nacht kaum geschlafen. Dann hab ich fast zwei Stunden gewartet, bis ihr runtergekommen seid. Als ich dich sah, warst du einfach so strahlend schön. All die Hunderte von Fotos verblassten im Vergleich. Ich meine... ich hatte so'ne Vorstellung, du wärst in meinem Alter."

"Die Fotos sind von 2004."

"Ich weiß. Aber in meinem Kopf warst du in meinem Alter. Wie auch immer, es war erstaunlich, deinen schönen, sonnengebräunten Körper, dein wunderschönes Gesicht, dein Kinngrübchen zu sehen und deine kratzige Stimme zu hören..."

Ich räusperte mich:

"Findest du meine Stimme 'kratzig'?"

"Ja. Du hast diese für eine Frau sehr tiefe, heisere Stimme. Und sie klingt unglaublich sexy. Aber deine Tattoos haben mich total überrascht. Sie lassen dich so anders aussehen als auf den Bildern."

"Hier bin ich: Nach 16 Jahren, einer gescheiterten Ehe, einem Scheidungskind, Tattoos im Wert von 15.000 Euro und ungefähr 150.000 auf Lunge gerauchte Zigaretten. So sieht das aus, und so hört sich das an," sagte ich und trank noch einen Schluck von dem guten Wein, bevor ich weiterredete.

"'Rauchen lässt Ihre Haut altern', steht auf meinen Camel-Packungen. Die Erfahrung hab ich inzwischen auch gemacht. Du kannst ja mal mein Gesicht von heute mit den Fotos vergleichen."

"Aber Sara, ich finde dich noch anziehender als auf den alten Bildern. Du bist in deiner Reife sogar noch attraktiver."

Reife? Bin ich etwa alt? fragte ich mich und fokussierte darauf, mich ruhig zu verhalten. Für sein ungeschicktes Kompliment wollte ich diesem Stalker nicht auch noch danken.

"Und ich liebe einfach deine Tattoos, weißt du das?"

"Ja. Das hast du erwähnt. Und ich will nicht, dass du jetzt von vorne anfängst mit deinen Lobeshymnen. Aber warum musstest du die Luft aus meinem Reifen lassen?"

"Nun... das war eine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen."

"Eine sehr radikale Möglichkeit. Du begehst eine Straftat, um mit einer Frau in Kontakt zu kommen, die du nur von Fotos aus dem Internet kennst, und die rein technisch deine Mutter sein könnte. War das klug?"

"Es hat funktioniert. Und außerdem... Hättest du ja gesagt, wenn ich einfach auf dich zugegangen wäre und gesagt hätte, dass ich monatelang deine Bilder fürs Wichsen benutzt hatte und dich unbedingt kennenlernen wollte?"

"Nicht unbedingt."

Ich musste beim Gedanken schmunzeln.

"Hör zu, das mit dem Reifen tut mir leid. Aber der entscheidende Punkt in meinem Plan war ja, dass ich dir mit deinem Problem helfe und dich und Miranda nach Travemünde fahre."

"Und dann wäre ich aus reiner Dankbarkeit ein leichtes Opfer deiner Verführung?"

"Hat doch geklappt. Ich war so glücklich, als du eingewilligt hast, zum See zu fahren."

"Und zufällig kanntest du einen guten Ort fürs Nacktbaden."

"Das war kein Zufall. Ich hatte Stunden damit verbracht, das mit Google Maps zu planen."

Wir waren mit dem Essen fertig, und die Kellnerin holte unsere Teller.

"Möchten Sie ein Dessert?" erkundigte sie sich.

Lothar sah mich fragend an.

"Ich nehme das Tiramisu," sagte ich, weil ja Lothar die Rechnung nachher übernahm.

"Das gleiche für mich, bitte," sagte er.

Meine Hände suchten reflexartig nach den Zigaretten, die ich auf meiner Küchentheke liegen gelassen hatte. Dies wäre ein guter Zeitpunkt, eine zu rauchen. Stattdessen stellte ich neue Fragen:

"Du hast doch keine Probleme, eine Freundin zu finden? Ich meine... so wie du aussiehst."

"Vielleicht nicht. Aber ich will keine Freundin. Ich will dich, Sara!"

"Wirklich? Woher weißt du das? Wir kennen uns kaum. Und ich bin 35. Ich könnte deine Mutter sein."

"Ich weiß. Aber du bist nicht meine Mutter. Du bist die Frau, in die ich verliebt bin."

"Du willst ernsthaft, dass wir beide eine Beziehung anfangen? Nur weil du ein paar alte Bilder von der Teenie-Sara mit bemalten Brüsten fürs Onanieren benutzt hast?"

"Nein. Nicht deswegen, sondern weil wir gestern einen tollen Tag hatten. Ich hab dich doch jetzt kennengelernt, Sara. Und ich mag dich wirklich sehr. Du bist schlau, schön und sexy, und ich hab das Gefühl, wir sind auf der gleichen Wellenlänge."

"Und jedes Mal wenn ich eine Zigarette rauchte, hattest du so'ne Latte in der Unterhose. Bei allem Respekt ist das eine etwas oberflächliche Basis für eine Beziehung. Findest du nicht? Es fällt mir ein wenig schwer zu glauben, dass deine Gefühle für mich über deinen Rauchfetisch hinausgehen. Was du willst, ist eine attraktive Frau, die möglichst viel raucht und ihren tätowierten Körper zeigt und nicht mich als die Person, die ich bin."

Die Frauen am Nachbartisch glotzen wieder.

"Das ist nicht wahr," erwiderte Lothar.

"Willst du mich etwa immer noch, jetzt wo ich mit Rauchen aufgehört hab?"

"Gestern hab ich mich in dich verliebt. Vergiss einfach die blöden Fotos im Internet. Ich bin natürlich immer noch in dich verliebt, auch wenn du Nichtraucherin bist."

"Und was ist mit deinem Fetisch?"

"Glaub mir, ich hab neben dem Rauchen noch andere Kriterien, um mich in eine Frau zu verlieben."

"Also wenn ich jetzt, rein theoretisch, als Nichtraucherin deine Freundin werden würde, müsste ich mir keine Sorgen machen, dass du auf die Jagd nach Raucherinnen zum Verlieben gehst?"