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Galaverse-Story: Unvollständig

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Doch ich vertraute ihm nicht. Ich vertraute niemandem. Nur mir selbst.

Ausserdem war ich keine Verräterin. Ich lieferte meinen Zuhälter nicht ans Messer, was für ein Drecksack er auch immer war. Und Grigori war definitiv ein Drecksack. Aber er hielt sich an die Abmachung. Wir bezahlten ihm die Hälfte unserer Einnahmen, er beschützte uns.

Keine von uns sagte ein Wort. Manche, weil sie Angst vor Grigori hatten. Einige, weil sie sich, wie ich, an die Abmachung hielten.

Erneut schien das Hermelingesicht (was hatte er gesagt, wie er hiess? Yegor?) ein sehr feines Gespür zu besitzen.

"Ihr alle kennt doch eine junge Frau namens Helen Schneider, nicht wahr?" Ich horchte auf. Helen, Gefechtsname 'Blümchen', war am gleichen Tag wie ich mit der Tarishova im Galamex-System angekommen. Ich kannte sie gut. Vielleicht zu gut. Sie war seit fast einer Woche nicht mehr in unserer Bleibe aufgetaucht. Als ich Grigori nach ihr gefragt hatte, hatte er gesagt, er suche ebenfalls nach ihr. "War sie nicht eine von euren ... Leidensgenossinnen?" Er kannte den Ausdruck! Dieser adrett wirkende Sicherheitschef hatte es definitiv faustdick hinter den Ohren! Er bemerkte sofort, dass wir Helen tatsächlich kannten. Er konnte Gesichter gut lesen, so wie ich. Sein Lächeln verschwand und wurde von etwas ersetzt, dass beinahe so wie Trauer wirkte. "Es tut mir leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass Helen Schneider tot ist." In vielen der Gesichter meiner ... Mitbewohnerinnen zeigte sich augenblicklich Entsetzen. Ich liess mir derweil nichts anmerken. Vielleicht log uns das Hermelingesicht ja auch einfach nur an. "Ein Freier hat sie während des Aktes stranguliert."

Einige der Frauen schnappten unwillkürlich nach Luft, und Roberta, eine Amerikanerin irischer Abstammung, die für mich am ehesten einer Freundin gleichkam, wollte bereits etwas sagen, doch meine Augen funkelten sie warnend an. Wir waren keine Verräterinnen. Robbie sah mich an und hielt die Klappe.

Hermelingesicht kam auf mich zu und blieb einen Schritt vor mir stehen. Verdammt! Er hatte mich wohl als so etwas wie die Rädelsführerin ausgemacht. Ich musste bei diesem Mann äusserst vorsichtig sein! Er fixierte mich mit seinem aufmerksamen Blick, doch seine Worte waren an alle gerichtet.

"Der Freier, ein von Arboriana stammender Tourist, wollte gerade den Planeten verlassen, als wir ihn gefasst haben. Er hat uns versichert, es habe sich um einen 'Unfall' gehandelt. Ein Rollenspiel, welches ausser Kontrolle geraten sei." Er machte eine Pause, während seine forschenden Augen nach irgendeinem Zeichen, irgendeiner Regung auf meinem Gesicht suchten. "Er habe daraufhin Grigori Stukov 20'000 Stellari überwiesen, damit dieser ihn verschont und laufen lässt." Das passte durchaus zu Grigori. Da er Helen nicht hatte schützen können, hätte er an dem Freier ein Exempel statuieren müssen, damit zukünftige Kundschaft wissen würde, was ihr blühte, wenn sie uns Schaden zufügte - oder sogar tötete. Stattdessen hatte er es dem Freier gestattet, sich freizukaufen. Wie gesagt, ein Drecksack. Das kam aber nicht unerwartet. Ein angedeutetes Grinsen erschien auf dem Hermelingesicht, als habe er in meinem etwas erkannt. Sternverdammt! Das Gespür dieses Mannes war mehr als gut! "Wir haben die Angaben des Freiers überprüft. Es gab tatsächlich eine Überweisung an Grigori Stukov. Allerdings fand diese VOR dem Akt statt."

Ich konnte nicht anders; Ich riss die Augen auf, während mir die Bedeutung Hermelingesichts Aussage bewusst wurde.

"Das ist gelogen", sagte ich leise. Ja, Grigori war ein Drecksack. Aber nicht SO ein Drecksack. Das konnte einfach nicht sein!

Hermelingesicht hielt mir sein ComPad hin. Auf dem kleinen Bildschirm war ein Bild der toten Helen 'Blümchen' Schneider zu sehen, darunter eine Reihe von Daten.

"Gemäss Autopsie liegt Helen Schneiders Zeitpunkt des Todes irgendwo zwischen 22:00 Uhr und Mitternacht." Er zog das ComPad zurück, tippte darauf herum und hielt es mir wieder vors Gesicht. Nun zeigte es die Daten einer Banküberweisung. "Die Bezahlung erfolgte jedoch bereits um 18:00 Uhr." Er liess seine Worte einen Moment lang wirken, bevor er sich von mir abwandte und den Blick über alle anwesenden Frauen schweifen liess. "Grigori Stukov hat die heilige Abmachung zwischen Zuhälter und Hure gebrochen. Er hat Helen Schneiders Leben für 20'000 Stellari verkauft. Er hat eine von euch verraten. Wir haben sein ComPad geortet. Es befindet sich aktuell in diesem Gebäude. Wenn es sein muss, lasse ich dieses Haus einreissen, um diesen Drecksack zu finden. Ihr hättet dann keine Bleibe mehr. Wir würden euch zwar provisorische Unterkünfte besorgen, aber mir wäre es dennoch lieber, wenn ich nicht zu solch drastischen Massnahmen greifen müsste. Aber seien sie versichert: Ich werde dieses Haus einreissen, wenn mir keine Alternative geboten wird. Grigori Stukov gehört wegen Beihilfe zum Mord hinter Gitter. Und ich will verdammt sein, wenn ich ihn nicht dahin bringe."

Die Entschlossenheit in den Augen des hermelingesichtigen Mannes liess nicht den geringsten Zweifel daran, dass er es absolut ernst meinte. Also traf ich eine Entscheidung, obschon es nun Robertas Augen waren, die mich warnend anfunkelten.

"Im Keller", sagte ich. "Da steht an der östlichen Wand ein grosser, schwerer Schrank. Grigori kann diesen mit seinem ComPad zur Seite fahren lassen. Dahinter befindet sich eine Tür, die zu seinem Quartier führt."

Der Sicherheitschef gab einigen seiner Leute Handzeichen, worauf diese das Zimmer verliessen, vermutlich um den Keller aufzusuchen.

"Danke, Frau O'Malley."

"Du ... kennst meinen Namen?", fragte ich überrascht. Sein freundliches Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück.

"Ich kenne den Namen jeder Person in diesem Raum, einschliesslich ihrem, Keara O'Malley", antwortete er achselzuckend. "Ich bin gerne vorbereitet, wenn ich auf Ausseneinsatz gehe."

Von unten drangen laute Geräusche nach oben. Dann fielen plötzlich Schüsse.

Der Sicherheitschef (Yegor? Yegor!) eilte aus dem Raum und ich ihm hinterher.

"Sie sollten hierbleiben, Frau O'Malley."

"Nein", erwiderte ich trotzig. Er machte keine Anstalten, mich aufzuhalten. Erst als wir die Eingangstür des Kellerraumes erreichten, hielt er inne und presste mich sanft an die Wand neben der Tür.

"Lassen sie mich wenigstens sicherstellen, dass keine Gefahr besteht, okay?" Ich nickte, während er mit gezogener Waffe in den Keller spähte. Dann entspannte er sich. Zwei seiner Leute kamen raus, zwischen ihnen Grigori, in Handschellen. Der Zuhälter schaute mich wuterfüllt an.

"Verräterin!", zischte er, worauf ich ihm ins Gesicht spuckte.

"Nein. DU bist der Verräter, Grigori! Du hast mir gesagt, du wüsstest nicht, wo Helen ist! Dabei hast du sie verkauft, du mieses Stück Scheisse!!" Tränen liefen meine Wangen entlang. Ich hatte soeben mein Leben ruiniert. Keiner der anderen Zuhälter hier auf dem Planeten würde mich nach dieser Aktion noch unter seine Fittiche nehmen. Ich hatte mich selbst, so gerechtfertigt dies auch sein mochte, als Verräterin gebrandmarkt. Von jetzt an würde mich niemand mehr in Schutz nehmen. Und, wie meine Mutter immer wieder gesagt hatte, war eine schutzlose Hure eine tote Hure. Ich hatte mein Leben ruiniert.

Ein weiterer Mann trat aus dem Keller, während die anderen beiden Grigori wegbrachten. Er sah ziemlich angeschlagen aus.

"Alles in Ordnung mit dir, Paul?", fragte Hermelingesicht - ich meine, Yegor! - mit echt besorgter Miene.

"Jaah", krächzte der Mann namens Paul. "Der Arsch hat aus kürzester Distanz auf mich geschossen. Voll in die Brust! Natürlich trage ich wie immer meine Sicherheitsweste. Aber es tut trotzdem sternverdammt weh!"

"Okay, komm, ich helfe dir nach oben. War wohl doch eine gute Idee, einen Sanitäter mitzubringen, was? Der schaut sich das gleich an."

"Du hast's einfach drauf, Boss", meinte Paul und liess sich von dem Mann stützen.

Als wir nach oben kamen und aus dem Gebäude traten, sah ich gerade noch, wie Grigori in einen Gleiter bugsiert wurde. Yegor übergab Paul der Obhut eines anderen Mannes und wandte sich dann mir zu.

"Sie machen sich Sorgen, was aus ihnen werden soll", sagte er unverblümt.

"Schlaues Kerlchen. Und hör endlich auf, mich zu siezen, Yegor", antwortete ich. Ich wusste nicht warum, aber ich konnte den Mann gut leiden - obschon er ein Konzernwichser war.

"Na schön. Keara. Du befürchtest, dass du als Verräterin gebrandmarkt wirst und daher nicht mehr im Horizontalgewerbe tätig sein kannst."

"Für den Sicherheitschef eines Konzernes kennst du dich aber ziemlich gut im Milieu aus", stellte ich fest. "Kriminelle Vorgeschichte?"

Er lächelte verschmitzt, liess aber meine Frage unbeantwortet.

"Hast du dir schon Mal überlegt, etwas anderes zu machen? OB hat jede Menge Jobs zu bieten. Und wenn du Hilfe brauchst-"

"Danke, aber nein, Danke!", unterbrach ich ihn schroff. Er mochte mir sympathisch sein, doch vertrauen tat ich ihm trotzdem nicht. Seit meine Mutter gestorben war, kam ich alleine zurecht. Ich hatte nicht vor, dies zu ändern. Ich konnte mich nur auf einen Menschen verlassen. Mich. "Ich komme schon klar."

"Ich verstehe", sagte er, und aus irgendeinem Grund hatte ich tatsächlich den Eindruck, dass er dies tat. Er griff nach seinem ComPad und tippte darauf herum. "Solltest du es dir irgendwann anders überlegen: Ich habe deinem ComPad meine Kontaktdaten geschickt. Falls wir uns aber nicht wiedersehen sollten, Keara, dann leb wohl. Lass dich nicht unterkriegen. Schon gar nicht hier. Auf Galamex 2 ist nämlich alles möglich."

***

Auch dieser Traum endete und liess mein Bewusstsein alleine zurück in diesem so verdammt seltsamen, unnatürlichen Schlaf. Warum schlief ich? Was hatte dazu geführt? Das Labyrinth erhörte mich und schickte mir einen weiteren Traum.

***

Der Andrang war, wie jeden Tag, enorm. Die frisch eingetroffenen Siedler standen dicht beieinander, was mir doch einige Mühen bereitete, um durch die Reihen zu gehen. Zum Glück war ich komplett mit Primal Scream zugedröhnt. Ohne dessen berauschender und beruhigender Wirkung hätte ich es wohl zwischen dieser Masse an Menschen kaum ausgehalten.

"Wasser! Braucht jemand Wasser!", rief ich. Ich konnte das Gewicht des Flüssigkeittornisters auf meinem Rücken deutlich spüren, aber er wog bei weitem nicht so schwer, wie noch vor einer Stunde. Die Leute, die hier stundenlang darauf warten mussten, abgefertigt zu werden, um endlich von Crow Town nach OB reisen zu können, hatten Durst. Und ich versorgte sie mit Wasser. Ein Job, den wohl auch eine Drohne hätte erledigen können. Aber zu meinem Glück mangelte es der Flotte aktuell an Drohnen, die sie für eine solche Tätigkeit verwenden konnten. Also hatten sie dafür Menschen eingestellt, einschliesslich mir, obschon ich mit meinen Einsfünfzig nicht viel grösser war, als die vielen Kinder der Siedler. Bald würde ich zum Depot zurückkehren müssen, um Nachschub zu besorgen. Aber für ein paar Leute sollte mein Bestand noch reichen.

Ein kleines, blondes Mädchen blickte mich hoffnungsvoll an, sagte aber nichts. Ich kniete mich zu ihr nieder.

"Hast du Durst, kleine? Möchtest du etwas zu trinken?"

Sie wandte sich ab und vergrub ihr zierliches Gesicht im Schoss ihrer Mutter.

"Sie schicken die Sterne!", sagte die Frau zu mir. "Ja, sie hat Durst, aber sie ist schüchtern!"

Ich lächelte der Frau zu.

"Kein Problem. Ich war in ihrem Alter nicht anders." Ich zog den einfahrbaren Schlauch des Tornisters nach vorne, packte einen Faltbecher aus und füllte diesen mit Wasser, bevor ich diesen der Frau reichte. "Hier."

"Oona, schau die nette junge Frau an und bedank dich", sagte die Frau zu ihrer Tochter, doch diese machte keine Anstalten, sich vom Schoss ihrer Mutter zu lösen.

"Schon gut", antwortete ich, winkte der Frau nocheinmal zu und wollte mich gerade entfernen, als plötzlich, nicht allzu weit entfernt, Schüsse fielen. Jemand schrie, gefolgt von weiteren Schreien. Und dann begann sich die Masse an Menschen um mich herum zu bewegen, als würde es sich dabei um einen einzelnen Organismus handeln. Die Leute stiessen und drängten. Ein grosser, kräftig gebauter Mann rempelte die Mutter des Mädchens an, worauf diese stolperte, hinfiel und mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Das Mädchen begann zu weinen. Ich wollte zu ihr eilen, um sie in den Arm zu nehmen und wegzutragen, weg von den in Panik geratenen Menschen, doch kurz bevor ich sie erreichen konnte, wurde ich selbst zu Boden geworfen. Ich landete auf dem Rücken. Der gepolsterte Tornister hatte meinen Sturz abgefangen, aber nun lag ich, alle Viere von mir gestreckt, hilflos da, wie eines dieser Tiere, die ich während meiner Kindheit in einer Doku gesehen hatte. Wie hiessen die doch gleich? Schildpfoten?

Jemand trat auf meinen linken Arm. Über all den Lärm hinweg hörte ich ganz deutlich das Geräusch brechender Knochen. Meiner Knochen. Aber irgendwie sorgte die Primal Scream Dröhnung dafür, dass der Schmerz nicht augenblicklich eintrat, sondern nur ganz allmählich wuchs. Schildtröten?

Den rechten Arm ereilte dasselbe Schicksal. Ein schwerer Fuss trat auf den Oberarm, während sich allmählich der Schmerz meines linken Armes in meinem Bewusstsein breitmachte. Wieder das Geräusch brechender Knochen, aber nicht von meiner Seite, sondern von der Unterseite meines Körpers. Meine Beine! Jemand war auf meine Beine gefallen, hatte es geschafft, sich wieder aufzurappeln und war weitergerannt. Ich versuchte, meine meditativen Techniken einzusetzen, doch nun war der Schmerz zu stark. Er frass sich durch meinen zugedröhnten Verstand, erreichte das letzte Körnchen Klarheit, welches ich noch besass, bevor mich jemand heftig in meine Lendengegend trat. Dieser Schmerz griff augenblicklich, gesellte sich zum bereits vorhandenen und stiess mich in willkommene Schwärze, begleitet von einem einzelnen Wort.

Schildkröte.

***

Der Traum, der nichts anderes als meine letzte Erinnerung war, endete nicht einfach. Er stiess mich zu guter Letzt aus meinem seltsamen, unnatürlichen Schlaf. Zurück ins Wachsein. Zurück ins Leben. Ich hatte überlebt! Ich hatte mich nicht unterkriegen lassen!

***

Mein Körper fühlte sich taub an, und ich konnte weder Arme noch Beine spüren. Ich öffnete die Augen, doch ich wurde nur von Dunkelheit empfangen.

"Ha-hallo?" Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch.

"Den Sternen sei Dank, Keara! Du bist wach!", sagte eine weinerliche Stimme, die ich zu kennen glaubte.

"R-Robbie? Bist du das?" Schluchzen. Warum schluchzte sie? Roberta war kein Weichei! Ich hatte miterlebt, wie Grigori sie einmal windelweich geprügelt hatte, weil sie Einnahmen vor ihm hatte verstecken wollen. Sie hatte damals geweint, ja. Aber nicht geschluchzt. Was war mit diesem Weib los? "Wo bin ich? Was ist passiert?"

"Oh, Keara! Es tut mir ja soooo leid!!"

"Hör endlich auf zu flennen, Bitch!"

"Ja! Okay! Sorry! Du, du bist im Krankenhaus in OB! Beim Siedlerempfang in Crow Town kam es zu einer Massenpanik! Du wurdest dabei ... verletzt, und-"

"Jajaja, gebrochene Arme und gebrochene Beine, ich weiss!", unterbrach ich sie. "Aber warum, verficktnochmal, kann ich nichts sehen?!"

"Weil du eine Augenbinde trägst", antwortete Roberta schniefend.

"Eine Augenbinde? Wurden meine Augen auch verletzt?"

"Nein, aber-"

"Ich kann meine Arme nicht bewegen, also nimm sie mir ab."

"Ich ... ich darf nicht."

"Was?!?" Das machte überhaupt keinen Sinn. Und wieso konnte das dumme Stück nicht endlich aufhören, zu flennen?! "Du sagtest doch, meine Augen seien nicht verletzt worden. Also warum, sternverficktnochmal, darfst du mir die Augenbinde nicht abnehmen?"

"Ich, ich soll auf einen Arzt warten, sagten sie. Warte kurz, ich gehe einen holen!"

"ROBERTA RILEY! DU BEWEGST JETZT DEINEN FETTEN ARSCH HIERHER UND NIMMST MIR DIESE AUGENBINDE AB, ODER ICH KRATZ DIR DIE AUGEN AUS!!"

Ich hörte, wie sich ihre Schritte näherten. Dann spürte ich ihre Hände an meinen Schläfen. Die pechschwarze Dunkelheit vor meinen Augen wurde von grellem Licht ersetzt, und ich musste erstmal blinzeln und meine Augen an den Lichteinfall gewöhnen. Als erstes sah ich Robertas verheultes Gesicht. Dann liess ich meinen Blick umherwandern. Ich lag tatsächlich in einem Krankenzimmer, einem ziemlich schicken sogar! Einem, den ich mir garantiert nicht leisten konnte. Aus dem Fenster konnte ich sogar den Cooperation Tower erkennen. Dann glitt mein Blick nach unten, dort wo sich meine gebrochenen Beine hätten befinden müssen. Doch da waren keine. Meine Beine, oder besser, was davon noch übrig war, endeten knapp unterhalb meines Beckens. Mein Herz begann, wie wild zu pochen, während sich das Grauen allmählich breitmachte. Ich richtete meinen Blick zögerlich zur Seite. Mein linker Arm war weg. Komplett weg, gleich nach der Schulter. Dasselbe schreckliche Schauspiel auf der anderen Seite.

"Ich träume", sagte ich ungläubig. Ja, es gab keine andere Erklärung. Zum ersten Mal in meinem Leben träumte ich tatsächlich und war in den fürchterlichsten Alptraum geraten, den man sich vorstellen konnte.

"Es tut mir ja so leid!", wiederholte Roberta Riley, jener Mensch, der für mich einer Freundin am nächsten kam. "Bei, bei der Massenpanik haben deine Glieder mehrfache Brüche erlitten! U-und weil du so viel Primal Scream intus hattest, mussten sie schnell handeln, weil sonst dein Kreislauf kollabiert wäre. Ich ... ich ..."

"Man hat mir Arme und Beine amputiert?" Meine Stimme klang so unwirklich. Als gehöre sie nicht mir. Dies musste ein Alptraum sein! Derweil nickte Roberta, während in ihren Augen neue Tränen entstanden. Ich verspürte plötzlich einen merkwürdigen Schmerz in meinem Unterleib. Ein Echo des Schmerzes aus meinem Traum. Aus meiner Erinnerung. In der Lendengegend. "Was ist mit meiner Pussy?" Roberta schniefte. "Robbie! Was. Ist. Mit. Meiner. Pussy!"

"D-deine Klit, deine Klit. Sie wurde, wurde abgerissen."

Der Schmerz in meinem Unterleib nahm zu. Pochend. Gefrässig. Unerbittlich. Bis er mir unmissverständlich vor Augen führte, dass dies noch kein Alptraum war. Es war mein Hier und Jetzt. Es war etwas, dass zu meiner Erinnerung werden würde. Um mich in meinen Träumen heimzusuchen.

Ich begann zu schreien. Ich schrie, so laut ich konnte. In der Hoffnung, dass, wenn es mir bloss gelang, laut genug zu schreien, mich dies töten würde. Ich schrie, bis ein schalkhaft wirkender Arzt ins Zimmer trat und mir eine Spritze verpasste und mich zurück in einen dunklen, den Sternen sei Dank, traumlosen Schlaf schickte.

*** Kapitel 02: Die Plaketten (aus Amadeos Sicht) ***

Trabantian hatte meine Forschung eingestellt. Die Antimaterie-Krise war vorbei, und trotzdem hatte Trabantian meine Forschung eingestellt. Meine Forschung. Über fünfzehn Jahre Arbeit, einfach für die Tonne. Dabei war ich doch meinem Ziel so nahe! Und mir lief die Zeit davon!

Offenbar war an den Gerüchten doch etwas dran, dass die Grossen Drei bis nach der Antimaterie-Krise ihr Geld hauptsächlich mit Iridium verdient hatten. Doch nun, da das Galamex-System den Markt mit billigem Iridium überschwemmte, war diese Quelle versiegt. Die Grossen Drei, einschliesslich Trabantian, dementierten zwar weiterhin, dass sie über geheime Iridium-Vorkommen verfügten, aber anders liess sich die Einstellung meiner Forschung einfach nicht erklären.

Ich hatte jeden meiner Kontakte bei der Geschäftsleitung angerufen. Jeden! Ich hatte sogar mit Tian Lin, dem Eigentümer, gesprochen. Ihn regelrecht angefleht, meine Forschung nicht einzustellen. Aber auch er hatte mir dieselbe Antwort gegeben wie alle anderen: Man erachtete meine Forschung nicht mehr als rentabel. Sie würde, selbst wenn ich mein Ziel erreichte, nie gewinnbringend sein. Und das Unternehmen musste sich, aufgrund der Auswirkungen der Krise, neu orientieren. Reorganisieren. Unrentable Projekte streichen ...

Ich war wütend. Aber vor allem war ich enttäuscht. Leute, von denen ich gedacht hatte, sie seien meine Freunde (oder mir zumindest wohlgesonnen - ich hatte schon lange keine wirklichen Freunde mehr), hatten mir die Tür vor der Nase zugeknallt. Oder die Frechheit besessen, mir zu sagen, ich soll meine Forschung aufgeben und mich anderen, sprich profitablen Bereichen widmen.