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Haus Schwarzenburg - Kapitel 03

Geschichte Info
Sandra
7.4k Wörter
4.7
11.8k
5
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Kapitel 03 -- Sandra

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Mathias schlief lange, zum ersten Mal seit Ende seiner Studienzeit, und ohne schlechtes Gewissen. Als er schließlich langsam ins Diesseits zurückkehrte, hatte er das unbestimmte Gefühl, nicht allein zu sein.

"Milena?"

"Jaaaa?"

"Bist du noch da?"

"Nein, ein Geist redet mit dir."

"Frechdachs. Dir gefällt es also in meinem Kopf?"

"Na ja, eigentlich ist es recht gemütlich, so an deine Hypophyse gekuschelt. Platz genug ist hier oben auch, ein großer Hohlraum für einen kleinen Geist wie mich. Wenn du dir etwas in die Ohren stopfst, damit kein Licht hereinscheint ins Dunkel, kann ich gerne noch eine Weile bleiben. Mir scheint, du hast wenig Ahnung von Garnichts, und kannst Hilfe brauchen."

Wieder hörte er sie vor Vergnügen kichern über den eigenen Witz, und diesmal grinste er selber.

Mathias fühlte sich ganz und gar nicht geschwächt, eher im Gegenteil. So lange das so blieb, fand er, war nichts dabei, dass er sich auf eine Affäre mit einem Gespenst eingelassen hatte. Kurz überlegte er, ob er es sich nicht wie an vielen anderen Morgen, wenn sich Alexandra wieder zierte, schnell selber machen sollte, und Milena war sofort Feuer und Flamme. Aber erstens war er noch recht zufrieden vom Vorabend, und zweitens trieben ihn der Hunger und die Neugier aus dem Bett. Er futterte die Schokoriegel von der Tanke in sich hinein, und spülte mit Cola nach.

Heute war es Zeit, fand er, sich um seine Infrastruktur zu kümmern. Dazu wollte er als erstes die noch unbekannten Teile des Hauses erforschen, vor allem den Keller. Den Abgang hatte er schon bei seinem ersten Rundgang bemerkt, in der Eingangshalle gab es eine auffällig unauffällige Holztüre unter der großen Freitreppe, die aber wesentlich massiver ausgeführt war als die übrigen Zimmertüren.

Mathias vergewisserte sich, dass er zusätzlich zu seiner Taschenlampe noch Kerzen und sein Feuerzeug eingesteckt hatte, dann ging er in die Eingangshalle, benützte seinen Schlüsselbund und öffnete die Türe. Wie er vermutet hatte, führte eine steile Treppe in die Tiefe, aus der die für alte Gemäuer typische feuchte, muffige Luft aufstieg. Der ganze schwarze Schlund atmete Gefahr, und Mathias zögerte, sich hinunterzubegeben.

"Kannst ruhig runtergehen, es ist dort schon lange nicht mehr gefährlich." hörte er Milenas Stimmchen in seinem Hinterkopf.

Langsam stieg Mathias die betonierte Treppe hinunter, und sah sich unten um. Auch hier hatten die Entrümpler offenbar ganze Arbeit geleistet, er fand nur zwei durch einen leeren Türstock verbundene Räume vor. Ihm fiel auf, dass der Grundriss des Kellers wesentlich kleiner war als der des Herrenhauses, aber er wusste auch, dass es früher aus Kostengründen durchaus üblich gewesen war, teilunterkellerte Gebäude zu bauen.

Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, dass es da vielleicht verborgene Räume geben könnte, aber so sehr er auch die makellos verputzen Wände absuchte, er entdeckte keinen geheimen Durchgang zu anderen Räumen. Auf bloßen Verdacht hin einwandfreie Wände einreißen wollte Mathias begreiflicherweise nicht, und überhaupt hatte er im Moment nur seine blanken Hände als Werkzeuge mit dabei.

Dafür fand er in einer Nische nahe der Treppe einen altertümlichen, mit verstaubten Schraubsicherungen bestückten Elektro-Verteilerkasten. Er checkte die Sicherungen, sie schienen alle intakt zu sein, der Fehler in der Elektrik musste also woanders liegen. Er suchte den sonst üblichen Anschlusskasten vom E-Werk, und fand aber keinen. Stattdessen fielen ihm zwei dicke Kabel auf, die unter der Decke entlang und durch einen vermauerten Lichtschacht nach oben führten. Wenn er Strom haben wollte, musste er also oben weitersuchen.

Hier unten gab es offenbar im Moment nichts weiter zu entdecken, also stieg Mathias die Treppe wieder empor, und schloss die Türe sorgfältig hinter sich ab, was ihm wieder ein spöttisches Kichern einbrachte. Die Idee, dass man Geister mit verschlossenen Holztüren aufhalten konnte, fand Milena offenbar amüsant.

Mathias verließ das Haus durch das Eingangsportal, und umrundete es zum ersten Mal vollständig. Die Außenanlagen waren völlig verwahrlost, es würde einen fleißigen Gärtner und viel Zeit brauchen, sie wieder in Schuss zu bringen. Aber abgesehen von geringfügigen Altersspuren an Holzteilen und Mauerwerk schien wenigstens der Baukörper der Villa gut in Schuss zu sein, er fand nichts, was nicht ein geschickter Handwerker und einige Eimer Farbe wieder in Ordnung bringen konnten. Überhaupt fand er Mauerwerk und Putz in sehr gutem Zustand, eigentlich zu gut für das Alter der Villa. Onkel Kurt musste Unsummen in Renovierung und Instandhaltung gesteckt haben.

Auf der Rückseite des Gebäudes fiel ihm sofort ein offensichtlich viel später an die Rückwand des Hauses angebauter Anbau auf, an dessen Stirnseite sich ein absurd breiter Schornstein aus grauem Beton befand. Der schmucklose Zweckbau stand in grobem Kontrast zur verspielten Jugendstilfassade des übrigen Hauses, und auch die angerostete Blechtüre wollte nicht so recht ins Bild passen. Mathias zog an der Klinke, und die Tür ging quietschend auf. Dahinter empfing ihn Dunkelheit, und er benützte wieder seine Taschenlampe. Er befand sich in einem niedrigen, fensterlosen Raum mit rostigen Eisenträgern an der Decke, die Zwischenräume roh mit bretterverschaltem Beton ausgegossenen. Das war definitiv nicht Jugendstil, das war der übliche Baustil der Wehrmacht.

Ganz zuvorderst standen vier große, rote Gasflaschen, die mit einer modernen Heiztherme und einem großen, organgenrot isolierten Speicher verbunden waren. Die Druckanzeiger an den Flaschen standen alle auf grün, der Speicher war laut Thermometer trotzdem kalt. Die Ursache war schnell gefunden, das Rätsel des fehlenden Warmwassers damit gelöst: auch die modernste Heiztherme funktionierte nicht ohne Strom. Den elektrischen Strom lieferte offenbar ein Dieselaggregat, das weiter hinten auf einem gegossenen Betonsockel aufgebaut war. Der Diesel stammte vom Aussehen her wohl auch noch aus Wehrmachtsbeständen, und Mathias war keinen Augenblick verwundert, dass er vorne im Sockel eingegossen ein Hakenkreuz vorfand. Er klopfte den Dieseltank ab, es klang bis ganz unten hohl.

Offenbar hatte die Anlage funktioniert, bis ihr der Treibstoff ausgegangen war. Mit ein bisschen Glück musste er nur wieder Diesel einfüllen, und der Generator würde wieder laufen. Sonst gab es in dem Schuppen nichts mehr zu entdecken, und auch die wenigen anderen Nebengebäude erwiesen sich als leergeräumt und unergiebig.

Im Kopf baute sich Mathias langsam eine Liste auf. Er brauchte Vorräte, einen Basissatz Werkzeug, Bettwäsche, Geschirr, Diesel, die Liste wurde immer länger. Kurz überschlug er den Inhalt der Schwarzgeldkasse, es könnte knapp werden. Aber unter den Papieren von Onkel Kurt hatte er auch Hinweise auf ein Konto bei der örtlichen Sparkasse gefunden, vielleicht konnte er dort noch etwas Geld bekommen. Er ging also hinaus zu seinem Wagen, vergewisserte sich noch einmal, dass er seine Dokumentenmappe dabeihatte, wendete im Gras neben dem Weg, und fuhr über die Kiesstraße zurück in Richtung Schwarzenburg.

Wie schon die Herfahrt in der Nacht war auch die Fahrt am Tage eine Zumutung für Fahrer und Technik, und der ohnehin schon völlig verdreckte Porsche wurde noch etwas dreckiger. Für den Moment konnte er damit leben, aber langfristig musste die Straße hergerichtet werden. Das würde noch einmal eine schöne Stange Geld verschlingen, aber notfalls konnte er vielleicht einen Teil der Villa vermieten, oder ein Stück Wald verkaufen.

Die kleine Bankfiliale befand sich genau im Zentrum des Ortes, gleich neben der Kirche und im selben Gebäude wie das Rathaus. Sie wirkte eher klein, aber immerhin hatte sie einen 24 Stunden Bankomaten. Mathias parkte den Wagen davor, und betrat den Kundenraum. Drinnen, abgetrennt durch einen Tresen mit gläserner Trennscheibe, arbeitete eine banküblich gepflegt aussehende Bankangestellte. Sie mochte Anfang bis Mitte fünfzig sein, trug ihre langen, unnatürlich blond gefärbten aber offensichtlich sehr sorgfältig gepflegten Haare streng zurückgekämmt, und eine modische Brille auf der etwas arrogant gehobenen Nase. Unter ihrer präzise gebügelten weißen Bluse, und eingerahmt von den Aufschlägen eines schicken blauen Blazers, wölbten sich zwei ansehnliche Halbkugeln. Ein kleines, an das Revers angeheftetes Schildchen wies sie als Sandra Brandtner aus. "Was kann ich für Sie tun?", fragte sie in geschäftsmäßigem Ton, und sah Mathias mit einem Anflug eines professionell aufgesetzten Lächelns an.

Mathias stellte sich förmlich vor, als der Alleinerbe von Kurt Schwarzenburg, der bitte sein Konto einsehen wollte. Gleichzeitig legte er die vom Nachlassgericht ausgefertigten Dokumente vor. Er wollte bitte seinen Kontostand erfahren, und sich eine Bankomat- und eine Kreditkarte geben lassen.

Die Bankangestellte musterte misstrauisch die vorgelegten Dokumente und ließ sich Mathias Ausweis zeigen. Schließlich befand sie alles in Ordnung, aber statt ihm die gewünschte Auskunft zu erteilen, nahm sie das Telefon von der Gabel und drückte die oberste Kurzwahltaste. "Entschuldigen Sie die Störung, Herr Köhler, hier ist Herr Schwarzenburg für Sie." Kurz horchte Frau Brandtner auf die Antwort, dann sagte sie, eindringlicher: "Ja, es ist DER Herr VON Schwarzenburg. Er möchte finanzielle Angelegenheiten mit Ihnen besprechen."

Weniger als eine halbe Minute später öffnete sich eine Türe im Hintergrund, und ein dienstbeflissenes kleines Männchen mit Glatze und randloser Brille, korrekt in einen grauen Anzug mit passender grauer Krawatte gekleidet, kam mit einem viel zu breiten Lächeln und ausgestreckter Hand auf Mathias zu.

"Sie müssen Mathias sein. Kurt hat mir von Ihnen erzählt. Willkommen in Schwarzenburg." Und er nahm Mathias Hand und schüttelte sie heftig. Bevor dieser auch nur ein Wort sagen konnte, schob ihn Köhler vor sich her in Richtung seines Büros.

"Frau Brandtner, ich möchte so lange Herr Schwarzenberg bei mir ist keinesfalls gestört werden."

"Ja, Herr Direktor."

Köhler schob Mathias durch seine Bürotür, und ließ sie hinter ihnen zuschnappen. Er bot Mathias einen bequemen Stuhl an.

"Kaffee? Rauchen Sie?", und er lächelte jovial.

"Einen Kaffee, gerne. Milch, kein Zucker."

Köhler drückte eine Taste auf seinem Telefon, und bestellte das Getränk bei Frau Brandtner, und noch einmal dasselbe für sich. Bis Frau Brandter das Gewünschte einige Minuten später brachte, unterhielten sie sich über Nebensächlichkeiten. Als der Kaffee kam, vermaß Mathias Frau Brandner gewohnheitsmäßig. Er sah eine durchschnittlich unauffällige, gepflegte Bankangestellte, schon etwas in die Jahre gekommen, mit durchschnittlicher Figur und durchschnittlichen Gesichtszügen. Offenbar war sie etwas eitel, sie war top gepflegt, mit noblem Blazer und farblich passendem Rock und einer schneeweißen Bluse mit Rüschen bekleidet, darunter lugten teuer aussehende Schuhe hervor.

"Wäre sie meine Oma, wäre ich stolz auf sie", dachte Mathias.

"Nun, Herr Schwarzenburg, was kann ich für Sie tun?" Köhler zog Mathias Aufmerksamkeit wieder auf sich, und Frau Brandner verließ so unauffällig wie sie gekommen war den Raum wieder. Die Lücke, die sie hinterließ, ersetzte sie vollständig.

"Ich möchte erst einmal eine aktuelle Übersicht über meine finanziellen Mittel, sofern welche vorhanden sind."

Um Köhlers Lippen zuckte kurz ein Lächeln, dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, zog den Bildschirm zu sich heran, und tippte einige Befehle auf der Tastatur ein.

"Also, Herr Schwarzenburg, Ihr aktueller Kontostand beträgt genau vier Millionen, funfhundervierzigtausendachthundertundzehn Euro und 65 Cents."

Mathias meinte, sich verhört zu haben. Dass Onkel Kurt so vermögend gewesen war, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Sicherheitshalber ließ er sich die Zahl nochmals vorlesen.

"Und ich kann sofort frei darüber verfügen?"

"Selbstverständlich. Wobei ich Sie bitten muss, Bargeldabhebungen über zehntausend Euro einen Arbeitstag vorher anzumelden, wir sind hier nur eine kleine Filiale, und halten gewöhnlich nicht viel Bargeld vor."

Mathias sagte nichts weiter, er verdaute erst einmal die gute Nachricht.

"Vorsicht, Giftschlange!", kam es von Milena. "Er verheimlicht dir etwas. Er möchte dir 'das andere' nicht zeigen."

"Und das andere?", schoss Mathias geistesgegenwärtig einen Pfeil ins Dunkle ab.

"Jaaa, das andere. Natürlich." Köhler grinste säuerlich. "Kommen Sie bitte mit."

Gemeinsam stiegen die beiden Männer in den Keller des Bankgebäudes hinab, und Köhler öffnete die mächtige Tresortüre. Drinnen reihten sich Schließfächer aneinander. Mathias erinnerte sich an den Sicherheitsschlüssel am Schlüsselbund seines Onkels, und zog ihn aus der Tasche.

"Welches ist es?"

"Es sind die Nummern eins bis sechs. Der Schlüssel passt bei allen."

Mathias öffnete wahllos eins der Fächer, und sog tief Luft ein, als er den Inhalt sah. Im Inneren stapelten sich, fein säuberlich aufgeschichtet, Goldbarren an Goldbarren. Schließlich fasste sich Mathias wieder, und er nahm einen heraus. Unübersehbar war auf der Oberseite ein Hakenkreuz eingestempelt.

"Das ist Nazi-Gold? Ist das ein Problem?"

"Herr Schwarzenburg, normalerweise wäre das in der Tat Staatseigentum, also ein Problem, aber für Problemlösungen haben Sie mich. Wie schon Ihr Onkel können Sie sich auf mich verlassen. Ich habe da meine Kontakte. Gegen eine angemessene Provision werde ich die Barren unauffällig umschmelzen und mit einem neuen Stempel und einer plausiblen Geschichte versehen in Umlauf bringen lassen. Der Erlös abzüglich Provision wird dann unter einem unverdächtigen Buchungstext Ihrem Konto gutgeschrieben."

"Was verlangen Sie?"

"Dasselbe wie von Ihrem Onkel, fünfundzwanzig Prozent."

"Er lügt, es waren nur fünfzehn Prozent." Milena war wie immer bestens informiert. Mathias war nicht überrascht, dass ihn Köhler übers Ohr hauen wollte, von Bankern war nichts anderes zu erwarten.

"Mein Onkel hat mich über Ihre kleinen Nebengeschäfte informiert", log Mathias, ohne mit der Wimper zu zucken. "Ich biete Ihnen zehn Prozent. Entweder Sie nehmen das, oder ich suche mir jemand anderen."

"Zwanzig. Es ist nicht ungefährlich!"

"Fünfzehn, und kein Cent mehr."

"Gut, gut," lenkte Köhler ein, "wir machen es. Fünfzehn Prozent. Sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn Sie etwas verkaufen wollen."

"Gerne, Herr Köhler, und ich versichere Ihnen, das Haus Schwarzenburg wird sich in finanziellen Fragen weiterhin gerne exklusiv von Ihnen beraten lassen."

Mathias legte den Barren wieder an seinen Platz, und verschloss das Schließfach wieder.

"In den anderen Fächern ist dasselbe nochmal?"

"Im Großen und Ganzen ja, Herr Schwarzenburg. Nur Nummer zwei ist es etwas weniger, Ihr Herr Onkel hat seinerzeit beträchtliche Summen in Renovierung und Umbau der Villa gesteckt. Danach hat er aber nur selten etwas entnommen, er lebte sehr bescheiden. Die regulären Pachteinnahmen, die er für die Wälder und Äcker bekam, haben ihm wohl ausgereicht, seinen Lebensunterhalt zu decken, und für die monatliche Überweisung an ihre Frau Mutter."

Mathias nickte nur, er hatte das Gefühl, dass er im Moment genug Informationen aus Köhler herausgekitzelt hatte, ohne bei diesem den Verdacht zu erregen, dass er in Wirklichkeit keine Ahnung hatte, was die letzten Jahre und Jahrzehnte in seiner Familie vorgegangen war. Sein Vater war reisender Handelsvertreter gewesen. Als er plötzlich verschwunden war, ohne eine Spur zu hinterlassen, hatte Onkel Kurt Mathias und seine Mutter mit einer auskömmlichen monatlichen Rente ausgestattet. Dafür hatte Gerda Schwarzenburg einwilligen müssen, keinen Anspruch auf Oskars Anteil am Familienvermögen der Schwarzenburgs zu erheben. Stattdessen sollte, nach Onkel Kurts Tod, alles zusammen direkt an Mathias gehen, und so geschah es dann auch.

Köhler sprach weiter. "Nummer eins enthält keine Barren, es enthält dicke Stapel von Papieren. Offenbar sind es wichtige Dokumente, die ihr Onkel hier verwahrt hat."

Im Moment war das Aufarbeiten von Papierkram aus der Vergangenheit nicht Mathias größte Sorge. Er ließ die Papiere an ihrem sicheren Ort, nahm sich aber vor, sie bei Gelegenheit zu holen und zu sichten. Köhler begleitete ihn noch bis zum Schalterraum, und Mathias ließ sich von Frau Brandner einen größeren Geldbetrag auszahlen. Der Direktor brachte Mathias noch persönlich zur Tür, und verabschiedete sich übertrieben herzlich.

Mathias ging zum Wagen, setzte sich hinein, und dachte darüber nach, wie er nun weiter vorgehen sollte. Schließlich war er fremd im Ort, und er wollte nach wie vor keine unnötige Aufmerksamkeit hervorrufen.

Da klopfte es an der Seitenscheibe. Davor stand Frau Brandtner, und lächelte ihn strahlend an. Er ließ die Scheibe herunter.

"Frau Brandtner, wie schön sie so schnell noch einmal zu sehen."

"Sie wirken etwas verloren, brauchen Sie Hilfe?"

"Ehrlich gesagt, ja. Ich habe einiges in die Wege zu leiten, und ich bin fremd hier. Ich brauche einen ortskundigen Scout. Haben Sie Interesse? Ich würde Sie für Ihren Aufwand bezahlen."

"Aber natürlich, Herr Schwarzenburg, aber hier auf dem Land halten wir zusammen. Ich helfe Ihnen gerne, und selbstverständlich umsonst."

"Das ist nett, muss aber nicht sein. Aber wir können später darüber reden. Wann haben Sie Zeit?"

"Ich habe jetzt frei, wenn Sie wollen, sofort. Mir scheint, Sie haben es nötig." Und sie musterte mit krauser Nase erst seinen verdreckten Wagen, und dann ihn und nun erst wurde ihm bewusst, wie er, unrasiert und in zerknittertem Sportzeug, einen recht abgerissenen Eindruck hinterlassen musste.

"Sie ist altmodich und verklemmt, aber nett, und sie mag mich!", dachte Mathias.

"Sie hat deinen Kontostand gesehen." konterte Milena trocken.

Frau Brandtner übernahm die Initiative.

"Erst einmal müssen wir Sie etwas herrichten. Im örtlichen Sportgeschäft bekommen wir einige frische Klamotten für Sie, die haben zwar nur Outdoor, aber ich finde, das wird Ihnen als Gutsherrn ganz gut stehen. Für eine Fahrt nach Graz, wo wir Sie richtig gut ausstaffieren könnten, ist es für heute leider schon zu spät. Wir haben auch einen kleinen Supermarkt und ein Baugeschäft mit einer ganz gut bestückten Heimwerker-Ecke. Was brauchen Sie noch?"

"Einen Bauunternehmer. Die Straße muss hergerichtet werden."

"Das lässt sich problemlos machen, ich mache Sie mit meinem Bruder bekannt. Ihm gehört das Baugeschäft, und unser Vater hat bereits für Ihren Onkel gearbeitet. Und jetzt los, wir haben keine Zeit zu verlieren, hier machen alle Geschäfte um sechs zu."

Eine Stunde später war Mathias neu eingekleidet, und im Kofferraum des Cayenne stapelten sich weitere Klamotten, Lebensmittel und andere nützliche Kleinigkeiten. Sandra wies ihm den Weg zu einer kleinen Baufirma etwas außerhalb des Ortskerns. Einen spontanen Termin mit dem Chef hatte sie schon vorher per Handy klar gemacht. Sie war wirklich tüchtig, und eine echte Hilfe, fand Mathias. Er würde sich zu gegebener Zeit erkenntlich zeigen.

Mit dem Bauunternehmer, einem wettergegerbten Mann mit offenem Gesicht und kräftigem Körperbau wurde Mathias schnell handelseinig. Er versprach nicht nur, in den nächsten Wochen die Straße auszubessern. Er hatte auch einen Gärtner an der Hand, der die Außenanlagen herrichten konnte. Der war nicht mehr der Jüngste, aber er hatte bereits für Onkel Kurt gearbeitet, und kannte das Gelände um die Villa Schwazenburg.

"Haben Sie auch mal etwas am Haus zu tun gehabt?" Mathias wollte unbedingt mehr zu den Umbauten erfahren.

"Nein, aber mein Vater hat dort viel gemacht. Es muss ein sehr lukrativer Auftrag gewesen sein, mit den Einnahmen hat er diese Firma gegründet. Stellen Sie sich vor, als er älter war, und schon etwas verwirrt, hat er steif und fest behauptet, Kurt Schwarzenburg habe ihn mit purem Gold bezahlt." Der Bauunternehmer lachte, und Mathias stimmte mit ein.