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Ihr erster Kuss kam nicht von ihm 01

Geschichte Info
Zwei Abiturientinnen erleben Überraschungen in der Stadt.
7k Wörter
4.45
14.5k
2
Geschichte hat keine Tags

Teil 1 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 06/10/2023
Erstellt 03/03/2021
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Eine fiktive Geschichte, die sich woanders mit anderen Personen abgespielt haben mag.

Ihr erster Kuss kam nicht von ihm (1)

Ein Kompromiss für Aniela

Ani war so zufrieden wie es möglich war unter den Umständen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte endlich ihre eigene Wohnung in der Stadt weit weg von ihrer Heimatkommune. Na ja, eigene Wohnung traf es nicht ganz, denn es war eine Wohngemeinschaft. Stadt, das galt auch nur eingeschränkt, gemessen an ihrer ursprünglichen Idee von einer Großstadt wie Hamburg oder Berlin. Weit weg Vechta konnte man immerhin mit rund 30.000 Einwohnern nicht mehr als Kleinstadt bezeichnen. Es war aber bedeutend anonymer und besser als die kleine Gemeinde in der Nähe von Cloppenburg, aus der sie stammte. Dort waren überwiegend osteuropäische Auswanderer mit sehr konservativen Ansichten zur Emanzipation und Sexualität zu finden.

Sie war froh, es geschafft zu haben, dort wegzukommen. Auf der Oberschule hatte sie die liebreizenden Spitznamen ‚Dampfwalze' und ‚Quadratlatsche' bekommen, was sie zur einsamen Außenseiterin machte. Diese hatten sie auf das Gymnasium in Cloppenburg begleitet. Den Schulbesuch hatten ihr verwitweter Vater und ihre altmodische Oma nur daher akzeptiert, weil der Priester es empfohlen hatte.

Der nächste Schritt war jetzt die Ausbildung als Rettungs-Sanitäterin in Vechta. Auch dem waren wieder endlose Diskussionen vorausgegangen. Wozu diese lange Ausbildung, wenn Aniela doch bald heiraten würde? Eine Hausfrau muss kochen können -- und nicht die Anatomie von Menschen lateinisch beschreiben können. Medizin studieren? Wie konnte das Kind nur auf die Idee kommen, wo ihr Abitur doch weit von dem erforderlichen Schnitt entfernt war! Und so weiter...

Der Malteserhilfsdienst, wo die Ausbildung stattfinden sollte, war katholisch. Das war eines der Argumente, was sie rettete. Daneben wohl auch die wachsende Einsicht, dass die meisten Jungen im Ort es nicht mochten, wenn ein Mädchen so gut in Judo war, dass die meisten von ihnen bei einem Wettkampf auf dem Rücken lagen, noch bevor sie bis zehn zählen konnten. Das drang auch zu ihrem Vater durch. Es störte sie nicht. Wer sie als ‚Dampfwalze' bezeichnete, nun, der musste damit rechnen, dass er platt auf dem Rücken lag...

Das zweite wesentliche Argument war wohl die Bitte von den baptistischen Freunden ihres Vaters aus Russland Deren Tochter Veronika wurde inzwischen als ähnlich hoffnungsloser Fall wie Aniela betrachtet. Die Gründe dafür waren anders, aber die Beurteilung der Heiratsaussichten im Ort waren ähnlich desolat. Veronika war als ‚Brillenschlange' und ‚Blindschleiche' auf der Oberschule bekannt gewesen. Sie war nicht in ihrer Klasse gewesen, da sie dort noch eine Jahrgangsstufe unter ihr war. Sie war bei den Jungen deshalb nicht beliebt, weil Veronika diese in punkto Schulleistungen platt machte. Sie legte ein Einser-Abitur ab, obwohl sie vorher eine Klasse übersprungen hatte.

Sie wollte Mathematik studieren, was unerhört war. Sie hatte ein Stipendium der Begabten-Stiftung erhalten. Ihre Eltern hatte ungern Mathematik-Lehrerin akzeptiert mit Studium in Vechta, wenn sie Theologie als Nebenfach für das Lehramt machen würde. Als Lehrerin konnte sie sich für lange Zeit beurlauben lassen, sobald sie schwanger wurde.

Hier kam Aniela nun ins Spiel. Ihre Ausbildung in Vechta und Veronikas Studium in Vechta mit einer gemeinsamen Wohnung für sie beide war der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle der Erwachsenen Eltern und Großeltern (ihre Oma) einigen konnten. Veronika war ursprünglich nicht gerade begeistert von der Idee. Sie wollte eigentlich in Aachen, Bonn oder Berlin studieren -- und das nur in Mathe, nicht im Lehramt! Dazu war Aniela ihr zu sportbetont und zu wenig intellektuell. Mit anderen Worten, Veronika fand sie zu dumm, dachte sich Ani, als sie den Streit unfreiwillig mithörte.

Schön, Aniela war von Veronika auch nicht begeistert. Die war ein richtiger Bücherwurm, der für die Natur nichts übrighatte. Ani fiel die Decke auf den Kopf, wenn sie nicht mindestens eine Stunde in der Natur laufen konnte. Für Veronika war laut ihren Klassenkameraden der Weg zum Supermarkt zu viel, wenn es regnete! Kein Wunder - weil es heiß, dass sie so pummelig war, dass die fünfzig Stufen hoch zum Supermarkt eine Herausforderung für sie waren.

Ihr jeweiliger Kleidungsstil und Musikgeschmack waren nicht geeignet, eine große Harmonie zu erzeugen. Aniela war so der Jeanstyp mit Rockmusik im Kopf und Veronika die im Folklorelook samt Spitzensäumen sowie die mit ihrer Geige mit Repertoire Klassikmusik.

Ein erster Schritt auf dem Weg zum Traumprinzen

Ich war optimistisch, was das kommende Jahr betraf. Endlich war ich weg aus dem Ort, wo jeder mich nur als ‚Brillenschlange' kannte. Endlich war ich weg von den Diskussionen, ob ich mich mit Cousin Andrej verloben sollte. Ich war zuversichtlich, dass ich meinen Seelenverwandten im Mathestudium finden würde. Ein Mann, der mich verstehen würde wie kein anderer. Es musste ja kein Prinz im Sinne von einem Adonis sein, aber einer der mich verstand -- und keiner von den blöden Machos, für die es nur Fußball und Raufen gab -- und sonst war nichts in deren Birne.

Aniela war in vielen Punkten das genaue Gegenteil von mir selber. Die war groß, sportlich und hatte einen athletischen Körperbau. Sie hatte Augen wie ein Adler und tiefblaue Augen unter ihren kurzen, blonden Haaren. Sie hatte eine Alt-Stimme und sprach langsam.

Ich war klein, unsportlich und hatte Babyspeck, womit mich alle neckten, wenn sie freundlich waren. Ich war extrem kurzsichtig, ergo Brillenträgerin mit sehr, sehr dicken Gläsern. Ich hatte smaragdgrüne Augen unter meinen langen schwarzen Haaren. Ich war eher zurückhaltend und meine Stimme war ein lupenreiner Sopran, so hatte es der Chorleiter gesagt.

In dem Wohnungsblock in Vechta gab es nur ganz alte Senioren, die schon ewig dort wohnten und ganz junge Studenten oder Azubis, die sich nichts Besseres leisten konnten. Aniela hatte auch schon erste Kontakte geknüpft mit anderen jungen Leuten. Das war aufregend, weil ich bisher noch nie Kontakte außerhalb meiner Ursprungsgemeinde gehabt hatte.

Die Dachwohnung war klein, aber günstig. Sie hatte schräge Wände. Dazu war das Bad sehr beengt und dazu noch mit dem Klo belegt, weil es keine separate Toilette gab. Es existierten zwei kleine, nebeneinander liegende Zimmer mit Dachschräge -- und einen winzigen Raum zwischen den beiden Zimmern, den Aniela heiter als Wohnzimmer bezeichnete, weil sie dort einen kleinen Monitor als Fernseher installiert hatten. Ich zog dabei die Augenbrauen hoch, als sie dies sagte. In meinen Augen war ein Raum von noch nicht einmal zwei Metern Breite und rund drei Metern Länge noch nicht einmal als Zimmer zu bezeichnen.

Aniela beanspruchte das hintere Zimmer, das nur eine Tür hatte und so mehr Privatsphäre bot. Mein eigenes Zimmer besaß so den Durchgang zur Angelas Zimmer und den Eingang von der Wohnküche her. Es war alles andere als komfortabel, aber es war mein eigenes Zimmer.

Eine gemeinsame WG war eine Umstellung für uns beide. Ich kam aus einer Familie mit vielen Geschwistern -- und vermisste nach einer Weile die damit immer vorhandene Gesellschaft. Aniela war eher die Einsamkeit gewohnt, weil sie ein Einzelkind war. So waren die ersten beiden Wochen etwas holprig, aber es schälte sich eine Routine heraus. In der Woche aßen wir meistens in der Mensa -- am Wochenende kochte ich. Ich hatte es lernen müssen, während bei Aniela immer ihre Oma gekocht hatte.

Für uns beide war es das erste Mal, dass wir uns Filme und Serien anschauen konnten. Es schälte sich damit unerwartet eine Gemeinsamkeit heraus, denn wir sahen beide gerne romantische Serien und Filme. Das hatte ich von Aniela so gar nicht erwartet. Es sorgte allerdings auch für eigenartige Momente. Die Augen fielen Aniela bald aus dem Kopf, als eine Serie über schwule Männer angezeigt wurde. Offensichtlich war das ein absolutes Tabu-Thema bei ihren Eltern gewesen.

In dieser Hinsicht erwiesen sich die Geschwister von mir als Vorteil, weil ich von denen über solche Themen informiert worden war. In meiner Familie war es aber auch Konsens, dass die jungen Männer, die so etwas machten, dann in der Hölle landen würden. Anständige Mädchen und Frauen würden mit solchen Typen nichts zu tun haben wollen. Nicht besser waren nach deren Meinung die Mädchen, die andere Mädchen intim küssten. Beides wurde von der Gemeinde als unsittlich angesehen.

In dieser Hinsicht fand sie schon die Tatsache grenzwertig, dass sich Aniela grundsätzlich in Jeans oder ähnlichen Hosen zeigte. Laut meiner Schwester war sehr unweiblich, wenn nicht gar schon ein Indikator für lesbische Tendenzen. Meine Geschwister hätten mir die Meinung gegeigt, wenn ich Hosen tragen würde. Die Begründung von Aniela dafür mit ihrer Ausbildung als Sanitäterin bzw. ihrem Judo-Sport fand ich nicht sehr überzeugend. Andererseits hatte es auf der Oberschule in Cloppenburg nicht wenige Mädchen gegeben, die sich in Hosen zeigten. Die konnten doch nicht alle lesbisch sein, oder? Da hatte mir meine Schwester grummelnd zugestimmt.

Als Aniela und ich gefragt wurden, ob wir an der Karnevalsfeier der Uni teilnehmen wollten, waren wir beide erst einmal geschockt, aber dann wurde ich neugierig. Ja, es war ein Akt der Rebellion und ihre Familien durften es nicht wissen, aber wozu waren sie jetzt in einer Stadt?

Ich sah Aniela an, als ich mit ihr allein in der Wohnung war. Mir war bewusst, dass wir beide nicht gerade wie die typischen Partygirls aussahen. Ihre weiten Jeans und das lässig weite Sweatshirt waren weder der angesagte Look in unserer Gemeinde - dafür waren sie nicht konservativ genug -- noch waren sie an der Uni sehenswert -- dafür waren sie zu schlabbrig. Ich war mir bewusst, dass mein langer konservativer Rock und mein braver Pullover auch nicht der Hit für eine Party waren. Ich überlegte einen Moment, bevor ich Aniela um Offenheit bat:

„Hör' mal, Aniela. Ich glaube, dass ich für Dich eine tolle Kostümidee habe. Es kann für dich ein Riesenspaß sein alle zu verwirren, aber du musst es wollen, sonst sieht es nur albern aus. Wenn Du im Smoking erscheinst, dann wird es zu einem Hingucker! Das ist elegant -- und ein absoluter Gegensatz zu deinen typischen Jeans. Mit Deiner Größe macht sich das noch besser und Deine langen Beine kommen damit gut zur Geltung. Also, was willst DU?"

Ich fragte ganz ernsthaft, ohne über das kräftige Mädchen zu lachen oder ohne ‚Größe' mit einem verächtlichen Tonfall zu belegen. Bisher hatte Aniela wohl in einem Haushalt gelebt, in dem gutes Aussehen so überhaupt kein Thema war. Ihre Oma trug nur schwarze, weite Kleidung. Ihr Vater trug immer nur entweder die Polizei-Uniform oder seinen Trainingsanzug als Fußballtrainer, wenn ich den gesehen hatte. Es war eine neue Idee für Aniela. Das sah ich in ihren Augen. Meine ältere Schwester sah toll aus mit ihrer schlanken Figur, den langen Beinen und ihrem apart ovalen Gesicht -- so könnte auch Aniela ihre Beine in Szene setzen.

„Du weißt schon, so wie in dem Film Victor und Victoria, wo sie ihren Traumprinz findet..."

Aniela war sichtlich irritiert. Nun, Aniela schien sich veräppelt zu fühlen. Sie drehte den Spieß um und sagte in einem leicht patzigen Tonfall:

„Dann passt für Dich doch der Film ‚Plötzlich Prinzessin' -- so eine Art Aschenputtel-Verwandlung zum Model-Outfit, nicht wahr? Die trägt zuerst auch eine Brille -- und legt sie dann ab. Die trägt zuerst weite, lange Kleider und zeigt dann im neuen knielangen Gewand ihre Traumfigur."

Ich lachte zunächst nur auf, so absurd fand ich das. Ich sah sie dann verwirrt an. Es dauerte einen Moment, bis ich die Ironie kapierte, Dann wurde ich so richtig wütend:

„Du bist so eine blöde Kuh! Erstens kann ich mir die guten Kontaktlinsen nicht leisten und ich bin auch zu ungeschickt, um sie einzusetzen. Zweitens ändert noch so ein tolles Kleid nichts an meiner moppeligen Figur mit den breiten Hüften und schon gar nicht an meinen kurzen, dicken Beinen und meinen drallen Waden. Hier! Da ist nichts mit knielang!"

Aufgebracht zog ich den Pullover aus und öffnete dann den Reißverschluss des Rockes und ließ ihn einfach fallen. In diesem Moment dachte ich nicht an Schamhaftigkeit oder Blamage, sondern ich war aufgebracht wegen ihrer blöden Sprüche. Meine Oberschenkel waren nun einmal nicht schlank!

Streit vermeiden

Aua. Das war voll danebengegangen! Aniela hatte ironisch und sarkastisch erscheinen wollen. Was sie erreicht hatte, das war aber eine heftige Verärgerung ihrer Wohngenossin. Schlimmer noch, anscheinend fühlte sich Veronika voll beleidigt. Wie konnte sie das wieder einrenken? Zuerst musste sofort eine Entschuldigung her:

„Veronika, ich wollte Dich auf keinen Fall beleidigen. Es tut mir leid! Ich, ich habe mich im Ton vergriffen. Ich habe gedacht, Du machst Dich mit dem Smoking lustig über mich."

Auf den zweiten Blick sah sie etwas, was beim Einrenken helfen könnte. Klar, Veronika war vollschlank und bestimmt kein Model für den Laufsteg, aber sie sah sehr sexy aus. Gewissermaßen war sie eine Veronica Ferres im Kleinformat, einen Kopf kleiner konnte man sagen. Dies auszudrücken, war aber eine Gratwanderung, denn es lief bestimmt ihrer Erziehung entgegen.

„Veronika, Du hast mir vorgeschlagen, ich sollte im Hosenanzug erscheinen. Nun, ich denke das wäre auch eine mögliche Variante für Dich. Halt, nicht schon die Miene verziehen. Hör' mich bitte erst einmal an. Ich habe mal einen Overall für eine Pilotin gesehen. Der würde Dir gutstehen, denke ich. Er würde Deine Kurven in vorteilhafter Weise zur Geltung bringen. Er würde Deine Taille und Deine Oberweite geschickt betonen sowie Deine Hüften zur Geltung bringen. Männer lieben Kurven! Dabei würden Deine Beine optisch verlängert, verstehst Du? Du wärest der Hammer, Veronika!"

Veronika sah Aniela misstrauisch an und wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Ani sah sie noch einmal an. Veronikas Bluse zeigte ihre großen, straffen Busen -- und das sollte Aniela vielleicht noch mal herausstellen.

„Mensch, Veronika -- ich wünschte, ich hätte solche hübschen Busen und nicht nur meine im Vergleich flachen Brüste."

Aniela überwand sich und zog ihr Sweatshirt aus, um es zu demonstrieren. Ihr weißer Büstenhalter hatte nur Körbchengröße A. Zum ersten Mal seit dem Ausbruch sah Aniela wieder den Ansatz eines Lächelns auf dem Gesicht von Veronika, auch wenn sie nun errötete. Aniela fühlte sich komisch, als das Mädchen auf ihre kleinen Brüste starrte. Veronika zögerte, bevor sie nachfragte:

„Meinst Du wirklich, ein Overall wäre eine gute Idee? Wenn meine Geschwister davon hören würden, dann bekämen sie einen Schock!"

Uff, die Gefahr eines Riesenstreits war wohl abgewendet. Jetzt war eine Beruhigung nötig, denn sonst käme der Einfluss all der konservativen Bedenkenträger wieder zurück.

„Veronika, wann könntest Du sonst daran denken, dass Du so etwas ausprobieren könntest? Ich verspreche Dir auch, dass ich Dir Kontaktlinsen aussuchen werde und sie Dir für die Fete einsetze. Warum sonst bin ich angehende Rettungssanitäterin??"

Veronika bekam große Augen und starrte sie verblüfft an. Damit hatte sie sichtlich nicht gerechnet.

Umziehen

Die letzte Bemerkung von Aniela warf mich bald um. Alles was sie davor gesagt hatte, das war schon für mich ziemlich revolutionär. Tatsächlich aber ohne Brille auf eine Party zu gehen, das war unglaublich für mich. Ich wollte mich aber nicht ganz so schnell auf alles einlassen.

„Nehmen wir einmal an, ich nehme tatsächlich einen Overall als Kostüm. Wäre es da nicht ein Ausgleich, wenn Du Dich dann entsprechend umgekehrt von Hose auf Rock oder Kleid wechselst? Ich hätte da vielleicht eine Idee..."

Aniela zog die Augenbrauen hoch. Sie wirkte überrascht und sie sah skeptisch aus.

„Das ist vielleicht keine so gute Idee. Ich bin praktisch seit dem Kindergarten nicht mehr an Röcke oder Kleider gewöhnt. Mein Vater hat mich da nie beraten können oder wollen. Oma spricht nicht ausreichend Deutsch und ... na ja."

Erst jetzt wurde mir wieder bewusst, dass ich halbnackt im Raum stand. Rasch zog ich wieder meinen Rock hoch und räusperte mich.

„Wenn ich eine Pilotin im Overall darstelle, dann könntest Du ja eine Stewardess im Rock sein. Das macht den Kleidungstausch perfekt, nicht wahr?"

Aniela war nicht richtig begeistert, aber sie zeigte auch keine strikte Ablehnung. Es sah so aus, als hätten wir damit heute die erste Krise in der WG überstanden. Überrascht war ich von ihrer Reaktion auf meinen Vorschlag.

„Es gibt in meinen Augen keine Frage, wer dabei die meisten Augen auf sich ziehen wird, Veronika. Du hast eine Figur, die so etwas von sexy ist!"

Da wurde ich richtig rot, denn ihr Tonfall klang so überzeugt, dass ich mich fragte, woher dies kam. Wahrscheinlich kam es auch daher, dass ich Komplimente bezüglich meines Aussehens nicht gewohnt war. Dabei war Aniela doch die mit der beeindruckenderen Erscheinung, weil sich automatisch viele im Raum umdrehten, wenn das hochgewachsene Mädchen eintrat. Ich lachte einfach:

„Warte erst einmal, was die Reaktionen auf Deine langen Beine sein werden, Aniela!"

So war es schon besser. Dabei war meine Aussage absolut ehrlich. Aniela hatte tolle Beine, die lang und muskulös waren. Die Stimmung, die zunächst auf Krawall gebürstet erschien, verbesserte sich rasch wieder. Jetzt erst konnte ich auch das Angebot von ihr bezüglich der Kontaktlinsen so richtig würdigen. Ich war gespannt auf die weitere Entwicklung der Dinge.

Faschingsfeier

Der Vorabend der Faschingsfete kam. Aniela hatte Veronika dazu überredet, das Kostüm in eben noch passender Größe zu nehmen, damit es schön eng und knapp saß. Im Gegenzug hatte sie zugestimmt, dass ein Kostüm bekam, wo der Minirock knapp war.

Sie machten am Abend vorher noch eine Vorführung der Kostüme als Generalprobe für den nächsten Tag. Aniela fühlte sich eigenartig, als sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einen Rock trug. Sie fühlte sich nicht wohl darin, aber sie hatte es versprochen, also blieb sie dabei.

Aniela war dafür positiv angetan davon, was der Overall positiv für Veronika veränderte. Die wirkte weiblicher als vorher. Eigentlich war es ein absurdes Ergebnis, denn die weibliche Kleidung in der Gemeinde sollte dies ja gerade betonen. Die weiten und unförmigen Kleidungsstücke, die Veronika aber bisher ausgewählt hatte, um ihre Fettpölsterchen zu verstecken, hatten aber gerade ihre so hübsch weiblichen Kurven versteckt.

Aniela war am nächsten Tag unkonzentriert, da sie gespannt auf den Abend wartete. Sie war sich bewusst, was ihre Oma sagen würde, wenn diese etwas über ihr Kostüm erfahren würde. Sie hätte eine endlose Tirade über schamloses Verhalten zu erwarten. Bei Oma war es nicht klar, was sie als weniger schlimm betrachtete. Wenn Aniela Hosen trug, dann war Oma auch nicht erfreut. Beides waren für sie Sünden, die der Geistliche mit Missfallen sah. Ein Mädchen hatte sich weiblich und dezent zu kleiden, damit sie gottesfürchtige junge Männer als heiratsfähig ansehen konnten.

Aniela hatte aber keine Lust, einen von den Blödmännern aus ihrem Ort zu heiraten. Etwa gar den einen, der sie zuerst als ‚Dampfwalze' getauft hatte. Sie wollte Ärztin werden und vielleicht sogar in Afrika oder Asien arbeiten. Sie war klug genug gewesen, so etwas nie wieder zu erwähnen. Es hatte einmal einen Aufruhr bei ihrer Oma verursacht, die sich gar nicht einkriegen konnte. Wie sie nur auf die Idee kommen könne, bei solchen Heiden arbeiten zu wollen? Bei solchen Auffassungen würde sie schnell in der Hölle landen, hätten ihre Freundinnen gesagt.

Aniela hatte aber nichts gegen Heiraten. Sie mochte Liebesromane, insbesondere solche mit mutigen Ärzten, die in exotischen Gegenden Heldentaten vollbrachten und dabei auf das Mädchen ihrer Träume stießen.

Von Veronika wusste sie inzwischen, dass auch diese gerne Liebesromane mit dem Element von prachtvollen, weißen Hochzeiten in Adelshäusern las. Traumprinzen, die sie auf ihren Händen tragen würden. Sie fand es eigentlich kitschig, aber sie verstand das Bedürfnis nach einer heilen Welt und der Sehnsucht nach Männern, die einen ohne Rückhalt und ohne Einschränkungen liebten.