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Marion: Roxys Geheimnis 25

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„Genau so hast du mich dann Anfangs auch behandelt" beschwerte sich Roxy. „Einsilbig, schnippisch. Nicht mal kurz angeschaut hast du mich. Dabei hab ich dich so sehr bewundert, wie du mit deiner unglaublichen Präsenz das ganze Event geprägt hast."

„Och sorry, Schatzi. Du weißt, ich bereue das jeden Tag aufs Neue. Aber du hattest dich ausgerechnet an den wichtigsten Mäzen rangemacht, der eventuell sogar die ganze Villa am Stück übernommen, und als Museum eröffnet hätte.

„Rangemacht. Wie das klingt. Glaubst du, ich such mir alte, reiche Säcke, um sie mit heißem Sex in den Herzinfarkt zu treiben, und dann ihr Erbe anzutreten?"

„Warum nicht?" lachte jetzt Anja auf, „Es gibt sicher unangenehmere Arten, zu viel Geld zu kommen."

Marion lachte auf Anjas witzige Anspielung, doch Roxy fand es gar nicht lustig. Ihr schien es wichtig, das klarzustellen.

„Ich hatte mich mit dem Herrn angeregt über Impressionismus unterhalten. Er war in der Materie sehr gut bewandert."

„Das hast du wie immer zielsicher erkannt. Er gilt als DER Impressionismus-Experte und -Sammler schlechthin. Du kanntest Herrn Mertens natürlich nicht, hm?"

„Nö, echt nicht. Klar, hatte mich Moni vorher kurz über ihn aufgeklärt. Aber bis zu diesem Abend hatte ich noch nie etwas von ihm gehört."

„Und von Auguste Renoir, Paul Cezanne und Edouard Manet hattest du vorher auch noch nie was gehört, was? Das kommt bei dir einfach so im Gespräch, oder wie?" Susi sprach zunehmend lauter und hatte einen vorwurfsvollen Unterton in der Stimme.

„Mein Gott, ich werd doch wohl noch so nen ollen Manet erkennen" rechtfertigte sich Roxy.

„Nen ollen Manet!" Susi sprang auf. „Meine begabtesten Einser-Studentinnen haben diesen lange als verschollen geglaubten Meilenstein der Kunstgeschichte nicht erkannt. Auch ich hab das anfangs gar nicht glauben wollen. Niemand wusste davon. Aber ein gewisses Fräulein Bianchini parliert darüber ganz beiläufig wie übers Wetter. Mensch, Mertens hielt dich für meine Assistentin!"

Roxy saß ziemlich bedröppelt da und zuckte nur mit dem Schultern, was Susi offensichtlich nur noch mehr echauffierte.

„Herr Gott Roxy!" schrie Susi sie jetzt förmlich an. „Wo du auftauchst, stehen alle anderen plötzlich wie ungebildete Bauerntrampel da. Wer bist du? Wo kommst du her? Was willst du von uns?" Susi starrte der armen jungen Frau insistierend in die Augen. Doch diese konnte sich wehren, sprang auch auf, fixierte Susanne und gab Kontra:

„Was ich von euch will?!" schrie sie zurück. „Was glaubst du denn, was ich von euch will?!" Ihr schossen die Tränen in die Augen. „Ich will...", jetzt versagte ihre Stimme und sie schaute zu Boden. „...ich will einfach nicht allein sein" flüsterte sie, ein Heulen unterdrückend, und rannte los.

Marion fuhr es in den Magen. Sie wusste, wie es Roxy ergehen musste. Dass sie in dem Dilemma war, nichts über sich preis geben zu dürfen, aber eine gute Freundin zu sein. Auch Anja schien ziemlich berührt. Und Susanne erst:

„Roxy! Es tut mir leid. Bitte...", doch die arme Kleine war schon zur Terrassentüre raus und hatte sie hinter sich zugeknallt. Susi wollte ihr hinterher, aber jetzt reagierte Marion, und hielt Susanne am Handgelenk zurück.

„Susi, lass ihr ein wenig Zeit. Das ist nicht einfach für sie."

„Was ist nicht einfach für sie? Herrgott, ich verstehe das Mädchen einfach nicht."

„Sie hat gute Gründe, nichts über sich preiszugeben. Sie hat es mir erklärt, und ich habe es akzeptiert."

„Du hast akzeptiert, dass sie absolute Narrenfreiheit hat? Es nicht einsieht, irgendwelche Verpflichtungen einzugehen? Mal hier, mal dort ist, und du dich jedes Mal, wenn du sie siehst, fragst, ob das wohl das letzte Mal war?"

Marion musste schlucken. Es wäre ihr Untergang, Roxy zu verlieren.

„Nein, so ist es nicht. Roxy würde liebend gern Verpflichtungen eingehen, über sich und ihre Familie plaudern. Was sie umtreibt, und dass sie ihre Eltern vermisst. Aber es geht nicht. Bitte akzeptier das auch, Susanne."

Die Angesprochene setzte sich jetzt wieder und grübelte kurz, schüttelte nachdenklich den Kopf.

„Weißt du Marion, Roxy ist ein Phänomen. Ein einziges Rätsel. Ein Wunderkind. Sie könnte so viel aus sich machen."

„Na komm, sie ist doch noch so jung. Jetzt lass sie doch erstmal zu Ende studieren."

„Du glaubst tatsächlich, sie studiert?"

„Klar. Betriebswirtschaft. Erstes Semester. Hat sie mir gesagt."

„Wer's glaubt, wird selig. Mit ihrer Intelligenz und ihrem fotografischen Gedächtnis hätte sie den Abschluss doch längst in der Tasche."

Marion war ziemlich irritiert. Das klang dann doch recht abwegig. Klar hatte sie davon gehört, dass es Menschen gab, die schon im Teenageralter mehrere Universitätsabschlüsse vorweisen können. Aber wieso sollte ausgerechnet ihre Roxy eine dieser wenigen, ungewöhnlichen Menschen weltweit gehören? Für sie war Roxy eine ganz gewöhnliche, junge Studentin. Warum sollte sie Marion in dieser Beziehung belügen?

„Wie dem auch sei. Ich schau jetzt mal nach der Kleinen. Ist doch recht kalt da draußen" schloss Marion das Thema ab und stand auf, um Richtung Terassentür zu gehen.

„Barfuß? Willst du den Jahreswechsel mit Fieber im Bett verbringen? Draußen liegt Schnee. Komm, nimm meine Hausschuhe" dachte Anja fürsorglich mit, und lief Marion hinterher.

„Danke dir, Anni-Schatz" nahm sie die angenehm vorgewärmten Treter in Empfang und bedankte sich mit einem Bussi.

Ein wenig mulmig war Marion schon zumute, als sie durch die Terrassentüre schlüpfte. Hoffentlich war Roxy nicht allzu weit weggelaufen. Es war schon verdammt kalt.

Die Kleine lehnte aber gleich neben der Türe an der Wand. Die Terrasse war zum Teil überdacht, so dass hier kein Schnee lag, und ihre Socken trocken blieben. Trotzdem war es sicher nicht angenehm, so leicht bekleidet hier draußen in der Winternacht. Auch Marion spürte die beißende Kälte an Händen und Gesicht.

Roxy reagierte nicht, als Marion sich vorsichtig neben sie an die Wand lehnte. „Hi."

„Hi", kam es einsilbig von ihr zurück. Sie starrte weiter in die Dunkelheit.

Marion suchte nach ihrer Hand, nahm und drückte sie. Sie war ziemlich kalt, deshalb rieb sie auch mit der anderen Hand daran.

„Roxy, Süße. Ich glaub, Susi..."

„Nimm sie bloß nicht in Schutz!" sagte Roxy ziemlich unwirsch. „So geht das jedes Mal. Was ich von ihr will?! Was will sie denn von mir, hm?"

„Du, ich glaub, sie will einfach nur, dass es dir gut geht. Dass du glücklich bist."

„So? Dann soll sie sich bitte schön nicht ständig in meine Angelegenheiten einmischen."

„Das tut sie doch gar nicht. Es ist nur..." Marion musste die Worte mit Bedacht wählen, „...es ist halt so, dass du eine wirklich ungewöhnliche, gebildete, intelligente, engagierte, junge Frau bist. Und es schwer für uns ist, da mitzuhalten. Eine Erklärung dafür zu haben, dass du alles und jeden in den Schatten stellst."

Jetzt drehte Roxy doch den Kopf zu Marion.

„Oh Gott, bin ich tatsächlich so unausstehlich?"

„Nein, Quatsch! Du bist einfach wundervoll! Nur für Susi ist das halt besonders schwer, weil sie es gewohnt ist, die Überlegene zu sein. Aber sie bewundert dich noch viel mehr als ich, glaub mir."

„Für mich ist es auch schwer" flüsterte Roxy, und schlang plötzlich beide Arme um Marions Hüften, drückte ihr Gesicht in deren Halsbeuge und heulte ungehemmt lost. Marion tröstete sie mit Streicheln im Haar und geflüsterten Worten. Es tat ihrem kleinen Engel gut, einmal nicht die Starke mimen zu müssen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sich Roxy wieder beruhigt, nahm das Gesicht aus Marions Halsbeuge, schniefte ein letztes Mal und schaute ihre Geliebte an.

„Hast du ihr von den Optionsscheinen erzählt?" fragte sie Marion.

„Nein. Natürlich nicht. In der Gelegenheit schweige ich wie ein Grab." Marion lachte kurz auf. „Na ja, ich kenn ja eh nur die halbe, verrückte Geschichte. Was sollte ich da schon erzählen?"

„Danke!" lächelte Roxy und streichelte Marions Wange.

„Ich hab ihr aber gesagt, dass du gute Gründe hast, nichts von dir auszuplaudern."

„Und? Hat sie's geschluckt?"

„Weiß nicht. Schon möglich. Vielleicht bittest du sie auch nochmal drum?"

Als sei das das Stichwort für Susannes Auftritt gewesen, ging schon die Terrassentür auf und sie streckte den Kopf raus.

„Hi, ihr zwei. Darf ich rauskommen?"

Roxy und Marion schauten sich kurz an. Dann gab die jüngere von beiden die Erlaubnis. „Klar."

Susanne trat etwas unsicher auf die beiden zu und begann umständlich mit einer Entschuldigung.

„Roxy, Liebling, ich... es tut mir leid...ich..."

Roxy ließ sie gar nicht erst ausreden, löste sich von Marion, schlang nun beide Arme um Susannes Hüften und legte ihr Gesicht in deren Halsbeuge. Heulte wieder los. Susanne war so überrascht, dass sie sich gar nicht traute, ihre Arme um das kleine Nervenbündel zu legen, und Marion fragend anschaute.

Diese nickte nur. Gerne durfte sie Roxy trösten. Durfte sich die Kleine bei ihr ausheulen. Es tat Marion überraschend gut, zu wissen, dass sie nicht allein war, wenn es darum ging, Roxy beizustehen. Ihr Geborgenheit zu geben. Es war irgendwie beruhigend, nicht die gesamte Verantwortung für das Wohlergehen dieses faszinierenden, jungen Menschen zu haben. Fast schon verärgert über sich selbst, gestand sie sich ein, dass es vorhin ziemlich unfair von ihr war, Susi als egoistisch hinzustellen, nur weil sie kein Familienmensch war.

Während Susi den kleinen Fratz liebevoll wiegte, strich Marion ihrer Geliebten fürsorglich durchs Haar. Die beiden Frauen sahen sich dabei an, versicherten sich auch gegenseitig, dass sie immer für Roxy da sein würden.

Irgendwann hatte sich Roxy wieder beruhigt, und schaute schniefend Susanne an.

„Susi, nächsten Sommer erzähle ich dir alles. Aber du musst mir versprechen, noch so lange zu warten, ja?"

„Ich werde es versuchen, mein Schatz. Aber ich kann dir nichts versprechen. Sag's mir einfach, wenn ich dir zu aufdringlich werde. Wenn wir wieder anfangen, aneinander hochzugehen."

Roxy lächelte nickend. Dann nahm sie einen Arm von Susannes Hüfte, um diesen um Marion zu schlingen. Sie stellte sich zwischen beide und zog sie gleichzeitig an sich.

„Danke für euer Verständnis. Ich hab euch lieb." Sie gab erst Marion und dann Susanne einen Schmatz.

„Und jetzt lasst uns reingehen. Mir ist arschkalt."

Die wohlige Wärme im Wohnzimmer tat richtig gut. Marion spürte förmlich, wie ihre kalte Haut zu kribbeln begann.

Es war dann Susi, der zuerst auffiel, dass Anja weder im Wohnzimmer noch im Küchenbereich zu sehen war.

„Vielleicht ist sie unten, und heizt schon mal die Sauna an?" freute sich Roxy.

„Möglich. Kannst ja mal nachschauen. Sag ihr nen Gruß, wenn es so ist. Wir kommen dann nach, was Mari-Schatz?" äußerte Susanne ihren Wunsch, mal allein mit Marion zu quatschen.

„Na dann bis bald!" freute sich der kleine Wirbelwind und huschte schon die Treppe hinab. Marion und Susi setzten sich derweil gegenüber auf die beiden Sofas und nahmen ihre Rotweingläser in die Hand. Marion hatte tatsächlich Lust auf ein gepflegtes Gespräch und eröffnete dieses dann auch mit einer Frage, die sie brennend interessierte.

„Du sag mal Susi, hattest du echt gedacht, dass Roxy sich an diesen Mäzen ranmachen wollte, um ihn auszunehmen?"

„Tatsächlich hatte ich das für möglich gehalten. Ich meine, ich kannte Roxy damals ja noch nicht. Und sie war und ist schon verdammt hübsch."

„Und intelligent. Das hätte sie doch nicht nötig, sich von so nem -- wie nannte sie ihn -- alten Sack -- aushalten zu lassen."

„Ja klar. Aber wie Anja schon sagte, manche jungen Frauen sind da tiefenentspannt. Oder einfach nur selbstbewusst genug, um sich zu nehmen, was sie wollen."

„Alte Säcke?"

„Ansehen. Geld. Macht. Ein süßes Leben."

„Aber ist es denn dann nicht der Mann, der da die Macht hat. Der sich die Frau und den Sex kauft?"

„Also wenn du mich fragst, ist es ein Irrglaube, Sex sei eine Machtdemonstration. In Zeiten von 50 Shades of Grey, #metoo und ‚Isch fick deine Mudda' ist das aber leider wieder auf dem Vormarsch."

„Das hätte ich jetzt so nicht unbedingt direkt miteinander in Verbindung gebracht. Denkst du denn, die #meetoo-Debatte war falsch?"

„Nein, die war längst überfällig. Aber solange Menschen -- auch Frauen -- wie selbstverständlich davon sprechen, dass gefickt werden gleich erniedrigt werden ist, und glauben, moderne Frauen lassen sich gern vom erfolgreichen Mr. Grey wie Dreck behandeln, solange werden diese Menschen auch glauben, #meetoo ist einfach nur ein Rumjammern von verklemmten, zickigen Weibern."

„Okay, so habe ich das bisher noch nicht gesehen. Du hast natürlich recht, dass es solche Menschen gibt. Aber die sind doch sicher nur eine Minderheit."

„Grundsätzlich ja, allerdings hat diese Minderheit proportional gesehen viel mehr Einfluss in unserer Gesellschaft. Und je komplexer die Welt wird -- also denke zum Beispiel an Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel -- desto mehr sehnen sich die Menschen nach einfachen, möglichst frühevolutionären Lösungen."

„Also du meinst, Fred Feuerstein gibt seiner Wilma mit der Keule eins über die Rübe, zerrt sie in seine Höhle und fertig ist die glückliche Familie?"

„Ha! Ja das ist gut, das muss ich mir merken! Aber eigentlich denke ich noch weiter zurück. Als der Mensch noch auf den Bäumen lebte und sich mit der Nachbarhorde um die knappen Kokosnüsse stritt. Da war es eine Frage des Überlebens, dass nur der Stärkste und Entschlossenste der Horde den Nachwuchs zeugte."

Marion nickte. „Verstehe. Und heute bauen wir unsere Kokosnüsse alle selbst an, und müssten uns gar nicht mehr streiten."

„Eigentlich ja. Heute streitet man darum, wer die meisten und schönsten Kokosnüsse hat."

„Das ist hoffentlich auch bald vollends Geschichte, wenn dann auch der letzte Idiot kapiert hat, dass Handeln viel mehr bringt als Krieg und Unterdrückung."

„Ja, die Hoffnung sollten wir alle nicht aufgeben. Auch wenn es wie gesagt im Moment eher wieder mehr Menschen gibt, die das nicht kapieren."

Marion musste an das Eisberg-Modell denken, und dass der Mensch nur einen Teil seines Verhaltens rational steuern kann. Das meiste ist emotional gesteuert und liegt unter der Wasseroberfläche.

„Naja, das limbische System ist halt immer noch da. Und so ganz ohne Emotionen wollten wir sicher auch nicht leben."

„Auf jeden Fall! Aber dieser unsägliche Sex-gleich-Macht-Komplex scheint in unserem Stammhirn immer noch so stark verankert zu sein, dass er einfach immer wieder durchbricht. Ich nenne es den Blinddarm im Hirn."

„Der Blinddarm im Hirn?"

„Ja, unser Blinddarm ist ja auch ein kropfunnötiges Überbleibsel der Evolution. Der Körper hat längst viel effektivere Methoden der Verdauung entwickelt, und könnte auf das verkümmerte Ding eigentlich komplett verzichten. Aber stattdessen verirrt sich dann mal Was in diesen falschen Weg, und schon haben wir eine veritable Blinddarmentzündung, leiden wie ein Hund und verrecken dran, wenn wir nicht aufpassen."

Marion lachte auf: „Okay, der Mensch hat halt gelernt, auf andere Weise Scheiße zu bauen..."

Susanne blieb aber ernst: „Ja, das ist immer der erste Gedanke. Aber das ist ein weiterer Blinddarm in unserem Hirn. Wir sehen immer nur das Negative. Den Mist, der am Ende rauskommt. Aber dass das Verdauungssystem uns mit allem Wichtigen versorgt, uns ernährt und sogar glücklich macht, das ist selbstverständlich und wird einfach so vergessen."

„Hm, da ist was dran. Das ist auch so ein Familie-Feuerstein-Ding. ‚Kokosnuss gut. Vergessen. Säbelzahntiger böse. Immer Angst haben.'"

„Das muss ich mir auch merken! Mensch Marion, das tut echt gut, mit dir zu diskutieren. Du hast so eine überragende Auffassungsgabe. Und keinerlei Denkschranken. Das macht riesig Spaß, unsere Gedanken gegenseitig weiterzuentwickeln!"

„Danke für das Kompliment! Mir machts auch riesig Spaß. Ich hab das schon bei Roxy gemerkt, wie sehr es mir gefehlt hat, mit Menschen wie euch über wirklich wichtige Themen zu sprechen."

„Ja, da kommt man so richtig vom Hundertsten ins Tausendste. Sag mal, wie sind wir eigentlich nochmal auf das Kokosnussthema gekommen?"

„Äh... Sex gleich Macht. Dass dieser Irrglaube aus der Steinzeit stammt und ausgerottet gehört..."

„Stimmt, darum gings. Aber nee, ausrotten muss man es nicht. Jeder Mensch sollte lernen, damit richtig umzugehen. Du sagtest ja selbst, so ein Leben ganz ohne Emotionen wäre furchterregend." Sie überlegte kurz, und sagte dann mehr zu sich selbst: „Angst bekommen, weil man keine Gefühle hat. Ein Paradoxon..."

„Du meinst also, wir können unsere Gefühle ruhig zulassen, solange wir sie richtig einordnen und unser Verhalten nicht unbewusst davon steuern lassen?"

„Genau. Gefühle zuzulassen tut immer gut, auch wenn es nicht immer schöne Gefühle sind. Aber es baut negativen Stress ab. Und manchmal wird aus etwas rational gesehen eher Unschönem ein Teil eines guten Gefühls."

Marion überlegte, was sie meinen konnte. „Zum Beispiel?"

„Na ja. Jeder will doch mal dem spießigen Nachbarn an die Hauswand pissen. Oder sich im Dreck suhlen, anstatt immer sauber und adrett zu sein. Und welche Frau träumt nicht auch mal davon, sich von einer Horde testosteronschwangeren Halbaffen mal so richtig durchficken und nassmachen zu lassen?"

„Susi! Sag mal! Das hätte ich jetzt aber so nicht von dir erwartet!"

Die Künstlerin grinste. „Was, dass ich meinem spießigen Nachbarn manchmal an die Hauswand pisse?"

Marion lachte auf. „Nee, DAS traue ich dir locker zu."

„Dann traust du mir Lesbe also nicht zu, dass ich mich hin und wieder mal von potenten Jungs gepflegt durchrammeln lasse?"

Marion musste schlucken. Sie war von Roxy ja schon einiges an direkter Sprache gewöhnt. Aber gegen Susi war sie ja eine Klosterschülerin...

„Äh, ja ich dachte wirklich, du machst dir nichts aus Männern..."

„Du bist süß, wenn du verunsichert bist. Aber das brauchst du nicht sein. Auch wenn ich auf Frauen stehe, weil sie grundsätzlich viel attraktiver, einfühlsamer und leidenschaftlicher sind als so ein haariges Biest, heißt das ja nicht, dass meine andere Seite deshalb ganz unterdrücken muss."

„Deine andere Seite?"

„Ja. Ich glaube jeder Mensch, egal ob er sich als hetero, homo, bi, nonbinär, trans oder metro bezeichnet, hat beide Seiten. Sie sind nur unterschiedlich stark ausgeprägt. Und wer sich das nicht eingesteht, macht sich selbst was vor. Warum sind denn ausgerechnet die Kerle, die als „richtige Männer" bezeichnet werden, am homophobsten? Weil sie sich und ihre Männlichkeit so geil finden, dass sie sich am liebsten selbst einen blasen würden. Aber ein echter Kerl bläst nicht, er lässt blasen. Sex ist Macht. Zumindest auf dem Affenbrotbaum."

Marion nickte nachdenklich, um es gedanklich einzuordnen, sagte deshalb nichts.

Susanne blickte sie jetzt ernst, aber einfühlsam an und sagte:

„Mach dir also bloß keinen Kopf, wenn du mit deiner Roxy vögelst, und dabei an Schwänze denken musst. Das ist nicht nur normal, sondern gehört bei Bi-Frauen quasi dazu."

„Du meinst, Roxy würde verstehen, dass..." sie suchte verlegen nach Worten. Susanne half ihr aus:

„...dass es ihr überhaupt nichts ausmacht, wenn du dich hin und wieder mal von einem Kerl durchficken lässt."

„Ähm, ich dachte eher daran, dass ich da nur Fantasien hab..."

„Egal ob du nur davon träumst oder es in die Tat umsetzt, schalte einfach deinen Verstand ab und lebe nur deine Gefühle aus. Geh zurück auf den Affenbrotbaum, folge deinen Urinstinkten und habe einfach Spaß. Das hast du dir verdient, das neidet dir niemand."

„Und Roxy...?"

„Roxy ist glücklich, wenn du glücklich bist. Und keine Schuldgefühle hast, nur weil du dich von testosteronschwangeren Halbaffen durchficken lässt. Oder selbst zum Alphatier wirst, und dir eine dralle Blondine klarmachst. Wichtig ist halt, dass ihr die Affen danach wieder ins Gehege sperrt."

Susanne gab Marion jetzt etwas Zeit, das alles richtig einzuordnen. Entsprechend ratterten die Zahnrädchen ihres flinken Verstands. Sie machte sich nochmal bewusst, dass es die Gefühlsebene gibt, die noch aus Urzeiten stammt, und eben den Verstand und die Vernunft. Die oberen Hirnregionen, die das Erfolgsgeheimnis des modernen Menschen waren. Aber die Urinstinkte trotzdem noch da waren. Was nicht schlimm ist, solange man damit umzugehen weiß.