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Merlins Kinder 07 Drachenjagd 2

Geschichte Info
Patrizia spricht mit den Eltern
8.8k Wörter
4.88
1.7k
1
Geschichte hat keine Tags

Teil 2 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 02/13/2024
Erstellt 02/08/2024
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Teil 2 Von Drachen und Menschen

Leon

Ich fiel um. Glücklicherweise auf den Stuhl, den mir Patrizia untergeschoben hatte.

"Ein bisexueller Drache", korrigierte sie Pedro. "Ich denke, das haben wir eindeutig bewiesen."

"Ein Drache", keuchte ich. "Wie --"

Er lächelte. "Wir sehen nicht wirklich so aus wie die in den Legenden." Er zuckte die Schultern. "Mein Vater kann seine Gestalt verändern, aber für mich ist das viel zu anstrengend. Ich bin zu sehr Mensch."

"Dein Vater --"

"Ich vermute mal", unterbrach mich Patrizia, "der ist als 'Quetzalcoatl' bekannt? Die fliegende Schlange?"

Pedros Augen wurden groß. "Woher --"

Ich schlug mir gegen die Stirn. "Ein kleines Dorf in Guatemala. In der Nähe von Quetzaltenango. Deine Eltern wohnen am Tacána."

"Tja", meinte Patrizia grinsend. "Wir sind berüchtigte Bücherleser."

Ich runzelte die Stirn. "Deine Mutter -- Maria -- ist ein Mensch. Und das Mädchen, das du heiraten sollst --"

Er nickte. "Vollblutdrache. Es gibt nicht mehr viele. Aber ihr solltet lieber Mama deswegen ausfragen. Ich -- habe mich da immer rausgehalten."

"Okay", sagte Patrizia. "Wie geheim ist denn diese ganze Drachensache? Wir sind ja jetzt schon eine Zeitlang dran --"

Er lachte auf. "Das ist nicht wirklich ein Geheimnis. Aber es gibt eine Art psychologische Barriere. Keiner -- kein normaler Mensch zumindest -- kann gegenüber Fremden ausplaudern, was er oder sie über uns weiß."

"Ich bin ziemlich sicher", meinte ich, "dass meine liebe Patrizia davon nicht betroffen ist."

"Deswegen habe ich auch 'normaler Mensch' gesagt."

"Ich werde", sagte sie, "das sicher nicht einfach so herumerzählen. Wir Hexen sind gut darin, Geheimnisse für uns zu behalten. Aber --" Sie blickte mich an.

"Christian", sagte ich. "Der arme Kerl sollte wirklich erfahren, dass er nicht seit Jahren einem Hirngespinst hinterherjagt."

"Von wem redet ihr da?"

Patrizia und ich blickten uns grinsend an. "Nein", meinte sie. "Die Überraschung wollen wir nicht verderben."

(Am Rand des Vulkankraters, eine Stunde später)

Christian hielt sein Quad an und stieg ab.

Wir taten es ihm nach. Etwas widerwillig, denn Patrizia hatte sich die ganze Fahrt hinauf auf den Vulkan an meinen Rücken gedrückt.

"Also", sagte Christian und ließ seine Hand einen Halbkreis beschreiben. "Das hier ist das geografische Zentrum der Insel." Er zuckte die Schultern. "Zumindest ziemlich nahe dran, und der Teil hier ist flach genug, um die Geräte aufzustellen."

"Ihr hattet hier bisher noch nichts stehen?", fragte Patrizia.

"Wir haben uns auf den Krater konzentriert. Aber wenn wir ein Feld haben, das die ganze Insel abdeckt, ist hier die richtige Stelle."

Patrizia blickte mich an. Ich blickte Patrizia an.

"Was ist?", fragte Christian verwirrt.

"Nun ja", sagte Patrizia, "die Situation hat sich ein kleines bisschen verändert."

"Hä?"

"Wir wollen dir jemanden vorstellen", erklärte Patrizia.

Christian blickte sich verwirrt um. "Und wen?"

Ich spürte eine leichte Erschütterung. Christians Kopf schoss herum.

Pedro tauchte aus dem Nichts auf -- nur ein paar Meter entfernt. "Mich", sagte er lächelnd. Doch dann wurden seine Augen groß.

Genau wie die von Patrizias Cousin. Mein Gaydar machte riesige Ausschläge.

"Wer --", keuchte Christian. "Wer sind Sie?"

Pedro machte ein paar Schritte näher und streckte die Hand aus. "Du musst Christian Wagner sein. Mein Name ist Pedro Alvarez. Ich bin--"

"Ein Drache!" Christian schnappte nach seiner Hand. "Der Drache der Insel."

Der Mythos

Im selben Moment, als das Universum entstand, wurde auch Ki geboren, der Urdrache. Er -- sie -- war reine Energie, genau wie das Universum selbst.

Sie sah, dass das Universum viel zu klein war, um darin zu leben, und beschloss, sich Raum zu schaffen.

Innerhalb weniger Sekunden wuchs das Universum auf die Größe eines Apfels, innerhalb weniger Minuten auf die eines Planeten, doch Ki war das nicht genug.

Immer weiter dehnte sie das Universum aus, bis es endlich so weit abkühlte, dass sich Materie bilden konnte. Ein Blitz schoss durch das Universum. Materie und Antimaterie entstanden und vernichteten sich sofort wieder, bis Ki beschloss, dem ein Ende zu setzen. Sie nahm alle Antimaterie in sich auf und ließ nur Materie zurück. Und Ki entschied, dass es so bleiben sollte.

Während sich das Universum immer weiter ausdehnte und dabei abkühlte, zog die Gravitation die Materie in Strudel, die sich immer weiter und immer schneller zusammenzogen. Es bildeten sich die ersten Sterne, und Ki gefiel es, dass sie immer größer und heller wurden.

Doch dann wurden diese Sterne zu groß. Sie explodierten und schleuderten einen großen Teil der Materie von sich. Der Rest fiel in sich zusammen und bildete riesige dunkle Orte, aus denen nichts entkommen konnte. Noch nicht einmal das Licht.

Als Ki einem dieser dunklen Orte zu nahekam, wurde die Gravitation übermächtig und zerriss den Drachen in unzählbar viele Teile, die alle Ki waren.

Obwohl sie es nicht beabsichtigt hatte, gefiel es Ki. Sie konnte sich so viel besser im Universum verteilen.

Die dunklen Orte, die entstanden waren und immer wieder entstanden, scharten Materie um sich herum, die sich wieder zu Sternen verdichtete und wieder explodierte.

Viel später beobachtete Ki, dass nicht mehr alle Materie zu Sternen wurde. Stattdessen sammelte sich ein Teil davon in Ringen um neu entstandene Sterne, verdichtete sich zu kleineren Wirbeln und bildete zuletzt harte, kugelförmige Körper.

Eine der Ki beschloss, diese Körper zu erforschen. Sie näherte sich einem von ihnen und fühlte, wie die Gravitation sie auf die Oberfläche zog. Eine Oberfläche, die nur wenig kälter war als die der Sonne. Ganz im Gegenteil zum Rest des Universums, das inzwischen sehr kalt und unwirtlich geworden war.

Ki gefiel es, die Wärme des neu entstandenen Planeten zu spüren. Doch in dem Moment, da sie die konzentrierte, harte Materie berührte, verwandelte sie sich. Aus reiner, formloser Energie wurde ein leuchtender Ball aus heißer Materie. Materie und Energie waren zu etwas Neuem verschmolzen, und Ki gefiel das.

Es dauerte sehr lange, bis sie merkte, dass ihre neue Form an den Planeten gefesselt war, und dieser sich immer weiter abkühlte. Sie beschloss, daraus das Beste zu machen. Sie wollte nicht allein bleiben -- ihre anderen Teile hatten sich im Universum verstreut --, also beschloss sie, Leben zu schaffen. Leben, das wie sie aus Materie und Energie bestehen sollte.

Zuerst hatte sie keinen Erfolg. Einzelne Moleküle schwammen in warmem Wasser herum, doch machten sie keine Anstalten sich zu vermehren. Doch Ki verfügte über unendliche Geduld. Sie experimentierte weiter, formte die Materie zu immer komplexeren Gebilden, bis es plötzlich passierte. Ein Faden verband sich mit einem zweiten, trennte sich wieder und formte einen neuen.

Ki hatte Leben geschaffen, doch es dauerte weitere Jahrmillionen, bis es komplex genug war, um aus Zellen Organe und aus verschiedenen Organen Körper zu formen, die sich durch das Wasser bewegen konnten.

Wieder vergingen Äonen, bevor das erste Lebewesen das Wasser verließ und das Land mit einem grünen Schleier überzog. Weitere Lebewesen folgten. Ki formte Beine, so dass das Leben sich besser bewegen konnte.

Zu dieser Zeit geschah es auch, dass sie den Versuch unternahm, ein kleines Stück von sich direkt mit einem der Tiere zu verbinden. Das Ergebnis war selbst für sie überraschend.

Ihre Nachfahren wurden aggressiver, sie vermehrten sich rasend und jede Generation wuchs ein Stück. Bald hatte sie ihre Herkunft vergessen und beschäftigten sich nur noch mit Fressen und Kopulieren.

Patrizia

"Ich verstehe", sagte ich nachdenklich. "Da hat sich aber jemand viel Mühe gemacht, die moderne Kosmologie in eine Legende zu verpacken."

Maria, die uns die Geschichte erzählt hatte, schüttelte den Kopf. "Diesen Mythos hat mir mein Drachen-Ehemann schon vor unserer Hochzeit erzählt. Da gab es noch keine 'moderne Kosmologie'. Damals redete man noch von 'Naturphilosophie', statt von Wissenschaft."

Hä? "Und wann war das?"

Sie lächelte geheimnisvoll. "Zwei Jahre nach dem Tod meines ersten Ehemanns."

Maria lächelte schon die ganze Zeit. Im ersten Moment, als wir zu viert in der Cantina aufschlugen, hoben sich ihre Augenbrauen, weil Pedro und Christian Hand in Hand ankamen und sich ständig verliebte Blicke zuwarfen.

Die beiden boten auch ein seltsames Bild. Christians einziges Zugeständnis an das Inselklima bestand darin, dass Designer-Anzug und -Schuhe in hellen Farben gehalten waren. Pedro dagegen lief immer noch in den Jeans herum, die Leon ihm geliehen hatte. Sonst nichts. Barfuß und mit nacktem Oberkörper. Lecker.

Doch dann blickte sie mich an und begann zu lächeln. Mit einem Wink verscheuchte sie die Männer des Dorfs von ihrem Stammplatz und setzte sich mit uns zusammen an den großen runden Tisch.

"Maria Alvarez de Toledo y Rojas", wiederholte ich den Namen, den sie uns genannt hatte. "Ich vermute mal, du denkst, das sagt mir etwas?"

"Mein erster Ehemann war Diego Colón, der Sohn von --"

Sie machte eine theatralische Pause, und glücklicherweise klickte es bei mir endlich. "Christoph Columbus", platzte es aus mir heraus. "Du bist über fünfhundert Jahre alt."

Sie wackelte lächelnd mit dem Zeigefinger. "Na, na. Man redet nicht über das Alter einer Frau."

"Der Mythos", sagte Christian, "ist dann wohl nicht nur eine Legende, sondern stammt aus dem Rassengedächtnis der Drachen."

"Die Idee", sagte ich, "dass mit dem Urknall auch eine bewusste Entität entstanden ist, die aus reiner Magie bestand, ist eigentlich überhaupt nicht abwegig. Tatsächlich würde das einige Ungereimtheiten in der klassischen Kosmologie--"

Leon legte mir seine Hand auf den Arm. "Wir sind nicht in einer deiner Vorlesungen."

Ich hielt inne. "Sorry. Wenn mein Verstand erst einmal anfängt zu arbeiten, dann kann ich ihn so schnell nicht stoppen."

"Im Endeffekt", meinte Christian, "geht es also darum, dass Drachen keine mehr sind, wenn sie zu viele 'normale' Gene erben."

Maria nickte. "Richtig. Mein Ehemann ist nur noch zu etwa dreißig Prozent Drache."

"Und würde Pedro eine Menschenfrau schwängern," vermutete ich, "wären seine Kinder keine Drachen mehr."

"Und das", sagte der junge Mann, "ist der einzige Grund, warum ich zugestimmt habe, ein Mädchen zu heiraten, das mich wie Scheiße behandelt."

"Pedro!", fuhr Maria auf. "Mäßige deine Sprache."

"Das ist aber schon fast ein Jahrzehnt her", stellte Leon fest. "Vielleicht hat sie sich ja geändert."

"Was wir womöglich nie erfahren werden", sagte Pedro.

Ich räusperte mich. "Es gäbe da eine Möglichkeit."

Alle Blicke richteten sich auf mich.

"In der japanischen Kultur gibt es die Einrichtung einer nakōdo. Der Begriff bedeutet eigentlich so etwas wie 'Mediator', wird aber hauptsächlich für Frauen verwendet, die nach passenden Ehefrauen für junge Männer suchen."

Maria grinste mich an. "Du hast den Job."

Meine Augen wurden groß. "Ich?"

"Wer denn sonst? Wir haben nicht viele weibliche Freunde."

"Die Frauen, die hier im Dorf wohnen?"

"Die Leute hier sind Leibwächter", erklärte Pedro. "Ober besser gesagt: eine Ehrengarde. Sie sind meinem Vater verschworen. Ausgebildete Kämpfer, aber--"

"--nicht wirklich Diplomaten", unterbrach ihn seine Mutter.

Ich blickte sie immer noch stumm an. Eigentlich hatte sie recht. Ich konnte Japanisch und kannte mich, wie ich dummerweise gerade bewiesen hatte, in der Kultur aus. Da ich kein Teil von Pedros Familie war, konnte ich als neutraler Vermittler fungieren.

"Patrizia sagt ja", prophezeite Leon. "Die Aufgabe ist zu reizvoll, als dass sie ablehnen könnte."

Ich zuckte die Schultern. "Okay. Dann brauche ich aber noch mehr Informationen. Vor allem über Misakis Eltern."

Maria lächelte schon wieder geheimnisvoll. "Ich vermute, du hast zumindest einen der Namen ihres Vaters schon gehört."

(Eine Woche später)

Ich blickte aus dem Fenster des Taxis auf eine Kulisse, die ich bisher nur von Postkarten gekannt hatte. Der kegelförmige Berg mit seiner Kappe aus Schnee und Rauch war weltbekannt. "Fujiyama", wie der Berg in Europa hieß, war genauso ein Lesefehler wie "Harakiri". Hier in Japan hieß er "Fujisan", also "Berg Fuji", wobei sich lokale Sprachhistoriker über die Bedeutung des Wortes "fuji" ständig in den Haaren lagen. "Unerschöpflich", "unsterblich" oder "reicher Krieger" wurden heiß diskutiert.

Ja, ja -- mal wieder zu viel im Internet gesurft.

Die gut ausgebaute Straße, auf der das Taxi unterwegs war, schlängelte sich in großen Serpentinen am Berghang hinauf und ließ mich abwechselnd den Berg sehen und die Sagami-Bucht. Atemberaubend.

Ganz oben am Kraterrand lag mein Ziel, der Kusushi-Schrein, eine ausgedehnte Anlage mit angeschlossenem Hotel, wo Rucksacktouristen und Bergsteiger übernachteten, bevor sie sich wieder auf den Weg hinunter machten.

Der Schrein war Amaterasu geweiht, der Sonnengöttin des japanischen Pantheons. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich die Geschichten über die Götter Japans genauso interessiert gelesen wie die über Odin, Zeus oder Jupiter.

Langsam fragte ich mich, wie viele der "Götter" der Welt in Wirklichkeit Drachen waren und inwieweit die Geschichten einen wahren Kern hatte.

Misakis Vater war einer davon. Er, dessen Name niemals laut ausgesprochen wurde, war zwar kein Voldemort, aber doch einer der Götter mit einer zwiespältigen Vergangenheit.

Susanoo hat die Bedeutung "Tapfer-schneller-ungestümer Mann", was eine gute Beschreibung seines Charakters war. Er war der Bruder von Amaterasu. Die Legende besagte, dass er geboren wurde, als sich sein Vater Izanagi nach einem Besuch in der Unterwelt die Asche aus der Nase schnäuzte. Igitt!

Sein Verhältnis zu seiner älteren Schwester war so miserabel, dass sie sich aus Wut auf ihn zeitweise in eine Höhle zurückzog, woraufhin es auf der Erde stockdunkel wurde. Die anderen Götter nahmen sich ihn dann zur Brust und verbannten ihn aus dem Himmel auf die Erde.

Dort -- genauer gesagt in Japan -- angekommen, traf er auf ein älteres Ehepaar, das ihm sein Leid klagte. Eine Riesenschlange kam einmal im Jahr und forderte eine Tochter der alten Leute als Tribut. Sieben von acht Töchtern hatte sie schon gefressen, nur die Jüngste mit Namen Kushinadahime war übrig. Er könne sie haben, meinten ihre Eltern, wenn er nur die Schlange tötete.

Natürlich tat er das, heiratete das Mädchen und sie lebten glücklich und zufrieden -- offensichtlich nicht "bis an ihr Lebensende".

Susanoo und Kushinadahime waren Misakis Eltern. Und ich sollte mit ihnen verhandeln. Allein.

* * *

"Nein", hatte Leon gesagt. "Ich wäre eher eine Belastung als eine Hilfe für dich." Er hob den Arm. "Auch wenn das Ding an meinem Handgelenk mich japanisch sprechen lässt, habe ich nicht die geringste Ahnung, wie ich mich benehmen müsste."

"Ich --"

"Mach du nur dein Ding. Ich habe dir schon zu lange auf der Pelle gehangen. Außerdem --" Er grinste verschmitzt. "-- will ich wissen, wie es mit unseren beiden Turteltäubchen weitergeht."

Ich schüttelte den Kopf. "Du willst einen Dreier mit zwei Männern ausprobieren."

Er erstarrte. "Äh --"

"Von meiner Seite aus kein Problem."

"Äh --"

Ich legte meine Arme um seinen Hals und meine Lippen auf seine. Viel später trennten wir uns. "Außerdem --" Nun war es an mir zu grinsen. "-- habe ich gesehen, wie Maria dich anschaut. Probier' ruhig mal aus, was eine fünfhundert Jahre alte MILF so draufhat."

Er schüttelte langsam den Kopf. "Ich habe nicht vor, die ganze Insel zu vernaschen. Ich muss schließlich noch für meine Prüfungen lernen."

Ich musste lachen. "Na ja, falls Chris zwischendurch Zeit dafür findet."

* * *

Das Taxi bog jetzt auf einen Feldweg ab. Mit kopfgroßen Schlaglöchern. "Teishi shite kudasai, Ichiro-san", sagte ich zu dem Taxifahrer. Halten Sie hier an.

"Die Straße geht aber noch ein paar Kilometer weiter", gab er in passablem Deutsch zurück.

Ich grinste ihn an. "Watashi wa hashiru hō ga sukidesu."

Er grinste zurück. "Sie wollen lieber laufen? Von mir aus."

Ich drückte ihm die vereinbarten zwanzigtausend Yen in die Hand und legte noch einen Zehntausender drauf. Er runzelte die Stirn.

Ich wusste, dass man in Japan eigentlich kein Trinkgeld geben sollte. "Machen Sie sich mit Ihrer Frau einen schönen Abend", sagte ich. "Sie hat es verdient."

Er hatte mir auf dem Weg hierher sein Leid geklagt, wie schwer es heutzutage war, mit dem Taxi Geld zu verdienen, und wie oft er abends nicht zu Hause war.

"Außerdem", fuhr ich fort, "ist das nicht mein Geld. Ich reise auf Spesen."

Er verbeugte sich. "In dem Fall ist es mir eine Ehre, dieses Geschenk anzunehmen, Patarizija-sama."

Er rannte zum Kofferraum und wuchtete meinen Rucksack heraus. "Ā, kamigami yo", murmelte er. Er blickte mich an. "Der ist doch viel zu schwer."

Ich holte eine dicke Daunenweste aus dem Rucksack heraus. Morgens um acht Uhr im November auf halber Höhe zum Fujisan war es nicht gerade paradiesisch.

Dann legte ich eine Hand auf den Rucksack, konzentrierte mich kurz und hob ihn auf meine Schultern.

Er wusste, dass ich zaubern konnte, hatte mich aber noch nicht in Aktion gesehen.

"Wow!", stieß er aus. Noch ein Wort, das seinen Weg aus dem Englischen in die japanische Umgangssprache gefunden hatte.

"Eine meiner leichtesten Übungen." Ich verneigte mich leicht. "Sayōnara, Ichiro-san. Er war mir eine Ehre, mit dir fahren zu dürfen."

Er verneigte sich und stieg in seinen Wagen.

Ich blickte nach vorne und oben. Dann holte ich tief Luft und machte mich auf den Weg. Glücklicherweise war ich im Training.

Der Weg war frei von Steinen, und so früh am Tag und in dieser Jahreszeit waren noch nicht viele Backpacker unterwegs. Also konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass ich allein war und nichts zu tun hatte. Genau das war der Grund, warum ich mich nicht weiter nach oben hatte bringen lassen. Auf der anderen Seite des Bergs gab es eine Straße, auf der sogar ein Linienbus fuhr.

Doch ich wollte diese Zeit für mich haben und darüber nachdenken, was mich quälte. Immer noch hatte ich Albträume, in denen ich ausgestreckt in der Hölle hing und schwarze Hexen ihre Fangzähne in mein Fleisch schlugen oder mir mit langen Krallen das Herz aus der Brust rissen. Immer und immer wieder.

Gott! Ich hatte das Ganze doch eigentlich unbeschadet überlebt. Und verglichen mit dem, was meine Vormütter hatten erdulden müssen -- gepfählt, verbrannt, ersäuft, gerädert und wer weiß wie viele andere Todesarten -- ging es mir doch gut. Dennoch -- Irgendetwas nagte an mir. War es, dass ich mich so naiv hatte überwältigen lassen? Von einer Hexe mit weniger Macht und Erfahrung als ich. Oder dass ich keinen Weg gefunden hatte, mich gegen Mercy Good zu wehren. Nicht das kleinste Bisschen hatte ich gegen sie unternehmen können.

* * *

Wie vom Reiseführer versprochen, dauerte der Weg nach oben etwa drei Stunden. Inzwischen waren eine ganze Menge Menschen mit mir unterwegs. Einheimische und Touristen.

Der Weg stieg immer stärker an, links ging es jetzt steil nach oben; rechts genauso steil nach unten und nur eine dicke Kette verhinderte, dass die Menschen beim Ausweichen in die Tiefe stürzten.

Stufen aus grob behauenen Steinen führten zwischen zwei weißen Löwenstatuen hindurch. Direkt dahinter stand das Torii. Zwei Pfosten aus ausgeblichenem Holz und zwei Querbalken darüber markierten den Eingang zum heiligen Bezirk. Ich wusste, dass man auf keinen Fall in der Mitte durch dieses Tor gehen durfte; der Teil war für Götter reserviert. Der Weg und das Tor waren so schmal, dass es sowieso nur Platz für zwei Personen gleichzeitig gab.