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Noriko Teil 03

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Andy43
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»Bleib in mir«, hauchte sie wie in Trance.

Dan drang tief in sie ein, erwiderte ihren Blick, biss sich erlösend auf die Unterlippe, gab seinen Gefühlen nach und sank bald auf ihren Körper herab. Noriko legte ihre Arme um ihn, drückte ihn sanft an ihren Leib.

»Ich werde immer deine Liebe sein«, flüsterte Noriko. »Ja, das wirst du, mein Engel.«

Lange lagen sie so vereinigt beieinander.

Dan legte sich schließlich neben sie, streichelte über ihr Gesicht. »Der heutige Tag macht alles anderes«, meinte Noriko in die Stille.

»Ja, alles.«

»Es ist ein Unterschied«, hob sie an, »ein Engel zu sein oder eine Ikone.«

Dan dämmerte es.

»Erkläre mir die Aufführung. Was bedeutet sie?«, fragte Dan leise.

»Ich werde es dir an einem Bild zeigen.« Noriko stand auf, ging ins Wohnzimmer, kam mit einem großformatigen Druckwerk zurück und legte sich neben ihn. Es beinhaltete Fotos von Gemälden und Zeichnungen zeitgenössischer, japanischer Künstler des vorigen Jahrhunderts. Noriko suchte nach einem Bild.

»Schau her«, sagte sie und zeigte auf ein Bild. »Was siehst du?«

Dan betrachtete es.

»Einen großen Kraken, der eine nackte Frau begehrt ... und einen kleineren Kraken, der sie küsst, einen seiner Tentakel um den Nippel ihrer Brust gelegt hat. Meerestiere mit einer Frau«, erläuterte Dan.

»Schau, die Frau hält die Augen geschlossen«, meinte Noriko. »Sie genießt es offenbar«, lächelte Dan.

»Die Frau schläft«, antwortete Noriko. »Das Bild trägt den Titel, ›Der Traum der Fischergattin‹. Es ist nicht allein das, was es auf den ersten Blick zeigt. Es ist eine Allegorie. Was sich dahinter verbirgt ist entscheidend. Der Krake ist ihr Mann, und die Tentakeln sind ein Hinweis auf seinen Phallus. Diese Darstellung verweist auf ihre Sehnsucht und die Begierde. Aber auch auf die Sehnsucht ihres Mannes, sie zu lieben. Das Bild erzählt etwas anderes, als was es zeigt. Der Betrachter kann natürlich auch nur Kraken mit einer Frau sehen. Nichts ist so, wie es scheint, obwohl alles so scheint, wie es ist, Dan.«

Dan runzelte die Stirn.

»Der Traum dieser Frau ist so unwirklich und unsichtbar wie ein Engel, verstehst du. Sie sehnt sich jedoch nach etwas Wirklichem, etwas Realem und hat Hoffnung, das es in Erfüllung geht. Sie will in ihren Träumen ausharren, bis er ihr begegnet. Dann wird sie ihre Augen öffnen, um ihn anzuschauen.«

Noriko schaute Dan an. »Ich bin wie diese Fischerin.«

Dan nickte. »Ich verstehe, was du meinst.«

»Dieses Bild ist Anfang des neunzehnten Jahrhunderts gemalt worden, erklärte Noriko weiter. »Es ist fast zweihundert Jahre alt, und es gibt ›Shunga‹ die noch viel älter sind. Sie sind sehr wertvoll, unter Sammlern heiß begehrt, daher sehr teuer. Dieses Bild ist recht eindeutig, es geht unverblümt um Sex, um die Vereinigung. Du wirst dich sicher wundern, wenn ich dir sage, dass es in unserer Zeit, in unserem Land, ähnliche Hinweise für erotische Inhalte gibt, wenn auch nicht mehr so eindeutige, wie auf diesem Bild. Versteckte Hinweise findet man in Comics für Erwachsene. Sagt dir ›Manga‹ oder ›Hentai‹ etwas? Dort entdeckt man bei genauer Betrachtung Vergleichbares. All das, hängt mit unserer Tradition zusammen, mit Überlieferungen, existierenden Bräuchen und unserer jahrtausendealten Religion.«

Dan schaute sie fragend an.

»Genauso verhält es sich auch mit dem Theaterstück, welches du gesehen hast. Auf den ersten Blick vollzogen viele Männer mit einer Frau einen sexuellen Akt. Sie ejakulierten auf ihr, sie trank die Milch der Kammerzofe, sie war gefesselt und musste den Samen der Männer kosten. Auf den ersten Blick sah man sich lediglich einer ausschweifende Orgie gegenüber. Ja, es ging eindeutig und unmissverständlich um Sex. Es war real und doch nur Theater. Es ist wie eine Interpretation dessen, was sich hinter diesem Bild versteckt. Es zeigt die Sehnsüchte, die wir in uns tragen, ohne sie veranschaulichen zu wollen. Unserer Natur und Auffassung entspricht es, jene naturgegebenen Dinge zu verehren, die es ermöglichen, sich Übernatürliches einzuverleiben, um daran teilzuhaben.«

›Hätte ich Milch, ich würde sie dir geben‹, hatte Noriko bei ihrem ersten Treffen in ihrem Apartment zu ihm gesagt, sinnierte Dan und betrachtete das Bild. Noriko sei ein Idol, sagte sie. Man versteht Noriko nicht als ein Sinnbild ihrer Sehnsüchte und Träume, für diese Menschen ist Noriko die Inkarnation dieser Ideale.

»Du hattest mir ja während der Aufführung schon ein paar Hinweise gegeben«, meinte Dan schließlich. Aber du machst mich neugierig.«

»Vieles, was in den Comics unterschwellig angedeutet wird, hat mit Erotik und Sex zu tun. Da es bei uns verboten ist, sexuelle Handlungen darzustellen, versteckt man sie in Zeichnungen und Filmen in Form von Allegorien, so, wie es die Künstler schon damals gemacht haben. Nur sind jene alten Zeichnungen und Bilder per Gesetz verboten, weil sie zu eindeutig sind«, erklärte Noriko. »Zumindest darf man sie nur in speziellen Geschäften und bei Kunsthändlern anschauen und erwerben.«

Dan schaute Noriko fragend an.

»Ja, ich verkörpere etwas, was in unserem aufgeschlossenen Land verboten ist. Eine Begierde, der sich niemand entziehen kann. Sie verlangen nach mir, verzehren sich nach mir, wollen sich an mir berauschen, mich besitzen und manchmal bekommen sie mich, wie eine Belohnung ... um sich ihre Sehnsüchte erfüllen zu lassen, am göttlichen teilzuhaben. Nicht jeder darf mich genießen, nicht der Mann oder die Frau von der ›Straße‹. Und das verleiht mir letztendlich Einfluss, eine gewisse Macht. Ich bewege mich in einer elitären Vereinigung, einer einflussreichen Parallelgesellschaft.«

Dan legte das Buch beiseite, hielt einen Moment inne.

»Wer sind die ›Anderen‹?«, fragte Dan nachdrücklich. »Sag es mir bitte.«

Noriko stand auf, ging auf das Fenster zu und schaute hinaus.

»Männer aus der Politik, aus der Wirtschaft ... Oligarchen, denen es um nichts anderes geht, als um Einfluss und Macht. Geld spielt bei jenen, mit denen ich zu tun habe, nur noch eine untergeordnete Rolle. Es geht um Ehre, um den Kodex, sie streben nach Allmacht. Sie geben sich demokratisch, handeln nach den Gesetzen der modernen Wirtschaft, sehnen sich aber danach, wie ein göttlicher Kaiser behandelt und verehrt zu werden. Ihr Wort ist Gesetz und unantastbar. Alle anderen haben sich ihnen zu fügen. Sie dulden keine Opposition«, erklärte Noriko leise, als würde sie mit sich selbst sprechen.

»Ich kann dich ihnen bekannt machen«, fuhr sie fort. »Ja, ich werde es müssen. Wenn du mich, nach allem was du erfahren hast und wirst, noch willst, wir eine Chance haben wollen, dann wird es nicht anders gehen. Zumal sie bereits ahnen, dass wir in Liebe zusammen sind. Es gibt nur diesen einen Weg. Die Frage, die sich mir stellt, ist, ob du diesen Weg bis zum Ende mit mir gehen wirst«.

»Was ist daran für sie so schlimm, dass wir uns lieben, es ist doch nichts Ungewöhnliches?«

»Ich bin nur ein kleines, austauschbares Rad ... aber ich weiß zu viel und ... es ist wahr, durch mich wollten sie an dich heran, an betriebsinternes Wissen. Als ich dich damals aufgesucht habe, sollte dieses Treffen nur der Anfang dazu sein. Jetzt ist alles anders. Wir beide bewegen uns auf sehr dünnem Eis. Ich sehe aber nur diesen einen Weg. Wir beide müssen uns mit ihnen arrangieren. Nur weiß ich nicht, was sie unternehmen, wie sie reagieren werden«, sinnierte Noriko halblaut. »Ich weiß nur, sie werden uns beide an gewisse Grenzen heranführen, uns auf die Probe stellen. Meine Loyalität prüfen und dich dabei nicht aus den Augen lassen. Unsere Liebe bedeutet, dass wir einander vertrauen, verstehst du, sie werden es nicht akzeptieren können. Du bist ein unkalkulierbares Risiko für sie. Du bist aus dem Westen, Dan. Ein Amerikaner, ein Außenseiter, ein Fremder, kein Japaner. Es geht immer um die Familie, um unabdingbare Loyalität. Die Gemeinschaft und deren Interessen stehen über allem. Der Einzelne ist unbedeutend.«

Sie drehte sich zu Dan um.

»Egal zu welcher Entscheidung sie letztlich gelangen, sie wird kompromisslos sein.«

Eine Träne rann über ihre Wange.

»Ich habe Angst, Dan, seit unserer Begegnung in deinem Hotelzimmer ... weil ich fühlte, dass ich dich über alles lieben könnte ... und nun weiß ich, dass es so ist. Ich habe die Augen geöffnet«, gab sie ihm leise zu verstehen.

Die Melodie eines eingehenden Anrufes unterbrach ihr Gespräch.

Noriko ging ins Wohnzimmer, schaute auf das Display und nahm den Hörer ab.

»Ja, ich höre.«

»Yukiko war eine würdige Vertretung.«

»Ja, das war sie.«

»Sie sprachen voller Begeisterung von dem Theaterstück. Sie schienen Noriko nicht vermisst zu haben, obwohl sie angekündigt war.«

»Ja, Herr Yamada. Ich verstehe.«

»Ich denke, Herrn Miller hat es gefallen.«

»Er war begeistert.«

»Dann war deine Entscheidung Yukiko zu bemühen, trotz allem die richtige. Herr Miller dürfte sich an deine Anwesenheit gewöhnen wollen«, fuhr Yamada fort.

»Ich denke, dass er es bereits zu schätzen weiß, Herr Yamada«, erwiderte Noriko und schaute nervös Richtung Schlafzimmer. Dan stand im Türrahmen gelehnt, verstand nicht, worum es in dem Gespräch ging, beobachtete daher Norikos Reaktionen.

»Es geht nicht allein um Herrn Miller, Noriko, er ist auf gewisse Weise unbedeutend.«

»Ja. Ich bin mir dessen bewusst, Herr Yamada.«

»Ich werde dem Herrn Direktor Bericht erstatten müssen. Was kann ich ihm sagen?«

»Sagen sie ihm, dass es mir nicht um mich selbst gehe. Meine Entscheidungen dienten nicht mir.«

»Ich werde sehen, was ich tun kann«, antwortete Yamada.

»Danke, Herr Yamada.«

»Halte dich bereit, Noriko. Ich werde dich in Kenntnis setzen«, meinte Yamada formell.

»Ja, ich halte mich bereit.«

»Noriko«, meinte Yamada leise, »keine Sorge. Aber von nun an keine eigenen Entscheidungen mehr. Es wird Konsequenzen nach sich ziehen.«

»Ja, Herr Yamada. Verstehe Herr Yamada. Danke, Herr Yamada.«

Noriko legte den Hörer auf, schaute Dan an und holte tief Luft.

»Wer war das?«

»Ein Assistent. Von ihm erhalte ich meine Anweisungen. Er ist meine Kontaktperson.

»Gibt es ein Problem?«

»Einige der Zuschauer gestern abend ... sie waren wegen mir eingeladen ... allein um mich dort zu sehen. Ich wusste es und habe eigenwillig entschieden.«

»Verstehe.«

»Ich denke nicht, Dan.«

»Was bedeutet es für dich?«

»Ich habe einen Fehler gemacht. Aber es lässt sich von mir aus der Welt schaffen. Dessen war ich mir vorher bewusst. Denke von nun an immer daran, ich liebe dich. Akzeptiere, was auch ich immer tue, egal was es ist. Vertraue mir.«

»Was musst du tun?«

»Wir müssen abwarten. Ich werde es bald wissen und entsprechend handeln.«

Noriko ging lächelnd auf Dan zu, und nahm ihn in den Arm.

»Komm, mein Engel, lass uns jetzt frühstücken, dann gehen wir in die Stadt und machen uns einen angenehmen Tag. Ich habe vor, dir die Burg zu zeigen.«

*

Herr Yoshida stand vor der Fensterfront und betrachtete die Skyline, als Yamada den großzügigen Büroraum betrat und sich in gebührendem Abstand verneigte.

»Wo hält sie sich auf?«, fragte er nach einer Weile des Schweigens, ohne sich zu Yamada umzudrehen.

»Sie befindet sich in Gesellschaft mit Herrn Miller in ihrem Penthouse, Herr Yoshida.«

Herr Yoshida schaute ungerührt aus dem Fenster.

»Osaka ist eine blühende Stadt, Yamada.« -- »Ja, Herr Yoshida.« -- »Ein Garten. Die Natur gibt uns die Perspektiven vor, wir haben sie zu achten, zu pflegen. Eine folgenreiche und ehrenvolle Verpflichtung.«

»Ja, Herr Yoshida.«

»Ein junger Baum kann leicht gebogen werden ... je höher der Baum, desto neidischer der Wind. So heißt es doch, Yamada,« gab er mit fester Stimme zu verstehen.

»Ja, so heißt es, Herr Direktor Yoshida. Ich bitte um Entschuldigung, Herr Yoshida«, erwiderte Yamada und verneigte sich mehrmals.

»Sie sind wie kleine Kinder, wissen nichts von Pflichten. Sie werden sie im Auge behalten.« -- »Ja, Herr Direktor. Ich danke Ihnen vielmals Herr Direktor.«

»Kümmern Sie sich um Yukiko. Unmissverständlich.« -- »Ja, Herr Direktor.« -- »Wir werden sehen, aus welchem Holz Herr Miller geschnitzt ist. Das Gemüt einer Frau ändert sich so leicht wie die Augen einer Katze. Machen Sie ihre Arbeit, Yamada.«

»Ich danke für Ihr Vertrauen, das Sie in mich setzen, Herr Direktor.«

Yamada verneigte sich, verließ das Büro und griff nach seinem Handy.

*

Noriko und Dan aßen nach einem ausgiebigen Besuch der Burg Osaka zu Mittag. Noriko, die eine eingehende SMS las, steckte das Handy zurück in ihre Handtasche und schaute Dan schweigend an. Dan sah ihr an, dass sie sich gedanklich mit etwas beschäftigte, stellte ihr aber keine Fragen.

»Du bist ein attraktiver Mann, Dan, und wohlhabend«, meinte sie schließlich.

Dan schaute Noriko verdutzt an, entgegnete jedoch nichts auf ihre schmeichelhafte Feststellung.

Sie griff nach ihrem Getränk und schaute ihn intensiv an.

»Keine Frau? Kein Mädchen, welches infrage gekommen wäre?«

»Nein. Bis jetzt. Ich meine, es gab eine Frau in meinem Leben, mit der es zu passen schien. Ist schon ein paar Jahre her.«

»Woran lag es?«

»Wir sahen uns selten. Ich war zu oft geschäftlich unterwegs.«

»Sie wollte wohl nicht warten, Dan.«

Dan legte sein Besteck beiseite. »Ist das eine Frage?«

Noriko lächelte zunächst, schaut ihn dann mit ernsthafter Miene an. »Du wirst zurückgehen.«

»Ja, darüber denke ich die ganze Zeit nach, Noriko.«

Noriko schaute ihn wachsam an, und senkte dann ihren Blick.

»Ich habe oft des Nachts wach gelegen. Seit jener ersten Nacht. Ich stand manchmal am Fenster, blickte den aufsteigenden Flugzeugen nach. Ich fühlte mich allein. Sollte ich dein Engel sein, Dan?«, meinte sie ambig.

Dan schaute sie verwundert und zugleich nachdenklich an.

»Auch ich fühlte mich allein, Noriko. Du bist attraktiv und wohlhabend.«

Noriko schmunzelte, nahm einen Bissen Gemüse aus ihrer Schale und schaute Dan zunächst abwartend an.

»Im Augenblick des Zusammenkommens beginnt die Trennung, heißt es.«

»Ja«, erwiderte Dan und seufzte leise auf. »Darüber habe ich nachgedacht.«

Dan blickte Noriko aufmerksam an. »Wir werden in Seoul eine Niederlassung aufbauen. Mein Freund Lee ist Geschäftsführer einer Firma, die Präzisionsteile für uns herstellt. Wir können in Korea billiger produzieren bei gleichbleibender Qualität. Wir haben die Absicht, noch enger mit ihnen zusammenzuarbeiten, sie ins Boot zu holen, auch was unser Know-how in der Entwicklung und Forschung angeht. Wir setzen mit diesem Schritt einen Fuß in die Tür. Niemand unserer Mitbewerber ahnt bislang etwas davon. Bis jetzt. Ich denke, wir geraten wohl gerade ins Fadenkreuz.«

»Ihr wollt euch mehr Marktanteile in Asien sichern, euch weltweit besser aufstellen.« -- »Ja, die Konkurrenz ist groß ... aber, was ich dir eigentlich sagen will, ist, dass ich darüber nachdenke, selbst nach Seoul zu gehen, um dort die Leitung der neuen Niederlassung zu übernehmen, dauerhaft ... jedenfalls so lange mein Vater die Geschäfte von New York aus führt. Ich habe bereits mit meinem Vater darüber gesprochen. Er hält es für sinnvoll.«

Noriko nahm einen Schluck Wein, behielt das Glas in der Hand und richtete versonnen ihren Blick darauf.

»Ich werde in Seoul ein Haus anmieten ... nur anderthalb Stunden Flug ... keine einsamen Tage und Nächte mehr, Noriko«, setzte Dan hinzu und wartete Norikos Reaktion ab.

»Weiß er von mir?« -- »Ich habe es ihm noch nicht gesagt«, entgegnete Dan, der ahnte, worauf Noriko mit ihrer Frage hinsteuerte.

»Was hast du ihm noch nicht gesagt?« -- »Es geht mir um dich, Noriko, um uns beide.« -- »Er ist dein Vater, er hat ein Recht darauf. Man wird unsere Verbindung nicht dulden, Dan. Sei nicht blind.«

»Wir drehen den Spieß um, Noriko.« Noriko machte große Augen. »Du bist verrückt. Du hast keine Ahnung, mit wem du es hier zu tun bekommst«, zischelte sie ihm gereizt über den Tisch hinweg zu.

»Hast du etwa deinen Eltern von mir erzählt, Noriko?«, hob Dan spitzbübisch an. Norikos Miene erstarrte. »Na also«, meinte Dan gelassen. »Ich habe übrigens irische Vorfahren, das solltest du wissen.«

»Versuche erst gar nicht den Helden zu spielen. Du weißt hoffentlich, wo eure Helden am Ende gelandet sind. Am Galgen«, raunte sie ihm beunruhigt zu.

»Du liebst mich ja wirklich«, erwiderte Dan vergnügt. Noriko verkniff sich ein Lächeln. »Das ist nicht lustig, Dan. Du bist nicht in Irland oder in den Staaten.«

Eine Weile aßen sie schweigend. Dan ahnte, dass Noriko sich freute, sie anderseits Befürchtungen plagten.

»Kannst du Lee vertrauen?« -- »In den Jahren unserer geschäftlichen Beziehungen haben wir uns angefreundet. Ja, ich denke, ich kann sagen, dass wir Freunde sind. Wir vertrauen einander. Es ist nicht nur eine wirtschaftliche Win-win-Situation, falls du das meinst.«

»Er weiß von mir?« -- »Ja, und er hat mich vor dir gewarnt.«

Noriko blickte Dan intensiv an. »Er hält mich für eine Hure.« -- »Ja, so was in der Art.« -- »Womit er wohl nicht ganz unrecht hat«, erwiderte Noriko.

»Er kennt nicht die Hintergründe. Ich sehe jemand anderen, sobald ich dich anschaue. Ich versuche, dich mit deinen Augen zu sehen. Wie war das noch mit den Masken, die wir tragen, mein Engel? Wir sollten mit dem Theaterspielen aufhören oder noch besser, wir werden die Regie übernehmen.«

Noriko seufzte sorgenvoll auf, und lehnte sich in ihren Stuhl zurück.

Dan lächelte zwanglos. »Hat es dir geschmeckt?« -- »Ja, lass uns zahlen, Dan. Ich muss jetzt an die frische Luft.«

*

Sie verließen das kleine Restaurant, schlenderten durch den angrenzenden Park. Dan nahm Norikos Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Sie warf ihm einen Blick zu, und umschloss fest seine Hand.

»Ich habe Angst, Dan. Sie werden uns unter Druck setzten, sie scheuen vor nichts zurück. Es geht um viel. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Abweichler zur Raison bringen. Es ist nicht nur eine Frage des Geldes oder des Einflusses, verstehst du? Man ist einander verpflichtet.«

»Komm mir nicht mit Tradition, Herrscherdynastien und Ehrgefühl. Keine Burg ist uneinnehmbar, das lehrt die Geschichte, auch eure. Letztlich geht es immer ums Geld.«

Noriko blieb abrupt stehen und drehte sich Dan zu. »Du bist total verrückt und ...«

»Ich bin kein Idiot, ich will einen Deal mit ihnen aushandeln, Noriko«, fiel Dan ihr ins Wort. »Eine Win-win Situation herbeiführen.«

Noriko fixierte seinen Blick. »Zu welchem Preis, Dan? Bin ich der Gewinn?«, herrschte sie ihn an. Dan schaute Noriko besonnen in die Augen und schwieg.

»Du meinst es wirklich ernst«, flüsterte sie gebannt. »Ja, zum ersten Mal in meinem Leben erkenne ich einen tieferen Sinn in dem, was ich tue.«

»Wir kennen uns erst eine kurze Zeit, wie kannst du dir darin sicher sein?«, hauchte sie ihm zu. »Das bin ich mir nicht. Heute Morgen, als du schlafend neben mir lagst ... es ist nur ein Gefühl, Noriko. Und ich will, dass es nicht aufhört. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlt sich der wohlhabende, attraktive Mann wirklich bereichert, Noriko. Ich wäre ein Idiot, wenn ...«

Noriko legte einen Zeigefinger an seine Lippen, kam näher, tupfte ihm dann einen sanften Kuss auf die Lippen und schaute ihn eindringlich an. »Yorishiro, Dan«, flüsterte sie ihm zu, »ich fühle es ja auch. Zum ersten Mal.«

Dan zog sie an sich und schaute sie verwundert an. »Was bedeutet das, mein Engel?« -- »Ich weiß es noch nicht ... mein irischer Bezwinger.«

Dan lächelte und gab ihr einen innigen Kuss.

»Lass uns weitergehen. Ich will dir einen Schrein zeigen, er steht gleich dort hinten innerhalb eines märchenhaften Haines«, säuselte sie vergnügt. Dan lachte leise auf, und schaut sie verliebt an. »Komm schon, mein großer, blonder Held«, rief Noriko fröhlich auf, trippelte los und zog ihn dabei ungeduldig an der Hand.

*

Noriko klatschte zweimal in die Hände, verbeugte sich und wandte sich wieder Dan zu, der sie aus angemessener Entfernung beobachtete.

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