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Proterogania 02

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Ariu bemerkte, dass ein großer Polizist mit ergrautem Haar hinter ihr stand.

»Warum muss dieser verfickte Chip Alarm schlagen, wenn mich meine Tochter sowieso nicht mehr in ihre Nähe lässt?«, sagte Ariu mit tränenverschleiertem Blick.

»Als es die Chips noch nicht gab«, sagte der Polizist ruhig, »kam es vor, dass die Instinkte versagt haben. Es ist nun mal so, dass deine Töchter jetzt potenzielle Partnerinnen für dich geworden sind und solche genetischen Kurzschlüsse sind nicht gut für den Genpool.«

»Ich wollte sie nicht ficken!«, sagte Ariu hysterisch, »ich wollte ihr zu ihrem Baby gratulieren.«

Die Polizistin kam zurück und verkündete: »Deine Tochter verzichtet auf eine Anzeige, ich werde einen schriftlichen Vermerk in deiner Datei ablegen. Im Wiederholungsfall wird das ernste Konsequenzen haben.«

»Nein, das machen wir nicht«, sagte der Polizist ruhig und nahm Ariu kumpelhaft in den Arm. Seine Kollegin schaute verständnislos und fragte: »nicht?«

»Nein, wir sprechen eine mündliche Verwarnung aus«, sagte der ältere Mann und schaute Ariu aufmunternd an, »fahr in dein Habitat zurück und nimm es deinen Töchtern nicht übel. Du warst ihnen eine gute Mutter. Diese Zeit ist nun vorüber.«

Er kam mit seinem Mund ganz nah Arius Ohr und flüsterte, sodass es seine Kollegin nicht hören konnte: »versprich mir, dass du keine Beulen in die öffentlichen Mülleimer trittst. Ich habe solche Szenen in ähnlichen Fällen beobachten müssen und ich mag keine verbeulten Mülleimer auf meinem Promenadenabschnitt.«

Ariu nickte mit verheultem Gesicht. Ihr Make-up von gestern, war schon vorher verschmiert gewesen, jetzt liefen ihr Teile davon an den Wangen herunter. Sie nickte und trotte den spiralförmigen Promenadengang abwärts.

»Und nimm bei deiner Verfassung den Zug, keinen Elektroflitzer«, rief ihr der Polizist hinterher.

Ariu war kurz versucht, ihren Frust an einem der Aluminiumzylinder, die in regelmäßigen Abständen zur Müllentsorgung aufgestellt waren, auszulassen, erinnerte sich an ihr Versprechen und fluchte laut, ehe sie in einen Aufzug stieg, der sie zum Tiefbahnhof bringen würde.

Die Schnellzüge fuhren im Zehnminutentakt zu den Habitaten und der zentralen Insel. Der nächste Zug zu Arius Habitat würde in einigen Minuten eintreffen. Sie setzte sich auf eine freie Bank und wartete. Als der Zug einfuhr und sich die Türen öffneten, blieb Ariu sitzen. Sie beobachtete die ein- und aussteigenden Fahrgäste, sah seelenruhig zu, wie sich die Türen schlossen und der Zug weiterfuhr. Den nächsten Zug bestieg sie auch nicht. Nach dem übernächsten Zug legte sie ihre ausgestreckten Arme auf die Lehne und proklamierte die gesamte Sitzbank mit dieser Geste zu ihrem Hoheitsbereich.

Breitbeinig saß sie in ihrem Minirock in einer lässigen Körperhaltung auf der Bank und beobachtete das Kommen und Gehen auf dem Bahnsteig.

»Na, juckt die Muschi«, sagte ein vorbeilaufender Mann und versuchte ihr zwischen die gespreizten Beine, anstatt in ihr Gesicht, zu blicken.

»Fick dich selbst«, konterte Ariu mit patziger Männerstimme. Der Mann erkannte seinen Fehler und trottet schweigend weiter. Als ihr Comsystem brummte, ignorierte sie es.

Gegen Abend kam die arbeitende Bevölkerung in überfüllten Zügen von der zentralen Insel zurück. Ariu sah eine Frau in ihrem Alter, die sichtlich gequält, in ihren hohen Schuhen an ihr vorbeilief.

»Es gibt bequeme High Heels für deine breiten Füße«, sagte sie und die Frau riss den Kopf erschrocken herum: »Was?«

»Du quälst dich doch«, sagte Ariu und zog ihre hochhackigen Schuhe aus, »probiere mal meine an, die haben ein breiteres Fußbett.«

Die Frau schaute Ariu verwirrt an.

»Na mach schon, die sind fast neu«, sagte Ariu.

Die Frau zögerte einen Moment, zog dann ihre Schuhe aus und stieg in Arius Schuhe. Nach einigen Schritten lächelte sie.

»Siehst du?«, sagte Ariu, es gibt für alles eine Lösung.

»Die möchte man gar nicht mehr ausziehen«, sagte die Frau mit brüchiger Stimme und räusperte sich. Ariu hob die Hand und sagte: »erzähle mir bitte nicht, dass du erkältet bist, du bist nämlich im Stimmbruch.«

Die Frau nickte verlegen.

»Warum sagst du es dann nicht einfach?«

Die Frau zuckte mit den Schultern.

»Wie heißt du?«

»Olue.«

Ariu stand auf und stellte sich barfuß neben die Frau.

Sie sprach einen vorbeilaufenden Mann an: »Entschuldigung, das ist Olue und sie fühlt sich nicht gut, weil sie im Stimmbruch ist und ihr die Füße weh tun.«

Der Mann nahm Olue verständnisvoll in den Arm und sagte: »ich finde es toll, dass ihr dazu steht, ich habe mich damals unnötig gequält.«

Nach der Umarmung schenkte er Olue und Ariu ein warmes Lächeln und ging weiter.

»War doch gar nicht schlimm, oder?«, fragte Ariu.

Olue schüttelte den Kopf und fragte: »warum machst du das?«

»Weil ich meine Erfahrungen weitergeben möchte, die Aufklärungsbroschüren und Kampagnen laufen ja seit Jahrzehnten ins Leere.«

»Ich dachte immer, dass es noch Zeit hat«, gestand Olue.

»Verabschiede dich von deinen Kindern«, sagte Ariu eindringlich, »sag ihnen Lebewohl, bevor es zu spät ist.«

»Danke«, sagte die Frau, »ich muss weiter.«

Nach zwei Schritten blieb sie stehen und sagte: »huch, ich habe ja noch deine Schuhe an.«

»Behalte sie«, sagte Ariu gönnerhaft.

»Aber dann hast du ja keine passenden mehr?«

»Egal«, sagte Ariu, »ich finde neue Schuhe.«

Als die Frau gegangen war, knöpfte Ariu ihre zerknitterte und befleckte Bluse auf, knüllte sie zusammen und warf sie in den Mülleimer neben der Bank. Sie streiften ihren Minirock ab und entsorgte ihn ebenfalls.

Als der nächste Zug eintraf, der zu Arius Habitat fuhr, betrat er ihn lediglich in einer Männerunterhose und mit seinem Comsystem in der Hand. Gemäß den Vorschriften, zur öffentlichen Ordnung, waren alle seine Geschlechtsteile verhüllt. Er setzte sich auf einen freien Platz und schaute die Fahrgäste in seiner Nähe unbefangen an. Einen Mann, dessen Frisur ihm gefiel, fragte er: »kannst du mir einen Friseur empfehlen?«

*

Am späten Vormittag des nächsten Tages und nach einer Shoppingtour, die auch einen Friseurbesuch beinhaltet hatte, betrat Ariu den Tiefbahnhof seines Habitats. Er trug eine schwarze Stoffhose, flache Herrenschuhe und ein graues T-Shirt mit V-Ausschnitt, das er sich ordentlich in die Hose gesteckt hatte. Darüber trug er ein Jackett, dass seine Schultern, nicht die Taille betonte. Die Damenfrisur war einer modischen Herrenfrisur gewichen, die zu seinen maskulinen Gesichtszügen passte. Er setzte sich auf eine freie Bank im Wartebereich, stellte einen Pappbecher mit Kaffee auf die Sitzfläche neben sich und aß das belegte Baguette, während er das Treiben an den Bahnsteigen beobachtete.

Als sein Comsystem in der Jacketttasche brummte, nahm er den Anruf an. Es war sein Chef.

»Ist alles in Ordnung? Wir machen uns Sorgen, weil du gestern und heute nicht im Büro warst.«

Den Bissen Baguette kauend, antwortete Ariu: »Es ist alles OK.«

»Die Mädels haben sich neue Slogans für die Werbekampagne einfallen lassen und brennen darauf, deine Meinung zu hören«, sagte sein Chef.

»Das kannst du genauso gut beurteilen«, sagte Ariu, »ich schicke dir heute oder morgen meine Kündigung.«

Zu seiner Verwunderung hörte er seinen Chef erleichtert ausatmen: »so lange wie du, hat es noch keine ausgehalten. Ich dachte schon, dass du es auf meinen Posten abgesehen hast.«

Ariu lachte: »Einen Stall voll junger Hühner betreuen? Da muss man ja verrückt sein.«

»Ja. Da muss man verrückt sein«, gestand sein Chef, »ich werde dir ein erstklassiges Arbeitszeugnis ausstellen lassen und muss wohl noch mehr junge Hühner einstellen, um dich zu ersetzen. Alles Gute.«

»Danke, dir auch«, sagte Ariu und beendete das Gespräch mit einem zufriedenen Lächeln.

Er hielt das Comsystem in der Hand und öffnete Nirus zahlreiche Textnachrichten, die er bisher ignoriert hatte. Sie machte sich Sorgen um ihn, vermisste ihn und wollte schließlich wissen, was sie falsch gemacht hatte, als sie erkannte, dass er nicht antwortete. Ihre letzte Nachricht lautete: »Ich vermisse dich so schrecklich.«

Ariu fühlte einen brennenden Schmerz in der Magengegend. Er erinnerte sich, als Niru in seinem Arm gelegen hatte. Ihr junger, anschmiegsamer Körper und die Bereitwilligkeit, mit der sie sich auf ihn, trotz all seiner Unzulänglichkeiten, eingelassen hatte. Er vermisste Niru schmerzlich und dennoch wollte er sich für die nächste Zeit, nicht mit ihren Problemen befassen müssen. Er wusste nicht, wie er ihr mitteilen sollte, dass er sie sehnlichst vermisste, aber Zeit für sich brauchte. Wie sollte eine junge Frau eine solche widersinnige Aussage auffassen? Ariu ballte die Hand zu Faust und entschied sich, dass keine Antwort besser war, als eine missverständliche.

Sein Kaffee war fast kalt, als er den ersten Schluck nahm und sich allmählich wieder auf das Kommen und Gehen an den Bahnsteigen konzentrierte. Am frühen Nachmittag trieben einige junge Mütter eine Kinderschar vor sich her. Zwei kleine Mädchen machten sich einen Spaß daraus, einen Reinigungsroboter zu verwirren. Er war darauf programmiert, Kollisionen zu vermeiden. Seine Sensoren melden von allen Seiten Kinderbeine, egal in welche Richtung er auswich. Eines der Mädchen stolperte im Spiel über Arius Fuß und begann, vor Schreck, zu weinen. Airu stand auf, schnappte sich die Kleine und setzte sie auf den Reinigungsroboter, der sich nun, vollkommen verwirrt, auf der Stelle im Kreis drehte.

Das Mädchen begann herzlich zu lachen. Eine der jungen Mütter nahm es von dem Roboter herunter und stellte es auf seine eigenen Füße.

»Kinder und Männer haben nur Flausen im Kopf«, sagte die Mutter gestresst und warf Ariu dennoch ein nachsichtiges Lächeln zu, ehe sie die Kinder, mithilfe der anderen Mütter, in den wartenden Zug scheuchte.

Am späten Nachmittag war wenig Betrieb auf den Bahnsteigen, dennoch beobachtete Ariu die Passanten, auf der Suche nach verräterischen Hinweisen. Ihm fiel eine Frau in seinem Alter auf, gerade weil sie unscheinbar war.

»Darf ich dich etwas fragen?«, sagte Ariu auf seiner Bank sitzend. Die Frau blieben stehen und blickte fragend.

»Steht deine Welt gerade auf dem Kopf?«

Sie zuckte mit den Schultern und nickte zaghaft.

»Mir ging es bis vor Kurzem noch genauso. Wenn du willst und Zeit hast, können wir uns vielleicht ein Wenig unterhalten. Ich bin Ariu.«

Er klopfte mit der Hand auf den Platz neben sich und sie setzte sich tatsächlich zu ihm.

»Idua«, stellte sich die Frau vor und fragte: »was soll das bringen?«

Ariu saß breitbeinig neben ihr, neigte den Oberkörper vor und schaute sie an, als er erklärte: »Ich wäre froh gewesen, wenn ich jemand zum Reden gehabt hätte. Ich will dir kein Gespräch aufzwängen, ich will dir ein Angebot für einen Erfahrungsaustausch machen.«

Ariu erzählte ausführlich von seinem Versäumnis, sich rechtzeitig von seinen Kindern zu verabschieden. Die Frau hörte interessiert zu und sagte dann: »ich habe keine Kinder.«

»Oh!«, entfuhr es Ariu.

»Ich hatte nie Interesse an Männern, habe mich immer zu Frauen hingezogen gefühlt«, gestand sie und fragte Ariu: »warst du nur auf Männer fixiert?«

»Hm«, brummte Ariu, »ein Vorspiel unter Frauen, wenn der Mann oder die Männer wichsend zuschauten, war für mich ein Hochgenuss. Nach dem Höhepunkt im Arm einer anderen Frau feuchte Spermaküsse zu tauschen und die abklingende Geilheit zu genießen, war ebenfalls unbeschreiblich schön, aber zum Hauptgang gab es bei mir Männer.«

»Dann habe ich den Hauptgang bisher weggelassen«, sagte Idua, »ich hatte ein erfülltes Sexleben mit Frauen und ich habe mich darauf gefreut, ein Mann zu werden, um meinen Liebhaberinnen eine echte Alternative zur Zunge oder den Händen bieten zu können.«

»Dann liegen ja goldene Zeiten vor dir«, sagte Ariu. Er sah an ihrem Blick, dass er sich irrte.

»Seit es bei mir angefangen hat, verliere ich das Interesse an Frauen. Das feminine Gehabe nervt mich nur noch«, sagte Idua.

In diesem Moment stolzierte ein Prachtexemplar von Frau an ihnen vorbei. Ihre extrem hohen Plateaupumps hallten laut auf den Fliesen des Tiefbahnhofs.

»Hey du!«, rief Ariu mit satter Männerstimme. Die Frau drehte den Kopf und schenkte Ariu ein verführerisches Lächeln mit ihren tiefroten Lippen.

»Geht das auch leiser? Die Schuhe sind die reinste Lärmbelästigung.«

Das Gesicht der Frau verfinsterte sich und Idua versteckte sich hinter Arius Schulter. Sie flüsterte: »Das kannst du doch nicht machen.«

Stattdessen legte Ariu nach und rief: »Wenn jeder mit so lauten Schuhen herumlaufen würde, würden uns alle die Köpfe platzen.«

»Die arme Frau«, sagte Idua und blieb hinter Arius Schulter in Deckung. Ariu schlug sich vor Lachen auf den Bauch.

»Was ist passiert?«, fragte Idua ohne den Kopf zu heben.

»Sie hat versucht auf Zehenspitzen zu laufen, was ihr wegen den hohen Schuhen nicht gelungen ist. Sie hat die Schuhe ausgezogen und ist auf leisen Sohlen davongeschlichen«, erzählte Ariu lachend und breitete die Arme aus, »hörst du diese himmlische Ruhe?«

»Du bist verrückt«, sagte Idua grinsend und wurde von seinem herzlichen Lachen angesteckt.

Als sie sich wieder beruhigt hatte, sagte Idua: »ich habe mich schon lange nicht mehr so gut amüsiert.«

»Dann hat es einen Sinn gehabt, dass ich heute hier war«, sagte Ariu.

»Stehst du weiterhin auf Männer?«, fragte Idua.

Ariu schaute einen Moment auf den Boden und schüttelte den Kopf.

»Früher habe ich meine Titten als gegeben hingenommen und mich nach Schwänzen gesehnt. Jetzt habe ich einen Schwanz und träume von Brüsten.«

»Man will immer das, was man nicht hat«, resümierte Idua.

»Hm«, stimmte Ariu zu.

»Ich habe noch Brüste ...«, flüsterte Idua. Ariu schaute sie skeptisch an.

»Nein, es war nur eine Idee«, ruderte Idua zurück, »es ist im Moment so ... «

»Komisch?«, vollendete Ariu den Satz.

»Ja«, hauchte Idua und fühlte sich verstanden.

*

Von diesem Tag an, schlief Ariu lange, kaufte sich auf dem Weg in den Tiefbahnhof etwas zu Essen und saß auf der Bank, um nach Frauen in der Reifephase Ausschau zu halten. Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht ein oder zwei Gespräche führte und er war überrascht, wie viele unterschiedliche Geschichten die Frauen zu erzählen hatten. Zum Abend, wenn der Strom aus Berufspendlern abebbte, stand Ariu auf und ging in ein Sportstudio.

Anstatt wie früher, an einem Bauch, Beine, Po -- Training für Frauen teilzunehmen, machte er nun Kraftsport und belegte einen Anfängerkurs in Kickboxen. Obwohl seine Schläge noch ungeübt waren, drosch er nach der Aufwärmphase auf die gepolsterten Dummys ein, als hinge sein Leben davon ab. Er musste an die unzähligen Kinder denken, die ihm tagtäglich auf der Promenade über den Weg liefen und an die Mütter, die in den Nebenräumen trainierten. In Ariu loderte eine rätselhafte Sehnsucht, diese schwachen und doch unglaublich wertvollen Lebewesen beschützen zu müssen.

Da hier in der Kolonie keine Gefahr drohte, die er mit seinen rohen Kräften bekämpfen konnte, ließ er die überbordende Energie an den gepolsterten Dummys und den Schlagpolstern aus, die ihm sein Trainer entgegenstreckte.

»Das Reicht für heute«, sagte sein Trainer.

»ES REICHT!«, schrie er, weil Ariu nicht aufhörte, Schläge und Tritte zu verteilen. Ariu ließ die Arme sinken und schaute seinen Trainer mit Kampfeslust an.

»Lasse dich nie von deinen Gefühlen kontrollieren«, sagte sein Trainer, »jeder Schlag muss eine bewusste Aktion sein. Aber das lernst du in der Grundausbildung, bis es dir in Fleisch und Blut übergeht.«

»Was für eine Grundausbildung?«, fragte Ariu.

»Beim Militär«, antwortete sein Trainer, »so ein Energiebündel wie du, kann bestimmt kaum auf das nächste Schiff warten.«

»Nein, also, Doch«, sagte Ariu. Natürlich entgingen ihm die offensichtlichen und versteckten Werbebotschaften des Militärs nicht, die gezielt dort platziert waren, wo sich überwiegend junge Männer aufhielten. Ariu hatte nie ernsthaft in Erwägung gezogen, sich freiwillig zu melden. Er musste an Umai und seine Kriegsverletzungen denken. Umai hatte noch Glück gehabt, denn die wenigsten kamen von den Schlachtfeldern zurück und nur ein Teil von ihnen war noch im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte.

Ohne weiter über eine Militärlaufbahn nachzudenken, ging er frisch geduscht auf die Promenade und ließ den Abend in einem Bistro ausklingen. Nicht selten flirteten Frauen mit Blicken in seine Richtung und Ariu erwiderte die Blicke. Zu mehr, als diesem Spiel ließ er es nie kommen. Er ließ allabendlich mehrere Gelegenheiten ungenutzt verstreichen.

Insgeheim hoffte er, dass ihm Niru über den Weg lief und er fragte sich oft, wie es ihr seither ergangen war, fand aber nicht den Mut, sich nach wochenlangem Schweigen, bei ihr zu melden. Vermutlich war es besser, wenn sie ihm nicht über den Weg lief, denn sie hätte wohl kaum Verständnis für sein Verhalten. Ariu rechnete damit, dass sie längst von einem anderen Mann entjungfert worden war. Den Verlust ihrer Jungfräulichkeit bekümmerte Ariu nicht, aber der Gedanke, Niru im Arm eines anderen Mannes sehen zu müssen, ließ ihm das Herz bluten.

Rückblickend betrachtet, war sein feminines Leben purer Stress gewesen. Er war davon getrieben gewesen, irgendwem gerecht werden zu müssen: den Kindern, den Liebhabern, der Gesellschaft oder den eigenen hohen Ansprüchen. Als Mann empfand er eine entspannende Gelassenheit, mit der er die Dinge treiben lassen konnte, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Die täglichen Gespräche im Tiefbahnhof gaben ihm das Gefühl, etwas Wertvolles zu tun. Er bekam von den Frauen in der Reifephase Dank und Anerkennung. Das war mehr Lohn, als er in seinem früheren Beruf erhalten hatte.

Zwei Wochen später war sein Bekanntenkreis so groß geworden, dass über den Tag verteilt, immer eine der Damen neben ihm auf der Bank saß und von ihren jüngsten Fortschritten erzählte. Zu den Stoßzeiten saß er mit drei oder vier Frauen gleichzeitig auf der Bank und sie unterhielten sich nicht nur mit ihm, sondern tauschten sich untereinander aus. Ariu hörte interessiert zu und lernte.

Es sprach sich herum, dass im Tiefbahnhof ein junger Mann in einem schwarzen Anzug saß, bei dem man sein Herz ausschütten konnte und Rat oder Trost bekam. Nach ein paar Wochen wurde er von Frauen angesprochen, die aus anderen Habitaten seinetwegen angereist waren.

Als Ariu dachte, alles schon einmal gehört zu haben, offenbarte ihm eine Frau, dass sie als Domina arbeitete.

»Zu mir kommen Männer, Frauen oder Paare, weil ich sie an Grenzen führe, die sie allein nicht erreichen können, aber ich bin nicht mehr so überzeugend wie früher. Ich mache mir mehr Gedanken über meine Außenwirkung, als dass ich auf die Bedürfnisse meiner Kunden eingehe.«

»Deine Arbeit verlangt maximale Aufrichtigkeit von allen Beteiligten?«, fragte Ariu.

»Ja«, sagte die Frau.

»Warum verarschst du deine Kunden?«, fragte Ariu.

»Was?«

»Warum sagst du ihnen nicht, wie es um dich steht? Spätestens wenn deine Stimme bricht, wirst du es zumindest vor den Männern nicht mehr verheimlichen können. Sag ihnen gleich zu Beginn, dass du in die Reifephase eintrittst, wenn sie damit ein Problem haben, können sie wieder gehen, ansonsten kannst du dir deiner selbst sicher sein.«

Die Frau schwieg nachdenklich, dann sagte sie: »ich weiß nicht, ob ich das kann.«

»Ich gebe dir ein Beispiel«, sagte Ariu und sprach: »Ich bin Ariu. Seit ich ein Mann bin, hatte ich keinen richtigen Sex, weil ich mir meiner selbst nicht sicher bin, hast du damit ein Problem?«

»Ich bin Tira. Ich kann dir bei deiner Selbstsuche helfen, aber ich befinde mich am Übergang in meinen maskulinen Lebensabschnitt, wenn du damit ein Problem hast, steh auf und geh.«

»Siehst du? Geht doch«, sagte Ariu und blieb sitzen.

»Schweig! Du sprichst nur auf Anfrage«, herrschte ihn Tira an und erhob sich von der Bank. Sie gebot ihm, ihr zu folgen. Ariu folgte ihr in den nächsten Zug, der sie in ihr Habitat brachte. Nach einigen Minuten fragte Ariu zaghaft: »darf ich etwas fragen?«