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Sandstürme - Teil 01

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Ich schlich mich aufs Klo, um mir die Schenkel abzuwischen und ordentlich die Hände zu waschen. Nachdem ich mir etwas Bequemes angezogen hatte, ging ich runter ins Wohnzimmer. Dort war ich um diese späte Stunde allein. Ich erblickte die Schallplatte, die einsam auf dem Couchtisch lag. Ich schaute mir die von meinen Kollegen verfassten Zeilen auf der Rückseite an. Uwe hat auch immer eine leichte Zunge gehabt und war sehr direkt aber auch fürsorglich die letzten Tage. So auch in seinen Worten auf der Rückseite. Ein feiner Kerl. Lustig, auch er will mich in Dubai besuchen. «Full House», dachte ich mir. Darunter las ich die folgenden Zeilen:

„Nur wenige Menschen folgen ihrem Herzen, weil ihnen der Mut fehlt, etwas Grossartiges oder Einmaliges zu tun. Du bist anders, du gehst ein Risiko ein und wirst dafür belohnt. Neue Erfahrungen, wertvolle Menschen, unvergessliche Erinnerungen und Abenteuer warten dort auf dich. Und übrigens, du hast den besten Musikgeschmack, der mir seit Jahren untergekommen ist. Wenn du mal in der Wüste einsam in deinem Appartement bist, leg dir die Platte auf und denk an die unvergessliche Crew von Flug 4U587. Deine Sonja".

Mir wurde warm ums Herz und ich nahm die Schallplatte mit auf mein Zimmer und las mir ihren Text bestimmt noch zwanzigmal durch und bewunderte ihre gradlinige aber doch leicht verspielte Schrift. Wäre es nicht so spät gewesen, hätte ich sie wohl angerufen.

Ihre Zeilen sagten mir aber eindeutig, dass ich gehen soll, um meinen Traum zu leben. Meinte sie das wirklich so? Ich glaube aber, dass unsere Umarmung im Cockpit alles verändert hat. Das konnte sie beim Verfassen dieser Zeilen unmöglich gewusst haben. Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sie hatte mich geküsst. Sie hat mir ihre Tränen weggeküsst. Etwas Intimeres ist kaum vorstellbar. Verdammt, hätte ich sie küssen sollen? War sie enttäuscht, dass dies ausblieb? Oder wurde ihr bewusst, dass ich mit meiner Abreise nach Dubai ihr wie Sand zwischen den Fingern zerrinne?

Ich konnte ohne sie dieses Rätsel nicht lösen. Ich musste sie morgen früh anrufen und Klarheit schaffen - Hauptsache keine Spielchen. Wenn sie sagt, dass sie sich in mich verliebt hat, bleibe ich. Wenn nicht, flüchte ich nach Dubai. Das klang nach einem logischen Plan. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und machte eine Checkliste, was es vor meiner Abreise noch alles zu tun gibt. Der erste Punkt: Sonja anrufen. Ich gönnte mir eine Mütze Schlaf.

Die Sonne weckte mich und ich konnte es nicht fassen, dass mein Wecker seinen Dienst verweigert hatte. Denn es gab noch viel zu tun. Aber der kurze Frust wich schnell einer Begeisterung, da ich Sonja jetzt mit gutem Gewissen anrufen konnte. Ich nahm die Platte und gab Sonjas Nummer in mein Smartphone ein. Irgendwie hätte ich nicht gedacht, dass sie bei Vodafone ist. Na gut, Nobody is perfect. Und es gab sonst nichts, was nicht perfekt an ihr war - praktisch makellos war sie. Immer hastiger tippte ich die Nummer ein. Gleich habe ich das fehlende Puzzleteil meiner Zukunft in den Händen. Mir war flau im Bauch.

Es klingelte ... und klingelte ... es klingelte weiter ... „Sonja am Apparat", durchbrach es endlich den Rufton. „Hi, hier ist Martin, schön dich zu hö ...", „sorry, kleiner Scherz! Du hast es nur auf meinen AB geschafft. Wahrscheinlich jette ich gerade um die Welt. Hinterlasse mir eine Nachricht und ich melde mich, sobald ich wieder zurück bin", wies mich ihre zauberhafte Stimme an. Darauf hatte ich mich nicht vorbereitet. Was soll ich sagen? Ich fürchtete mich förmlich vor dem Piepton und was danach kommt. Es gelang mir wohl noch kurz davor aufzulegen. „Scheisse, sie geht nicht ran", schoss es mir in den Kopf. Vielleicht schläft sie noch.

Ob es so war, kann ich nicht beurteilen. Ich hoffte es aber für meinen Seelenfrieden. Vielleicht ruft sie zurück oder ich werde es am Nachmittag nochmals versuchen. Kein Ding, rede ich mir ein. Ich frage mich, ob mich diese Frau verrückt gemacht hat. Noch nie war ich so planlos, ja, sogar derart hilflos unterwegs. So oder ähnlich müsste es wohl sein, wenn man auf Droge ist, dachte ich mir.

Plötzlich hielt Natalie ihren Kopf durch die Tür. „Hoffe, du hast es nicht schon fünfzig Mal probiert", sagte sie.

„Teile durch fünfzig und du bist des Pudels Kern nahe, meine Gute", sagte ich mit leicht schärferem Unterton als üblich. Sie betrat mein Zimmer.

„Wofür brauchst du eine Liste, auf der 50 Socken und 25 Unterhosen draufsteht? Du bist ja ein noch schlimmerer Nerd, wie ich gedacht habe. Aber der erste Punkt gefällt mir. Sie wird sicher ihre Gründe haben, wenn sie nicht abnimmt. Versuch es um 13:30 Uhr noch einmal", sagte meine Schwester hoffnungsvoll.

„So ist mein Plan", entgegnete ich ihr. „Mich beschleicht das Gefühl, als ob ich sie vor meiner Abreise nicht mehr sprechen werde", öffnete ich mich gegenüber Natalie.

„Red nicht solch einen Stuss. Wird schon werden. Und wenn nicht, dann würde ich an deiner Stelle fliegen und in Dubai auf den Putz hauen", sagte sie.

„Ich sehe das genauso wie du", antwortete ich erleichtert. Ich war nicht allein mit diesem Gedanken. Natalie wollte mit mir noch Fahrrad fahren gehen, da die Sonne scheint und Kumulus-Wolken den Himmel schmückten. Ich musste passen, zu viel gab es noch zu packen.

„Oh, noch eine Frage, hast du per Zufall Uwes Handynummer?", fragte mich Natalie.

„Leider nein, ansonsten hätte ich sie dir gegeben", sagte ich ehrlich. Sie schaute etwas enttäuscht in die Welt. „Du kannst es aber mit vorname.nachname und unserer Airline-Domain versuchen. Das sollte funktionieren. Schumann ohne H, hiess er, glaube ich", gab ich ihr mit auf den Weg. Ich sah die gute Laune aus ihr herausplatzen und sie gab mir einen Kuss auf die Wange.

„Danke, mein lieber Bruder", sagte sie übertrieben dankbar.

Ich hoffe, das geht gut. Sie ist alt genug und ich bald in Dubai. Ich packte meine Unterlagen, CDs und natürlich die Schallplatte in meinen Technikkoffer. In den anderen Kleider und Artikel des täglichen Bedarfs von Marken, die ich wohl in Dubai nicht finden werde. Sogar Kondome waren dabei. Man weiss ja nie.

Ich schaute auf mein Handy und sah, dass mir eine der beiden Flugbegleiterinnen auf Facebook eine Freundschaftsanfrage mit einer Nachricht geschickt hatte. „Was, Sonja auch, aber ohne Nachricht", sagte ich zu mir. Ich nahm Sonjas Anfrage ohne zu zögern an. Aber sie war offline. Warum rief sie mich nicht an und added mich auf Facebook? Sie machte es mir nicht einfach.

Meine Mutti rief mich zum Essen. Die Zeit verging heut morgen wie im Flug. Es gibt Hering in Sahnesauce und Pellkartoffel. Wir mögen das alle. Auch das wird es wohl in Dubai nicht geben. Wir haben oberflächliche Tischgespräche über Politik, den neusten Tageswitz von Papa und zahlreiche Kindheitserinnerungen von meiner Mutter. Immer wenn etwas Einschneidendes, etwa ein Ausbildungsabschluss, ein Einzug in eine WG oder der Eintritt in die Bundeswehr, in meinem Leben geschieht, erzählt sie uns stundenlang davon, wie ich als Kind war. Die Abreise beschäftigte sie sehr. Ich höre zu, und beginne ab und an ein anderes Thema.

„Schon eine Sauerei, was die Saudis und die Emirate im Jemen veranstalten, mein Junge! Und du fliegst bald für diese Kerle", sagte mein Vater.

„Na ja, ich bin ja nicht bei der Luftwaffe, sondern bei einer der weltweit grössten Fluggesellschaften. Ich bin friedlich", versuchte ich dem Argument meines Vaters zu entwischen.

„Hoffen wir, die Leute im Jemen wissen das auch", sagte er abschliessend dazu. „Komm mal zu mir ins Büro, sagte mein Vater. Er legte dort eine Mini-Disc mit Jazz ein und schenkte mir dazu ein Glas Asbach Uralt ein. Ihm war es zu diesem Anlass egal, dass es noch relativ früh war. „Ich hoffe, du weisst, dass ich mächtig stolz auf dich bin, mein Junge", begann sein Monolog. „Nicht weil du mit knapp 27 Jahren schon grosse Düsenflieger rund um die Welt fliegen wirst, sondern weil du auf dein Herz hörst. Gibt bestimmt viele schöne Stewardessen dort. Solltest du dort eine finden, die nicht Deutsch spricht, nimm sie trotzdem, das ist schon okay für deine Mutter und mich. Vielleicht mache ich dann einen Englischkurs und dann passt das. Es ist heute eine andere Welt da draussen, wie sie früher für mich oder deine Mutter war. Früher spielte sich für uns alles in Köln oder Frankfurt ab. Ich glaube, du tust das Richtige", schloss er seine Ausführungen.

Es bedeutete ihm sicher viel, mir diese paar Sätze gesagt zu haben. „Willst du dich wirklich mit der Bahn morgen früh nach Frankfurt quälen? Alles bestimmt proppenvoll. Die kriegen das einfach nicht hin, unser Verkehrsnetz ordentlich auszubauen, unsere Herren Politiker. Du wirst sehen. In Dubai läuft alles rund. Wir Deutschen müssten da mal Bildungsurlaub machen, um zu sehen, wie die Neue Welt aussieht", ergänzte er.

„Danke Papa für das Angebot. Ich probiere es morgen mal mit der Bahn, die fährt direkt bis zum Flughafen. Es ist nicht immer alles Gold, was glänzt, auch Dubai hat seine Herausforderungen", antwortete ich ihm. Wir redeten noch lange über verschiedenste Themen. Auch über Sonja wollte er mehr erfahren. Ich war überrascht, dass er sie ansprach. Woher wusste er, dass sie einen speziellen Platz in meinem Herzen hat?

„Mein lieber Junge! Wenn ein Mädchen unaufgefordert ihre Nummer neben eine Notiz schreibt, ist es ziemlich offensichtlich, dass sie dich wiedersehen will", schlussfolgerte mein Papa.

„Ja, aber meinst du, sie kommt zu mir nach Dubai?", fragte ich ihn, als ob er die Antwort kennt. Er schaute mich kurz fragend an und begriff wohl die Tragweite meiner Frage.

„Wenn es die Richtige ist, kommt sie nach. Wenn nicht, weisst du, woran du bist", erklärte er mir. Es klang stimmig. Ich hatte das Gefühl, als ob er noch Stunden weiter quatschen wollte.

„Papa, die Pflicht ruft", sagte ich und er ging mit mir aus seinem mit Büchern überfüllten Büro, alle auf Deutsch.

In meinem Zimmer setzte ich mich aufs Bett. Laut meinem iPhone ist es schon 14:50 Uhr. Mit leicht zittrigen Händen drückte ich auf Sonjas Telefonnummer. Ich hörte den Rufton. Nach langem Klingeln ertönt ihre Stimme. Ich warte ein paar Sekunden und mein Verdacht schien sich zu erhärten. Es war ein weiteres Mal nur ihr AB. Ich wollte nicht aufs Band sprechen. Heute Abend ist wohl besser. Dubai kommt immer näher, leider.

Mittlerweile kam Natalie von ihrer Fahrradtour zurück und berichtet mir, dass Uwe ihr schon geantwortet hat. Es freut mich aufrichtig für sie. Wenigstens hat einer Glück, genau genommen zwei, wenn man Uwe dazu zählt. Derjenige, der meine Schwester als Freundin bekommt, ist wahrlich ein Glückspilz. Dank ihr hatte ich die Pilotenausbildung damals nicht abgebrochen. Sie hat mich im letzten Moment überredet, die Berufspilotenlizenz noch abzuschliessen und nicht mittendrin aufzuhören. Danach lief es wieder wie geschmiert. Sie ist immer da, wenn es schwer wird und sonst besticht sie mit Leichtigkeit und Frohsinn.

„Wie sieht es mit deiner Herzensdame aus?", fragt sie mich.

„Mau", sage ich kurz.

„Denk immer daran. John Lennon sagte angeblich, dass am Ende alles gut sein wird. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende", gab mir Natalie mit auf den Weg.

„Everything's gonna be all right, war Bob Marley, oder?", sagte ich etwas neckisch.

„No woman no cry", antwortete Natalie.

In meinem Zimmer war jetzt alles gepackt, was ich nach Dubai mitnehmen wollte. Ich stellte die beiden schweren Koffer vor die Haustür.

„Abfahrt ist 9:30 Uhr, richtig?", wollte Natalie von mir wissen.

„Und du möchtest wirklich mitkommen?", fragte ich sie ein letztes Mal und erhielt nochmals die gleiche Antwort. Ich bestätigte ihr die Abfahrtszeit und wünschte eine gute Nacht. Schön, dass sie mich begleitet.

Ich schlief direkt ein. Mein Wecker klingelte um 7:00 Uhr. Ich machte mich bereit, überprüfte, ob meine Fahrkarten und Tickets alle korrekt ausgedruckt wurden und stecke sie in mein Mäppchen. Ich frühstücke gemütlich mit allen und Natalie und ich wurden danach von meinem Vater und meiner Mutter zum örtlichen Bahnhof gefahren, wo uns die S-Bahn nach Köln bringen wird. Ich verabschiedete mich herzlich und überprüfte nochmals die Abfahrtszeit des ICEs in Köln. Alles verläuft nach Plan. Ich bin nervös.

„Hast du gestern oder heute Sonja erreicht?", fragte mich Natalie. Ich erschrak. Ich hatte Sonja vor lauter Aufregung gestern Abend vergessen anzurufen. Natalie war entsetzt. „Na mach schon, du Trantüte. Worauf wartest du? Los!", platzte es nur so aus Natalie heraus. Ich nahm mein Handy und stellte auch keinen Anruf in Abwesenheit fest. Ich rief Sonjas Nummer an und das Klingeln wollte nicht aufhören. Immerhin kommt jetzt nicht ihr AB. Zwei Minuten lang liess ich klingeln und legte dann enttäuscht auf.

„Es gibt gute Restaurants in Dubai", sagte Natalie. „Du wirst viel Spass haben. Bitte fang nicht an mit Kitesurfen, das macht dort unten jeder. Wusstest du eigentlich, dass Uwe mit mir Kitesurfen möchte? Bäh", sagte Natalie und brachte mich damit zum Lachen.

„Ich wusste von Anfang an, dass er ein dunkles Geheimnis in sich trägt", sagte ich.

Wir redeten über allerlei, nur nicht über meine Abreise und Sonja. Die Anfahrt zum Frankfurter Flughafen lief problemlos. Ich umarmte Natalie beim Check-in und wünschte ihr nur das Beste für die kommenden Monate. Danach lief sie relativ schnell weg, damit ich ihre Tränen nicht sehen konnte. Ich fühlte mich plötzlich allein. Die Dame am Schalter war freundlich und ich hievte meine beiden schweren Koffer aufs Gepäckband.

„Es tut mir leid. Eigentlich sollten sie als Mitarbeiter in der Business-Class fliegen, aber der Flieger ist dort überbucht. Ich muss ihnen leider einen Sitz in der Economy geben. Fragen Sie doch am Gate, ob Sie vielleicht ins Cockpit dürfen. Wollen Sie trotzdem noch in die Lounge?", fragte sie mich äusserst charmant. Ihr roter Lippenstift gab ihrem jugendlichen Gesicht etwas verruchtes.

„Nein danke, das ist alles ok so", sagte ich und wünschte noch einen schönen Tag. Ich begebe mich ohne Umschweife durch die Sicherheitskontrolle und direkt zum Gate.

Ich trinke dort noch eine überteuerte Cola und höre plötzlich ein echt witziges Telefongespräch, dass irgendwo hinter mir stattfindet. Eine Frau spricht offenbar mit ihrer Mutter. Das gesprochene scheint wie aus einem Drehbuch zu stammen. Die Frau hatte eine verführerische Stimme und sprach ein wunderschönes, charmantes Englisch.

„Mom, stop it! Mom, I bag you pardon! I have by no means made the food inedible", sagte die Frau am Telefon zu ihrer Mutter. „I warned you that I have two left hands when it comes to cooking. No, no, Mom! The risk was known to everyone", sagte sie wahrscheinlich mit einem breiten Grinsen.

Die Stimme ihrer Mutter, die nur leise zu hören war, begann laut und herzhaft zu lachen. Ich hörte sie zu ihrer Tochter sagen „Stacy, you have a very vicious nature".

Die verführerische Stimme lachte, während sie ausatmete und sagte: „Mom, I have to go now. It was a pleasure talking to you. And please remember, bad girls live longer. Bye!" Ich trug ein breites Grinsen im Gesicht.

Ich fand dieses leichte Gespräch unglaublich auflockernd und freue mich für die beiden. Meine Cola war auch schon fast leer. Pünktlich auf die Minute rief das Bodenpersonal den Flug nach Dubai aus. Das Abenteuer kann langsam beginnen. Ich meine langsam, denn ich bin gerne einer der letzten Passagiere, die einsteigen.

Ich drehte mich um und wollte schauen, ob ich das passende Gesicht zur verführerischen Stimme von vorhin finde. Keine Frau sah so aus, als ob sie soeben ein Telefongespräch geführt hatte. Die Leute bilden eine Schlange und wollen in den Flieger. Das übliche Gedränge. Ich freue mich, dass ich gleich zum ersten Mal in einem A380 fliegen kann, wenn auch nur als Passagier.

Ich denke an Sonja und versuche sie wieder zu erreichen. Schnell meldet sich einmal mehr ihr AB. Ich wartete, bis ihre Sprüche geklopft waren und sprach aufs Band. „Hi, ich bin es, Martin. Ich wollte dir nur sagen, dass das Boarding nach Dubai begonnen hat und ich gehofft habe, mit dir noch persönlich zu sprechen. Vielleicht habe ich noch 20 Minuten Empfang, dann muss ich mein Telefon ausschalten. Du kennst es ja. Ich vermisse dich. Bis bald." Mehr wusste ich vor Enttäuschung nicht zu sagen.

Plötzlich hörte ich, wie eine Stimme neben mir auf Englisch zu mir sagt: „Schau dir dieses Gedränge an. Man könnte meinen, die glauben wirklich, dass sie zuerst ankommen, diese Schwachköpfe".

Es war die verführerische Stimme von vorhin. Und nun stand sie neben mir. Ich drehte mich voller Spannung zu ihr um und erblickte eine hübsche, feminine und zierliche Blondine, die ihre mittellangen Haare nach hinten zu einem Zopf gebunden hatte. Sie war wahrscheinlich Mitte dreissig, dezent geschminkt und trug trotz ihrer mittelgrossen Körpergrösse eine sehr grosse Persönlichkeit in sich. Ein attraktiver Anblick.

„Fliegst du auch nach Dubai?", frage ich sie völlig debil. Meine Frage war mir sofort peinlich.

„Ja, sonst wäre ich hier wohl ziemlich am falschen Ort, nicht wahr?", entgegnete sie mir grinsend. „Ich bin Stacy. Mit wem habe ich das Vergnügen?", fragte sie mich. Selbstverständlich hielt ich ihr meinen Namen auch nicht vor. „Freut mich sehr, Martin! Dann sehen wir uns später in der Bar? Das ist das Beste am A380", sagte Stacy.

„Ich wünsche dir einen guten Flug", sagte ich. Sie lächelte mir zu und ging offenbar noch auf die Toilette am Gate.

Nachdem sich die Kolonnen sichtlich abgeschwächt hatten, begab ich mich langsam an Board. Ich war begeistert vom freundlichen Empfang der Crew und den schönen Uniformen meiner künftigen Kollegen. Auf die Frage, ob ihnen ihr Aufenthalt in Frankfurt am Main gefallen hat, machte sich Begeisterung breit. Nach etwas hin und her gab ich zu verstehen, dass ich in ein paar Wochen Kopilot auf dem A330 sein werde. Ich wurde sofort in ihre Familie aufgenommen und ein überaus freundlicher Flugbegleiter namens Khalil brachte mich an meinen Sitzplatz. Es war ein ziemlich normaler Sitz, aber das Fenster war schön gross und anders als bei meinem bisherigen Flugzeugmuster. Ich schaute auf mein Handy und überlegte, ob ich den Flugmodus einschalten soll. Ich gab Sonja eine weitere Chance und zögerte diesen Moment noch etwas hinaus.

Plötzlich sehe ich die zierliche und für meinen Geschmack etwas kleine Britin auf meiner Gangseite. Sie wirkt wie eine Frau von Welt. Sie hatte alles unter Kontrolle. Stacy trug einen schönen Poncho. In der einen Hand hielt sie zu meiner Überraschung ein Sektglass und in der anderen ihr Ticket und ein Handy. Sie schaute auf ihre Bordkarte und entdeckte mich. Sie grinste mich fröhlich an und lief direkt zu mir.

„War ja irgendwie klar, dass ich neben dir sitze", sagte sie. Obwohl es eine Dreiersitzreihe war, quetschte sie sich durch den Gangsitz und setzte sich direkt neben mir auf den Mittelsitz. Ohne zu fragen klappte sie mein Tischchen hinunter und stellte ihr Sektglas dort ab.

Sie richtete sich ein und verstaute ihre Tasche im Hatrack, sprich in der Gepäckablagefläche über den Sitzen. Es war mir etwas zu hektisch. Durch ihr auf und ab gelangte ihr zarter Duft in meine Nase.

„Wow, wie kommst du in der Touristenklasse zu einem Schaumwein?", fragte ich sie.

„Ach, das ist kein 0815-Schaumwein, sondern echter Champagner. Dass ich dazu komme, ist so eine Mischung aus Vielfliegerprogramm und weiblichem Charme. Zudem muss ich meine Kehle im Flug immer schön feucht halten. Ärztliches Attest. Wart mal kurz." Sie stand flink auf und verschwand in der Küche, woher sie vorhin gekommen war. Kurz darauf hörte ich nur Gelächter, den Namen Stacy, und so was wie „schön bist du wieder an Board". Da kam sie mit einem weiteren Glas Champagner.

„Den warmen kannst du behalten. Chin-Chin! Auf einen tollen Flug", sagte sie lächelnd und schaute mich an.

„Zum Wohl", sagte ich auf Deutsch und stiess mit ihr an. Jetzt klappte sie auch noch den Tisch vom Gangsitz hinunter und legte ihr Glas darauf.