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Stille Nacht, Heilige Nacht

Geschichte Info
Ein Weihnachtswunder.
16.6k Wörter
4.7
26.5k
9
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Stille Nacht, Heilige Nacht

Ein Weihnachtswunder

Ich konnte einfach nicht bis Weihnachten warten, sorry. Deshalb jetzt schon mal eine besondere Geschichte.

Die dritte von meinen neuen Geschichten, die nicht von mir stammt, sondern von T. aus Australien (nach „Erinnerst du dich an mich?" und „Die Geschichte mit Miss Martin"). Sie spielt in Hobsons Bay City, einem Stadtteil von Melbourne. Ich habe sie übersetzt und ein wenig auf den deutschen Geschmack umgeschrieben und sie hat hoffentlich ein wenig Gefühl und Tiefgang. Sie soll Emotionen erzeugen, Inhalt und doch eine Handlung haben und nicht so oberflächlich sein. Manche mögen sie als kitschig empfinden, aber es ist meine Art so zu denken und zu schreiben. Ich bin und bleibe ein Romantiker und da liege ich auf einer Wellenlänge mit T.

Noch eine Kleinigkeit, bevor wieder die vorwurfsvoll erhobenen Zeigefinger der Kritiker kommen. Natürlich wissen T. und ich, dass es in Melbourne zu Weihnachten nicht schneit, denn auf der Südhalbkugel ist es Sommer im Dezember. Aber wir beide sind der Meinung, dass Schnee und Kälte einfach zum Weihnachtsfest gehören, also lasst uns bitte diese kleine schriftstellerische Freiheit.

Ich hoffe, ich habe die Übersetzung so hinbekommen, dass die Stimmung aus dieser Geschichte auch im Deutschen fühlbar und erkennbar wird, denn es ist eine der besten Geschichten die ich jemals gelesen habe.

Ich wünsche viel Vergnügen beim Lesen.

Liebe Grüße

Arne

**

Carl ist seit Jahren in Nadja verliebt, aber es braucht schon ein Weihnachtswunder, um sie zusammen zu bringen.

**

Carl stand an seinem Fenster, ein Auge auf die Uhr am Handgelenk fixiert. Es war kurz nach elf, diese magische Stunde, als der größte Teil des Verkehrs nachließ und die Nachbarschaft in der alten Innenstadt von Melbourne sich für die Nacht zurückzog. Die Stille kroch mit dem Nebel aus dem kleinen Bach, der westlich seiner Wohnung zum Hafen führte, durch die kalte, feuchte Luft.

Vom Hafen herüber klang das dumpfe Dröhnen eines Nebelhorns, als sich ein Schiff seinen Weg durch die Enge der Kais und Anlegestellen suchte. Ihm wurde schwer ums Herz, als er an seine Dienstzeit bei der Royal Australien Navy zurückdachte. An all die guten und schönen Jahre an Bord der „HMAS Ballarat" und der „HMAS Brisbane". Aber das war vorbei, endgültig vorbei.

Auf der anderen Straßenseite der Lowe Avenue konnte er einige frühe Weihnachtsdekorationen in den Schaufenstern sehen, aber er wusste, dass das eigentliche Aufflackern der Weihnachtsbeleuchtung erst in ungefähr zwei Wochen beginnen würde.

Sie würde wohl bald kommen.

Er schob den abgenutzten Vorhang ein wenig zur Seite und versuchte, die Straße hinunterzuschauen, um zu sehen, wie sie sich näherte, aber er wusste, dass sie wie immer um die Ecke erscheinen würde und dass er keine Chance haben würde, sie ordentlich anzusehen.

Er schaute auf seine Uhr. Eine weitere Minute war vergangen.

Sie würde bald hier sein.

Er wurde ein wenig unruhig unruhig, als die Minuten weiter verflossen, wie das unaufhörliche Plätschern von Wassertröpfchen in seinem Hinterkopf; ein Hahn, der sich nicht ganz schließen lies.

Sie würde bald hier sein.

**

Und dann war sie endlich da. Seine Hände schlossen sich fester um die Falten des Vorhangs, als er sie um die Ecke beobachtete. Sein Herz zog sich erwartungsvoll zusammen, als seine Augen ihr hungrig folgten. Sie trug ihren dunklen, mittellangen Mantel und er konnte sehen, wie ihre wohlgeformten Beine sorgfältig gemessene Schritte machten.

Ihr Kopf war wie immer gesenkt, was ihre Gesichtszüge verdeckte und er fragte sich noch einmal, was er sehen würde, wenn sie aufblickte. Er wusste wenig über sie - ihre Haut war im Vergleich zu ihrem dunklen Mantel milchig blass. Ihr Haar war ebenfalls dunkel, zu einer geraden, schnörkellosen Frisur geschnitten, die bis zu ihrem Kinn reichte und normalerweise hinter ihrem Ohr versteckt war. Ihre Arme waren immer vor der Brust verschränkt, als wollte sie sich von ihrer Umgebung lösen, indem sie sich selbst umklammerte. Sie war ein Bild der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, als sie den Bürgersteig hinunterging und der Nebel des Flusses mit geisterhaften Ranken um ihre Beine wirbelte.

Sie brach ihm das Herz.

Er folgte ihr mit seinen Augen und kannte ihren Ablauf gut. Unter der nächsten Straßenlaterne hielt sie wie üblich an, bückte sich, um ihren Schuh im schwachen Schein zu richten und ging dann um die Ecke weiter, wohin sie auch immer ging. Und er würde bis morgen warten müssen, um sie wiederzusehen.

Was sagte es über ihn aus? Wie tief war er gesunken, dass diese zwei Minuten, in denen er ein unbekanntes Mädchen die Straße entlang laufen sah, der Höhepunkt all seiner Hoffnungen und Träume waren? Dass er jeden Tag in einem Zustand endlosen Wartens und Hoffens verbrachte? Er wartete für immer auf etwas - auf die Nacht, damit er aufstehen und die Geschäfte öffnen würden, damit er sich mit schmerzendem Knie die Treppe hinunter kämpfen konnte, um Kaffee und ein Mikrowellenessen zu kaufen.

Er beobachtete sie, als sie wie auf ein Stichwort hin anhielt und ihre Finger fleißig an den Riemen ihrer Schuhe hantierten. Mehr als auf alles andere wartete er immer auf sie.

Nach ein paar Sekunden stand sie auf und seine Augen folgten ihr, als sie die Straße entlang ging. Ihr Tempo war jetzt etwas schneller, als wäre ihr plötzlich die Stunde und die Tatsache bewusst, dass sie ein hübsches Mädchen und alleine unterwegs war. Als er sie nicht mehr sehen konnte, zog er die Vorhänge zu und drehte sich zu der schmucklosen Wohnung um, die er besaß.

Und tief im seinem Inneren wusste er, es war das lange Warten, der Countdown der Jahre, der das Ende seiner elenden Existenz markieren würde.

**

"Was kann ich Ihnen bringen?" fragte Nadja die beiden Männer, die hinten an einem Ecktisch in einer Nische saßen. Sie waren beide in ähnlicher Freizeitkleidung gekleidet - Jeans, dunkle Jacken, Turnschuhe -, aber sie wusste es, ohne zu fragen, dass sie Polizisten waren. Sie hatten diesen klugen Blick in den Augen, die unruhige Art neugieriger Köpfe.

Ihre Schultern kribbelten und sie zwang sich, nicht nervös zu zucken. Sie waren gerade zum Essen unterwegs und diskutierten vielleicht über einen Durchbruch oder eine Sackgasse in einem aktuellen Fall. Nichts, über das man sich sorgen sollte. Polizistinnen und Polizisten kamen die ganze Zeit hierher, um Kaffee zu trinken, Burger und Sandwiches zu essen.

"Sie suchen dich nicht. Sie suchen dich nicht. Sie suchen dich nicht."

Sie sang ihr Mantra wiederholt in ihren Gedanken, während ihre Finger die Speisenfolge notierten. Es war niemals ratsam, Polizisten - oder sonst jemandem - zu erlauben, Ihre Angst spüren zu lassen. Es gab ihnen einen Grund, Dinge in Frage zu stellen, die sie lieber unbestritten haben wollte - wie heißt du? Woher kommst du?

Ihre Füße brachten sie noch um. Ihr geschwollener Knöchel pochte von ihrem Ausrutscher auf dem nassen Boden und sie wollte nichts weiter als den Tag zu Ende bringen, damit sie nach Hause zu Nikita gehen konnte. Ihr Rücken schmerzte nicht mehr so sehr vom Hin- und Hertragen der schweren Tabletts. Der Schmerz war ein ständiger Begleiter in ihrem unteren Rücken. Sie warf einen kurzen Blick auf die Uhr an der Wand hinter der Theke, als sie schmutziges Geschirr in die Spüle lud und ihr Tablett nach unten abwischte, wo eine Tasse einen Ring hinterlassen hatte. Es war ein paar Minuten vor zehn - die Schließzeit war zehn Uhr dreißig abends -, also hatte sie noch eine Weile Zeit. Angelo hatte eines der Mädchen dazu gebracht, abgenutztes Lametta rund um die Uhr und die Registrierkasse zu wickeln.

Sie beendete ihre Schicht um halb elf nach einem Streit mit Angelo, dem Eigentümer und Manager, der wollte, dass sie für eine Bestandsaufnahme bleibt, seine Bezeichnung für sexuelle Belästigung der Mädchen, wenn niemand da war, der ihnen helfen konnte. Sie lehnte ab und verlor dadurch ihren Job.

Ihr Herz wurde bei der Idee schwer, wieder etwas Neues zu finden. Wie lange noch? fragte sie sich, als sie die Sachen aus ihrem Schließfach in ihre Tasche packte. Wie lange würde sie sich noch so durch das Leben kämpfen müssen? Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben. Es gab Rechnungen zu bezahlen, ein Haus zu putzen, eine kleine Schwester zu pflegen. Jemand musste Essen auf den Tisch bringen, musste sicherstellen, dass die Polizei sie nicht entdeckte und sie zurückschicken würden zu . . .

Das wird nicht passieren, dachte sie. Egal was passierte, sie würden nie wieder an diesen dunklen, düsteren Ort zurückkehren, vor dem sie vor sechs Jahren geflohen waren. Sie war jetzt dreiundzwanzig, nach dem Gesetz alt genug, um der Erziehungsberechtigte ihrer Schwester zu werden, wenn sie aus irgendeinem Grund einen legalen Weg einschlagen mussten. Sie konnte nur hoffen, dass das niemals passieren würde. Wenn es jemals Fragen oder Nachforschungen gab, packten sie ihre Sachen zusammen und sie gingen. Noch einmal. Sie hatten es schon einmal getan, als es notwendig schien - es war schließlich so einfach, in der Nacht zu verschwinden.

**

Sie umklammerte die schwarze Tragetasche, die ein zusätzliches Hemd, einige saubere Socken, einen Kamm und ein paar Tampons enthielt, falls sie sie jemals unerwartet brauchte. Das billige gebrauchte Handy steckte in der Tasche ihres Mantels, wo sie fühlen konnte wie es vibrierte, wenn Nikita sie anrief.

Sie hatte es eiliger als gewöhnlich, ging so schnell sie konnte mit ihren schmerzenden Knöcheln und sah sich nervös um. Die Schatten schienen dichter, die Straßenlaternen dunkler, die Luft trüber.

Sie hasste diesen Teil der Stadt während der Nacht. Es war dunkel und es roch nach altem Müll und dem trüben, schmutzigen Wasser des kleinen Baches auf der anderen Seite des heruntergekommenen Geländers.

Sie war dumm, entschied Nadja. Sie ist in den letzten drei Jahren jede Nacht diese Route gegangen und ihr ist noch nie etwas passiert.

Sie schluckte ihre Angst herunter und ging unter dem Baum hervor. Der Rest des Abends hatte ihrem Knöchel nicht gut getan. Er kühlte ab und versteifte sich und sie zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie darauf trat. Sie humpelte um die Ecke, die sie die halbwegs schöne Straße mit den alten Gebäuden hinunterführen würde. Die meisten von ihnen waren in ihrer Blütezeit Stadthäuser gewesen, aber seitdem waren sie leicht verfallen. Sie stellte sich vor, in einem von ihnen zu leben. Es wäre warm und das Dach würde nicht jedes Mal an elf Stellen lecken, wenn es regnete. Im Winter würde sie im Wohnzimmer ein Feuer anzünden und sie und Nikita würden davor sitzen.

Und vielleicht würde der Himmel bald Goldtaler und Einhörner regnen lassen.

**

Carl gelang es, sich zu beherrschen und nicht wieder auf sie zu warten. Wie lange würde er noch auf ein Wunder hoffen, das nicht geschehen würde? Sein dunkelhaariges Mädchen würde nie etwas anderes tun, als an seinem Gebäude vorbei zu gehen. Er hatte öfter überlegt, als er zählen konnte, um elf Uhr nach unten zu gehen, aber Vermutungen hielten ihn davon ab. Wie sie wohl auf einen Mann reagieren würde, der darauf wartete, um diese Zeit mit ihr zu sprechen. Er hatte ein paar Mal versucht, ihr zu folgen, aber sein Knie war so schlimm, dass er das Tempo nicht mithalten konnte, nicht ohne gesehen zu werden. Das Letzte, was er tun wollte, war sie zu erschrecken, so dass sie einen anderen Weg einschlagen würde. Sie war seine Fantasie, seine perfekte Vision von Unschuld, Schönheit und Hoffnung. Egal wie das Wetter aussah - ob es ein milder Frühlingsabend oder ein eiskalter Schneefall war, sie ging jede Nacht seine Straße entlang.

Zum hundertsten Mal wünschte er sich, er wüsste mehr über sie. Er wollte wissen, wo sie arbeitete, wollte ihren Namen wissen. War sie vielleicht verheiratet und hatte ein Kind?

Es war auf jeden Fall ein Punkt, der ihn zum Nachdenken brachte. Selbst wenn sie nicht verheiratet wäre, würde sie ihre Zeit nicht mit jemandem wie ihm verschwenden - arbeitslos und irreparabel verletzt, mit nichts als seinem Namen und einer alten Wohnung, die früher seiner Großmutter gehört hatte.

Er zwang sich, sitzen zu bleiben, als sich die Zeit an an diese ominöse „elf Uhr" annäherte. Es war lächerlich, diese Faszination von ihm für ein Mädchen, das er noch nie getroffen hatte. Er verbrachte seine Zeit damit, Fantasien um sie herum aufzubauen, in denen sie seine Hilfe brauchte und in seiner Traumwelt befand sich sein Knie immer noch in einem Zustand vor der Explosion. Er war immer noch fit und stark, ein Seemann, der alles konnte, was er sich vorgenommen hatte.

Er zwang sich, realistisch zu sein und nahm einen Schluck von dem Bier, das er sich selten gönnte. Sie war sehr wahrscheinlich verheiratet oder lebte mit jemandem zusammen. Vermutlich hatte sie ein Kind und nahm einen Nachtjob an, damit sie tagsüber die Zeit mit der Kleinen verbringen konnte. Sie war wahrscheinlich vollkommen glücklich mit ihrem Leben und dieser Wunsch, sie zu retten, war eine übrig gebliebene Emotion aus seinen Tagen als er für die Royal Australian Navy als Sanitätsoffizier, Kampfschwimmer und Bombenentschärfer zur See fuhr und es ein Teil der Berufsbeschreibung war, ein Held zu sein.

Er vermisste sein Team.

Und da war es - der Kern der Sache. Er vermisste sein Team, seine Freunde, fast mehr als die Mobilität, die ihm bei dieser schrecklichen Explosion vor vier Jahren gestohlen worden war. Bisher hatte er die Grenzen, die er sich gesetzt hatte übertroffen, aber in den letzten zwei Jahren hatte er keine Fortschritte gemacht, außer mit Hilfe einer Krücke zu gehen. Nachdem seine Zeit im Krankenhaus und im Reha-Zentrum für Physiotherapie abgelaufen war, zog er zurück in die Stadt, in der er aufgewachsen war. Es war so weit von der Basis entfernt, wie er es hatte einrichten können und er hatte damals die Entfernung gebraucht. Ganz zu schweigen von der mietfreien Wohnung, in der seine Großmutter gelebt hatte, bis sie starb.

Aber jetzt, nach Monaten der Abgeschiedenheit, versank die Wahrheit. Er würde nie wieder durch den Dschungel und über Wüstendünen rennen können. Seine Tage, in denen er Berge erklomm und sich wenige Meter von den feindlichen Lagern entfernt versteckte, waren vorbei. Egal wie hart er arbeitete, sein Bein würde es nie wieder aushalten. Er würde über die Optionen nachdenken müssen, über die der Psychologe mit ihm zu sprechen versucht hatte.

Sein Mund wurde schmaler. Und sein Fazit war: er war da angelangt, wo Navy-Karrieren endeten.

Er schaffte es, das Fenster bis kurz nach Elf zu meiden; als er es nicht mehr ertragen konnte, stand er auf und verfluchte sich für seine Schwäche.

Ein paar Minuten später kam das Mädchen um die Ecke. Carl spürte das vertraute Klopfen seines Herzens, als die Straßenlaterne einen dumpfen Schimmer um ihr dunkles Haar warf. Sie hinkte heute Abend, schonte ihr linkes Bein und trug eine schwarze Tasche in einer Hand. Er runzelte die Stirn und beobachtete besorgt ihre Bewegungen. Sie trat definitiv vorsichtig auf und bewegte sich viel langsamer als gewöhnlich. So sehr, dass er wahrscheinlich mit ihr mithalten könnte, wenn er ihr folgen würde.

Carl traf die Entscheidung in weniger als einer Sekunde. Er schnappte sich seine Krücke und eine Jacke und verließ seine Wohnung.

**

Es geschah in der Dunkelheit unter den überhängenden Ästen eines knorrigen alten Baumes, wo die suchenden Lichtfinger nicht hinreichen konnten. Die Lücke auf dem Bürgersteig, in der sich zwei Betonplatten voneinander entfernt hatten, verfing sich am Sneaker ihres verletzten Fußes und sie ließ einen scharfen Schmerzensschrei hören. Sie landete unbeholfen auf allen Vieren und der Stich von aufgeschürften Handflächen schloss sich dem Schmerz in ihrem Fuß an. Sie schluchzte unter Tränen und fluchte ein paar ausgewählte Schimpfwörter. Sie musste in der Tat einen merkwürdigen Anblick bieten - auf allen Vieren mit einem Bein in einem unangenehmen und unattraktiven Winkel hinter sich in der Luft.

"Geht es Ihnen gut?"

Die Stimme hinter ihr kam aus dem Nichts. Nadja wirbelte so schnell wie möglich für einen Menschen in der Position eines Hundes herum und landete schließlich auf ihrem Hintern. Sie krabbelte zurück und sah den Mann näher humpeln. Von ihrer Position auf dem Boden aus schien es, als wäre er ein Riese, der aus dem Nebel aufstieg, sich schwer auf eine Krücke stützte und es dennoch schaffte, ohne dabei ein Geräusch zu machen.

"Ich habe nicht viel Geld bei mir", sagte sie und hielt ihre schwarze Tasche wie ein Opfer hoch. „Aber nimm was ich habe. Nur bitte tu mir nicht weh."

Panik verstärkte ihre Stimme.

„Ich will kein Geld", sagte er, blieb in sicherer Entfernung von ihr stehen und streckte seine Hände aus, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war, "und ich werde Sie nicht verletzen."

Seine Stimme war tief und wohlklingend und schaffte es irgendwie, ihre Nerven zu beruhigen.

„Lass mich helfen", fuhr der Fremde fort. Er kam näher und streckte die Hand aus. Sie zögerte ein paar Sekunden, bevor sie sich von ihm hochziehen ließ. Sie wischte ihre Handflächen über ihre Jacke und spürte, wie Asphalt sich wie spröde Glasstücke in ihre Haut schnitt. Der riesige Mann hielt sie an ihrem Ellbogen fest, als sie auf einem Bein balancierte.

"Danke", sagte sie steif. „Ich habe mir heute Abend den Knöchel verletzt und bin auf dem Bürgersteig gestolpert. Mir geht es jetzt gut, danke."

Er antwortete nicht und zum ersten Mal sah sie in sein Gesicht. Die verblassten Straßenlaternen warfen mysteriöse Schatten über sein Gesicht und hoben seine Gesichtszüge hervor. Er hatte dunkles Haar, das ungefähr eine Woche für einen Schnitt überfällig war und nach allem was sie sehen konnte, eine starke Nase und ein starkes Kinn. Seine Augen schienen dunkel und intensiv zu sein und seine Wangenknochen waren gerade hoch genug, um ihn attraktiv aussehen zu lassen. Seine Lippen sahen jedoch weich und voll aus und glichen einem exotischen Gericht, das man mit Erdbeeren, Schokoladensauce und Schlagsahne servieren musste.

Was um alles in der Welt tat sie, wenn sie an seinen Mund dachte, als wollte sie seinen Geschmack erforschen???

Ein plötzliches, unerwartetes Grübchen tauchte auf, als er ihr ein kleines schiefes Lächeln schenkte und plötzlich sah er viel jünger aus.

"Mein Name ist Carl", sagte er, als wäre es ihm wichtig, dass sie wusste wer er war. „Ich wohne dort drüben in diesem Gebäude. Sehen Sie diesen Balkon? Das ist meine Wohnung. Ich habe mir vor ein paar Jahren das Knie verletzt und es hat mich heute Abend gestört, also habe ich beschlossen, einen kurzen Spaziergang um den Block zu machen. Da sah ich Sie fallen. Warum lassen Sie mich nicht einmal Ihren Knöchel schauen? Wie heißen Sie?"

"Nadja", sagte sie.

„Nadja", murmelte er und für einen einzigen Moment schien es, als würde er ihren Namen auf seiner Zunge schmecken und ihn um seinen Gaumen rollen lassen wie einen guten Wein, den er genießen und schätzen wollte. Er führte sie zum Geländer und sie balancierte dagegen, als er sich mit einigen Schwierigkeiten herunterbeugte, um ihren Fuß zu untersuchen.

"Haben Sie Erste-Hilfe-Erfahrung?" fragte sie, als er anfing leicht auf ihren geschwollenen Knöchel zu drücken. Er hielt ihre Ferse und drehte ihren Fuß leicht. Sie schnappte nach Luft und zuckte instinktiv zurück, als der Schmerz durch ihr Bein schoss.

"Schon gut", beruhigte er sie und streichelte ihren Fuss sanft. „Es ist eine wirklich schlimme Verstauchung. Ich war früher ein unter anderem auch Sanitäter für die Navy gewesen, also habe ich ziemlich viele Verletzungen gesehen."

"Sie waren ein Seemann?" fragte sie und schloss ihre Augen, als die Berührung seiner Finger auf ihrem Bein ein Kribbeln über ihre Haut tanzen ließ. Seine Hände waren so weich, so sanft, als er die Enge ihres Schuhs um die Schwellung herum prüfte.

„Ja, aber ich habe mein Knie bei einer Explosion verletzt, so dass ich aus dem Dienst ausscheiden musste und nicht mehr aktiv bin. Hören Sie, Sie dürfen den Fuß nicht belasten. Es muss sehr weh tun."