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Tanz mit dem weißen Ritter

Geschichte Info
Brunhilde tanzt auf einer Hochzeit mit Torsten.
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Vorwort

Die folgende Kurzgeschichte ist frei erfunden. Sie entspringt nur meiner Phantasie. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Orten wären rein zufällig.

Alle Personen, die in der Geschichte vorkommen, sind über 18 Jahre alt.

Viel Spaß beim Lesen.

Usi58.

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Tanz mit dem weißen Ritter

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Heute war der Tag, an dem mein Freund Jochen heiratete. Und ich war eingeladen. Ich hasse solche Feierlichkeiten. Meist stehe ich dumm rum. Mit etwas Glück mit einem Glas in der Hand. Ich kann gar nichts dafür. Ich bin eben durch und durch introvertiert.

Das ist eine Charaktereigenschaft. Deswegen bin ich ungeübt in Smalltalk und ich tue mich schwer, neue Menschen kennenzulernen. Zugegebenermaßen war diese Charaktereigenschaft früher schlimmer ausgeprägt als heute, wo ich auf knapp 40 Jahre Erfahrung zurückblicken konnte. Aber immer noch fühlte ich mich auf solchen Gesellschaften nicht wohl. Gerade auch weil ich seit 2 Jahren wieder solo war. Dann waren Hochzeiten an sich eine heikle Sache, denn man kam sich unvollständig vor. Die mitleidigen Blicke anderer taten dann ihr Übriges.

Der offizielle Teil der Trauung im Standesamt des Wiesbadener Kurhauses war feierlich und ein guter Ersatz für eine kirchliche Trauung. Ich kannte ein paar Gesichter, im wesentlichen Freunde von Jochen. Alle hatten eine Partnerin dabei. Alle anderen waren mir fremd. Es musste sich um die Familie von Jochen oder um die Familie und Freunde der Braut handeln.

Alle waren nett und rührend um das Brautpaar bemüht. Was die alles vorbereitet hatten. Gekühlte Getränke, professionelle Aufnahmen im Kurpark, ein großes Herz auf einem Bettlaken, dass das Brautpaar mit Nagelscheren auszuschneiden hatte und durch das dann Jochen seine Sybille tragen musste. Das alles bei strahlendem Sonnenschein.

Und jetzt kam der für mich anstrengendste Teil, die eigentliche Feier. Dabei hatte Jochen meine Situation noch verschärft. Er hatte mich während des Stehempfangs im Nobelhotel, in dem die Hochzeitsfeier stattfand, zur Seite genommen. Ich wusste, worum es gehen würde. Er hatte im Vorfeld darauf bestanden, dass ich ihm und seiner Frau Sybille auf keinen Fall ein Hochzeitsgeschenk kaufen oder basteln solle, vielmehr würde er sich auf der Hochzeitsfeier etwas Spezielles von mir wünschen. Und das wollte er jetzt tun. Er grinste hinterhältig.

„Na Torsten, amüsierst Du Dich?"

Ich schnitt eine Grimasse und lachte: „Du kennst mich doch. Mehr Spaß geht nicht."

Jetzt musste auch er lachen.

„Doch mein Lieber, Du wirst noch mehr Spaß haben. Pass auf, wenn wir gleich reingehen, wirst Du Dich an einem 8-ter-Tisch wiederfinden. Dir leicht rechts gegenüber sitzt eine Dame. Ich wünsche mir als mein Hochzeitsgeschenk von Dir, dass Du mit ihr tanzt".

„Hä? Du weißt doch, dass ich auf solchen Veranstaltungen nicht tanze."

„Brauchst Du ja auch nicht. Nur einen Tanz mit dieser Dame. Vor 23 Uhr. Das wäre dann Dein Hochzeitsgeschenk an mich."

„Na ich weiß nicht."

„Komm Torsten, ich vertraue auf Dich. Und Du darfst ihr nicht sagen, dass Du das Ganze nur wegen mir machst, ist ja klar, oder? Und sie ist eine harte Nuss. Also streng Dich an."

„Und was ist, wenn sie sich weigert?"

„Na dann hast Du mir halt nichts zur Hochzeit geschenkt. Aber Du bekommst das hin. Ich glaube, sie steht auf schüchterne Typen wie Dich. Also nur Mut."

Bevor ich antworten konnte, klopfte er mir auf die Schulter.

„Ach ja, sie heißt Brunhilde und ist passionierter Single. Und sie kommt immer zu spät. Du hast sie heute also noch gar nicht gesehen. Jetzt muss ich mich aber wieder um die Braut kümmern, bevor sie mir noch entführt wird."

Na super, jetzt fühlte ich mich noch unwohler in meiner Haut. Wollte Jochen mich mit dieser Brunhilde verkuppeln? Ähnliches hatte ich schon in meinem Freundeskreis erlebt. Es war immer schiefgegangen. Der Name wirkte seltsam altmodisch. Vielleicht war sie ja viel älter als ich. Oder war sie ein hässliches Entlein oder ein Mauerblümchen, dass sonst keiner mit ihr tanzen würde? Ich durfte auf jeden Fall gespannt sein.

Dann wurde uns der Zugang zum großen Saal gewährt mit den festlich gedeckten runden Tischen, einer kleinen Bühne und der vielleicht 40 qm großen Tanzfläche.

Mein Tisch war hinten in einer Ecke, was daran lag, dass hier nur Freunde und keine Familienangehörigen vom Hochzeitspaar sitzen würden. Obwohl ich meine Tischkarte schnell gefunden hatte, da mein Platz mit dem Rücken zur Bühne und Tanzfläche angeordnet war, ging ich einmal um den Tisch herum, um einen Blick auf die anderen Tischkarten zu werfen.

Ok, rechts neben mir würde Gabi sitzen, die Partnerin von Tobias, den ich als Freund von Jochen schon öfter getroffen hatte. Neben Tobias saß Brunhilde, das war die Dame, von der Jochen gesprochen hatte. Dann kamen Lothar und Ilse sowie Peter und Dagmar. Diese Namen sagten mir nichts. Ich war gespannt, und setzte mich hin. Ich war der Erste an unserem Tisch.

Nach und nach trudelten meine Tischnachbarn ein. Nur Brunhilde erschien nicht und bestätigte damit Jochens Beschreibung. Die beiden Paare links neben mir entpuppten sich wie erwartet als Freunde der Braut. Die beiden Damen, neben denen ich saß, zeigten sich höflich interessiert an meiner Person und ich wurde gleich in belanglose Gespräche mit eingebunden. Das half mir, mich zu entspannen.

Plötzlich steuerte die Braut auf unseren Tisch zu, in ihrem Schlepptau eine Frau, die ich bisher noch nicht gesehen hatte. Auf dem Standesamt war sie mit Sicherheit nicht gewesen, denn so eine Augenweide wäre mir auffallen. Als sie sich auf den freien Platz setzte, stockte mir kurz der Atem. Die Braut stellte sie lachend vor:

„Liebe Freunde, das hier ist Brunhilde, eine meiner besten Freundinnen. Bitte seid nett zu Bruni, auch wenn sie manchmal etwas zurückhaltend oder distanziert wirkt, ok?"

Brunhilde, Spitzname Bruni, schaute mit einem gequälten Lächeln in die Runde und nickte zur Begrüßung leicht. Kurz hatte ich das Gefühl, dass sie mich einen Augenblick länger musterte als die anderen, aber das war reines Wunschdenken.

Die Braut verschwand wieder. Sie hatte nicht durchblicken lassen, ob sie das mit meinem Hochzeitsgeschenk wusste. Wahrscheinlich wusste sie nichts. Das Geschenk war doch wieder mal eine Schnapsidee von Jochen.

Ich musterte Bruni genauer. Ich fand sie attraktiv. Mit ihrer Größe von knapp 1,80 Meter überragte sie die meisten anderen Frauen. Sie trug eine modische Kurzhaarfrisur, die dunkel gerahmte Brille passte farblich gut zu ihren schwarzen Haaren. Ihre Augen waren strahlend blau. Sie war schlank, fast schon dünn. Sie trug einen eleganten schwarzen Hosenanzug, darunter eine weiße Bluse. Auffällig war, dass sie keinen Schmuck trug. Keinen Ring, kein Armband, nichts um den Hals, keine Ohrringe. Eine Männeruhr zierte ihr Handgelenk. Sie musste etwa im Alter der Braut sein, das dezente Make-up versuchte nicht, die Lebenserfahrung zu vertuschen. Die Hände waren gepflegt, die Fingernägel entweder farblos oder gar nicht lackiert.

Sie hatte eine natürliche Ausstrahlung. War es Dominanz? War es Arroganz? Überheblichkeit? Ich hatte das Gefühl, dass sie wusste, wie sie auf Männer wirkte. Dann erinnerte ich mich, was die Braut gesagt hatte. Ja, das war es, Bruni wirkte distanziert, unnahbar. Ich seufzte innerlich. Ein Rasseweib, leider nicht meine Kragenweite. Mal wieder eine Frau, die ich mich nicht anzusprechen traute. Jedenfalls normalerweise nicht. Heute würde ich einen Versuch wagen müssen.

Noch war ja Zeit. Denn jetzt gab es immer in den Pausen des 5-Gänge-Menüs einen offiziellen Part. Nach dem Amuse-Gueule begrüßten Jochen und seine Sybille alle Gäste, einzeln und namentlich. Ich erfuhr, dass Bruni und Sybille zusammen in die Grundschule gegangen waren. Meine Altersschätzung war also richtig gewesen. Ende 30. Und Bruni war Biologin. Mehr erfuhr ich nicht. Von mir erfuhr man, dass ich Jongleur sei und ein Jahrzehnt mit Jochen in einer Abteilung gearbeitet hatte. Diese kleinen Hinweise zu den Personen waren eine gute Idee, wirkten sie doch im Folgenden als gesprächsfördernd.

Nach dem Brunnenkressesüppchen dann die Rede des Brautvaters, rührend und den Bräutigam betreffend wohlwollend. Direkt danach der Vater des Bräutigams. Es wurde deutlich, dass sich die Schwiegereltern untereinander mochten, nicht nur respektierten. Das kam meiner Erfahrung nach eher selten vor.

Alle Gäste, mich eingeschlossen, hatten im Vorfeld angeben müssen, ob man normal, vegetarisch oder vegan essen wolle. Es war interessant, zu welcher Gruppe meine Tanzpartnerin gehören würde. Da sie sich, genauso wie ich, den geräucherten Lachs an scharfem Meerrettich schmecken ließ, zu dem ein hervorragender Weißwein serviert wurde, gehörte sie schon mal nicht zu den Veganern. Die witzige Rede des Trauzeugen im Dialog mit der Trauzeugin sorgte für viele Lacher.

Ich erklärte meiner linken Nachbarin gerade, dass ich nicht beim Zirkus arbeite, sondern als Zahlenjongleur bei einer großen Versicherung, als der Hauptgang serviert wurde. Ich bekam das Rinderfilet am Stangenbohnenbund, Kroketten und Kräuterbutter. Zwar wären mir Pommes lieber gewesen, aber auch so war es lecker. Das Fleisch war butterzart. Ein kurzer Blick zu Bruni und ich sah, dass auch sie sich das Rinderfilet schmecken ließ. Der Rotwein dazu, köstlich. Jochen und Sybille hatten sich weiß Gott nicht lumpen lassen. Danach wurden Abschnitte der Hochzeitszeitung vorgetragen. Erstaunlich, wie viel Mühe sich die Eltern und Geschwister gemacht hatten.

Nach der leckeren Variation von Eiskugeln und Obst wurde dann die Tanzfläche eröffnet. Das Brautpaar tanzte den obligatorischen Hochzeitswalzer, trennte sich dann, um jeweils weitere Tanzpartner auf die Tanzfläche zu holen. Am Ende war die Fläche voll, ohne dass die Freunde und Bekannten des Brautpaares eine Chance hatten, ebenfalls die Tanzfläche zu bevölkern.

Für mich war der Abend bisher kurzweilig gewesen, ich fühlte mich von meinen Tischnachbarn nicht ausgegrenzt. Ob es Bruni ebenfalls gut ging, konnte ich nicht sagen, sie beteiligte sich wenig an dem allgemeinen Smalltalk, verfolgte aber die Beiträge mit mehr Aufmerksamkeit als so manch anderer an unserem Tisch.

Nachdem die Tanzfläche endgültig freigegeben war, machten sich auch die 3 Ehepaare auf den Weg zur Tanzfläche. Bruni blieb sitzen, genauso wie ich. Ich versuchte, Blickkontakt mit ihr herzustellen, was aber misslang. Sie schien mich gar nicht wahrzunehmen. Ich hatte mich mit meinem Stuhl zur Tanzfläche und Bühne gewendet, und verfolgte das Geschehen interessiert.

Der DJ hatte mit bekannten Schlagern gestartet und deklinierte die Standardtänze durch. Die Tanzfläche war voll, zum richtigen Tanzen gab es keinen Platz. Aber alle schienen ihren Spaß zu haben. In der nächsten Stunde ging es so weiter. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass in dieser Zeit 5 Herren ihr Glück bei Bruni versuchten. Aber sie lehnte immer wieder bestimmt ab.

Es war gegen 22:30 Uhr, als Bruni und ich mal wieder alleine am Tisch saßen. Die Zeit war gekommen, einen Versuch zu starten. Ich haderte mit meiner Aufgabe und mein innerer Schweinehund wollte mich davon abhalten, die Initiative zu ergreifen. Aber dann gab ich mir einen Ruck, stand auf und machte mich auf den Weg zu Bruni. Dabei wählte ich den längeren Weg.

„Sie gestatten?"

Ohne ihre Antwort abzuwarten, setzte ich mich rechts neben sie. Ich glaube, sie schaute mich jetzt das erste Mal bewusst an.

„Ich bin Torsten", begann ich.

„Frau Professor Graulich", erwiderte sie.

Na, das war ja mal ein gelungener Anfang. Obwohl ich innerlich grinsen musste, wurde mir heiß. Was hatte Jochen gesagt? Sie war eine harte Nuss. Wenn das mit dem Hochzeitsgeschenk mal gut ging.

„Spreche ich Sie richtig mit Frau Professor an oder muss ich eigentlich Frau Professorin sagen?", wollte ich wissen.

„Frau Professor reicht, Professorin wäre redundant", erklärte sie.

„Immerhin reden Sie mit mir, danke dafür", sagte ich eher leise zu mir selbst.

Jetzt schaute sie mir in die Augen. Aber ich durfte nicht in diesen blauen Seen versinken. Ich nahm den Faden wieder auf.

„Sie haben einen Lehrstuhl für Biologie? Wo?", fragte ich.

„Na, da hat ja jemand aufgepasst. In Mainz. Mein Spezialgebiet ist die zelluläre Neurobiologie", antwortete sie.

Sie schaute gelangweilt.

„Faszinierend."

„Ach nee, ein Star-Wars-Fan", stöhnte sie und rollte mit den Augen.

Ich musste lachen.

„Touché! Ich liebe es, wenn Captain Kirk sein Laserschwert schwingt."

Ihr unwillkürliches Lächeln entlarvte sie als jemanden, der sehr wohl den Unterschied zwischen Star-Trek und Star-Wars kannte.

„Wenn Sie mit Sybille in die Grundschule gegangen sind, sind Sie noch keine 40 Jahre alt. Und dann schon Professor?"

„Jetzt hätten Sie Professorin sagen müssen", wurde ich korrigiert.

Ich nickte: „Frau Professor, Sie haben recht, ich hätte Professorin sagen müssen. Also noch mal. Und dann schon Professorin, Frau Professor?"

Sie schaute kurz erstaunt, bevor sie schmunzeln musste. Dann fuhr sie fort:

„Start des Biologiestudiums mit 21, Master mit 26, Promotion mit 31, dann weitere 6 Jahre Forschung finanziert durch die deutsche Forschungsgesellschaft auf meinem Spezialgebiet, auf dem ich mit meiner Promotion weltweit Aufsehen erregt hatte. Vor 2 Jahren die Berufung. Noch Fragen?"

„Also ein Überflieger?"

Sie grinste, was mich veranlasste nachzulegen:

„Eine Überfliegerin? Tut mir leid, ich bin nicht gut im Gendern!"

Jetzt musste sie lachen.

„Keine Sorge, ich bin keine Feministin. Und ein Überflieger bin ich auch nicht. Ich habe nur Glück gehabt."

„So so, nur Glück gehabt. Wer's glaubt. Eine schöne Uhr haben Sie da", wechselte ich das Thema.

Unwillkürlich winkelte Sie den linken Arm an und schaute auf die Uhr. Ein Blick und ich erkannte den Hersteller.

„Ich weiß, ich habe einen exklusiven Geschmack."

„Na ja", relativierte ich, „auch ich habe an meinem Handgelenk ein kleines Wunderwerk der Technik, das ohne Energiequelle auskommt und aus Frankfurt stammt."

Sie schaute interessiert. Ich hob meinen Arm und zeigte meine Sinn-Uhr. Dann fuhr ich fort:

„Ich beobachte Sie schon den ganzen Abend."

„Das war nicht zu übersehen."

„Es tut mir leid, war es so offensichtlich? Ich hatte das Gefühl, dass Sie ihre Umgebung nur nebenbei bemerken. Falls ich Ihnen zu nahe getreten sein sollte, bitte ich um Verzeihung."

„Geschenkt. Was wollen Sie von mir?"

„Einen Tanz."

„Ich tanze nicht."

„Ich ja auch nicht. Und ich habe gesehen, dass Sie schon einem halben Dutzend Männern einen Korb gegeben haben."

„Aber?"

„Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich nicht wenigstens einen Versuch gemacht hätte, mit der interessantesten Frau auf dieser Hochzeit zu tanzen."

Sie schaute mich nachdenklich an. Dann lächelte sie.

„Netter Versuch. Die meisten Männer verwenden den Begriff der schönsten Frau."

Ich schüttelte den Kopf: „Das ist auf einer Hochzeit klar das Privileg der Braut."

„Hören Sie Torsten, ich fühle mich auf gut besetzten Tanzflächen nicht wohl. Das hat dann wenig mit tanzen zu tun, sondern eher etwas mit Intimität, mit Smalltalk und in meinem Fall mit Anmache."

„Wenn Sie jemand um einen Tanz bittet, empfinden Sie das als Anmache?"

„Ja, als was denn sonst. Sie haben keine Ahnung, was wir alleinstehenden Frauen auf der Tanzfläche durchmachen. Ständig der Konflikt, lasse ich mir die falsche Position seiner Hand auf meiner Hinterseite gefallen oder sollte ich mich wehren? Dann das belanglose Blabla und das erlösende Gefühl, wenn die Musik verebbt und man wieder an seinem Tisch sitzt."

Jetzt musste ich lachen.

„Kommen Sie Frau Professor, auf so einer Hochzeit ist doch alles ganz harmlos. Fast alle sind sowieso schon vergeben."

„Und Sie glauben, das hält die Männer von irgendwas ab? Manchmal habe ich das Gefühl, das Gegenteil ist der Fall."

Komisch war, dass ihre Stimme nicht so klang, als ob es sich um eine endgültige Weigerung handelte, mit mir zu tanzen. Noch gab ich nicht auf.

„Also wenn Sie mir jetzt auch einen Korb geben, verpassen Sie die einmalige Gelegenheit, heute Abend mit einem weißen Ritter zu tanzen."

Sie seufzte: „Weißer Ritter? Sie wissen aber schon, dass das die Bezeichnung für eine pathologische Persönlichkeitsstörung ist?"

„Natürlich weiß ich das", begann ich.

„Wieso natürlich? Sind Sie Psychologe? Dann passte vorhin die Bezeichnung Jongleur aber so gar nicht zu Ihnen", unterbrach sie mich.

Aha, auch sie hatte aufgepasst. Ich seufzte theatralisch.

„Jongleur, weil ich mit Zahlen jongliere. Ich bin Big-Data-Analyst bei einer Versicherung. Und nein, ich bin kein Psychologe. Aber meine Ex war es, beziehungsweise ist es immer noch. Wissen Sie, sie hat mich immer als weißen Ritter bezeichnet. Allerdings ohne die pathologische Ausprägung. Sie verband damit Eigenschaftswörter wie höflich, aufmerksam, zuvorkommend, zärtlich, leise, auf das Wohl der anderen bedacht, selbstlos, lieb und nett."

Hatte ich jetzt ihre volle Aufmerksamkeit?

„Wir weißen Ritter bringen im übertragenden Sinne immer den Müll runter, machen uns im Haushalt nützlich, finden Sex nur gut, wenn die Frau auch zu ihrem Recht kommt, akzeptieren die Entscheidungen unserer Partnerin und ansonsten lassen weiße Ritter ihre Hand beim Tanzen immer auf Schulterblatthöhe."

Ich legte meine rechte Hand mit der Handfläche nach oben auf den Tisch.

„Jetzt müssen Sie sich entscheiden, Frau Professor. Entweder Sie geben mir Ihre Hand und wir machen uns gemeinsam auf den Weg zur Tanzfläche oder Sie behalten Ihre Hand bei sich. Dann werde ich Sie den Rest des Abends nicht mehr behelligen."

Tatsächlich hatte sie ihren Blick auf meine Hand gerichtet.

„Eine Sache sollten Sie noch wissen", fuhr ich fort, „Wir weißen Ritter fürchten nur eines. Den schwarzen Ritter."

„Den schwarzen Ritter?"

„Genau. Wenn Sie mit mir als weißem Ritter nicht tanzen wollen, dann kann ich das akzeptieren. Aber es bricht mir das Herz, wenn später ein schwarzer Ritter bei Ihnen auftaucht, Sie höflich fragt, ob Sie ihm einen Tanz schenken, Sie lehnen dankend ab, er nimmt trotzdem Ihre Hand und zieht Sie auf die Tanzfläche und man sieht Ihnen an, dass Sie das insgeheim gut finden."

Jetzt schauten wir uns in die Augen, sekundenlang. Ich spürte, wie sie das, was ich gesagt hatte, durchdachte. Aber ihr als Überflieger musste ich nicht zu viel Zeit lassen. Also senkte ich meinen Blick und zog meine Hand zurück.

„Frau Professor, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend."

Ich stand auf, schob den Stuhl wieder an den Tisch und machte mich auf den Weg.

„Warten Sie, weißer Ritter!", hörte ich in meinem Rücken.

Ich unterdrückte ein Grinsen und drehte mich wieder um. Sie sah mich an und stand auf.

„Ich komme ja schon mit. Ihr origineller Vortrag muss belohnt werden."

Ich hielt ihr meinen Arm hin. Sie hakte sich unter.

„Und ich will später den schwarzen Ritter genießen, ohne Gewissensbisse wegen Ihnen zu haben", fügte sie lachend hinzu.

Wir waren gleich groß. Erst jetzt sah ich, dass sie flache Schuhe anhatte.

„Also Frau Professor, Sie brauchen keine Angst zu haben, mit einem größeren Tollpatsch haben Sie wahrscheinlich noch nie getanzt. Wenn die Leute über uns lachen, dann auf jeden Fall wegen mir. Aber Sie retten meinen Abend. Danke schon mal dafür", erklärte ich, während wir uns der Tanzfläche näherten.

Dann hatten wir die Tanzfläche erreicht. Absichtlich stolperte ich über die kleine Kante der Tanzfläche und spürte, wie Frau Professor instinktiv meinen Arm fest umklammerte. Ich musste grinsen. Dann reihten wir uns ein in die Horde der Tanzenden.

„Foxtrott?", fragte ich.

Sie nickte.

„Ich starte mit dem linken Fuß, nur so zur Info."

„Na machen Sie schon."

Meine Hand hatte ich wie versprochen auf ihr Schulterblatt gelegt. Unsere Körper hielten einen angemessenen Abstand. Allerdings war es so eng, dass mein linker Arm nicht annähernd gestreckt war.