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Vom Himmel fiel ein Stern

Geschichte Info
David findet eine nackte Frau auf der Straße.
6.8k Wörter
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David war müde, als er mit seinem alten VW die verschlungene Landstraße entlang kurvte. Die Woche in München war anstrengend gewesen und das letzte Meeting hatte erst am Freitagnachmittag geendet, sodass es jetzt schon dämmerte, als er noch etwa 10 Kilometer von zuhause entfernt war. Mit dem Tag dämmerte auch er so dahin, fuhr Kurve um Kurve und... plötzlich gab es einen grellen Lichtblitz direkt vor ihm auf der Straße. Reaktionsschnell legte er eine Notbremsung hin, während er von der gleißenden Helligkeit geblendet die Augen schloss.

Als er sie wieder öffnete, war es dunkel und sein Auto war zum Stehen gekommen. Sofort fiel ihm auf, dass etwas vor ihm auf der Straße lag, doch er konnte nur verschwommen sehen. Er blinzelte ein paar Mal und rieb sich die Augen. Lag dort ein Mensch? Entsetzen stieg in ihm auf. Was direkt vor ihm vom Scheinwerferlicht angestrahlt wurde, sah verdächtig nach einem Knäuel Arme und Beine aus. Hatte er jemanden überfahren? War er tot?

Fast wie in Trance öffnete David die Tür und stieg aus dem Auto. Noch immer konnte er nicht richtig sehen und die Szenerie kam ihm seltsam unwirklich vor, er allein auf einer dunklen Landstraße und nur ein kleiner Lichtkegel vor dem Auto schnitt ein Stück daraus aus. Was außerhalb davon lag, vermochten seine geblendeten Augen nur noch als schwarze Wand wahrzunehmen.

Doch das undeutliche Etwas drei Meter vor der Stoßstange sah er. Und je näher er herantrat, desto mehr nahm es die Form eines Menschen an. Als er direkt davor stand, sog er scharf die Luft ein.

Auf der Straße lag eine Frau. Arme und Beine waren angewinkelt, als hätte sie sich vor etwas schützen wollen. Ihre Augen waren geschlossen. Und das Irrsinnigste: Sie war vollkommen nackt!

Das Schlimmste ahnen beugte sich David zu ihr herab und fühlte ihren Puls. So sicher er darauf gewertet hätte, dass er nichts finden würde, so überrascht war er vom Gegenteil. Die Frau lebte! Sie war nur ohne Bewusstsein. War sie verletzt? David musterte sie. Auf Anhieb konnte er keine Verletzungen erkennen. Eigenartig. Hatte er sie doch nicht angefahren? Was war dann der Lichtblitz? Was tat sie hier? Und wieso war sie nackt?

Auf die Schnelle fiel ihm keine Erklärung ein, die irgendwie erfreulich wäre. Er musste ihr helfen, so viel stand fest. Aus seiner Hosentasche kramte er sein Handy hervor. Das Display blieb schwarz, als er es entsperren wollte. Wieso war es aus? Der Akku konnte doch nicht schon alle sein, ihm Büro hatte er es noch aufgeladen. Einige Sekunden hielt er die Seitentaste gedrückt, um es zu starten. Nichts rührte sich. Dreimal versuchte er es, doch da war nichts zu machen. Das Handy war tot.

Besser das Handy als die Frau. Er rüttelte sie leicht an der Schulter. »Hallo, wachen Sie auf!« Aber das führte zu keinem Ergebnis, die Frau blieb bewusstlos.

David überlegte. So spät war hier kaum jemand mehr unterwegs, deshalb war es unsinnig, auf Hilfe zu warten. Die Frau allein lassen durfte er auch nicht. Er musste sie mitnehmen, am besten brachte er sie nach Hause und rief dann die Polizei.

David ging zurück zum Auto und wollte die Beifahrertür öffnen. Nein, er besann sich und öffnete stattdessen die hintere Tür. Dann hob er die Fremde vorsichtig hoch und setzte sie mit einiger Anstrengung auf die Rückbank. Zum Glück war sie recht zierlich. Aus dem Kofferraum nahm er eine Fließdecke und wickelte sie notdürftig darin ein, dann gürtete er sie an.

Auf der Weiterfahrt nach Hause betete er, obwohl er sich keines Fehlverhaltens bewusst war, dass er niemandem begegnete. Zum Glück erfüllte ihm Gott diesen Wunsch. Ohne weitere Zwischenfälle bog er auf seine Einfahrt und parkte unter dem Carport.

Die Frau war noch immer bewusstlos. Er überlegte, ob er sofort die Polizei rufen sollte, doch er brachte die Frau erst nach innen. Dort legte er sie aufs Sofa im Wohnzimmer. Dann holte er ein Kissen und eine Bettdecke und machte es ihr gemütlich. Erst jetzt wählte er mit dem Festnetztelefon die 110.

Das Telefonat mit der Polizei verlief jedoch anders als gedacht. Nach einigen Rückfragen zum Zustand der Fremden, der abgesehen von ihrem Bewusstsein und ihrer Kleidung nichts offensichtlich fehlte, legte der Beamte am anderen Ende der Leitung stichhaltig dar, dass es für alle Beteiligten angenehmer wäre, wenn David dis Frau am nächsten Morgen zur Wache in die Stadt brachte, als dass sich zu dieser Stunde noch eine Bereitschaftseinheit auf den Weg ins Dorf machte.

Er würde sie also über Nacht hierbehalten. Doch was, wenn sie aufwachte? Würde sie nicht denken, er hätte sie entführt? Sie war schließlich nackt. Vielleicht erinnerte sie sich nicht mehr genau, was vorgefallen war? Nachdem weitere Versuche, sie aufzuwecken, fehlgeschlagen hatten, bereitete sich David mit diesen Gedanken beschäftigt ein Pilzomelett zu und aß es, ohne es genießen zu können. Da der Tag auch vor diesem verrückten Ereignis schon schrecklich anstrengend gewesen war, ging er anschließend rasch zu Bett.

--------

Am nächsten Morgen wurde er von freundlichen Sonnenstrahlen geweckt. Er blinzelte, streckte sich und dachte sich, dass er den freien Tag so richtig genießen würde. Bis ihn die Erinnerung an gestern Abend einholte. In dem Moment schoss er aus dem Bett und eilte ins Wohnzimmer nebenan. Es war dunkel, da er die Rollläden sicherheitshalber herabgelassen hatte, aber die Fremde lag offenbar immer noch auf dem Sofa. Auf Zehenspitzen schlich David zu einem der Fenster und zog den Laden hoch, worauf Tageslicht das Zimmer erhellte.

Sogleich hörte er etwas, das wie ein Stöhnen klang. »Wo zai nali?« Die Stimme klang völlig fremd und genauso die Sprache, die sie sprach.

»Äh... ich bin David«, stotterte David.

Die Frau schlug die Decke leicht zurück und wandte sich ihm zu. Ihre Augen waren bernsteinfarben und schimmerten wie Edelsteine, als sie sich auf ihn richteten. »¿Qué eres?«

Hilflos bereitete David die Augen aus. »Tut mir leid, ich verstehe dich nicht. Sprichst du Englisch oder Deutsch?«

»Deutsch.« Die Frau wiederholte das letzte Wort, als müsste sie darüber nachdenken. Dann sprach sie in einem eigenartigen Akzent weiter und betonte jedes Wort einzeln. »Du sprichst Deutsch?«

»Ja, genau. Du also auch?«

Es wirkte, als müsste die Frau bei ihrer Antwort intensiv nachdenken, und die Worte kamen ihr sehr langsam über die Lippen, doch ihre Antwort passte überhaupt nicht dazu. »Ja, ich kann auch... Deutsch sprechen. Bitte, wo bin ich und was bist du?«

»Nun, du bist in meinem Wohnzimmer. Und wer ich bin, äh, David. Ich habe dich gefunden, als du auf der Straße lagst. Leider war mein Handy kaputt und deshalb habe ich dich erstmal hergebracht. Darf ich fragen, wer du bist und was passiert ist?«

Die Fremde sah ihn eindringlich mit ihren Bernsteinaugen an, als versuchte sie in ihm zu lesen. »Straße?«, wiederholte sie schließlich. »Straße wohin?«

»Äh, die Landstraße bei Steinach.«

»Steinach?«

»In Oberfranken. Bei Kronach.«

Die Frau sah ihn verständnislos an. »Deutschland?«

David schnaubte. »Natürlich Deutschland.«

Da sackte die Frau regelrecht zurück und wandte das Gesicht zur Decke. »Wieso Deutschland?«, fragte sie, doch sie sprach wohl mehr zu sich selbst. Dann hielt sie sich die Hände vors Gesicht.«

David trat unschlüssig näher. »Kann ich vielleicht etwas für dich tun? Brauchst du Wasser? Ich kann dir ein Frühstück anbieten und dich zur Polizei bringen.«

»Wasser«, sagte die Fremde. »Wasser ist gut für Kopf.«

Also holte David ein Glas Leitungswasser und reichte es ihr. Sie stützte sich mit der Hand auf und hob den Kopf, aber anscheinend war sie sehr schwach und ihre Hände zitterten, weshalb David das Glas festhielt, während sie trank.

»Danke«, sagte die Fremde, als das Glas leer war. Dann sah sie ihn eindringlich an. »David, was bist du?«

Es war eigenartig, sie seinen Namen aussprechen zu hören. Seine Nackenhaare kribbelten dabei. Merkwürdig war auch die Frage, die sie schon zuvor so seltsam formuliert hatte.

»Ich arbeite als Informatiker, wenn du das wissen willst.«

»Nein, nicht was du machst. Was bist du?«

»Keine Ahnung, was du meinst. Ich bin ein ganz normaler Mensch.«

»Mensch?«

»Ja, Mensch. Human. Das Wort kennst du doch bestimmt.«

Aus irgendeinem Grund beunruhigte es die Fremde allerdings, denn sie sog hörbar die Luft ein. »Wieso hast du mich gefunden?«

»Nun, du lagst plötzlich vor meinem Auto. Ich dachte schon, ich hätte dich überfahren. Da war so ein Lichtblitz. Keine Ahnung, woher er kam.«

»Ich verstehe.«

»Ach ja? Ich nämlich überhaupt nicht. Und wie heißt du überhaupt?«

Die Fremde lehnte sich wieder zurück und sah zur Decke. »Ich bin eine Stella.«

»Stella? Na, das ist ein schöner Name. Also, was kann ich für dich tun, Stella?«

Stella, wie die Frau offenbar hieß, überlegte. »Ich brauche Ruhe, um Kraft zu bekommen«, erklärte sie nach kurzer Zeit.

David nickte. »In Ordnung, dann schlaf ruhig weiter. Ich lege dir etwas Obst hin, falls du Hunger bekommst, und suche dir was zum Anziehen raus.«

Da Stella nichts erwiderte, ging David zunächst in die Küche, um eine Banane und zwei Äpfel zu holen. Als er zurückkam, hatte sich Stella wieder zugedeckt und schien zu schlafen. Einen winzigen Augenblick lang bedauerte es David, dass er ihre Brüste nicht mehr sehen konnte, denn die waren schon ein sehenswerter Anblick gewesen. Vor allem ihre Haut, so kastanienbraun... aber er verbat sich solche Gedanken rasch. Nachdem er das Obst hingestellt und das Wasserglas aufgefüllt hatte, suchte er ein altes T-Shirt, Socken, eine Jogginghose sowie eine Boxershorts heraus, denn was Besseres hatte er ihr nicht anzubieten, und legte alles neben das Sofa. Da Stella bereits wieder zu schlafen schien, schlich er sich wieder in die Küche. Dort bereitete er sich in aller Ruhe ein Frühstück zu und dachte über die Situation nach.

Er entschied sich letztlich dagegen, noch einmal die Polizei zu belästigen. Auch wenn Stellas Aussagen bisher etwas komisch waren, sie brauchte anscheinend nicht dringend einen Arzt und wollte sich zunächst ausruhen. Alles Weitere würden sie sicher später klären können.

Also tat David nach dem Frühstück das, was er häufig an einem freien Samstagvormittag tat. Er setzte sich an den Laptop und programmierte an seinem Hobbyprojekt weiter. Er konnte sich darin gut vertiefen und die Zeit verlieren, was auch geschah. Es war ja auch besser, wenn er Stella in Ruhe ließ, damit sie sich erholen konnte. Also störte er sie nicht.

Im Gegenteil, es geschah andersherum. David war in den unerklärlichen Tiefen seines Programmcodes versunken, der irgendeinen Fehler auswarf, als er einen unterdrückten Schrei aus dem Wohnzimmer hörte. Sofort fuhr er auf und eilte hinüber.

Stella lag auf dem Rücken, die Augen weit aufgerissen, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Als David ans Sofa trat, stellte er fest, dass sie zitterte, ihn jedoch nicht bemerkte. Zögerlich beugte er sich zu ihr und berührte sie an der Schulter. »Hey, alles in Ordnung?«

Ein Beben durchfuhr ihren Körper, sie schloss die Augen und warf sich herum. Einen Moment rührte sie sich nicht, dann wandte sie ihm langsam den Kopf zu und sah ihn an. »Ich sollte nicht hier sein, David«, sagte sie.

David setzte sich neben sie auf die Sofakante und nahm behutsam ihre Hand. »Wo solltest du denn eigentlich sein?«

»In Sicherheit. Wo mich die... Jäger nicht finden können.«

Jäger, schoss es David durch den Kopf. Was denn für Jäger? Er stellte Stella genau diese Frage.

»Das verstehst du nicht«, entgegnete sie und ihre Stimme klang verzweifelt. »Sie kommen von weit fort und sind eine große Gefahr. Wenn ich hier bin, kommt auch die Gefahr hierher. Es ist eine große Gefahr für... Steinach.«

David zog die Augenbraunen hoch. »Wissen sie denn, dass du hier bist?«

Stella überlegte. »Wahrscheinlich nicht.«

»Glaub mir, nach Steinach verirrt sich niemand. Wenn sie das nicht wissen, dann werden sie dich hier nicht suchen. Wer auch immer dich jagt, du bist hier sicher.«

Stellas Blick wanderte kurz umher, als könnte sie sich so von Davids Worten überzeugen. »Ich habe noch nie etwas gehört von Steinach. Vielleicht hast du recht.« Es folgte eine kurze Pause, ehe sie weiter sprach. »Dieser Ort gehört dir?«

»Dieses Haus? Ja, ich habe es von meinen Eltern geerbt.«

»Darf ich hier bleiben?«

»Äh... ja, klar. Du bist mein Gast. Also am Montag muss ich wieder nach München fahren, aber heute und morgen kannst du gerne hierbleiben.«

»Heute und morgen«, wiederholte Stella. »Danach muss ich gehen?«

»Na ja, dann muss ich jedenfalls gehen und ich weiß nicht, ob ich dich allein hier lassen möchte. Hast du nicht gesagt, du solltest nicht hier sein? Wo wolltest du denn eigentlich hin?«

Stella seufzte. »Ich weiß das nicht. Ich bin so schwach.« Sie schloss die Augen.

David wusste sich nicht besser zu helfen, als ihre Hand zu tätscheln. »Weißt du was, ruh dich erstmal aus und denke nicht darüber nach. Ich werde dich nicht fortjagen und niemand wird dich hier finden.«

Da öffnete Stella die Augen wieder und sah ihn mit einem durchdringenden Blick an. »Danke, David«, sagte sie nur. Dann drehte sie sich auf die Seite, als würde sie wieder schlafen wollen. David wollte wieder in sein Arbeitszimmer gehen. Doch als er an der Tür war, hielt Stellas Stimme ihn auf. »Wohin gehst du?«

»Nur ins Nachbarzimmer.«

»Kannst du hierbleiben?«

»Ich bin gleich nebenan, keine Sorge.«

Stella schien das nicht zu genügen. »Bitte. Du musst mich warnen, falls die Jäger kommen.«

David seufzte. »Es kommen keine Jäger«, wollte er erwidern, aber er vermied es. Dass mit Stella irgendetwas nicht stimmte, war ihm inzwischen klargeworden, aber er wollte es nicht noch schlimmer machen. Sein Blick fiel auf den freien Sessel im Wohnzimmer und er zuckte die Schultern. »Also gut, ich bleibe in deiner Nähe. Jetzt schlaf ein und mach dir keine Sorgen.«

Stella beruhigte sich erst, als er mit dem Laptop zurückkehrte und sich unweit von ihr in den Sessel setzte. Während er sich wieder auf die Jagd nach dem vermaledeiten Fehler im Code machte, ließ schon bald ein regelmäßiges Atemgeräusch vom Sofa her darauf schließen, dass sein seltsamer Gast wieder eingeschlafen war.

In den folgenden zweieinhalb Stunden blieb David an Stellas Seite und verließ das Wohnzimmer nur kurz, um sich Tee zu kochen oder aufs Klo zu gehen. Schließlich bekam er Hunger, doch Stella schien tief und fest zu schlafen. Er ging also in die Küche, rührte etwas Teig an und belegte ein Blech Gemüsepizza. Als diese fertig war und ihr verführerischer Geruch sich auch im Wohnzimmer ausbreitete, schlief Stella noch immer. David stellte ihr trotzdem ein Stück auf den Couchtisch, falls sie aufwachen sollte. Dann holte er seine Kopfhörer und genoss die Pizza zusammen mit seinem Lieblingspodcast. Der Sessel war bequem, der Podcast ließ ihn die skurrile Situation vergessen und irgendwie nickte er dann weg.

Als er aufwachte, war der Tag bereits weit fortgeschritten, aber auf dem Sofa hatte sich immer noch nichts verändert. David machte sich einen Kaffee und dachte nach, was er eigentlich von seinem Gast halten sollte, aber er wurde aus ihr nicht schlau, also ließ er das Kopfzerbrechen sein und setzte sich mit einem Buch zurück in den Sessel. Dann würde er eben den freien Samstag als Bettwächter verbringen. Geschenkt.

--------

Das Buch war eigentlich ein Kriminalroman, zumindest hatte er das gedacht, aber ab Seite 204 entwickelte es sich immer mehr zu einer romantischen Geschichte zwischen der Kommissarin und dem Hauptverdächtigen. Für David war es etwas zu klischeehaft. Als es schließlich um Andeutungen körperlicher Liebe ging, musste er unweigerlich daran denken, dass eine hübsche Frau nackt auf seinem Sofa lag. Es war vielleicht keine gute Idee, das weiter zu lesen. Also klappte er das Buch auf Seite 294 zu.

Draußen war die Dämmerung hereingebrochen und Stella lag immer noch schlafend unter der Decke. Nur Kopf und Schulter ragten hervor. David stand auf und ging zu ihr, um zu überprüfen, ob es ihr gut ging. Sie hatte die Augen geschlossen und den Kopf leicht abgewandt. Vorsichtig setzte er sich auf die Sofakante. Ihr Gesicht war wirklich schön und ihre Haut makellos glatt, aber keinesfalls unnatürlich. Da war eine Strähne über ihrer Stirn und... gedankenverloren strich David sie zur Seite. Andere Männer würden diese Situation ausnutzen. Warum er eigentlich nicht?

Weil er nicht so war. Er spürte den Wunsch, die Decke zur Seite zu ziehen und noch einmal einen Blick auf ihre kleinen Brüste zu werfen und vielleicht noch mehr. Aber er tat es nicht. Er saß da und schaute sie an, während sie schlief, überlegte sich, wer oder was sie war und wieso sie jetzt hier lag, aber er rührte sie nicht weiter an.

Die Pizza war nicht angerührt. David stand auf. Er öffnete die Balkontür und trat nach draußen. Dort hatte man einen wunderschönen Blick auf den Wald. Steinach verabschiedete sich gerade von den letzten Sonnenstrahlen und ein zartes Rotrosa schimmerte über den Baumwipfeln. David verschränkte die Arme und stützte sich auf die Balustrade.

Er stand da so eine Weile und vertiefte sich in den malerischen Anblick, dass er die Geräusche aus dem Wohnzimmer nicht wahrnahm. Plötzlich trat jemand hinter ihm auf den Balkon. Er fuhr herum.

Stellas Anblick ließ seine Kinnlade herunterklappen. Sie stand da, mit ihrer schlanken Gestalt, der kastanienfarbenen Haut und dem vollen dunklen Haar, sah ihn mit den Bernsteinaugen an und war vollkommen nackt. Er konnte alles sehen. Sein Glück war es, dass ihre Augen so faszinierend schimmerten, dass sie seinen Blick anzogen.

Stella hingegen ließ den Blick schweifen und trat neben ihn ans Geländer. »Das ist Steinach?«, fragte sie nach Momenten des Schweigens.

David musste einen mächtigen Kloß herunterschlucken, ehe er antworten konnte. »Ja, das ist mein Dorf.«

»Es ist friedlich.«

»Ich sage doch, dass du hier sicher bist.«

Fast augenblicklich sah er, wie sich Stellas Körperhaltung entspannte. Ihr Blick wanderte nach oben und David folgte ihm. Die ersten Sterne waren zum Vorschein gekommen und funkelten schüchtern am Himmel.

Als David wieder zu Stella sah, hatte sie Tränen in den Augen. »Stimmt etwas nicht?«, fragte er.

Sie schüttelte mit dem Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich wieder nach Hause zurückkehren kann.«

David ergriff die Gelegenheit, etwas von seinem Gast zu erfahren. »Wo ist denn dein Zuhause?«

Da zeigte sie mit ausgestreckten Fingern nach oben in den Sternenhimmel. »Dort«, sagte sie.

»Du meinst, du kommst aus dem Weltraum? Du bist quasi vom Himmel gefallen?«

Stella nickte. »Ich komme aus Astra.«

David stöhnte. Das war zu viel. Sie war verrückt, übergeschnappt. Er hatte eine Irre nach Hause gebracht. Eine irre... und hübsche, aber irre Frau. »Weißt du, ich gehe mal unter die Dusche. Du kannst ja hierbleiben und die Sterne beobachten. Wie gesagt, dir passiert hier nichts.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ging nach drinnen. Im Badezimmer angekommen entkleidete er sich, schlüpfte in die Duschkabine und schaltete das Wasser an.

Erfrischend kühl lief es ihm über Kopf und Rücken. Es war verrückt, so verrückt! Normalerweise würde er Stella in die Psychiatrie schicken und denken, sie wäre irgendwo ausgerissen. Aber da war dieser Lichtblitz gewesen und ihr plötzliches Auftauchen. Ihr ganzes Verhalten war sonderbar, mysteriös, unheimlich. So unheimlich, dass er es fast nicht ausschließen konnte, dass sie vom Mond kam. Oder von den Sternen.

Aber es war unmöglich.

David duschte bestimmt eine Viertelstunde, um sich zu beruhigen. Dann kleidete er sich in seinen Bademantel und trat ins Wohnzimmer.

Stella saß auf dem Sofa und sah Richtung Fenster. Sie regte sich nicht, als er nach reiflichem Zögern zu ihr ging. Die Pizza war noch immer nicht angerührt, aber das Wasserglas war leer. Dann sah er, dass sie Tränen in den Augen hatte. Widersprüchliche Gedanken stritten in seinem Kopf. Sie war verrückt, aber sie litt an dem, was sie glaubte. Irgendwie so. Wie sollte er ihr helfen, ohne es schlimmer zu machen?