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Anita und wir Episode 11

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"Könnt ihr euch das denn leisten?", rutschte mir heraus.

Lukas als Automechatroniker in der Ausbildung und Sanne im Geschäft ihrer Eltern mochten vielleicht regelmäßige Einkünfte haben, aber nicht sehr viele.

"Wissen wir nicht", lachte Lukas. "Aber jetzt wird erst einmal geheiratet."

"Doppelhochzeit! Doppelhochzeit!", rief Sanne und wiederholte den Tanz mit Janina, die genauso verdutzt war wie ich.

"Ich bin ja nun nicht der Sohn eines Multimillionärs", meinte Lukas und schlug mir auf die Schulter. "Aber Tom hat gemeint, er richtet unsere Hochzeit aus, auch wenn ich meine Wette verliere. Unsere beiden Hochzeiten."

"Mein Gott!", war alles, was ich sagen konnte.

*

Zwei Monate lang war Ruhe, dann begann das Chaos. Wir standen ja eigentlich mit Sonnenaufgang auf, aber an dem Morgen wurden wir schon eine Stunde vorher von einem lauten Brummen geweckt.

Die Straße ins Dorf war voll von Autoscheinwerfern. Eine ganze Kolonne von riesigen LKWs und ein paar Kleinlaster quälten sich zu uns hoch.

Vorneweg kam ein Jeep, aus dem eine forsche junge Dame heraussprang. "Hallo", begrüßte sie uns lächelnd. "Wo sollen wir abladen?"

"Da drüben", sagte ich. "Versuchen Sie aber, den Rest der Wiese ganz zu lassen."

"Kein Problem", sagte sie und machte kehrt.

Ich hatte am Vortag den Teil meiner Futterwiese gemäht, der direkt an die Scheune angrenzte. Max hatte genaue Zahlen für die Länge und Breite geschickt, und ich hoffte, ich hatte mich nicht verschätzt.

Er hatte am Telefon zuerst von einem "Hochzeitspavillon" geredet, den sie aufstellen wollten, doch als er dann mit den Maßen rüberkam, musste ich schon schlucken.

Zuerst kam ein LKW mit einem Generator und Scheinwerfern, die die gemähte Wiese in taghelles Licht tauchten.

Und damit musste ich auch weg, denn meinen Kühen gefiel die nächtliche Störung überhaupt nicht.

Den Rest der Aktion kriegte ich dann in lauter einzelnen Momentaufnahmen mit, als ich immer mal wieder aus dem Stall hinausspähte.

Als erstes legten sie eine Art stählernen Rahmen aus, der auf vielen runden Füßen stand. Auf Knopfdruck fuhr dann der ganze Rahmen hoch und richtete sich wie mit Geisterhand horizontal aus.

Der nächste LKW hatte große Holzplatten geladen, mit denen ein lückenloser Parkettboden in diesen Rahmen gelegt wurde.

Dann kamen stählerne Pfosten, zwei Treppen nach oben und noch so ein Rahmen als Boden eines Obergeschoßes. Bis zum Abend des ersten Tages hatten wir ein Haus auf der Wiese stehen, das so groß wie ein Handballfeld war.

Es hatte zwei Stockwerke, ein Dach voller Solarziegel, und Außenwände aus Glas. Im Obergeschoß gab es Holzwände, die eine Menge einzelner Zimmer voneinander trennten.

Sie hatten vier komplette Badezimmer angeliefert und in jeweils einem Stück im Obergeschoß abgestellt. Das Untergeschoß war, bis auf ein paar Toiletten und einen ziemlich kleinen Aufzug, ein einziger leerer Raum.

"Gott!", meinte Tobias, der inzwischen mit dem halben Dorf hier oben angekommen war, um zu starren. "Das ist ja galaktisch."

"Galaktisch teuer", meinte ich. "Ich will gar nicht wissen, was diese Aktion kostet. Und das nur, um ein paar Gäste unterzubringen."

"Und zu verköstigen", sagte Verena, die forsche junge Dame von frühmorgens. Sie sah inzwischen — trotz Infusion mehrerer Liter Kaffee über den ganzen Tag — ziemlich geschafft aus. Kein Wunder. Ein Haus an einem Tag hochzuziehen, erforderte perfekte Logistik. Wenn nur einer der LKWs unterwegs liegen geblieben wäre ...

"Vor allem verköstigen!" Denn darum ging es eigentlich. Das Haus war das Heim einer deVille-Robotküche, die unsere ganze geplante Hochzeitsgesellschaft versorgen sollte. Eine Art Premiere für dieses Konzept. Das Haus hatte vorher in Erfurt gestanden und sollte nach der Hochzeit auch wieder dorthin zurück. In Zukunft wollte deVille dann mit ähnlichen Häusern auf den Industriemessen Europas auftauchen.

Dass im Obergeschoß noch ein paar Zimmer und Bäder für Gäste waren, war da nebensächlich.

"Morgen früh", sagte Verena, "kommen die Handwerker, die die ganzen Leitungen verbinden. Es sollte also heute Nacht tunlichst niemand eines der Bäder benutzen."

"Schon gut", meinte ich. "So dumm sind wir Bayern nun auch nicht."

"Gegen Mittag", fuhr sie fort, ohne auf meine Bemerkung einzugehen, "kommt die Küche, dann der Container mit den schweren Geräten. Wir brauchen die Zentralheizung jetzt im Sommer eigentlich nicht, aber das soll ja eine Generalprobe sein. Wenn alles klappt, ist das Haus morgen Abend fertig. Übermorgen kommen die Möbel."

"Können wir dann schon darin essen?", meinte Janina.

Verena lachte. "Leider nicht. Die Vorräte werden erst am Tag vor der Hochzeit geliefert. Der Kühlcontainer verbraucht eine Menge Strom."

Ich hatte mir immer mal wieder meine Hochzeit vorgestellt. Als Junge deutlich pompöser, im Laufe der Zeit immer sparsamer. Als Janina schwanger wurde, hatte ich angefangen zu rechnen, was wir uns denn eigentlich leisten konnten, und war bei meinen Berechnungen immer bei "fast nichts" gelandet. Wir hätten mindestens zwei Kühe zum Schlachter schicken müssen, nur um das Essen für die potentiellen Gäste bezahlen zu können, und die Milch hätte uns danach echt gefehlt.

Aber das hier, das wäre mir in meinen wildesten Träumen nicht eingefallen.

"Da stimmt doch aber etwas nicht", meinte Tobias und wies auf das Obergeschoß. "Sollen die Leute im Schaufenster schlafen oder ist das ein Sextheater?"

"Ach ja! Danke", sagte Verena, holte ihr — an diesem Tag mindestens dreimal wieder aufgeladene — Tablet heraus und tippte ein paarmal drauf.

Im selben Moment verfärbte sich das ganze durchsichtige Haus schwarz. Smartglas! Ich hatte schon davon gehört, aber trotzdem war es wie Magie.

"Wow!", sagte Tobias. "Ich ziehe meine Frage zurück. Ach übrigens", meinte er dann zu Verena gewandt. "Wo übernachtest du denn heute?"

"Im Hotel Aumann", sagte sie. "Dann bin ich morgen früh gleich wieder vor Ort. Man hat angeblich einen tollen Blick von ganz oben."

"Zimmer zwölf?", fragte Janina unschuldig.

"Ja, wieso?"

Alle Umstehenden brachen in Gelächter aus.

Verena blickte hilflos um sich.

"Ich denke", sagte ich, "ihr geht erst einmal alle nach Hause. Verena, du bist natürlich bei uns zum Abendessen eingeladen, und wir zeigen dir die berühmt-berüchtigte Vergangenheit deines Zimmers."

"Darf ich auch bleiben?", fragte Tobias mit einem Seitenblick auf die forsche junge Frau.

Ich schlug ihm auf die Schulter. "Ich kann dir das doch nicht antun. Für einen mehr ist immer noch Brot und Wasser da."

"Hauptsache", meinte Tobias. "Das Brot ist flüssig."

Vanessa

Es war der schönste Tag in meinem Leben — naja: einer der schönsten. Ich war ja so enttäuscht gewesen, dass ich nur Söhne hatte. Und Frank und Laura hatten nur standesamtlich geheiratet. Aber jetzt ...

Hurra! Hurra! Hurra! Zwei Bräute auf einmal. Und sie gehörten mir ganz allein. Zumindest für die Zeit im Brautmodengeschäft in München. Keine Schleier, denn, wie es sich zu meinem Entzücken herausstellte, waren beide Bräute in anderen Umständen.

Bernd und Max hatten mich wissend angegrinst, als ich zwei Wochen vor der Hochzeit ganz nebenbei bemerkte, dass ich vorhatte, einen kurzen Trip nach Annabrunn zu unternehmen.

"Hast du deine Kreditkarten aufgeladen?", fragte mein Ehemann. "Du weißt, was ordentliche Brautkleider kosten?"

Ich winkte ab. "Lange nicht so viel wie die Designerklamotten für Laura. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Janina und Sanne in Manolo Blahniks über den Bauernhof laufen wollen."

"Vergiss die Dessous nicht", sagte Max. "Die Nächte dort können kalt werden."

"Negligees mit Pelzkapuzen?", feixte Bernd.

"So in etwa. Oder beheizte Dildos."

Ich machte, dass ich aus dem Wohnzimmer kam. Wenn die beiden in der Stimmung waren, konnte sie nichts mehr stoppen.

*

Mein erster Weg führte mich nach Mühldorf zu Sannes Eltern. Wir hatten zwar schon telefoniert, doch es war immer noch etwas anderes, beieinander zu sitzen und einen Kaffee zu trinken, wenn man über Geld sprach, das sie eigentlich ausgeben wollten oder meinten zu müssen.

"Schaut mal", sagte ich. "Janina kriegt von ihren Eltern gar nichts, und die beiden haben nicht das Geld, dass sie sich etwas Ordentliches kaufen könnte."

"Ja schon", meinte Friedrich. "Aber es ist nun einmal die Aufgabe der Brauteltern."

"Ich geb' einen feuchten Kehricht auf Regeln und Moral."

Roswitha lächelte. "Das haben selbst wir schon andeutungsweise gehört."

"Wenn ich mit Janina in einen Brautmodenladen gehe, kommt sie mit einem Traum in Weiß wieder heraus. Wir haben genug Geld; ich habe selbst keine Töchter, also kriegt sie das schönste Kleid, was die haben, ohne Blick auf das Preisschild.

Und dann braucht Sanne genauso eines, am besten dasselbe Modell. Ihr könnt euer Geld gerne für andere Sachen ausgeben, aber ich will nicht, dass ihr versucht, mit meinem Geldbeutel zu konkurrieren, nur damit eure Tochter nicht schlechter dasteht."

Friedrich holte Luft, doch Roswitha legte ihm die Hand auf den Arm. "Lass es gut sein. Vanessa will uns nicht beschämen. Das ist eine gute Einstellung."

"Hast du denn ein ordentliches Kleid für die Hochzeit?", fragte ich. "Verglichen mit Janinas Eltern, zum Beispiel." Gut betuchte Geschäftsleute aus Hamburg, die scheinbar nur widerstrebend aus Dubai herkommen würden, um dabei zu sein, wenn ihre einzige Tochter heiratete. Man musste sich das mal vorstellen!

Ich konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Ich setzte mich zu ihr auf das Sofa und zog sie in eine Umarmung. "Ich möchte dir eine Freude machen", flüsterte ich ihr ins Ohr.

Dabei war ich mir absolut bewusst, welchen Eindruck das dank meiner auch in diesem Haus bekannten Reputation auf Friedrich machen musste.

Doch er lachte auf. "Macht doch was ihr wollt, ihr Weibsbilder", sagte er. "Dann schenken wir halt den drei Huber-Jungs ihre Anzüge."

"Wahrscheinlich nur zwei", sagte Roswitha.

"Wieso? Was ist denn mit Sebastian?"

"Er war in den Sommerferien hier und freut sich natürlich auch für seine Brüder. Das Elite-Internat, auf das er geht, mag es allerdings gar nicht, wenn Schüler außerhalb der Ferien freinehmen. Er will es versuchen, hat aber nicht viel Hoffnung."

Janina

"Vanessa", sagte ich, als wir endlich all unsere Einkäufe verstaut hatten und wieder auf dem Weg zurück nach Annabrunn waren. Die Schmieders waren zu dritt in ihrem eigenen Auto gefahren.

"Ja, Kleines?"

"Du hast mir doch nicht all die Sachen geschenkt, um mich ins Bett zu kriegen?"

Sie warf mir einen kurzen Blick zu. Ich grinste sie an — hoffentlich nicht zu frech.

"Jetzt, wo du's erwähnst ...", meinte sie langsam. Doch dann lachte sie. "Wäre das denn nötig gewesen?"

"Naja", meinte ich. "Ich hatte noch nie etwas mit einer Frau." Ich holte tief Luft. "Bis vor einiger Zeit — und ja, das war, bevor dein Sohn uns den Floh ins Ohr gesetzt hat — gab es nur Georg und mich. Ich bin ja damals mit sechzehn auf dem Huberhof gestrandet und wollte eigentlich nur einmal übernachten. Doch dann hat mir die Arbeit auf dem Bauernhof so gefallen, dass ich den Rest der Ferien geblieben bin ...

*

Am vorletzten Tag der Ferien hielt Franziska mich nach dem Frühstück zurück. "Schorsch, geh raus. Dein 'Gespusi' kommt nach", sagte sie.

Er runzelte die Stirn, doch verschwand ohne Widerworte, noch nicht einmal, um das schlechte Bayrisch seiner Mutter zu korrigieren, was er sonst mit dem allergrößten Vergnügen machte.

"Setz dich", sagte sie zu mir.

Ihre Stimme war freundlich, aber bestimmt.

Ich setzte mich langsam. "Hab' ich was falsch gemacht?"

Sie lächelte. "Überhaupt nicht. Wie gefällt es dir bei uns?"

"Prima", gab ich aus vollem Herzen zurück. "Ich wollte ..."

"Ja?"

Ich zuckte die Schultern. "Ist nur so eine Idee." Sie blickte mich nur an. "Ich wollte", wiederholte ich leise, "ich könnte hierbleiben."

"Ich habe gestern noch einmal mit deiner Tante Rosina telefoniert."

Mit großen Augen starrte ich sie an. "Ja?" Die beiden hatten natürlich gleich miteinander telefoniert, als ich beschloss, länger als nur eine Nacht hierzubleiben. Ein zweites Gespräch konnte nur eines bedeuten, nämlich meine Rückkehr anzukündigen. Oder etwa nicht?

"Sie hat dich sehr gerne", fuhr sie fort. "Und sie weiß, wie schlecht du dich auf dem Internat fühlst."

Mein Atem stockte. Sollte etwa ...

"Sie nimmt es deinen Eltern gegenüber auf ihre Kappe, hat sie gesagt, wenn du auf eine Schule wechselst, wo du dich wohler fühlst."

"Du meinst ...?"

"Du kannst bei uns wohnen und in Mühldorf auf das Gymnasium gehen."

Ich sprang auf und fiel ihr um den Hals. "Danke, danke, danke!"

Sie streichelte mir über den Kopf. "Warte erst mal. Jetzt kommen die Bedingungen."

"Ich kann mir nichts vorstellen, was schlimm genug wäre, um nein zu sagen."

"Du hilfst mit auf dem Bauernhof. Dafür wohnst du hier kostenfrei. Du kriegst nur genauso viel Taschengeld wie bisher."

Ich lachte auf. "Bis jetzt höre ich kein Problem."

"Du lässt die Finger von meinem Sohn."

Upps! "Äh ..." Mein Verhältnis zu Georg war schon sehr innig geworden. Aber es war mir schon klar, dass ich ihn nicht in Versuchung führen durfte, weiterzugehen als Küssen und Schmusen. Er war zwar nur ein knappes Jahr älter als ich, aber er hatte die Verantwortung für den Hof. Er konnte sich nicht erlauben mit mir "herumzumachen" und dafür seine Kühe zu vernachlässigen.

Franziska lächelte verschmitzt. "Ihr könnt gerne 'busserln', ich bin ja kein Unmensch. Aber keine Aktivitäten unterhalb der Gürtellinie."

"Okay?"

"Zumindest bis du volljährig bist und dein Abi hast", fuhr sie fort. Sie grinste mich an. "Dann könnt ihr von mir aus tun und lassen, was ihr wollt."

*

"Naja", sagte ich zu Vanessa. "Hat dann doch nicht so lange gedauert, wie Franziska gehofft hat."

"Ihr beide liebt euch wirklich. Das sieht man schon nach zwei Minuten."

"Klar, aber seit Max da war ..." Ich stockte.

"... ist dir klargeworden, dass man Sex nicht nur auf den einen Menschen beschränken muss, den man liebt."

"Nicht nur das." Ich holte tief Luft. "Ich glaube, man kann mehr als einen Menschen wirklich lieben."

Sie blickte mich stirnrunzelnd an. "Weiß Georg davon?"

Ich nickte zögernd. "Wir reden darüber. Er liebt seinen Bruder wirklich — nicht-sexuell, meine ich. Und die letzten paar Wochen ... Wir haben ziemlich viel Zeit mit Sanne und Lukas verbracht. Kein Sex ... bisher."

"Aber ihr wollt miteinander ins Bett. Alle vier in eines."

Ich seufzte. "O ja."

Vanessa lachte auf. "Noch ein paar Monster geschaffen."

"Zumindest aufgeweckt." Ich blickte sie an. "Mir fangen langsam an, die Menschen leid zu tun, die nie auf die Idee kommen, miteinander über Sex zu reden, und denen deswegen der meiste Spaß entgeht."

"Wahre Worte aus so jungem Mund."

Leopold

Als katholischer Pfarrer in Oberbayern hört man im Laufe der Jahre eine Menge an Beichten.

Das Schlimmste für mich war die Bigotterie mancher Leute. Da gab es Männer, die ihre Frauen schlugen, und meinten, nach Beichte und Buße einfach weitermachen zu können.

Noch schlimmer war ihre Einstellung zum Thema Sex. Vor der Ehe? Um Gottes willen, niemals! Verdammt die Unzüchtigen! Verwehrt ihnen den Einzug ins Himmelreich! Homosexuelle? Schneidet ihnen die Schwänze ab! Lesben? Ab ins Arbeitslager, damit sie auf andere Gedanken kommen. Und so weiter und so fort. Aber dann hörte ich immer wieder, dass die lautesten Verfechter dieses Gesetzes selbst Eltern von "Achtmonatskindern" waren, von denen wohl eine Menge vor dem Segen der Kirche gezeugt worden waren. Es gab auch immer wieder Dienstmädchen, Köchinnen und Erntehelferinnen in den großen Bauernhöfen, die mir beichteten, dass der Herr sie nicht nur schlug, sondern auch regelmäßig in sein Bett holte und die Ehe mit ihnen brach. Meistens so lange, bis sie plötzlich und unerwartet in die nächste Großstadt verschwinden mussten, um die ungeliebte Leibesfrucht dort auszutragen oder gar umbringen zu lassen. Denn sie waren ja brave Kinder der Kirche und benutzten keine Verhütungsmittel.

Und dann gab es noch die vier jungen Leute, die im Festtagsstaat, beziehungsweise in absolut umwerfenden Brautkleidern in der ersten Reihe von St. Anna saßen und darauf warteten, von mir getraut zu werden. Brautkleider, die genau derart geschnitten waren, eine solche Frucht zu verbergen.

Georg Huber, achtzehn. Hatte seinen Vater vor drei Jahren verloren und musste die Schule abbrechen, um den Hof zu übernehmen. Verlor dann vor einem dreiviertel Jahr auch noch seine Mutter, die ihm dabei tatkräftig unterstützt hatte, und blieb allein zurück.

Janina Wissmann, vor ein paar Tagen achtzehn geworden, ihre Eltern mit säuerlichem Gesichtsausdruck dahinter. Sie kamen aus Hamburg und sahen wohl regelmäßig Bauer sucht Frau im Fernsehen. Für sie war ihre Tochter schlichtweg verloren. Schwanger und für den Rest ihres Lebens an einen Bauernhof gekettet.

Georg und Janina waren damals drei Tage nach Franziska Hubers Beerdigung bei mir aufgetaucht. Hand in Hand. Offensichtlich ein Liebespaar.

"Pater", sagte Georg. "Wir haben gesündigt."

"Und wir haben nicht vor, damit aufzuhören", vervollständigte Janina. Nicht frech, aber bestimmt.

Sie war der Grund, warum er sich nicht aufgegeben hatte. Sie war seine Stütze und Stab, wie es in der Bibel steht. Sollte ich die beiden verdammen, weil sie ihn getröstet hatte und es körperlich geworden war? Sollte ich ihn verdammen, weil er keine Kondome benutzt hatte, die die Kirche verbietet?

Lukas Huber, zwanzig, war drei Jahre lang mit Johanna Aumann verlobt gewesen. Selbst ich wusste inzwischen, was sie in diesen drei Jahren getrieben hatte. Er war regelmäßig bei der Beichte gewesen, hatte immer wieder von der Begierde berichtet, gegen die er kämpfen musste, weil er jungfräulich in die Ehe gehen wollte, die sie ihm versprochen hatte. Johanna war in diesen drei Jahren nicht ein einziges Mal bei mir gewesen. Jetzt wusste ich auch wieso. Sie hatte ihre Begierde nicht im Zaum gehalten, sondern ausgelebt.

Er hatte vor drei Jahren nicht nur den Vater verloren, sondern auf die liebloseste Art der Welt erfahren, dass es gar nicht sein leiblicher Vater gewesen war. Dann der Tod der Mutter, und dann die brutale Art und Weise, wie herausgekommen war, dass seine Verlobte ihn nach Strich und Faden belogen und betrogen hatte.

Sollte ich ihn dafür verdammen, dass er wieder lächeln konnte?

Susanne Schmieder, neunzehn. Ihre Eltern waren die Einzigen, die überglücklich hinter ihr saßen. Sanne hatte Lukas wohl all die Jahre geliebt, hatte keinen anderen Jungen angesehen, und die ganze Familie hatte gehofft, Lukas würde bald seine Johanna heiraten, um für feste Verhältnisse zu sorgen. Dann war es anders gekommen, und wie durch ein Wunder hatten die beiden zusammengefunden. Auch schwanger und genau so glücklich darüber wie Janina.

Auch die beiden waren Hand in Hand bei mir aufgetaucht, ein paar Tage nach den Ereignissen im Hotel. Auch sie hatten gebeichtet, dass sie miteinander schliefen, aber schon bald heiraten wollten.

Sollte ich sie dafür verdammen, dass sie glücklich waren?

Ich hatte beschlossen, diese Kinder Gottes zu trauen, und ihren gemeinsamen Weg in die Zukunft zu öffnen. Ihr Wille, sich vor dem Antlitz Gottes zu binden, ihren Kindern ein echtes Heim zu geben, war wichtiger für mich als Gesetze oder die falsche Moral der anderen Dorfbewohner.

Ich ließ meine Blicke über die Gemeinde schweifen. Von der älteren Generation des Ortes war niemand anwesend, von den jüngeren gerade mal diejenigen, mit denen Georg und Lukas aufgewachsen waren.

Doch die kleine Kirche war ziemlich voll geworden. Lukas hatte "seine Beinahe-Familie" eingeladen. Eine echt bunte Truppe.

Ich kannte Thomas deVille aus der Werbung. Neben ihm saß eine blonde und sommersprossige Frau, wahrscheinlich seine Ehefrau. Daneben ein anderes Paar um die Vierzig.