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Anitas Welt Staffel 3 Episode 02

Geschichte Info
Elfies neues Leben.
9.8k Wörter
4.6
12.9k
2
Geschichte hat keine Tags

Teil 2 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 10/23/2019
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Episode 02: Elfies neues Leben

13.-17. Januar 2025

Dies ist die zweite in sich abgeschlossene Episode der dritten Staffel der Familiensaga um die deVilles und die Schuppachs.

Alle an sexuellen Handlungen beteiligten Personen in dieser Serie sind volljährig.

Aus gegebenem Anlass: Copyright© 2019 Phiro Epsilon Das Posten dieser Geschichte, auch auszugsweise, auf einer anderen Webplattform oder unter einem anderen Namen ist nicht gestattet.

Noch ein Hinweis: Kategorie "Kein Sex" um keine falschen Erwartungen zu wecken. Ein bisschen davon gibt es schon.

1

Elfie

Die ganze Geschichte fing vor fast zehn Jahren an. Ich war damals acht, und die Neue kam in unsere Klasse.

Sie lief neben unserem Klassenlehrer, Herrn Karmann, her, als gehörte ihr die Welt. Klein, dürr, mit verwaschenen Jeans und einem ausgeleierten T-Shirt. Mit blitzenden Augen sah sie sich in der Klasse um, während er sagte: "Das ist Katharina Thiemann. Sie kommt aus Westdeutschland und ist eure neue Klassenkameradin."

"Kathi", korrigierte sie ihn mit übertrieben sächsischem Dialekt. "Ich bin Kathi. Und ich lebe schon seit sechs Jahren hier im Osten."

Klugscheißer. Besserwessi. Ganz typisch.

Doch dann fiel ihr Blick auf mich, und ich wollte mich verkrümeln. Ich war damals so richtig fett. Meine Oma hatte immer gesagt, ich wäre zu dürr, und ich sollte einen Vorrat anlegen, für den Fall, dass die Russen wieder zurückkämen.

Mama hatte immer wieder einmal versucht, mich zu stoppen, doch Papa war es egal, wenn seine Mutter mir Süßigkeiten zusteckte. Er brauchte nur seinen Schnaps und sein Bier und er war zufrieden.

Schon im Kindergarten war ich "die Dicke" gewesen, und in der Schule nannten sie mich nur "Moby." Warum, wusste ich damals nicht.

"Wo setzen wir dich denn hin?", fragte Herr Karmann.

"Da!", entschied Kathi für ihn und zeigte auf mich. Natürlich hatte sich in meiner ganzen Schulzeit noch nie jemand neben mich gesetzt. Und es gab noch zwei andere freie Plätze. Aber irgendwie hatte Kathi einen Narren an mir gefressen.

Während der Stunde blickte sie mich kein einziges Mal an, sondern schien all das komplizierte Mathezeug in sich aufsaugen zu wollen. Beim Gongschlag klappte sie ihr Heft zu und drehte sich zu mir.

"Hallo, ich bin Kathi."

"Äh — Elfriede. Elfie."

"Warum bist du so fett?"

Ich wollte im Boden versinken. Noch nie hatte mich das jemand gefragt. Aber so war sie halt.

Außerdem kriegte sie ihre erste Stunde Nachsitzen, weil sie noch am selben Tag einen Kerl, der mich "Moby" nannte, ansprang und verprügelte. Der Kerl war ein Kopf größer als sie. Aber danach wagte keiner mehr, mich so zu nennen.

Das Allerschlimmste war, dass sie und ihre sehr jung aussehende Mutter im selben Plattenbau wohnten wie meine Eltern und ich. Also beschloss Kathi, dass ich mit ihr Sport machen sollte.

Ich wurde ihr Projekt. Sie schleppte mich jeden Mittag auf die Straße, bei Wind und Wetter, und rannte mit mir um den Block.

Am Anfang keuchte ich wie ein sterbender Wal, doch nach und nach schaffte sie es mit ihren schrecklich direkten Sprüchen, mich zu Höchstleistungen anzustacheln. Jedes Mal, wenn sie mich besuchte, durchstöberte sie ohne Hemmungen all meine Sachen und entsorgte jede Kalorie, die sie fand. An jedem Wochenende schleppte sie mich mit, wenn sie mit ihrer Mutter zum Schwimmen oder zum Wandern ging. Schulbus war auch Tabu, stattdessen musste ich mit ihr auf dem Fahrrad zur Schule fahren — und auf dem Heimweg den ganzen Berg hoch.

"Blutsschwestern" wurden wir an meinem zehnten Geburtstag. Ich war in den beiden Jahren zehn Zentimeter gewachsen und hatte zehn Kilo abgenommen, das wollte sie feiern. Ich weiß nicht, wo sie das Messer herhatte, aber auf jeden Fall fiel ich in Ohnmacht, als sie meine Hand ritzte.

Ab der fünften Klasse kühlte unsere Beziehung etwas ab. Sie hatte zweimal die Woche Judostunden, und meine Eltern schickten mich zum Klavierspielen. Sie ging aufs Gymnasium, und bei mir reichte es gerade mal zur Realschule.

Aber jeden zweiten Nachmittag stand sie bei mir auf der Matte, und wir rannten um den Block. Und sie durchwühlte immer noch meine Sachen, obwohl da schon seit Jahren keine Süßigkeiten mehr zu finden waren. "Aus Prinzip", sagte sie grinsend. "Damit du mir nicht rückfällig wirst."

Es war im Juni, als das mit ihrem Vater, dem "Arschloch" passierte. Frau Zehetmayer aus Haus drei erzählte es Frau Müller aus Haus zwo, die meiner Mutter und die beim Abendessen meinem Vater. Ein Kerl war aufgetaucht und hatte rumgeschrien, er wolle das Sorgerecht für Kathi, weil ihre Mutter eine H-U-R-E wäre. Ich hatte keine Ahnung, warum Mama meinte, ich könne nicht buchstabieren.

Nun mochte Laura Thiemann im Vergleich zu ihrer Tochter schon ziemlich jung sein, doch ich wusste, dass sie bei der Stadt arbeitete, und dass die beiden gerade genug Geld hatten, um über die Runden zu kommen. Außerdem hatte ich sie noch nie so angezogen erlebt wie die richtigen Prostituierten am Bahnhof.

Auf jeden Fall musste Kathi ihren Erzeuger windelweich geprügelt haben, bevor ihn die Streife mit Blaulicht abholte. Ich war richtig stolz auf meine Blutsschwester.

Nur hieß das, dass die beiden noch am selben Tag aus der Wohnung auszogen, und ich meine beste Freundin verlor. Danach sah ich sie nur noch zweimal.

Das erste Mal war zwei Wochen später. Unser Telefon klingelte. "Kathi!", rief ich. "Wie geht's?"

"Ich—" Sie schluchzte. "Ich brauche jemand zum Reden."

"Ja, klar. Was ist passiert?"

"Kann— Kann ich am Telefon nicht sagen. Kann ich morgen bei dir übernachten?"

"Klar doch", sagte ich.

Als sie dann kam, brauchte ich eine ganze Zeitlang, um zu verstehen, was sie bedrückte. Und helfen konnte ich ihr überhaupt nicht. Alles, was sie mir erzählte, hatte mit Sex zu tun. Sex? Sex war dreckig, nur was für Erwachsene. Etwas, das Papa im Internet schaute — warf ihm Mama immer vor, wenn sie sich stritten.

Wieso Kathi plötzlich von so etwas sprach, von einer "Transe", die ihr die Eltern wegnehmen wollten, war mir zu hoch. Nur, dass sie plötzlich in einem Riesenhaus im Wald südlich von Erfurt wohnte, bekam ich mit.

Was bei meinem nächsten Besuch bei Kathi in diesem Haus geschah, stellte allerdings mein Verständnis von Sex auf den Kopf. Kathi schleppte mich direkt auf ihr Zimmer und vor den Fernseher. Der Film, den sie ausgesucht hatte, war ganz anders, als die romantischen Komödien, die wir uns sonst immer reingezogen hatten.

Hier ging es um Mädchen, nicht viel älter als wir, die auf einem Bauernhof lebten und beschlossen, mit einem jungen Mann Sex zu haben. Der größte Teil des Films bestand allerdings aus Szenen mit verschwommenem Hintergrund, in denen die Mädchen nackt herumliefen und miteinander seltsame Dinge taten, die man aber nicht sehen konnte.

"Was genau machen die da?", fragte ich.

"Die spielen miteinander", antwortete Kathi, wobei sie das "spielen" seltsam betonte.

"Ist das ... Sex?"

Sie grinste mich an. "Mehr oder weniger." Dann lächelte sie fast verlegen. "Ich kann's dir zeigen. Hättest du denn Lust, das mal auszuprobieren?"

Nach fast fünf Jahren kannte ich meine Blutsschwester gut genug, um sofort zu wissen, dass sie das ausprobieren wollte. Und den Mädchen im Film schien es ja schließlich auch Spaß zu machen. "Warum nicht?"

Wir hatten es uns auf ihrem riesigen Bett bequem gemacht, und als ich das sagte, rückte Kathi noch ein Stück näher an mich heran. Sie küsste mich auf die Wange. Das hatte sie schon oft getan, doch diesmal schien es mir, als ob sich ihre Lippen in meine Haut brannten. "Schau weiter auf den Film", flüsterte sie mir in Ohr, "und lass mich machen. Sag sofort, wenn dir irgendetwas unangenehm ist."

Es war absolut nichts von dem unangenehm, was sie in den nächsten paar Stunden mit mir machte. Es war sogar so angenehm, dass ich irgendwann das Bedürfnis bekam, auch all diese Sachen zu tun.

Wir verbrachten den Abend und die ganze Nacht damit, uns gegenseitig zu entdecken. Was mich in den ruhigen Zeiten dazwischen wunderte, in denen wir aneinander gekuschelt schliefen, war, dass sich ihre Mutter im Gegensatz zu sonst kein einziges Mal erkundigte, womit wir uns eigentlich die Zeit vertrieben.

Ich hätte diesen Tag und diese Nacht sehr gerne wiederholt, doch als ich nach Hause kam, teilte mir meine Mutter mit, dass sie sich scheiden ließ, und dass wir beide zu ihren Eltern nach Hamburg ziehen würden.

Bumm. Nach der schönsten Nacht meines Lebens kam der schlimmste Tag. Schicksal? Strafe?

Auf jeden Fall war das das abrupte Ende meiner Beziehung mit Kathi. Ich schrieb ihr noch ein paar Briefe — Handy hatte ich noch keines — aber sie antwortete nie.

~~~

"Was?", fuhr Kathi auf. "Ich habe dir ein ganzes Jahr lang jeden Monat einmal geschrieben."

Ich schüttelte den Kopf. "Ich habe keinen Brief von dir gekriegt."

"Deine Mutter", sagte Anita, "wollte das wohl nicht."

"Kann gut sein", sagte Kathi nachdenklich. "Mama hat mir irgendwann erzählt, Frau Danzer hätte angerufen und gemeint, ich solle Elfie nicht mehr schreiben; sie hätte wichtigere Sachen im Kopf."

"Hast du's geglaubt?", fragte Anita.

"Nicht wirklich. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt auch wichtigere Sachen im Kopf." Sie grinste verlegen.

"Erzähl weiter", sagte Anita.

~~~

Ich fühlte mich verloren; entwurzelt. Nur Leute, die ich nicht kannte und die eine total andere Sprache sprachen.

Ich hielt mich notdürftig über Wasser, indem ich mir immer überlegte, was Kathi mir wohl in dem Fall geraten hätte. Viel geholfen hat es nicht.

Ich fand keine beste Freundin, und die Kerle wollten alle das Eine. Und wenn sie es hatten, ließen sie mich fallen.

Nach jedem Kerl begann ich wieder, Süßigkeiten in mich hineinzustopfen, nahm zehn Kilo zu, sah mich irgendwann im Spiegel und hörte Kathi sagen "Du bist fett. Gehen wir um den Block laufen."

Dann hatte ich mich einige Zeit im Griff, dann kam der nächste Kerl, die nächste Enttäuschung, die nächste Fressorgie.

Mutter war mir auch keine Hilfe. Sie hatte keinen Beruf gelernt, lag zuerst ihren Eltern auf der Tasche, lernte dann einen noch schlimmeren Kerl kennen als ich und ging für ihn anschaffen.

Wenn ich mir überlege, wie aufgebracht sie über Lauras Vergangenheit gewesen war ...

Vor einem Jahr setzte sie sich dann den goldenen Schuss.

Bumm. Zumindest kam das nicht unerwartet. Aber ich schaute mich wieder einmal im Spiegel an. Ich war siebzehn, hatte zwei abgebrochene Ausbildungen als Kosmetikerin und Friseuse, und arbeitete als Kellnerin. Ich verdiente gerade genug, dass ich meinen Großeltern nicht auf der Tasche lag.

Aber ich hatte Angst vor dem Tag, an dem ich mich wieder Hals über Kopf in einen Kerl verliebte und der sich dann auch als Zuhälter entpuppte.

"Was würde Kathi sagen, dass ich tun soll?", fragte ich meinen Spiegel. Frag sie doch selbst! Geh zurück nach Erfurt und rede mit ihr.

Ich wusste nicht, ob du überhaupt noch in Erfurt lebst. Aber die Schreinerei Angermann stand im Telefonbuch.

Also packte ich meine Siebensachen, suchte mir ein möbliertes Zimmer und bekam die Stelle im Carola.

Ich stand ein paarmal vor der Schreinerei, hatte aber immer Schiss reinzugehen. Außerdem ist der Job schon anstrengend. Ich als die Neue muss immer ran, wenn jemand ausfällt, oder wenn große Veranstaltungen sind. Ganz unregelmäßig. Manchmal achtzig Stunden pro Woche.

Na ja, und dann passierte das gestern Abend. Ich hatte euch beide schon reinkommen sehen, hätte aber nie im Leben gedacht, dass du das wärst. Dieses heiße Paar nach all den langweiligen Omas und Opas ... Ich wurde ganz wuschig.

~~~

"Verstehst du jetzt, warum ich wollte, dass du dir das anhörst?", sagte Kathi zu Anita. Sie hatte einen fast schon flehenden Unterton in ihrer Stimme. "Ich habe es geschafft, Elfie von mir abhängig zu machen."

Kathi hatte mich gleich am Eingang abgefangen, mich noch kurz von ihrer Mutter umarmen lassen und mich dann sofort in ein Zimmer im Obergeschoß geschleppt. Dann hatte sie angefangen, sich zu entschuldigen. Für alles, was sie bei mir angerichtet hätte.

Ich verstand überhaupt nicht, was sie meinte. Dann rannte sie raus und kam mit einer sommersprossigen Blondine zurück. "Das ist Anita", sagte sie. "Unsere Familien-Psychotherapeutin. Erzähl ihr alles von uns."

Und ich hatte erzählt.

Anita runzelte die Stirn. "Ich glaube nicht, dass das so einfach ist."

"Ich habe nicht das Gefühl", stellte ich fest, "von Kathi abhängig zu sein. Alles Gute in meinem Leben kommt von ihr."

"Also prinzipiell hat Kathi schon recht", sagte Anita. "Wenn auch im positiven Sinn."

"Wie kann ich das rückgängig machen?", fragte Kathi.

Anita runzelte die Stirn. "Wer sagt denn, dass du es rückgängig machen sollst?"

"Ich— ich habe Elfie die Freiheit genommen für sich selbst zu entscheiden."

"Hast du nicht", sagte ich. "Ich habe oft genug für mich selbst entschieden. Es waren nur meistens schlechte Entscheidungen. Ich..." Ich hielt inne.

Anita blickte mir tief in die Augen. "Was wolltest du sagen?"

"Ich würde mir wünschen..." Ich hielt wieder inne.

"Sag es", sagte sie.

"Ja sag es", wiederholte Kathi.

Ich wandte mich an sie und blickte ihr tief in die Augen. "Ich wünsche mir, dass du wieder Entscheidungen für mich triffst." Jetzt war es raus.

"WAS?", fuhr Kathi auf. "Das geht doch nicht. Das wäre doch — Sklaverei."

"Hinsetzen!", fauchte Anita sie an. Kathi plumpste auf das Sofa und starrte mit großen Augen auf sie. "Du warst gerade im Begriff", sagte Anita, "einen Fehler zu machen. Weißt du, an was mich diese Situation erinnert?"

"Ja", druckste Kathi kleinlaut. "An Lisa."

"Richtig. Da hast du auch vorverurteilt, statt dir zuerst einen Eindruck zu verschaffen. Und dann?"

"Hast recht", murmelte Kathi.

"Sklaverei", sagte Anita. "Ist ein Begriff, der viele Facetten hat. Es ist auch ein völlig falscher Begriff für diese Situation, aber er hat sich nun einmal im Lifestyle eingebürgert." Sie blickte mich an. "Weißt du, wovon ich rede?"

Ich nickte. "BDSM. Als Tochter eine Nutte bin ich voll auf dem Laufenden."

"Im amerikanischen BDSM-Lifestyle wird der Begriff für eine Beziehung benutzt, bei der eine Seite freiwillig ihre Entscheidungsfreiheit aufgibt. Die Amis sollten es bei ihrer Vergangenheit eigentlich besser wissen, aber sie haben wohl kein besseres Wort dafür.

In der deutschen Geschichte gab es auch einmal Freie und Unfreie. Letztere haben oft — ganz im Gegensatz zu historischer und moderner Sklaverei — ihre Freiheit freiwillig aufgegeben, im Austausch gegen die Sicherheit, von ihrem Lehnsherrn beschützt zu werden. Im Krieg bot seine Burg Zuflucht. Bei Missernten sorgte er dafür, dass die vorhandenen Vorräte gerecht verteilt wurden. Man nannte so etwas Leibeigenschaft. Wie bei nahezu allem in der Geschichte, gab es da natürlich nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Macht führt zu Unterdrückung. Aber im Kern war es ein fairer Tausch. Unterordnung gegen Schutz."

Kathi starrte nur.

Was Anita gesagt hatte, war einfach genug, dass selbst ich es verstand. "Ich glaube, so etwas brauche ich."

"Neiiin", jammerte Kathi. "Ich bin doch keine Domina."

"Doch", lachte Anita. "Das bist du sehr wohl. Allerdings eine ganz andere Art als Jessica."

"Hä?"

Anita blickte sie strafend an.

Kathi zuckte zusammen. "Sorry, könntest du mir das bitte erklären?"

"Elfie, wie oft hat Kathi in deinem Leben für dich eine falsche Entscheidung getroffen?"

Ich zuckte die Schultern. "Kann mich nicht erinnern, dass sie es jemals getan hätte."

"Und das wohlgemerkt als Kind. Kathi, wie triffst du deine Entscheidungen?"

"Wie ich meine Entscheidungen treffe?" Sie blickte verwirrt. "So wie alle Leute. Aus dem Bauch heraus."

Anita lachte auf. "Elfie, wie triffst du deine Entscheidungen?"

"Mit Nachdenken, wenn ich Ruhe dafür habe. Aber bei den Kerlen meistens Hals über Kopf."

"Gefühlsmäßig, aus dem Herzen", sagte Anita und ich nickte. "Also haben wir den psychologischen Dreiklang: Herz, Kopf und Bauch. Emotion, Intellekt und Intuition."

Kathi stöhnte genervt auf. "Muss das sein?"

"Ja", sagte Anita bestimmt. "Hier geht es nämlich auch um dein Leben. Die meisten Menschen verhalten sich wie Elfie. Nachdenken und zu einer objektiven, oder sich von Gefühlen übermannen lassen und zu einer subjektiven Entscheidung kommen. Kathi, was passiert, wenn du eine Entscheidung nach Gefühl triffst?"

"Ich nenne Lisa eine Transe, die mir meine Eltern wegnehmen will."

"Und wenn du nach deinem Kopf gehst?"

Sie zuckte die Schultern.

"Wie steht es mit deinen — hm — Boyfriends des letzten Jahres?"

Kathis Augen wurden groß. "Was hat Mama dir erzählt?"

Anita lachte herzlich. "Alles. Wir hatten schließlich zwei Wochen Zeit."

"Was hat es denn damit auf sich?", fragte ich.

"Kurz gesagt hat Kathi ein Jahr damit verbracht, sich solche Kerle auszusuchen, von denen sie vorher schon wusste, dass es die falschen waren."

"Und warum hast du das getan?"

"Um Mama und Papa ins Bett zu kriegen", sagte Kathi mit roten Ohren.

Ich zuckte zusammen. Okay, Laura und Frank waren Leute, mit denen ich auch gerne ins Bett gegangen wäre. Nachdem, was Kathi damals erzählt hatte, waren die beiden schon am ersten Abend mit Lisa in einem Bett gelandet. Aber das waren doch ihre Eltern!

"Du hast gerade", sagte Anita, "etwas sehr Intimes preisgegeben. Hast du keine Angst, dass Elfie das weitererzählt?" Sie hob die Hand, als ich protestieren wollte.

"Ich—", stotterte Kathi. "Ich hab' Vertrauen zu Elfie."

"Elfie, würdest du so etwas weitererzählen?"

"Nein", sagte ich bestimmt. "Niemals. Kathi ist meine Blutsschwester."

Anita nickte mir lächelnd zu.

"Hat Mama das gewusst?", fragte Kathi kleinlaut.

"Dass du ein Jahr lang deinen überragenden Intellekt eingesetzt hast, um sie zu manipulieren? Für wie blöde hältst du deine Mutter eigentlich?"

"Scheiße", murmelte Kathi. "Scheiße, Scheiße, Scheiße." Sie fiel immer mehr in sich zusammen.

"Was du daraus lernen solltest, meine Liebe, ist ..."

"... dass Kathi keine Entscheidungen aus dem Kopf treffen sollte", fiel ich ihr ins Wort.

Anita grinste mich an. "Du sagst es."

"Und warum hat sie es dann getan?", murmelte Kathi.

"WAS?" Nun bekam ich rote Ohren.

"Offiziell", sagte Anita, "bleiben wir dabei, dass Max und Johanna heute Nacht mit dir im Bett waren, und nicht deine Eltern, ja?"

"I-i-ch ...", stotterte Kathi. Dann richtete sie sich auf. "Ich verstehe. Also nehmen wir mal hypothetisch an, sie hätte es getan."

"Weil sie dich liebt." Anita und ich hatten denselben Satz im selben Moment gesagt.

Kathi starrte mich an. Ich musste kichern, doch Anita blieb ernst.

"Deine Mutter entscheidet hauptsächlich mit ihrem Herzen. Ähnlich wie Elfie kann sie dabei auch schon mal auf den Falschen hereinfallen. Aber damit schmeißt sie den Laden in der Familie und in der Schreinerei."

"Während Papa der Kopf ist, und ihr nichts abschlagen kann."

"Richtig", sagte Anita.

"Und Kathi", fragte ich, "trifft die guten Entscheidungen immer mit dem Bauch?"

"Wohl nicht nur. Aber ich habe das dumme Gefühl, sie hat in letzter Zeit zu wenig auf ihren Bauch gehört."

"Scheiße, ja", stellte sie fest.

"Und was lernen wir daraus?", fragte Anita lächelnd.

"Du musst deine Entscheidungen aus dem Bauch treffen", sagte ich. "Und meine auch."

"Ich kann doch nicht für dich ..." Sie zuckte die Schultern.

"Wir haben doch schon festgestellt, dass Elfie ohne dich schlechtere Entscheidungen trifft, als wenn sie sich von dir mitreißen lässt."

Ich nickte heftig. "Ganz genau."

"Du willst das wirklich?", fragte Kathi.

"Deine 'Leibeigene' sein?" Ich zuckte die Schultern. "Warum nicht? Es hört sich richtig an und muss ja nicht auf Dauer sein."

"Es sollte auch nicht bedeuten", sagte Anita, "dass Elfie jede deiner Entscheidungen unkommentiert akzeptieren muss. Ihr seid jetzt keine Kinder mehr. Kathi, wenn du lernst, deine Bauchentscheidungen zu begründen und zu erklären, könnt ihr beide nur gewinnen."