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Chuck & Sarah 03

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Jetzt fehlte nur noch der anonyme Zettelschreiber.

„Ich glaube, sie warten auf mich." Ein kräftiger Mann Mitte dreißig kam durch den Eingang geschlendert und direkt auf Chuck zu. „Gestern Nacht sah es für mich aus, als wären sie nicht allein gewesen. Wo sind denn ihre Freunde?" wollte der mittelgroße Mann wissen. Chuck ließ ihn nicht aus den Augen und antwortete wage: „Ich hielt es für besser, wenn sie erst einmal nur mit mir sprechen, wenn es angebracht ist, werde ich meine Freunde zu gegebener Zeit dazu bitten... Also, sie wollten mir Informationen anbieten. Ich bin ganz Ohr."

Sarah, Morgan und Casey, die durch winzige Earpieces in ständigem Funkkontakt mit einander und mit Chuck standen, waren auch ganz Ohr.

„Was haben sie denn auf dem Herzen?" fragte er sein Gegenüber gespielt freundlich. Über die Schulter des schwarzhaarigen Fremden hinweg konnte Chuck Casey am Tabakkiosk auf der anderen Straßenseite stehen sehen; Sarah war hinter der Theke und hätte vollkommen unbeteiligt gewirkt, wenn nicht sie nicht ständig mit einem halben Auge Chucks Spiegelbild über der Bar im Blick behalten hätte, und sogar Morgan wirkte sehr professionell, erweckte er doch sehr überzeugend den Anschein, sich voll und ganz auf den Gast zu konzentrieren, der sich gerade auf die Terrasse des Cafés gesetzt hatte und Sarah mit einem hungrigen Blick musterte.

„Ich habe sie und ihre kleine Gruppe gestern gesehen, und mich gefragt, was sie wohl an einer langweiligen Industrieanlage so interessieren könnte, dass sie einfach in die Zentrale einer der bedeutendsten Objektschutzfirmen der Stadt einbrechen." Chuck gelang es, den Eindruck zu erwecken, er hätte sein Gegenüber nicht für den Bruchteil einer Sekunde aus seiner Wahrnehmung gelassen -- was er auch nicht hatte. Er lächelte. „Sie scheinen ja zu wissen, warum diese „langweilige Industrieanlage" so interessant sein könnte, schließlich haben sie uns ja Informationen angeboten, ohne sicher sein zu können, dass ausgerechnet sie das Ziel unseres Interesses ist."

Der Fremde lehnte sich zurück und steckte sich eine Zigarette an. „Informationen sind mein Geschäft, und ich halte meine Augen und Ohren immer offen. Letztlich sind sie mir auf diese Art auch ins Auge gefallen." Er legte die Zigarette in den Aschenbecher, und griff in seine Jacke. „Langsam... Schön langsam... Sie wollen mich ja nicht nervös machen, oder?" Chucks Blick ging von den dunklen Augen des Mannes zu seiner -- von der Jacke verdeckten -- Hand und zurück. „Wenn ich sie hätte töten wollen, hätte ich es gestern tun können, als sie aus dem Gebäude kamen."

Als der Fremde die Hand wieder hervorzog, hatte er ein kleines, ledernes Mäppchen zwischen den Fingern, das er auch gleich aufklappte.

Die Dienstmarke des Innenministeriums MUP (Ministarstvo unutrašnjih poslova) und der Dienstausweis seines Gegenübers Momćilo Nikolić lösten bei Chuck einen „Flash" aus, und weniger als eine Sekunde später wusste Chuck ganz genau, wer ihm gegenübersaß.

„Es stört sie doch sicher nicht, wenn ich uns etwas zu trinken bestelle, Gospodine Nikolić?" Chuck winkte Sarah heran, die sich dem Tisch dann mit der klassischen Langsamkeit von Servicepersonal näherte. „Was kann ich ihnen bringen?"

Nikolić bestellte ein Bier, und Chuck orderte Turska Kafa -- sehr stark. Nachdem sie die Bestellungen aufgenommen hatte, machte Sarah kehrt und verschwand erst hinter der Theke, und dann, als keiner der beiden hinsah, durch die Seitentür aus dem Café.

„Und mit wem habe ich das Vergnügen?" wollte Nikolić wissen. „Carmichael, Charles Carmichael, und ob es ein Vergnügen ist, wird sich noch zeigen." stellte Chuck fest. Nikolić nahm seine Zigarette wieder auf, und musterte Chuck neugierig.

„Sie haben Recht, Nikolić... Sie hätten uns da schon töten können, aber dann wäre ihnen vielleicht ein gutes Geschäft entgangen -- und das haben sie gewusst... Wie genau haben sie von uns erfahren?" Nikolić sah jetzt sehr zufrieden aus und lächelte. „Đorđe Orahovac hat sich in den letzten Tagen auffällig interessiert an den Geschäften von Volkoff Industries gezeigt, was mir natürlich nicht verborgen bleiben konnte, und dann sah ich ihn mit ihnen in diesem Laden bei der US-Botschaft. Ich wusste, dass er in den letzten Jahren öfter auf eigene Faust ermittelt hatte, vor allem mit jemandem in den Staaten, also habe ich einfach eins und eins zusammengezählt, und bin ihnen dann einfach zur Mietwagenfirma gefolgt."

Sein Lächeln wurde zu einem selbstgefälligen Grinsen. „Sie müssen wissen, die meisten namhaften Mietwagenfirmen in diesem Land statten ihre Fahrzeuge mit einem GPS-Verfolgungssystem aus -- und ich habe Zugriff darauf. Es war nicht schwer, sie in der Zvezdara aufzuspüren, doch sie waren schon im Gebäude, als ich den Wagen fand -- und ich wollte eine Konfrontation in dieser düsteren Gegend vermeiden. Ich wusste ja, dass sie mir nicht entkommen würden -- und wenn sie es versuchen würden, habe ich die Macht, sie festzusetzen. Glauben sie mir, ich habe meine Erfahrungen mit Leuten wie ihnen gemacht." - „Leuten wie uns?" Chuck lächelte und wollte jetzt wissen, wie weit Nikolić auf den Holzweg war.

„Ich kann es nicht beweisen, aber ich erkenne Industriespione, wenn ich sie sehe, und wenn man bedenkt, mit welcher Vielzahl an Projekten sich Volkoff Industries weltweit befasst, wäre es in meinen Augen ein lohnendes Ziel, in einer der weniger gesicherten Anlagen anzufangen -- einer Anlage wie hier in Belgrad."

Chuck sah Sarah aus den Augenwinkeln heraus wieder ins Café kommen, und fixierte Nikolić mit einem harten Blick, sein Lächeln so abrupt absterben lassend, als wäre es ihm aus dem Gesicht gewischt worden. „Nennen sie ihren Preis. Wir beide wissen, dass sie bessere Informationen besitzen als Orahovac." - „Ich besitze die besten Informationen, aber es kommt ganz darauf an, was sie machen wollen. Volkoff Industries ist ein sehr einflussreiches Unternehmen und es wäre unklug, sich mit ihnen anzulegen. Ihr Angebot sollte lieber besser sein als deren."

„Konobare! Razumete engleski?" Chuck nahm am Rande wahr, dass Morgan zu dem Gast hinüber ging, der ihn so vehement rief, aber wichtiger für ihn war, dass sich jetzt Sarah mit dem Bier und dem Kaffee näherte -- und mit Waffen, die sie vielleicht gleich brauchen würden.

„Wissen sie was, Momćilo?" Chuck hatte bewusst den Vornamen genommen, weil er alles auf eine Karte setzen wollte. Er würde Nikolić aus der Reserve locken und sich auf diese Art die Unterstützung des SUP sichern. „Ich habe in meinem Leben schon sehr viele Menschen wie sie getroffen... Korrupte Feiglinge, die sich an den Meistbietenden verkaufen. Sie haben ihr Land verkauft, um Aleksej Volkoff zu Diensten zu sein, und jetzt wären sie auch bereit, ihn an uns zu verkaufen, wenn der Preis stimmt... Und morgen würden sie dann uns an den Meistbietenden verkaufen." Nikolić lächelte nicht mehr, stattdessen wurde sein Gesicht hart und Wut blitzte in seinen Augen auf.

„Sie dämlicher Mistkerl... Sie können nichts davon beweisen, meine Position spricht für mich, und ich werde sie jetzt wegen des Einbruchs gestern verhaften..." Er riss seine Dienstwaffe unter seiner Jacke hervor, und Sarah zog ihrerseits bereits die hinter ihren Rücken verborgenen Waffen, doch in diesem Moment hatte Chuck Nikolić schon über den Tisch gezogen, hämmerte ihn mit solcher Wucht gegen die Wand, dass die Waffe zu Boden fiel und hob ihn am Hals hoch, ihn die Wand hinaufdrückend.

„Ich denke, sie können uns eine Menge erzählen, bevor wir den Rest von ihnen den Beamten vom SUP übergeben. Sie müssen sich nur noch entscheiden, ob sie es freiwillig tun, oder ob ich nachdrücklich „bitte" sagen muss."

In Chucks Augen glitzerte ein Feuer, dass jeden erschreckt, und an Chucks Zurechnungsfähigkeit hätte zweifeln lassen. Sarah jedoch kannte dieses Feuer, seit Chuck für eine Undercovermission die Persönlichkeit eines kaltblütigen Profikillers hatte annehmen müssen, und sich so perfekt in dessen Persönlichkeit eingelebt hatte, dass er Casey einen Zahn ausgerissen hatte, um seine eigene Tarnung zu schützen.

„Wir sollten Orahovac anrufen, ich denke, dass ist der Beweis, den er noch gebraucht hat, um gegen Volkoff zu ermitteln." - „Nein Sarah, wir werden ihn noch nicht anrufen. Ruf Casey rein, und schließ den Laden ab. Wenn wir ihn jetzt dem SUP übergeben, übernehmen sie den Fall, und in der Zwischenzeit könnten in der Anlage die Spuren verwischt werden. Der hier..." Chuck schüttelte Nikolić wie eine Stoffpuppe. „... wird wohl kaum der einzige Informant sein, den Volkoff bei den hiesigen Ermittlungsbehörden hat -- das hat uns Orahovac selbst gesagt."

Inzwischen hatte Morgan Casey herübergewunken, den Gast, dem er deutlich eingeschärft hatte, nichts gesehen zu haben, rausgeworfen und das Café abgeschlossen. Zwei Schritte hinter Casey kam nun auch Morgan zu Chuck und Sarah, und sah etwas verwirrt, dass sein Freund aus Kindertagen einen Mann an dessen Kehle gepackt an einer Wand hochdrückte. Doch noch mehr als dieser Anblick verstörten ihn die Worte, die er von den Lippen seines besten Freundes vernahm:

„Casey... Wieviel verstehst du von „nachhaltigen" Verhörmethoden?"

* * *

Es stellte sich heraus, dass sie sich die Mühe sparen konnten, Nikolić zu foltern oder auch nur besonders intensiv zu verhören, denn entgegen seinen eigenen Worten wusste er nichts Nennenswertes über Volkoff oder seine Unternehmungen. Er war von einem Mittelsmann engagiert worden, um die Ermittlungen zu überwachen. Wie Chuck vermutet hatte, war Nikolić nicht der einzige Maulwurf, aber über die Identität der anderen Informanten konnte er keine Auskunft geben. Er war einfach ein zu kleiner Fisch.

All das fand Casey innerhalb weniger Stunden heraus -- ohne Gewalt anzuwenden, wenn man von Drohungen einmal absah. Chuck und Casey hatten sich auf die Vorgehensweise „Böser Cop -- GANZ böser Cop" geeinigt, wobei Casey zur Abwechslung „nur" der „böse Cop" war, und Chuck schien sogar Spaß daran zu haben, den nervösen Nikolić so zu verängstigen, dass ein grimmiger Blick von Casey ausreichte, um ihn zum Reden zu bringen. Sicherlich war es auch nicht von Nachteil, dass Nikolić nach wie vor davon überzeugt war, seine Peiniger wären skrupellose Industriespione und eiskalte Killer -- womit er bei Casey auch goldrichtig lag.

Chuck und Casey hatten es geschafft, Nikolić so einzuschüchtern, dass dieser sang wie eine Nachtigall. Offensichtlich hatte er nicht übertrieben, was seine Bekanntschaft mit Verbrechern anging, denn er wusste über einige der berüchtigsten Kriminellen des Landes genügend, um sie für geraume Zeit auf Staatskosten unterzubringen.

Wenig später klopfte Chuck an die Tür von Orahovac und bat ihn herüberzukommen. „Ich glaube, was wir da haben, wird sie interessieren, aber seien sie still." Als er in Hörweite war, konnte er hören, wie Nikolić ein weiteres Mal alles aufzählte, was er wusste, und sein Gesicht verzog sich vor Verachtung und Ekel.

„Ich wusste immer, dass wir einen Maulwurf haben, aber dass DU das bist, Momćilo... Ich bin wirklich enttäuscht." Orahovac betrat mit diesen Worten den Raum, spuckte Nikolić vor die Füße und wandte sich dann angewidert ab. „Was haben sie jetzt mit ihm vor?" - „Nichts... Wir brauchen ihn nicht, denn er bringt uns nicht weiter." Chucks Stimme klang erschreckend kalt und nüchtern. „Können sie es einrichten, seine Verhaftung erst in einigen Stunden weiterzuleiten?" Orahovac sah ihn für einen Moment verständnislos an.

„Er hat für Volkoff gearbeitet, aber er war nicht der einzige, und wenn Volkoff erfährt, dass wir hier sind, und ihm auf den Fersen, lösen sich vielleicht alle Spuren in Nichts auf. Wenn sie uns wenigstens sechs Stunden Vorsprung verschaffen könnten, wäre das genug, um uns in Volkoffs Anlage umzusehen." Chuck sah Orahovac in die Augen. „Sie wissen, wie wichtig meine Mission ist, und auch, wie wichtig es sein könnte, alles über Aleksej Volkoff und seine Pläne herauszufinden. Das ist jetzt eine sehr gute Gelegenheit. Er rechnet nicht mit einem Angriff hier, wo er denkt, alles unter Kontrolle zu haben."

Orahovac sah nicht glücklich aus, aber er nickte: „Also gut... Sie haben sechs Stunden, von jetzt an... Danach muss ich ihn reinbringen. Ich wünsche ihnen viel Glück und erwarte, besonders von ihnen Chuck, eine Erklärung, die ich auch meinen Vorgesetzten präsentieren kann."

Er zog Nikolić vom Stuhl, auf dem dieser gesessen hatte, hoch, und führte ihn in seine Wohnung. Bevor sich die Tür schloss, hörte man noch Orahovac' Stimme: „Dann nutzen wir die Zeit doch, Momo... Ich wette, du hast mir viel zu erzählen."

Chuck griff nach einem der Rucksäcke und fing an, Ausrüstungsgegenstände einzupacken, und bald taten es ihm Casey und Morgan gleich. Den Rucksack auf den Stuhl stellend, auf dem Nikolić noch vor wenigen Minuten gesessen hatte, sah er sich um. Sein Blick war voller Tatendrang.

„Ihr hab ihn gehört, wir müssen uns beeilen." Er startete seinen Computer, um ihren Einbruch bei Volkoff Industries als regulären Sicherungseinsatz zu tarnen. Das ihn Sarah verwirrt und unsicher ansah, entging ihm in seinem Eifer.

Nachdem Morgan und Casey zum Wagen voraus gegangen waren, nahm Sarah Chuck beim Arm und zog so seine Aufmerksamkeit vom Computer weg und auf sich. „Bist du dir sicher, dass du die Sache hier mit kühlem Kopf durchstehen kannst?" Chuck sah seiner Freundin in die Augen. Ihr Gesicht war ernst und ihr Blick hart und direkt. „Wir mussten ihn verhören, um herauszufinden, ob er Informationen hat, die wertvoll für uns sein könnten. Ich habe mich noch immer unter Kontrolle." Sarahs skeptischer Gesichtsausdruck tat ihm weh, denn er wollte nicht, dass die Frau, die er liebte, an ihm zweifelte. „Sarah... Ich habe keine andere Wahl."

„Man hat immer eine Wahl, Chuck... Niemand weiß das besser, als wir beide." Sie küsste ihn und nahm ihren Rucksack. „Ich weiß, dass sie dir wichtig ist, aber vergiss nicht, dass du mir wichtig bist... und sie dich ohne mit der Wimper zu zucken verlassen hat." Als er Sarah nachsah, wusste er, dass sie Recht hatte -- und dass er die Suche nicht aufgeben konnte.

* * *

Der Belgrader Stadtteil Ðakovo, der in einiger Entfernung der Anlage endete, war eine eigenwillige Mischung aus Wohnblocks, Mehrfamilienhäusern, Einfamilienhäusern und kleinen Bauernhöfen, die sich zur Peripherie hin immer mehr in Ackerland und Wald wandelte. In einer solchen Umgebung hätte die Anlage von Volkoff Industries eigentlich wie ein Fremdkörper wirken müssen, doch diese Landschaft war -- nicht zuletzt wegen der direkten Autobahnanbindung und der anderen Verkehrswege -- beim produzierenden Gewerbe und bei Speditionsunternehmen sehr beliebt.

Die Anlage stand inmitten eines gesicherten Geländes von knappen zweieinhalb Quadratkilometer Fläche auf einer leichten Anhöhe, oberhalb und in jede Richtung wenigstens einen Kilometer von allen anderen Gebäuden entfernt. Das Gelände der Anlage war von zwei stabilen Metallzäunen umgeben, die über zwei elektronisch und biometrisch gesicherte Schleusenzugänge an der Ost- und Westseite verfügten, und einem großen Tor an der Nordseite, wo auch die Zufahrt zur Anlage lag. Zwischen den beiden Zäunen patrouillierten Wachhunde, und am sehr stabilen Zufahrtstor standen zwei Wachhäuschen mit bewaffneten Sicherheitskräften

Das Team hatte beschlossen, das große Haupttor links liegen zu lassen, und durch den westlichen Zugang auf das Gelände zu kommen -- zum einen, weil diese Pforte näher an den Gebäuden lag, und zum anderen, weil das Gebäude, das diesem Eingang am nächsten lag, die erfolgversprechendere Spur verhieß.

Den offiziellen Unterlagen zufolge war die Anlage eine voll zertifizierte Forschungseinrichtung für Agrarchemie und Systemelektronik, und die Wahrscheinlichkeit, das Computercenter der Anlage im Gebäude für Systemelektronik zu finden, war höher, als in der Abteilung für Chemie.

Durch den Eingang zu kommen war nicht schwer, da die gestohlenen Keycards problemlos funktionierten, und die von Chuck im System hinterlegten Identitäten vom Sicherheitsprogramm anstandslos geschluckt wurden. „Volkoff scheint ja blindes Vertrauen in seine Sicherheitsvorkehrungen zu haben." meinte Casey. „Wir können hier einfach herumspazieren, und es fällt niemandem auf." - „Noch sind wir nicht im Gebäude, und das ist nocheinmal zusätzlich gesichert." erklärte Chuck und erinnerte Casey daran, dass sie noch einen zweiten Satz Keycards hatten, die sie brauchten, um Zugang zu den Gebäuden zu bekommen. „Auf welche Sicherheitsbarrieren wir im Inneren der Gebäude stoßen könnten, weiß ich noch nicht, aber wenn nötig, denke ich, werden Morgan und ich sie ausschalten können."

Morgan zog eine zweite Garnitur Keycards aus seiner Tasche und verteilte sie ans Team, während Sarah vier Laborkittel aus ihrem Rucksack holte. Innerhalb weniger Momente hatten sie sich von Sicherheitskräften in Labortechniker verwandelt, und der Sachverstand von Morgan und Chuck stellte sicher, dass sie auch bei fachlichen Fragen nicht aufflogen.

Nachdem das Sicherheitssystem die biometrischen Daten auf den Keycards mit den Papillarmustern auf den Fingerkuppen der vier verglichen hatte, öffnete sich die Tür, und sie betraten den marmorgefliesten Korridor, der vor ihnen lag.

Morgan blieb vor einem Lageplan stehen, der gerahmt an der Wand hing. „Und da heißt es immer, die hätten hierzulande ein Problem mit Ordnung und Organisation -- Ich wünschte, bei uns wäre immer alles so gut erklärt und ausgeschildert." Er sah genauer hin. „Alles klar... ich habe den Serverraum gefunden. Hier die Treppe rauf, dann links über die Galerie oberhalb der Produktionshalle bis zum Ende, und dann die rechte Tür." - „Chuck und ich übernehmen den Serverraum, ihr beide seht euch hier um. Wäre vielleicht hilfreich, zu wissen, was hier hergestellt wird."

Sie teilten sich auf, und Sarah nahm hinter Chuck die Treppe in Angriff, während sich Casey und Morgan in der Produktionshalle und im Lager umsahen.

„Du zweifelst an meiner Suche nach meiner Mutter, oder?" fragte er sie, als sie das Ende der Treppe erreichten. „Nein, Chuck... Ich kann dich sehr gut verstehen, und würde an deiner Stelle sicher genauso auf der Suche nach ihr sein." - „Was ist es dann, Sarah? Seit wir in Belgrad angekommen sind, bist du merkwürdig..." Sarah schloss zu ihm auf, und riss ihn am Arm herum. „Ich bin merkwürdig? Seit wir hier sind, hast du einige Eigenschaften gezeigt, die mich sehr verunsichern... Du hast dich verändert, und ich weiß nicht, ob zu deinem Vorteil. Das macht mir Angst!" Mit diesen Worten wandte sie sich ab und stürmte über den Laufsteg, der in drei Meter Höhe über die ganze Breite der Produktionshalle verlief.

Als Chuck sie endlich eingeholt hatte, standen sie schon vor der Tür zum Serverraum, und da sie nichts sagte, öffnete Chuck einfach die Tür und ließ sie vorgehen. Wortlos machten sie sich an die Arbeit, und innerhalb weniger Minuten waren sie im System. Während die Datenströme nach auffälligen Schlagwörtern durchsucht wurden, und die Daten auf einen externen Speicher übertragen wurden, schwiegen sie sich an -- bis Sarah dann doch die Stille brach.

„Chuck, ich finde es toll, dass du dich als Spion weiterentwickelst, die Initiative übernimmst, und meine Hilfe nicht mehr so nötig hast wie zu Beginn..." - „Ich höre da ein 'aber'." - „Aber es erschreckt mich, wie abgebrüht und kalt du zeitweise geworden bist. Ist dir klar, dass du heute bereit warst, einen Mann zu foltern?" Sarah war sich selbst nicht im Klaren darüber, dass nicht das sie störte -- Chuck hatte in der Vergangenheit schon gravierendere Entscheidungen getroffen, mit denen sie kein Problem hatte. Ihr war noch nicht bewusst, dass nicht Chucks Verhalten der Grund für ihre Irritation war, sondern ein instinktives Bauchgefühl, was die Suche nach Mary Elizabeth Bartowski betraf.

„Sarah... Ich bin noch immer der gleiche, der ich auch früher war." Er ergriff ihre Hände und hielt sie in seinen. „Versuch mich zu verstehen, Liebling. Mein Vater ist tot, meine Schwester wird Mutter, und jetzt da ich weiß, dass es eine Spur zu ihr gibt, will ich wenigstens etwas von der Familie zurück, die ich nicht haben konnte. Ich will wissen, warum meine Mutter verschwand und warum Elli und ich ohne Eltern aufwachsen mussten." Sarah beugte sich zum in seinem Stuhl vornübergebeugten Chuck und küsste ihn zärtlich. „Chuck, ich weiß wie es ist, keinen Bezugspunkt, keinen sicheren Hafen zu haben. Du hast meinen Vater kennengelernt. Als ich bei der CIA anfing, hatte ich zum ersten Mal im Leben das Gefühl, irgendwo hin zu gehören. Als ich dann dich kennen lernte, erkannte ich zum ersten Mal, was Geborgenheit war... Natürlich verstehe ich dich, aber ich habe Angst, dass du in deinem Eifer und deiner Sehnsucht, deine Mutter zu finden, dich selbst verlierst. Vergiss nicht, dass ich sehr genau weiß, wozu du fähig bist... vielleicht weiß ich es sogar besser als du." - „Dann hilf mir, nicht abzugleiten, Sarah!" Er sah sie bittend an. „Du weißt, dass ich die Suche nicht aufgeben kann... Meine Mutter wartet vielleicht in diesem Moment darauf, gerettet zu werden. Die Geheimdienste haben sie schon aufgegeben, und wenn wir ihr nicht helfen, ist sie vielleicht für immer verloren. Sei die Stimme meines Gewissens, hilf mir die Balance zu halten, aber versuch nicht, mich aufzuhalten, denn ich kann nicht aufhören."

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