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Dani plus Sahne

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12.8k Wörter
30.5k
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„Die haben sie doch nicht alle, siebenhundertfünfzig warm, für fünfundzwanzig Quadratmeter", schimpfte mein Vater.

Ja, das war deutlich mehr als vorgesehen. Vierhundert mehr, als ich für mein Zimmer in der WG hätte zahlen sollen. Eigentlich war mein Umzug schon für dieses Wochenende geplant gewesen, die Vorlesungen fingen in zwei Wochen an.

Ich hatte einen Studienplatz mehr als zweihundert Kilometer von meinem Elternhaus entfernt erhalten. Die Suche nach einer Wohnung oder einem Zimmer war von Anbeginn an frustrierend gewesen. Die beiden Studentenwohnheime voll, ich irgendwo an Nummer fünfunddreißig auf der Warteliste.

Etliche WGs, die Aushänge in der Uni hatten, angerufen, bei dreien hatte ich es zumindest bis zu einer Besichtigung und Vorstellung geschafft. Am Ende dann in einer Fünfer-WG ein Zimmer bekommen, weil da der eigentliche Kandidat abgesprungen war, der ursprünglich den Zuschlag erhalten hatte.

Die Typen, es war eine reine Männer-WG, waren mir zwar ziemlich strange vorgekommen, aber ich konnte ja nun nicht wählerisch sein. Die Wohnung chaotisch, dreckig, mein Zimmer muffig und klein. Trotzdem hatte ich mich darauf gefreut.

Am Morgen hatte mich dann einer der Typen mit der Hiobsbotschaft angerufen. Es hatte in der Nacht dort gebrannt, in der Wohnung unter ihnen hatte es begonnen und bevor die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle gebracht hatte, war auch „unsere" Wohnung in Mitleidenschaft gezogen worden.

Ausgerechnet mein Zimmer und das daneben. Es würde Monate dauern, bis es wieder bewohnbar war, war die vernichtende Aussage des Chilenen, der sich um alles kümmerte. Pech gehabt. Dumm gelaufen.

Selbstverständlich wollten sie mich unter diesen Umständen aus dem Vertrag entlassen, damit ich mir schnell etwas Anderes suchen könnte. Und jetzt? Ein anderer WG-Platz war so dicht vor dem Semesterbeginn utopisch.

Vattern war sofort in Aktion gesprungen, während ich nun völlig frustriert und überfordert war. Suchte im Netz nach Wohnungen, die erschwinglich waren. Meine Eltern verdienten beide nicht schlecht, aber so dicke hatten sie es auch nicht.

Es hing ja noch mehr dran als nur Miete. Studiengebühren, Bücher und von irgendwas musste ich schließlich leben.

„Na, wenn ich nebenbei jobbe..."

Meine Mutter krauste die Stirn und schüttelte nur den Kopf. Auch mein Vater drehte sich nun zu uns und gab sein Urteil dazu ab.

„Kommt nicht infrage. Du sollst dich auf dein Studium konzentrieren können. Stell dir das nicht so leicht vor, das Studium ist eine ganz andere Nummer als die Schule. Und es gab keine anderen WGs mehr, die man noch antelefonieren könnte?"

„Nein, ich war ja schon happy, dass ich dieses Loch da gefunden hatte. Jetzt kann ich es ja sagen, besonders toll war das Zimmer nicht, die WG insgesamt nicht. Aber bei all den anderen gab es nur Absagen. Scheiße, was mach' ich denn jetzt?"

Mein Vater sah meine Mutter lange an und seufzte.

„Wir könnten Daniela fragen."

„Daran werden wir nicht mal denken", zischte meine Mutter aufgebracht.

Daniela. Ihre Schwester, natürlich, die lebte dort. Ich hatte sie nur in meiner frühen Kindheit und zuletzt vor etwas mehr als einem Jahr bei der Beerdigung meines Opas gesehen. Sie war drei Jahre jünger als meine Mutter. Aus irgendwelchen Gründen sprachen die beiden nicht miteinander, das war auch auf der Beerdigung so gewesen.

Bei Familienfeiern davor war sie nie dabei. Nicht mal bei meiner Konfirmation, oder der gerade stattgefundenen meiner kleinen Schwester. Es war mir nie in den Kopf gekommen, zu fragen, was da ursächlich war. Es wurde nie über sie geredet. Auf der Beerdigung hatte ich sie zwar erkannt, aber mehr auch nicht.

Sie hatte nur mit einigen anderen Verwandten und meiner Oma gesprochen, die mittlerweile im Pflegeheim war. Und war sofort nach der Trauerfeier wieder verschwunden.

„Sie ist doch Maklerin, oder?", setzte mein Vater an. „Wenn uns jemand helfen kann, dann sie."

Meine Mutter verzog gequält das Gesicht.

„Wenn du es nicht kannst, rufe ich sie an", versuchte er es weiter.

„Das könnte dir so passen", kam die säuerliche Replik meiner Mutter, die mich nun vollends verwirrte.

Aber eine vage Ahnung gab, was da eventuell vorgefallen sein könnte.

„Wenn du eine bessere Idee hast, immer raus damit", wehrte sich mein Vater. „Hier geht es um deinen Sohn, um seine Zukunft. Soll er den Studienplatz sausen lassen, nur, weil du...", setzte er an, stoppte dann aber, als er das böse Funkeln in den Augen meiner Mutter bemerkte.

„Könnt ihr mal verraten, was...?"

„Das geht dich nichts an", wurde ich nun von ihr angefaucht.

Sie saß eine Weile unschlüssig, mit finsterer und verkniffener Miene nur da, schien innere Kämpfe auszutragen.

„Also gut, ich rufe sie an", gab sie schließlich seufzend bekannt, nachdem ich sie lange flehentlich angeschaut hatte. „Hol mir mal mein Handy, das ist in der Küche auf der Fensterbank am Laden."

Ich sprang sofort auf und lief in die Küche, hörte noch, dass sich meine Eltern sofort zu streiten begannen, als ich das Wohnzimmer verlassen hatte. Sie brachen ab, als ich wieder zurückkehrte und meiner Mutter wortlos das Handy reichte.

Sie suchte die Nummer in ihren Kontakten, aber fror dann förmlich ein, hielt das Smartphone einfach nur in der Hand und schüttelte schließlich den Kopf.

„Ich kann nicht."

Mein Vater seufzte, stand vom Schreibtisch auf und setzte sich zu ihr aufs Sofa.

„Dann lass mich. Mein Gott, es ist doch nur eine Bitte um Unterstützung... Carmen, bitte..."

Meine Mutter wischte ärgerlich den Arm von ihrer Schulter, den er hatte, um sie zu legen. Ihr Blick wanderte zu mir. Sie seufzte erneut.

„Auf Lautsprecher", wurde mein Vater angewiesen, als sie ihm das Telefon reichte.

Es dauerte eine Weile, bevor auf der anderen Seite abgenommen wurde.

„Ja?", hörte ich meine Tante antworten. „Carmen? Ist was mit Mama?"

„Nein, alles in Ordnung, ihr geht es gut", antwortete mein Vater schnell. „Ich bin's... Jascha... es... es geht um Sam."

„Sam?"

„Samuel, dein Neffe, vergessen?"

„Ach so. Natürlich nicht. Was ist mit ihm?"

„Wir haben ein Problem. Sam hat einen Studienplatz an eurer Uni, aber das Zimmer, in das er ziehen sollte, ist ausgebrannt. Jetzt beginnen die Vorlesungen schon in zwei Wochen und wir finden einfach nichts für ihn. Und wir dachten, dass du uns vielleicht helfen könntest, was preislich nicht so Exorbitantes zu finden. Was ich im Internet gefunden habe, sprengt jeden Rahmen, ich meine..."

„Schon klar. Und Carmen hat dir deshalb erlaubt, mich anzurufen. Ist ja irre."

„Sie sitzt hier neben mir und hört mit. Sam auch."

Ein leises Lachen kam aus dem Lautsprecher.

„Hallo Schwesterlein, hallo Neffe. Was willst du denn studieren?"

„Umwelttechnik. Hallo Tante Daniela", meldete ich mich zu Wort.

Meine Mutter schwieg mit verkniffener Miene.

„Aha. Und das ging nur hier?"

„Nein, es war meine dritte Wahl, ich wäre lieber nach Berlin oder Hamburg, aber die waren schon voll. Ich war froh, den Studienplatz an eurer Uni bekommen zu haben. Ich hatte ja keine Ahnung, wie schwer das ist, bei euch ein Zimmer oder eine Wohnung zu finden."

„Ja, das kann sein. Ich kriege das nur am Rande mit."

„Du bist doch Maklerin?", wunderte sich mein Vater.

„Ja, aber nicht für Wohnungen, sondern kommerzielle Immobilien, Büros, Geschäfte, Lagerhäuser, Industriegelände, sowas halt."

„Scheiße", rutschte es mir raus. Meine Tante lachte am anderen Ende.

„Ich kann mich umhören, auch wenn meine Firma mit solchen Objekten nichts zu tun hat, ich kenne natürlich einige hier. Aber... wann war das, in zwei Wochen? So schnell geht das sicher nicht."

„Danke", quetschte ich frustriert raus, und auch mein Vater sah enttäuscht aus.

„Tut mir leid. Wie geht es Mama?", wandte sie sich nun trotz des Schweigens direkt an meine Mutter.

Die atmete mehrmals tief durch, bevor sie antwortete.

„Körperlich soweit ganz gut. Sie baut geistig immer mehr ab."

„Das tut mir leid. Ich würde sie gerne mal besuchen, kannst du mir die Adresse des Heims texten?"

„Sie würde dich wahrscheinlich nicht mal erkennen", erwiderte meine Mutter. „Aber ich mach' es, klar."

„So schlimm schon? Verflucht. Bei der Beerdigung ging es doch noch... na ja, durcheinander war sie schon... aber ich dachte, das war wegen Papa..."

„Es ist deutlich schlimmer geworden. An manchen Tagen erkennt sie nicht mal mich."

„Verstehe. Verdammt. Gut, ich versuche so bald wie möglich mal rumzukommen. Danke, dass du mit mir sprichst."

Das endete in diesem Moment, wohl, weil ihr das gerade selbst klargeworden war. Sie verzog wieder säuerlich das Gesicht. Was war da passiert?

„Und wir sind dir dankbar, dass du uns bei der Suche unterstützen willst", sprang mein Vater nach einer unerträglichen Pause ein. „Auch, wenn es so schnell nichts bringt."

„Na, er könnte... für den Übergang... zu mir kommen. Dann könnte man ganz in Ruhe suchen. Ich wohne nur zwanzig Minuten zu Fuß von der Uni weg."

„Echt? Das wäre supergeil", sprudelte meine Erleichterung aus mir heraus.

„Kommt nicht infrage", schoss meine Mutter mich sofort ab.

„Warum denn nicht?", forderte ich eine Klärung heraus.

In diesem Moment trat Rebekka ein, meine kleine Schwester, die gerade vom Reiten zurückkam. Sie setzte zum Sprechen an, wurde dann aber von meinem Vater gestoppt, der einen Finger auf den Mund legte und aufs Handy deutete.

„Ja, warum denn nicht?", tönte es verwundert aus dem Lautsprecher. „Es ist auf jeden Fall ein Angebot. Diskutiert das unter euch aus und meldet euch dann bei mir. Ich muss jetzt aufhören, mein Kunde kommt gerade zurück, ich bin mitten im Termin. Wenn ich vorher andere gute Nachrichten habe, melde ich mich, okay?"

„Wer ist denn das?", wunderte sich Rebekka.

„Tante Daniela", informierte ich sie.

„Die kenne ich gar nicht."

„Das macht nichts", meinte meine Mutter und beendete das Gespräch, als erneut ein leises Lachen aus dem Lautsprecher kam. „Ich mach' Essen."

Sprach 's, schnappte ihr Handy und verschwand. Wir erklärten meiner Schwester in groben Zügen das Dilemma. Sie verstand es natürlich nicht vollständig. Ich ja auch nicht. Und war froh, als sie sich zum Umziehen zurückzog und ich mit meinem Vater alleine war.

„Erklärst du mir jetzt vielleicht mal, was zwischen den beiden vorgefallen ist?"

Mein Vater seufzte und sah mich lange an.

„Eigentlich... bist du alt genug. Ich weiß aber nicht, ob es deiner Mutter recht ist, wenn ich..."

„Du hattest eine Affäre mit ihr?", schoss ich ins Blaue. Und traf. Ihn schwer.

Er sackte richtig in sich zusammen, zitterte sogar leicht.

„Ja, ich hatte eine Affäre mit ihr", gab er schließlich tonlos zurück. „Die uns fast unsere Ehe gekostet hätte. Deine Mutter... hat mir verziehen..."

„Aber Tante Daniela nicht."

„Ja, ihr nicht."

„Wann war das?"

„Das ist schon mehr als zwölf Jahre her. Ich... wir... es war völlig bescheuert, aber ich konnte... ich kann das nicht erklären. Lass uns da mal wann anders drüber sprechen, okay?"

„Aber was hat das jetzt mit mir zu tun?"

„Nichts, außer, dass sie ihr nicht vertraut, nicht vertrauen kann, glaube ich. Du kennst doch deine Mutter, sie... ach, was weiß ich. Ich rede mit ihr, ihr Angebot sollten wir keineswegs so einfach sausen lassen. Sprich du sie bitte nicht darauf an, das kann nur schiefgehen. Ich mache das schon. Vielleicht... klappt es ja auch anders, sie hat doch Verbindungen, hat sie gesagt. Ansonsten setze ich mich so gut es geht ein."

Ich hielt mich an seine Vorgabe. Und überließ ihm die langwierigen und offenbar hochemotionalen Verhandlungen. Die zwei Tage später dazu führten, dass wir meine Tante anriefen und ihr Angebot annahmen. Dessen tatsächliches Ausmaß wir erst dann erfuhren.

Ich konnte tatsächlich am Wochenende mit Sack und Pack bei ihr einziehen. Sie hatte eine Vierzimmer-Wohnung und ein Zimmer in Antizipation der Entscheidung schon leergeräumt. Was meine Mutter sichtlich grämte, aber nun konnte sie ihr Einverständnis nicht mehr zurückziehen.

Eigentlich hatte mir mein Vater beim Umzug helfen wollen. Das wurde ihm aber nicht gestattet, und so engagierte ich zwei Kumpels, die beide im Gegensatz zu mir einen Führerschein hatten und den geliehenen Kleintransporter fahren konnten.

Die letzten Eindrücke von meiner Mutter waren bestürzend. So bitter und angespannt hatte ich sie noch nie erlebt. Es schien oft so, als ob sie mir etwas sagen wollte, aber es doch nicht fertigbrachte. Auch mein Vater erklärte mir nicht, wie angekündigt, mehr von dem, was damals passiert war.

Mir war es im Grunde egal. Ich war nur froh und erleichtert, dass ich durch meine Tante diesen Ausweg gefunden hatte, und freute mich mit jedem Kilometer, den wir auf der Autobahn zurücklegten, mehr auf meinen Eintritt ins Erwachsenenleben und meine Selbstständigkeit.

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Wow. Eine riesige Wohnung, selbst das „kleine Zimmer", das sie für mich freigeräumt hatte, war doppelt so groß wie das in der WG. Meine paar Habseligkeiten passten problemlos rein, selbst mein Fahrrad hätte noch reingepasst, aber das durfte ich in dem langen, schönen Flur neben ihrem unterbringen.

Auch ein Rennrad, eine Gemeinsamkeit. Vermutlich die einzige. Sie half nicht mit beim Tragen, wo doch drei „starke junge Männer" alles im Griff hatten und machte Kaffee und Brötchen für das Danach.

Meine Freunde halfen mir noch beim Aufbau von Bett und Kleiderschrank, den Rest wollte ich dann alleine machen. Sie verabschiedete die beiden mit einem Kopfnicken, als ich sie zur Tür brachte. Wir hatten bis dahin nur das Notwendigste geredet.

Ich war verunsichert, denn ich kannte sie außer vom Sehen gar nicht. Und irgendwie hatte ich doch ein wenig die negative Einstellung meiner Mutter ihr gegenüber übernommen. Immerhin hätte sie fast dafür gesorgt, dass ich ohne meinen Vater aufgewachsen wäre. Oder ihn nur an Wochenenden erlebte.

„Noch 'n Kaffee? Ist noch eine Menge da", zog sie mich verbal in die Küche, als ich daran vorbeiging.

„Oh... okay, ja."

„Und? Passt alles rein?"

„Ja, das Zimmer ist doch riesengroß. Die ganze Wohnung... und du lebst hier allein?"

„Natürlich. Ich habe sie vor fünf Jahren gekauft, war ein Schnäppchen. Tu mir den Gefallen und iss noch welche von den Brötchen, ich habe wohl euren Appetit überschätzt. So ist das brav. Sam... ich kenne dich tatsächlich noch als Samuel. Ich hatte damals versucht, Carmen das auszureden, aber du weißt ja, wie sie ist, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat. Sam klingt gut. Passt zu dir."

Aha. Erst jetzt wurde mir klar, wie fremd mir diese Frau war, mit der ich nun auf unbestimmte Zeit die Wohnung teilen würde. Verstohlen sah ich sie mir genauer an. Sie trug Leggins, ein weites T-Shirt und lief barfuß durch die Wohnung. Braungebrannt, die grünen Augen blitzten vergnügt.

Wie vierundvierzig sah sie eigentlich nicht aus, eher wie Mitte dreißig. Das lange dunkelblonde Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Meiner Mutter sah sie nicht besonders ähnlich, wohl aber meiner Oma in dem Alter, von der hatte ich einige Fotos gesehen, jetzt sah sie natürlich anders aus.

„Was schaust du mich so an?", riss sie mich aus meinen Gedanken.

„Oh... ich habe nur festgestellt, dass du Oma ähnlich siehst... na, als sie jung und hübsch war, natürlich."

„Kann sein. Deine Mutter kam mehr nach unserem Vater, deinem Opa. Nicht nur vom Aussehen her. Egal. Soll ich dir noch was helfen, beim Aufbauen, oder so?"

„Nein, ist nur noch der Schreibtisch, so viel Zeug habe ich nicht."

„Wenn du irgendwas brauchst, sagst du es mir. Ein paar Sachen sollten wir klären. Ich bin nicht deine Mutter und habe auch keinerlei Ambitionen, dich in deren Abwesenheit zu bemuttern. Soll heißen, ich koche nicht für dich, ich wasche deine Wäsche nicht, du räumst deinen Dreck und dein Geschirr schön alleine weg, klar?"

„Logen."

„Ich habe mich bereits umgehört, aber bis jetzt noch nichts Sinnvolles zurückgemeldet bekommen. Außer der Info, dass es gerade jetzt zu Semesterbeginn eher illusorisch ist, in näherer Zukunft Erschwingliches zu finden. Soll heißen, eventuell bleibst du hier etwas länger."

„Oh, okay. Ich bin dir natürlich dankbar..."

„Ist selbstverständlich, rede nicht. Platz genug ist. Platz genug, damit wir beide unsere eigenen Leben führen können, verstehst du? Also eine Art WG, ich will jetzt nicht einen auf traute Familie machen, klar?"

„Mir recht."

„Das heißt, wir nehmen Rücksicht aufeinander. Du kannst Freunde einladen, Kommilitonen, Mädels, was weiß ich was, kein Problem. Aber keine wilden Partys, wenn ich meine Ruhe haben will, okay?"

„Ich bin... eh nicht der Typ, der... also... da brauchst du dir keine Sorgen zu machen."

„Aha. Also nur vom Aussehen dein Vater."

Was soll das denn heißen?

„Was glotzt du so? Na, wahrscheinlich kennst du deinen Vater nicht so, wie ich das tue."

„Mit Sicherheit nicht", flutschte es mir heraus und tat mir sofort leid.

Sie lächelte eigenartig und versonnen.

„Also hat deine Mutter dir erzählt, was vorgefallen ist?"

„Nein. Nur Papa hat angedeutet, na ja... ich hatte getippt, dass ihr eine Affäre hattet, und das hat er bestätigt."

„Affäre... so kann man es auch nennen. Egal, Schnee von gestern. Im Gegensatz zu deiner Mutter kann ich die Vergangenheit ruhen lassen."

„Wie würdest du es denn nennen?", fragte ich rundheraus, in einem eigenartigen Anflug von Trotz.

Sie schmunzelte und richtete ihren Pferdeschwanz mit einigem Geschick.

„Wie würde ich es nennen... Liebe. Wir waren bis über beide Ohren ineinander verliebt."

Fuck. Damit hatte ich nun nicht gerechnet.

„Und konnten trotz bester Vorsätze die Finger nicht voneinander lassen. Dein Vater ist... nein, das brauchst du dann eher nicht zu wissen."

„Ich kann damit umgehen", versicherte ich, obwohl ich nicht verstand, was sie da andeutete.

Sie grinste still in sich hinein.

„Stimmt, du bist erwachsen. Er ist der beste Liebhaber meines Lebens gewesen. Wir haben einfach eine Wellenlänge im Bett gehabt. Niemals bin ich so oft und so hart gekommen, wie mit ihm."

Okay, das hatte ich nun wirklich nicht wissen wollen. Das schien ihr ebenfalls aufzugehen.

„Ich wollte aber nicht, dass er Carmen und euch verlässt. Eure Familie kaputtmachen. Als es in diese Richtung zu gehen schien... habe ich ihr gesteckt, was läuft. Den Kopf hingehalten, alle Schuld auf mich genommen. Was dabei herauskam, siehst du ja. Dann habe mich aus eurem Dunstkreis entfernt und bin hierhergezogen. So, jetzt weißt du alles Wichtige."

Mehr als genug. Das erklärte einiges. Warum mein sonst so souveräner Vater wie ein verlorener kleiner Junge gewirkt hatte, als er mit meiner Mutter stritt. Warum beide das so mitgenommen hatte. Warum ihm nicht erlaubt wurde, mich hierher zu fahren.

„Ja, ich glaube, ich verstehe."

„Möglich. Wie gesagt, Schnee von gestern. Und, weint sich wegen dir nun ein kleines Mäuschen in den Schlaf, weil du nicht mehr da bist?"

Huh?

„Oh, du meinst, ob ich eine Freundin habe? Nein. Ich... bin wie gesagt nicht so der Typ... mir waren andere Sachen wichtig."

„Mit achtzehn? Dann bist du wirklich aus der Art geschlagen."

„Neunzehn. Ich hatte natürlich auch schon Freundinnen. Aber nichts von Dauer", wehrte ich mich. Warum eigentlich?

„Recht so. In deinem Alter solltest du so viel Spaß wie möglich haben. Wie gesagt, das ist hier kein Problem, solange du das hauptsächlich auf dein Zimmer beschränkst oder hinterher zumindest Spuren beseitigst."

„Dazu wird es sicher nicht kommen, aber danke für die Freiräume. Überhaupt, mich hier aufzunehmen. Und du?"

„Ich? Was meinst du?"

„Bist du in einer Beziehung, oder..."

„Ah, nein, schon lange nicht mehr. Was nicht heißen soll, dass hier nicht fallweise schöne Männer auflaufen, um mir die Zeit zu vertreiben. Ab und zu auch Frauen. Wenn du verstehst, was ich meine. Eine Frau hat schließlich ihre Bedürfnisse."

Uff, mittlerweile war ich bestimmt rot wie eine Tomate.