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Das Bangkok Syndikat 11

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„Es tut mir leid. Wenn Sie wollen, können Sie mir gerne ihre Nummer geben. Wenn mir noch etwas einfällt, rufe ich Sie an. Versprochen!"

Der Ermittler lächelte, griff in die Innentasche seines verschlissenen Mantels und fischte eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche.

„Wünschen Sie uns Glück, Yada."

Er konnte nicht verhindern, dass die junge Frau ihn umarmte und an sich drückte.

„Viel Glück! Melden Sie sich bitte! Ich habe wirklich Angst um Uaan."

Chai nickte und reichte dem Mädchen zum Abschied die Hand. Er wollte sich jetzt mit Tam treffen, der Junge würde ihn auf andere Gedanken bringen.

30. Siebzehnter Tag, morgens, Bangkok

Maria Silami hatte sich zur Ruhe gezwungen. Nachdem sie gestern mit ihrem Gatten eine ausgedehnte Besichtigungstour durch die Stadt unternommen hatte, bescherte ihr die aufgestaute Müdigkeit der letzten Tage in dieser Nacht wenigstens etwas Schlaf.

Mittlerweile schien Maurice von ihrer Ratlosigkeit angesteckt worden zu sein, sorgte sich zusehends um die Existenz des gemeinsamen Sohnes, ebenso jedoch um die Gesundheit seiner Gattin. Beinahe stündlich gingen Anrufe und E-Mails seiner Patienten ein, die er beantwortete und abarbeitete, so gut es ging. Auch jetzt drehte er wieder Kreise auf dem Teppich des Hotelzimmers, stellte einerseits Mutmaßungen hinsichtlich des Verbleibs des gemeinsamen Sohnes auf und erregte sich auf der anderen Seite über die Diagnosen seines Kollegen.

„Ich habe es dir gestern schon gesagt und sage es dir heute wieder. Flieg wieder zurück nach Deutschland, du machst mich noch wahnsinnig."

Maurice hielt inne und drehte sich zu seiner Gattin um. Er war in sich gespalten und dieser Konflikt zermürbte ihn mehr und mehr. Er liebte seinen Sohn, keine Frage, doch durfte er die in knapp drei Jahrzehnten aufgebaute Praxis seinetwegen derart vernachlässigen?

„Wie könnte ich das, Maria? Du würdest es mir den Rest meines Lebens vorhalten. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was mit Alain geschehen ist, aber ich weiß, dass unsere Mittel nicht lange reichen werden, wenn nicht einer von uns für Einkommen sorgt."

Maria blickte ihren Ehegatten ruhig an. Er wollte nicht hier sein, nicht ständig daran denken müssen, wie ohnmächtig er auf das Ergebnis der Nachforschungen zu warten gezwungen war, nicht ständig vor Augen geführt bekommen, wie wenig er selbst für seinen Sohn tun konnte. Maurice war kein schlechter Mann, es war die Situation, die ihn schlichtweg überforderte.

„Nimm den nächsten Flug. Wir bleiben über das Internet in Kontakt, ich halte dich auf dem Laufenden. Wenn ich nicht von selbst zurückkomme, fliegst du wieder her."

Maurice blickte sie schweigend an, hatte anscheinend mit einem Entgegenkommen ihrerseits nicht gerechnet. Maria konnte sehr direkt und verletzend sein.

„Bist du dir sicher?"

Die Rechtsanwältin nahm seine Hand, drückte ihren Körper gegen den seinen.

„Ja. Du hast recht. Wir müssen liquid bleiben, unbedingt."

Sie umarmten sich noch einmal, dachten gemeinsam an ihren Sohn. Lebte er noch? In diesem Moment waren ihre Gedanken dieselben, die Sorgen um das Wichtigste in ihrem Leben geteilt. Alain war ihr Schatz, beide hatten sie sich nie mehr als ein Kind gewünscht, waren beide nicht bereit gewesen, der Familie mehr Lebenszeit zu opfern. Maria und Maurice waren Parade-Workaholics, die es nur sehr schwer ohne Verantwortung, Arbeit und konkrete Aufgaben aushalten konnten. Die Vorstellung, das gemeinsame Kind verloren zu haben, erschien beiden unerträglich.

„Doktor Katanaa kommt später vorbei und wird einige Vorschläge unterbreiten, die bei der Suche nach Alain helfen könnten."

Maurice nahm seine Gattin in den Arm und streichelte ihr durch das Haar.

„Wir werden ihn wiederbekommen, du wirst sehen."

Maria blickte über seine Schulter hinweg ins Leere.

„Ich habe gestern das erste Mal daran gezweifelt, Maurice. Und ich erwische mich heute schon mehrmals dabei, es wieder zu tun. Wie darf ich das? Solange ich lebe, gibt es noch Hoffnung für ihn, wenn ich nichts unversucht lasse, um ihm zu helfen."

Sie lehnte ihre Stirn an seine Schulter, umarmte ihn und drückte ihren Körper fest an den seinen. Er würde ihr schon fehlen, sobald er das Flugzeug bestiegen hatte.

„Lass uns abwarten, was die nächsten Tage bringen werden. Vielleicht lachen wir bald über diese ganze Geschichte. Das ist die Hoffnung, an die ich mich klammere."

Maria dachte an den kleinen Detektiv, der in diesem Moment im Süden des Landes nach einer Spur suchte, die zu Alain führen könnte. Seine heutige E-Mail hatte bei weitem nicht mehr so hoffnungsvoll geklungen, wie die letzte am gestrigen Tage. Doch vielleicht war dies nicht weiter besorgniserregend? Er schien sich von seinem Ziel nicht abbringen zu lassen und seine nächsten Schritte bereits sorgfältig geplant zu haben. Eine Domina? Sie konnte immer noch nicht recht glauben, dass die Freunde ihres Sohnes mit so einer Frau verkehren würden, vielleicht sogar deren Dienste in Anspruch genommen hatten.

„Was hältst du von Deinem Kollegen?"

Maurices Frage riss Maria aus ihren Gedanken. Sie versuchte, die erste Begegnung mit diesem Doktor Katanaa im Gedächtnis wachzurufen. Sie kannte genügend Pendants zu ihm aus ihrer Heimat, Männer mit gepflegtem Äußeren und perfektem Auftreten, aber auch einer kaum zu durchdringenden Fassade. In beruflicher Hinsicht war sie noch nicht in der Lage, diesen Juristen einzuschätzen. Doch war er immerhin ein zusätzlicher Strohhalm, an den man sich klammern konnte.

31. Siebzehnter Tag, früher Nachmittag, Bangkok

Doktor Katanaa erweckte einen müden und ausgelaugten Eindruck. Sein Gesichtsausdruck wirkte gequält, er schien unter starken Schmerzen zu leiden. Dennoch versuchte er, ein freundliches Gesicht zu zeigen, und reichte dem deutschen Ehepaar seine unter einem schwarzen Handschuh verborgene Hand mit schlaffem Druck. Maurice warf Maria einen fragenden Blick zu, doch die Rechtsanwältin verfügte über ausreichend Selbstbeherrschung, um das Verlangen, den schwachen Händedruck zu erwidern, zu unterdrücken. Stattdessen musterte sie den thailändischen Anwalt mit wachen Augen und bot ihm einen Sitzplatz an.

„Sind sie krank? Sie wirken auf mich, als ob sie sich besser ausruhen oder einen Arzt konsultieren sollten, anstatt sich unserer Sorgen anzunehmen. Auch wenn ich anmerken möchte, dass uns ihr Opfergang einiges an Dank und Respekt abnötigt, mein lieber Herr Doktor Katanaa. Vielleicht kann mein Mann etwas für sie tun?"

Maurice hatte schon längst seine fachmännisches Augen auf Doktor Katanaa gerichtet und hätte von sich aus seine Hilfe angeboten, wenn ihm seine Frau nicht zuvorgekommen wäre. Der Jurist aber winkte mit einer laxen Armbewegung ab.

„Vielen Dank, aber es geht mir soweit ganz gut. Mein Arzt war heute früh schon bei mir. Er meinte, in einigen Tagen würde es mir wieder besser gehen. Man muss eben allem seine Zeit geben, nicht wahr?"

Der thailändische Jurist nahm vorsichtig Platz.

„Haben sie schon irgendwelche Neuigkeiten?", kam der Jurist auf den Grund seines Besuchs zu sprechen.

Maria griff nach ihrem Smartphone und reichte es ihrem Berufskollegen, der es vorsichtig entgegennahm und augenscheinlich erhebliche Probleme hatte, den E-Mail-Account aufzurufen.

„Es tut mir leid. Aber dieses lästige Ekzem setzt mir mehr zu, als mir lieb ist. Wahrscheinlich eine Allergie, meint mein Arzt. Wären sie bitte so freundlich?"

Aufmerksam hörte er der Deutschen zu, während diese flüssig und ohne Unterbrechung die heutige Nachricht Na Ajjuthajas vorlas, danach selbst ihre eigene Interpretation darlegte und mit fragendem Blick die Meinung ihres Kollegen erwartete.

„Also eine Domina?"

Maria nickte. So hatte es der Ermittler zumindest mitgeteilt. Warum sollte dieses Mädchen auch lügen?

„Mir ist noch nicht klar, was sie für eine Rolle spielen sollte? Schließlich war sie ja mit ..."

Doktor Katanaa sah die beiden Deutschen fragend an.

„Christian?", ergänzte Maria, die ohne Probleme seinem Gedankengang folgen konnte.

„Ja! Genau. Christian. Schließlich war sie ja mit ihm zusammen und nicht mit Alain. Was sollte sie für eine Rolle spielen bei dessen Verschwinden?"

„Sie ist die Einzige, die eine Rolle dabei spielen kann. Alain hatte anscheinend wechselnde Partnerinnen in den ersten Tagen und nach Aussage dieser Yada hätte sich Uaan niemals die Reise nach Bangkok leisten können. Wer also hat sie in die Hauptstadt eingeladen? Alain hatte geschrieben, dass es eine Freundin war. Und diese Frau scheint die einzige Person zu sein, die dazu in der Lage gewesen wäre."

Der Rechtsanwalt vertiefte sich in seine eigenen Gedanken und ging in den folgenden Minuten nicht auf die Vermutung seiner Berufskollegin ein. Es hätte an dieser Stelle auch keinen Sinn gemacht, Maria Silami zu widersprechen.

„Ich habe mich selbst ein wenig in der Stadt umgehört, etliche Anrufe getätigt und einige Informanten befragt. Doch niemand will etwas von drei Deutschen gehört haben. Weder in den Bordellen, noch in den einschlägigen Hotels der Stadt. Auch wenn ihnen das vielleicht unangenehm ist, es schienen für mich die plausibelsten Anlaufstellen für die drei gewesen zu sein."

Er hob seinen Kopf und warf den beiden Silamis abwechselnd kurze Blicke zu.

„Ich ging gedanklich auch die Möglichkeit durch, in Zeitungen und Flugblättern nach den drei Jungen zu suchen. Doch wenn Alain, Christian und Tom wirklich entführt worden sind, bestünde die Gefahr, dass, sollten sich die Täter unter Druck gesetzt fühlen, sie sich vielleicht ihrer entledigen."

Maria wurde bei diesem Gedanken augenblicklich bleich. Maurice trat an seine Frau heran, schloss sie in die Arme, um sie zu stützen. Doktor Katanaa wartete, bis die Mutter des Gesuchten sich wieder einigermaßen gefangen hatte und fuhr dann mit seinen Ausführungen fort.

„Der Hinweis mit der Domina war vielleicht wirklich entscheidend. Ich werde mich umhören und sehen, was ich in der Sado-Maso-Szene herausbekommen kann. Ich habe da vielleicht einen Klienten, der uns weiterhelfen könnte. Allerdings wird es einige Zeit dauern, bis ich Kontakt zu ihm aufgenommen habe. Meinen sie, der tüchtige Herr Na Ajjutaja könnte das Bild der Gesuchten schicken? Es würde mir die Arbeit sehr erleichtern."

Die Deutsche tippte auf der Tastatur ihres Handy´s herum.

„Ich leite es umgehend an ihren E-Mail-Account weiter. Wir wollen nichts unversucht lassen. Wenn diese Frau meinem Sohn auch nur ein Haar gekrümmt hat, wird sie das bitter bereuen."

Doktor Katanaa beschwichtige sofort.

„Sie sollten die Menschen in dieser Stadt auf keinen Fall unter Druck setzen, werte Kollegin. Fühlen sie sich bedroht, sind die meisten vollkommen skrupellos, das könnte unserer Sache ungemein schaden. Wenn sich aber ein Kontakt zu dieser Person herstellen lässt, werden wir versuchen, ein Netz um diese Domina herum zu weben, mit dem wir sie einfangen und dann in eine Lage zu bringen versuchen, in der sie auf unsere Forderungen eingehen muss. Und wer weiß, vielleicht können wir sie dann auch zur Rechenschaft ziehen."

„Wir werden sehen. Jemand, der sich an meinem Sohn vergangen hat, wird sicher keine Nachsicht von mir erwarten dürfen. Sobald ich Alain in Sicherheit weiß, werde ich alles daran setzen, den oder die Täter zu zerstören. Sie wissen um unsere Möglichkeiten und auch, was entsprechende Summen und öffentliche Aufmerksamkeit zu bewirken imstande sind. Ich werde alle Register ziehen, darauf können sie sich verlassen!"

Maria Silami unterbrach ihren Redeschwall und betrachtete die schwarzhaarige Frau auf dem Display ihres Handys.

„Und wenn diese Frau etwas damit zu tun hat, was momentan ganz den Anschein erweckt, werde ich bei ihr beginnen."

„Du solltest deine Energie auf die Suche nach unserem Sohn konzentrieren, Maria. Alles andere ist erst einmal nicht wichtig. Und wenn Alain gefunden wird, werdet ihr umgehend in das nächste Flugzeug steigen und nach Deutschland zurückreisen. Versprich mir das bitte!"

Maria sah ihren Ehegatten mit regungsloser Miene an. Genau das war seine Art, mit Konflikten umzugehen, nicht aber die ihre.

„Ich werde dir in diesem Punkt gar nichts zusagen, Maurice. Schon deshalb nicht, weil ich dieses Versprechen nicht halten kann. Es ist so, wie ich gesagt habe. Du hast es so hinzunehmen."

Doktor Katanaa hatte den Disput der Eheleute schweigend und mit wachsender Sorge mitverfolgt. Die Angelegenheit gewann zusehends an mehr als nur unangenehmer, vielmehr unberechenbarer Brisanz. Würde man herausfinden, wo sich die Deutschen in der ersten Nacht aufgehalten hatten, würde ihn das seine Existenz, vielleicht sogar seinen Kopf kosten. Andererseits hatte ihn Nori aber schon jetzt völlig in der Hand und würde sein Leben zerstören, sowie sie ausreichenden Grund hatte, seine Loyalität in Frage zu stellen. Immer noch war der Schmerz in seinen Fingern derart intensiv, dass er ihn nur mit schweren Schmerzmitteln zu ertragen vermochte. Beinahe hatte er den Eindruck, als sei seine Domina in diesem Augenblick bei ihm, um ihm ihre Macht zu demonstrieren.

32. Achtzehnter Tag, abends, Bangkok

Wie jeden Tag trug Jasmin auch heute die Kasse mit dem Tagesumsatz in ihr Büro und verwahrte diese im Wand-Safe. Es war ihr zur Gewohnheit geworden, sich nochmals umzudrehen, bevor sie die Tür zu ihrem eigentlichen Arbeitsbereich aufschloss. Ebenso hatte sie es auch heute gehalten, bevor sie ihr Büro betreten und hinter sich wieder abgeschlossen hatte. Nun saß sie am Schreibtisch und wartete auf einen von Wangs Männern, der wie üblich die Tageseinnahmen abrechnen und den Anteil des Paten abholen würde.

In Gedanken resümierte sie nochmals den heutigen Tag, der im Grunde sehr erfolgreich verlaufen war. Beinahe alle Damen waren nahezu durchgängig beschäftigt gewesen, nur wenige hatten vor dem Eingang gestanden und auf Kunden gewartet. Zudem hatte sie Nori kaum gesehen, ein Umstand, der ihr mehr als nur gelegen kam. Der Konflikt zwischen ihr und der Domina hatte sich in den letzten Tagen bedenklich verschärft, was wohl der Tatsache geschuldet war, dass Nori ihrem Ziel, sich von Wang freizukaufen, immer näherkam.

Die Frau mit den hochgesteckten roten Haaren, dem dezent geschminkten Gesicht und dem feinen, aus leichtem Stoff genähten Blazer lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte auf die geschlossene Tür des Wandsafes. Sie sehnte den Tag herbei, ab dem Nori ihre Position im Club nicht mehr in Frage stellen konnte. Andererseits war ihr natürlich sehr wohl bewusst, dass die Bedeutung des Hauses für den Paten mit dem Ausscheiden dieser Domina beträchtlich sinken würde.

Sie dachte an den Mann und die Frau, die von den Chinesen in der Nacht gebracht worden waren, an ihr Flehen und Jammern, an die verzweifelten Schreie. Nori hatte die ganze Nacht an ihnen gewütet, den beiden aufgezeigt, was es bedeutete, sich gegen Wang zu stellen. Jasmin schloss ihre Augen, rieb sich mit den Händen durchs Gesicht.

Die Domina mochte vielleicht niemanden getötet haben, doch die zahllosen Misshandlungen und entsetzlichen Qualen, die sie vielen Menschen bereitet hatte, würden sie wohl dennoch auf den elektrischen Stuhl bringen, wenn man sie zur Rechenschaft ziehen würde.

Ein Blick auf die Armbanduhr bestätigte ihr, dass es Zeit war, sich auf das Eintreffen der Handlanger des Paten vorzubereiten. Sie tippte die Zahlenkombination ins Display des Wandsafes, griff nach dem stählernen Behälter, stellte ihn auf den Schreibtisch und öffnete den Deckel.

Sie griff nach einem der Bündel, die in den Gelscheinfächern lagen, hielt plötzlich kurz inne. War das gerade ein Wunsch gewesen? Oder bloß eine Feststellung? Was in diesem Haus mittlerweile passierte, hatte nur noch an der Oberfläche mit SM zu tun. Wang hatte den Club Bizarr in ein Mafiagefängnis verwandelt, ein Lager und einen Warenumschlagplatz für all seine miesen Geschäfte.

Wie so oft malte sich die vierzigjährige Chefin des Klubs ihre Zukunft aus. Sie lebte allein in ihrem Haus, hatte keine Kinder und, abgesehen von einer Katze, keinerlei Leben um sich. Sie wusste nichts mit sich und ihrer Freizeit anzufangen, hatte immer und immer wieder nach Wünschen gesucht, die ihr wohl irgendwann, vor Jahren schon, verloren gegangen sein mussten. Ihr Leben war dieses Haus, sie war dessen Gesicht nach außen, zeigte es sauber und rein, sorgte dafür, dass sein Schmutz unten im Keller blieb, wo er auch hingehörte. Während all dieser Gedankengänge suchte sie nach ihrer eigenen Bedeutung und je länger sie nachdachte, desto plausibler wurde es ihr. Sie war um einiges wichtiger als diese menschenverachtende Bestie im Keller. Wang musste das wissen und sollte ihr endlich jene Anerkennung zuteilwerden lassen, die sie verdiente.

Ein Blick auf die Wanduhr bestätigte ihr, dass Wangs Schergen in etwa einer halben Stunde eintreffen mussten. Routiniert begannen ihre Finger die Geldscheine zu sortieren, gleichzeitig addierte sie deren Wert. In diesem Punkt hatte sie sich nie etwas zuschulden kommen lassen.

Noch ein kurzer Blick auf die Uhr ... sie hatte noch etwa eine Viertelstunde Zeit.

Jasmin war keinesfalls dumm. Das Handy, mit dem sie Kontakt zu Wang und dessen Schergen unterhielt, hatte sie unter falschen Namen erworben. Auch die Bücher waren so geführt, dass sie jederzeit einer eingehenden Kontrolle seitens der Behörden standhalten würden. Auch dieser Gedankengang bestätigte ihr wieder, wie wichtig sie für den chinesischen Paten war. Ob dies allerdings reichte? Was wollte sie überhaupt von ihm fordern? Mehr Geld vielleicht? Eine Abwertung Noris?

Jasmin schreckte zusammen, als es an ihrer Bürotür klopfte. Hastig verstaute sie die schwere Kassette wieder im Wertschrank und schloss diesen anschließend ab. Es war nicht normal, dass Wangs Lakaien zu früh aufkreuzten. Sie ging zur Tür und horchte.

„Ja? Wer ist da?"

„Lubana! Würdest du bitte kurz mit mir sprechen, Jasmin?"

Die Klub-Chefin blickte genervt zur Wanduhr. In längstens zehn Minuten würde Wangs Prätorianergarde aufkreuzen.

„Ganz kurz! Ich habe wenig Zeit."

Sie schloss die Tür auf und ließ den Arzt eintreten.

„Wie geht es dir?"

Der Mediziner zeigte Anstalten, die Frau umarmen zu wollen. Die aber hielt ihn auf Distanz, wusste sie doch genau, dass er sie für sich zu gewinnen versuchte, obgleich sie nichts Reizvolles und Liebenswertes an ihm fand. Seine Miene verdüsterte sich zusehends, während er überlegte, das Büro wieder zu verlassen. Ein kurzer Blick streifte ihr Gesicht ... es wäre ihr wohl gleichgültig.

„Ich habe dir erzählt, dass ich mich beim Boss über diese Bestie beschwert habe?"

Jasmin sah zu ihm auf und nickte gelangweilt. Der Arzt hatte es jedes Mal erwähnt, wann immer er sie gesehen hatte. Er wusste um ihren Hass auf diese Frau und suchte sich über diesen den Weg in ihr Herz zu erschleichen.

„Was du aber nicht weißt, ist das, was er ihr antun wird."

Obwohl sie sich bemühte, konnte sie ihre aufkommende Neugier vor ihm nicht verbergen. Der Arzt aber wandte sich zur Tür, wohl wissend, dass sie ihn so nicht gehen lassen würde. Sein Pfeil hatte punktgenau getroffen und die seinerseits beabsichtigte Wirkung erzielt.

„Was meinst du? Was soll er ihr schon antun wollen?"

Erneut schickte sie einen raschen Blick auf die Uhr, sie hatte nur noch fünf Minuten.

„Mir hat es einer seiner Schergen erzählt. Er hatte sich eine Infektion an seiner Eichel geholt, die ihm ziemlich zugesetzt hat. Jedenfalls wurde er ungemein redselig und hat mir detailliert berichtet, wie Wang dieses Vieh zwingen will, weiterhin in seiner Herde zu bleiben. Sie scheint für ihn wirklich sehr wichtig zu sein."

Lubana warf seiner Angebeteten einen fragenden Blick zu.

„Meinst du, zwischen den beiden ist mehr?"

Jasmin starrte den Arzt fassungslos an. Im ersten Moment sah sie einen Sinn in der Vermutung des Doktors, dann aber wurde dieser von ersten Zweifeln beiseite gedrängt.

„Du musst gehen! Wangs Männer werden gleich hier sein. Ich rufe dich später an, okay?"