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Die Adjutantin 01

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Gesa
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Offiziell war mein Vater Erhard Sahn nach der Flucht mit falschen Papieren zu Eduard Kran geworden, der als ‚mein Onkel und Adoptiv-Vater' fungierte, bis zu seinem Unfalltod. Und nun musste ich das Risiko der Fluchthilfe für Mandy eingehen. Meine Mutter wusste nichts von der geplanten Flucht, hatte mir Mandy gesagt.

Peter Wald kannte sich überraschend gut mit den Gepflogenheiten beim Grenzübergang aus. Sein Rat war einfach, aber effektiv. Ich sollte während der Kontrolle von eins bis tausend zählen. Meine Nervosität würde damit überspielt werden. Ich hatte mein längeres Haar mit einem Knoten hinten befestigt. Westler mit langen Haaren waren nicht unbekannt. Es funktionierte -- ich kam ohne Probleme rein in Ostberlin und in die Wohnung in Rummelsburg. Hier begann der erste Teil der Täuschung, der von Peter angeregt war. Für den Fall der Überwachung der Wohnung sollten wir alles vorbereiten. Es war wichtig, kein Reisegepäck zu haben oder andere Indizien, die Verdacht erregen konnten. Mandy vertraute Peter ganz und gar.

Mandy bekam in ihre große Handtasche das Doppel meiner Kleidung, die wir extra angeschafft hatten. Das T-Shirt darin war auffällig rot und hatte ‚Vietnam' als Aufschrift. Peter war der Meinung gewesen, dass die Zuordnung der Kleidung als eindeutig ‚westlich' automatisch dazu beitragen würde, die Kontrolle weniger scharf zu machen. Sie würde sich im Kaufhaus in der Nähe des Übergangs umziehen -- und danach als Martin mit meinem Personalausweis in diesem roten Hemd zur Sonnenallee gehen, wobei sie vorher die Handtasche in einer Mülltonne entsorgen würde. Sie würde ihre Haare in einem Knoten hinten zusammenbinden, so wie ich es beim Grenzübergang gemacht hatte. Ich hoffte, dass sie reibungslos durch die Grenze kam.

Ich ging in der auffälligen Kleidung, mit der ich über die Grenze gegangen war, in Richtung Intershop. An einer Straßenecke ging ich rasch herum und verschwand dann in die wartende U-Bahn in Richtung Ostbahnhof. Noch auf der Treppe zog ich mir eine graue Regenjacke aus Plastik über, die das rote Shirt verdeckte. Ich stieg als Letzter ein. Am Ostbahnhof holte ich einen Koffer aus einem Schließfach. Mandy hatte mir einen Schlüssel dafür gegeben sowie eine Art Passepartout für ein Zimmer in dem nahe gelegenen Studentenwohnheim. Dort im Zimmer öffnete ich den Koffer und wollte mich umziehen. Ich war überrascht, als ich eine Notiz von ihr auf der Kleidung sah.

„Lieber Bruder, falls es doch wider Erwarten Probleme geben sollte, dann fahre zu Oberst Popow. Du weißt schon, meinen Nenn-Onkel, der langjährige Bekannte von Mama. Er hat versprochen, heute Nachmittag in der Charité im Seminarraum 1 der Inneren zu sein. Er hält einen Vortrag für Krankenschwestern. Danach kannst Du ihn sprechen. Aber wie gesagt, das ist nur für den Notfall, der hoffentlich nicht eintritt."

6.Igor Popow

Selbstverständlich hatte Oberst Popow gewusst, dass er Mandy an dem Tag ihrer Flucht nicht offen helfen konnte. So naiv war er nicht, dass er nicht wusste, dass er sich sofort damit noch mehr in das Fadenkreuz der Stasi bringen würde. Jeder Russe, der deutsche Kontakte hatte, musste damit rechnen, dass seine deutschen Freunde und Bekannten von der Stasi überwacht wurden.

Andererseits schuldete er Bian Sahn etwas. Nicht nur deswegen, weil sie als junges Frau mit seinem Bruder liiert gewesen war -- und sie seit dieser Zeit befreundet waren. Er hatte sie gebeten, über ihre Tochter diskret Kontakte zu dem Sohn eines alten Freundes in Westdeutschland herzustellen, dessen Vater ein erfahrener Analytiker beim Erdgasunternehmen Wintershall war. Die Nachricht von ihm an seinen Freund konnte er nicht der Post anvertrauen. Das hatte besser geklappt als gedacht. Sogar eigentlich zu gut, denn weder er noch Bian hatten erwartet, dass sich Mandy in den jungen Mann verlieben würde -- und er in sie. Ein zweites Treffen war nicht vorgesehen gewesen in ihrer Planung. Die jungen Leute waren so naiv gewesen! Natürlich hatte Mandy sich damit in eine missliche Situation gebracht -- und ursächlich war er dafür verantwortlich. Wenn sie zu dem Verlobten flüchtete, dann würde er gleichzeitig dadurch eine Mitwisserin der geheimen Kontakte zwischen der westdeutschen Firma und seinem Bruder, der im sowjetischen Ministerium der Gasindustrie arbeitete, aus der DDR schaffen. Sein Bruder stand zwar hoch in der Gunst von Gorbatschow, aber der war noch nicht fest genug im Sattel. Konflikte mit der DDR-Führung konnte sein Bruder noch nicht gebrauchen.

Es war aber nicht viel, was er tun konnte. Er konnte sie durch seine Kontakte in der Nähe von Berlin halten. Von Berlin aus war eine Flucht leichter zu bewerkstelligen. Er war vorsichtig gewesen, als er deutsche Offiziere in diesem Militärhospital und in dem Ausbildungszug für weibliche Sanitäterinnen ansprach. Durch geschickte Hinweise brachte er den Kompanieführer in der militärischen Grundausbildung dazu, nach der Ausbildung Mandy für das Hospital in Potsdam einzuteilen und das Hospital, dem zuzustimmen. Mehr konnte er nicht erreichen. Mandy würde er nicht direkt helfen können, denn den Grenzübergang musste sie alleine schaffen. Seine Anwesenheit würde nur unnötige Aufmerksamkeit auf Mandy richten. Sie hatte es ihm mit der Flucht erzählt - auch die Rolle von ihrem Bruder dabei geschildert. Sie hatte ihn gebeten, ihm im Notfall zu helfen.

Martin Sahn konnte er durchaus helfen in die Tschechoslowakei zu kommen, falls das mit dem Zug nicht klappte. Vorausgesetzt, dass dieser auf seine Hilfe angewiesen war und Martin nicht schon unter Beobachtung stand. Er musste sich auch selber schützen.

7.Martin Sahn

Ich kannte natürlich den Inhalt des Koffers. Dabei war es etwas anderes, diese Sachen übungshalber in der Wohnung von meiner Schwester zu probieren, als sich dann nachher damit auf die Straße zu wagen. Sie hatte einen unauffälligen, knielangen dunkelgrauen Rock und einen hellgrauen Pullover gewählt.

Diese Sachen waren leicht als Doppel zu beschaffen gewesen. Sie hatte mich überredet, auch die entsprechende Unterwäsche zu wählen mit dem Argument, dass in dem Hotel in Pilsen dem Zimmermädchen nichts auffallen durfte. Deshalb musste ich auch ein Nachthemd und eine Ersatzbluse in dem Koffer haben. Dem hatte ich nichts entgegensetzen können. Übermorgen sollte ich schon spätestens in Österreich oder sogar schon wieder in Deutschland sein. Dann war das alles vorbei. Im Koffer befand sich auch ein Ebenbild der Handtasche, die Mandy benutzt hatte.

Glücklicherweise hatte sie schlichte, weiße Unterwäsche gewählt. Ursprünglich hatte ich mich auch gegen die Strumpfhose gewehrt, aber auch da hatte ich mich gegen ihre Argumente nicht durchsetzen können. Die Strumpfhose mit dem elastisch formenden Höschenteil sollte dafür sorgen, dass meine Männlichkeit nicht störend ‚hervorstand'. Da musste ich ihr leider rechtgeben. Sie war sehr besorgt gewesen, dass irgendein Detail in dem Hotel in Pilsen mich verraten könnte. Sie hatte mir mehrmals eingeschärft, dass ich nicht auffallen durfte.

Das BH-Hemd und der weiße Schlüpfer waren schnell angezogen. Mit der Strumpfhose tat ich mich etwas schwerer. Bluse und Rock anziehen hatte ich mehrmals geübt. Das klappte tadellos. Die Halbschuhe mit den flachen Absätzen waren auch kein Problem. Dankenswerterweise hatte Mandy diese in einer um eine Nummer größeren Passform gekauft. Den hellgrauen Pullover streifte ich schnell über. Danach löste ich den Haarknoten und frisierte mir das Haar so ähnlich wie Mandy. Mit unsicherer Hand nahm ich den Lippenstift und machte meine Lippen kirschrot, so wie mir es Mandy gezeigt hatte.

Meine eigenen Sachen stopfte ich in eine Papiertüte, die ich in die Handtasche legte. Koffer in der einen Hand und die Handtasche in der anderen strebte ich aus dem Hotel. Das Glück war mir hold. Zehn Meter hinter mir war die Müllabfuhr. Ich warf die Papiertüte aus der Handtasche schnell in den nächsten Ascheimer und beobachtete mit Genugtuung, wie der Eimer in das Müllfahrzeug entleert wurde. Danach wollte ich mich eigentlich zum Bahnhof begeben, aber ich hörte Wortfetzen aus der Nebenstraße, die meine Aufmerksamkeit fesselten. Warum das so war, war mir im ersten Moment nicht klar. Dann begriff ich, dass ich Wörter gehört hatte, die Mandy Sahn heißen konnten. Zuerst führte ich das auf meine Nervosität zurück. Dann hörte ich aber, wie der eine Mann fluchte und sich ärgerte, dass er zur Überwachung des Bahnhofes so plötzlich und so kurz vor Feierabend abgerufen wurde. Das deshalb, weil sein Chef nach einem jungen Mädchen fahndete, das angeblich zu ihrem westlichen Verlobten in die Tschechoslowakei fahren wollte. Das passte so auffällig gut, dass ich sofort genau hinhörte. Ich hörte sie leider nicht mehr den Namen des Mädchens erwähnen, aber ich hörte den Namen der Straße, wo das angebliche Fahndungsfoto gemacht worden war. Es war die Straße, in der meine Schwester wohnte. Das konnte kein Zufall sein!

Mein Herz fing an, wie rasend zu hämmern. Ich geriet in Panik. Was sollte ich tun? Jetzt zum Bahnhof zu gehen, wäre garantiert eine Dummheit. Endlich fiel mir ein, dass mir Mandy geraten hatte, mich im Notfall an den Oberst Popow zu wenden. Er war heute in der Charité. Wie sollte ich nun das Treffen mit Peter erreichen? Meine Gedanken waren verwirrt. Mit Mühe besann ich mich auf den schnellsten Weg zur Charité. Die S-Bahn musste ich vermeiden -- sie führte durch den Ostbahnhof. Die Tram konnte ich nehmen. Der Fußweg dahin führte weg vom Ostbahnhof. Für den letzten Teil des Weges musste ich mich durchfragen. Ich war kurz vor dem Seminar, als mich ein Mann anhielt, der aus einem Wagen ausstieg. Er war von einem Vopo begleitet. Mein Herz sackte mir sonst wo hin. Der Mann mich an, als ob er mich kenne. Das wars...

„Halt! Wie heißen Sie? Ihr Ausweis? Wo wollen Sie hin? Warum haben Sie nach dem Weg gefragt?"

In meiner Panik platzte ich mit dem ersten Besten heraus, was mir einfiel. Und das war einfach die Wahrheit, wenn auch durch eine halbe Lüge verbrämt. Ich konnte nur hoffen, dass er mich für Mandy hielt, wenn ich meinen Ausweis zeigte.

„Hier mein Ausweis. Mandy Sahn. Ich möchte zum Vortrag von Herrn Dr. Oberst Popow. Er wollte mir nach dem Vortrag für Krankenschwestern Ratschläge für das Lazarett in Potsdam geben."

Der Mann in Zivil stieg ins Auto und telefonierte, während der Vopo mich am Arm festhielt. Ich hörte nur ein „Ja, Herr Oberstleutnant, ich...". Dann war es nur noch ein Flüstern. Es dauerte einige Minuten.

„Gut, Gefreite Sahn. Melden Sie sich morgen um 8:00 im Lazarett beim Oberstabsarzt Dr. Kastrop. Seien Sie pünktlich mit dem Besuch. Es geht um den Besuch Ihres Bruders."

Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Der Dienstwagen fuhr wieder weg. Ich war davongekommen. Ich konnte es kaum glauben. Der Oberst musste mir helfen, falls er das konnte. Ich ging zum Seminar. Der Oberst war gerade bei der Begrüßung -- und noch vor dem Vortrag.

Er sah mich -- und zog die buschigen Augenbrauen hoch. Ich hatte ihn bisher nur auf Fotos in zivil gesehen. Er war hier in Uniform, aber gut zu erkennen. Er kam so heran, als ob er mich gut kennen würde:

„Hallo, Mandy. Schön, dass Du Dir meinen Vortrag anhörst. Nach dem Vortrag kannst Du mir ja erzählen, wie es Deiner Mutter geht, nicht wahr?"

Er sah mich bedeutungsvoll an und ich begriff, dass ich vor dem Ende des Vortrages nicht mit ihm persönlich sprechen konnte. Ich setzte mich also hin und hörte ihm geduldig zu, wie er über Wundversorgung sprach. Zum Abschluss kamen noch ein paar Fragen von den Pflegekräften. Dann bat er mich in das angrenzende Büro, nachdem sich alle Zuhörenden entfernt hatten. Er machte sorgsam die Tür zu:

„Du bist Martin, nicht wahr? Wenn Du hier bist, dann ist etwas schiefgelaufen. Wie geht es Mandy?"

Er war sehr direkt. Sein Deutsch war gut, aber man hörte ihm den russischen Akzent an. Er war sehr ruhig, aber man hörte ihm die Sorge in der Stimme an.

„Ich gehe davon aus, dass sie bereits im Flieger nach Frankfurt sitzt, Herr Oberst. Das ist nicht danebengegangen, denke ich. Sonst hätte Peter, ihr Verlobter, schon längst die roten Vorhänge in dem einen Zimmer im Axel-Springer-Haus als Warnsignal für mich zuziehen lassen. Das ist nicht passiert. Nein, etwas anderes ist passiert. Am Ostbahnhof hat man nach Mandy gesucht, das habe ich jedenfalls gehört. Ich kann also heute nicht mit der Bahn fahren. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Hier vor dem Seminar bin ich angehalten worden, weil ich suchend nach dem Weg gefragt habe. Aber man hat mich gehen lassen, nachdem ich erklärt habe, dass ich zu Ihrem Vortrag wolle."

Er zog die Stirn kraus. Das gefiel ihm offensichtlich nicht. Er fragte mich haargenau nach jedem Wort aus, dass ich beim Anhalten von den beiden ‚Offiziellen' und was ich am Ostbahnhof von den Typen gehört hatte, die nach einer Mandy suchten. Dann war sein direkter Ratschlag wie ein Schlag in den Bauch für mich:

„Martin, in der gegenwärtigen Lage kannst Du nicht das Risiko eingehen, nach Pilsen zu reisen. Die Suche am Ostbahnhof zeigt, dass die Überwacher über das beantragte Visum Bescheid wissen. Du musst solange Mandy bleiben, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Natürlich ist auch das nicht ohne Risiko. Aber in diesem Monat über die Grenze zu gehen, würde garantiert alle Warnsignale aufheulen lassen und mit Sicherheit scheitern."

Auf was hatte ich mich da bloß eingelassen, um meiner Schwester zu helfen? Es war mehr als eine Leichtfertigkeit - es war purer Wahnsinn, aber das wurde mir erst jetzt klar. Wie hatte ich nur so naiv sein können und dieses Risiko derart zu unterschätzen?

„Martin, ich habe vielleicht eine alternative Idee für eine Grenzüberschreitung, nicht über die Tschechoslowakei - sondern über Russland/Finnland. Aber für diese muss ich sehen, ob Dir die Uniform von Mandy passt. Bring also die Uniform vom Wohnheim mit. Weiterhin ... aber das können wir dann sehen."

8.Oberstleutnant Meissner

Natürlich hatte der Offizier gewusst, dass es früher oder später Schwierigkeiten geben würde. Es ging nie so, wie man es sich erhoffte. Er war zunächst hochgestimmt gewesen, als er die Nachricht bekam, dass Mandy Sahn gesichtet und gestellt worden war. Dann erfuhr er jedoch, dass dieses nicht in der Nähe des Ost-Bahnhofes war, sondern in der Nähe der Charité. Sie wolle angeblich zu einem Vortrag gehen, der von Oberst Popow gehalten wurde. Auf der anderen Leitung bekam er die Bestätigung, dass es tatsächlich einen lange vorher angekündigten Vortrag für Pflegekräfte über das Spezialgebiet des Obersten gäbe. Konnte es sein, dass es gar keine Krise gegeben hatte? Fing er an, Gespenster zu sehen? Paranoia war die Berufskrankheit von Geheimdienstoffizieren.

Das brachte ihn in eine verzwickte Klemme. Seine Idee war es ursprünglich gewesen, Mandy Sahn als Kontaktperson beim Obersten zu platzieren. Durch die heutigen Vorfälle war er misstrauisch geworden -- und hatte dieses Ziel aus den Augen verloren. Wenn er jetzt den Kontakt von Mandy Sahn mit Popow durch ein Verhör verhinderte, dann würde der Oberst allemal gewarnt sein.

Wenn er jedoch das Verhör nicht sofort durchführte, dann würde die Spur kalt werden, wenn es eine Spur gab. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass die heutigen Vorgänge nicht normal gewesen waren. Wenn sie es allerdings doch gewesen waren, dann würde er eine Chance zur Bespitzelung von Popow vermasseln. Das Anhalten von Personen war nicht so ungewöhnlich, dass es Misstrauen schüren würde. Die vorherige Ansprache durch den FDJ war auch noch im Rahmen von üblichen Konflikten. Ein Verhör durch die Stasi war jedoch ein klares Anzeichen für ein größeres Problem, das den Oberst alarmieren würde.

Meissner entschied sich dafür, Mandy ohne Verhör laufen zu lassen. Er würde nur indirekt handeln. Popow mochte wie ein scheues Reh sein, wenn er Verdacht witterte, dass man ihn überwachte. Der kannte solche Sachen noch aus der stalinistischen Zeit der UdSSR. Er war sich jedoch sicher, dass man Mandy Sahn zur IM machen konnte. Gleichzeitig rumorte es in ihm wegen der Ereignisse heute. Da stimmte etwas nicht!

9.Igor Popow

Martin war seinem Rat gefolgt. Er hatte sich zum Lazarett begeben. Dort hatte er sich die Uniform von Mandy geholt. Er sollte sich zum Gespräch mit ihm in Potsdam bei einem Freund von Igor treffen. Igor gefiel es nicht, dass Martin ihm erzählt hatte, dass er sich am nächsten Morgen beim Oberstabsarzt Kastrop melden sollte. Das roch nach Verhör. Der Junge hatte zwar eine ähnliche Stimme wie Mandy, die in der Tonlage eher eine Altstimme hatte, aber identisch war weder die Tonlage noch die Sprechweise. Der Oberst würde seinen Hut darauf verwetten, dass jemand anders bei diesem Treffen mit dabei sein würde. Wenn er nicht sehenden Auges den Bruder von Mandy in eine Falle hineinlaufen lassen wollte, dann musste er sich was überlegen. Deshalb auch das Treffen zur Besprechung.

In der Wohnung sah er sich Martin gut an. Das war für sein Projekt zur Hilfe nötig. Das bartlose Gesicht mit den leicht asiatisch anmutenden Gesichtszügen hatte etwas Weiches und Anziehendes. Der Körperbau war im Vergleich mit den stämmigen Soldaten aus seinem Feldlazarettstamm zierlich. Martin war nicht gerade groß für einen deutschen, jungen Mann. Na ja, für einen Vietnamesen hatte er die richtige Größe. Martin hatte also etwas, das ihn anzog. Das war kein Wunder. Der Junge war seiner Schwester tatsächlich sehr, sehr ähnlich und wirkte devot.

Er schlug sich den Gedanken über Alexanders reizende Gestalt aus dem Kopf. Herrgott, er sollte dem Jungen helfen und nicht ihn verführen. Die weibliche Uniform von Mandy saß dem jungen Mann gut genug. Es überraschte ihn positiv, wie gut dem jungen Mann in der Uniform die Hosen standen, die besonders am Hintern eng saßen. Der Arsch von dem jungen, ziemlich moppeligen Jungen konnte als weiblich durchgehen und auch der Schrittbereich sah akzeptabel aus. Gut, mit der Bluse und dem Jackett gab es noch Verbesserungsmöglichkeiten, aber es war nicht hoffnungslos. Mandy hatte keinen besonders üppigen Busen gehabt. Die Frage war nur, ob erstens Martin und zweitens Dr. Schleuter sowie Towarischtsch Nawralow mitspielen würden. Schleuter für die Versetzung von ‚Mandy' ans Russische Lazarett und Martin für das Einverständnis auch für mehrere Monate die Sanitätsgefreite Mandy zu verkörpern.

Bisher war der abwägende Oberst nie durch unvorsichtiges Verhalten aufgefallen. Sein Ruf als strenger Vorgesetzter, der körperliche Strafen von Dienstpflichtigen im Rahmen von Gefechtsübungen mochte, deutete zwar eine latente homosexuelle Ader an, aber er hatte sich nie mehr als andere Offiziere in der Sowjetarmee angreifbar gemacht. Sein Verhalten war kein sicheres Indiz für eine solche Neigung, dessen war er sich bewusst. Bisher hatte er sich nur in seltenen Fällen aus der Deckung gewagt -- und das auch nur in sicherer Umgebung. Das Spiel, das er jetzt vorhatte, war ein riskantes, wenn es herauskam. Wenn Martin in eine medizinische Untersuchung kam, dann war es das. Er konnte schlecht behaupten, dass er nicht gewusst hatte, dass Martin nicht Mandy war. Das würde ihm keiner abnehmen, wenn sie als seine Adjutantin arbeitete. Andererseits war es unwahrscheinlich, dass eine solche Untersuchung käme, wenn ‚Mandy' an das russische Lazarett versetzt wäre.

„Martin, ich kann Dir dabei helfen, dass die gefährliche Anklage als ‚Fluchthelfer' gar nicht erst auftaucht. Das erfordert aber zwei Voraussetzungen, von denen die schwerere direkt von Dir abhängt. Du musst bereit sein, als Mandy für zumindest sechs Monate zu leben -- und zwar als meine Adjutantin. Erst danach wird die Aufmerksamkeit wieder so abgeflaut sein, dass Du andere Schritte unternehmen kannst, bei denen ich Dir helfen kann. Die andere Voraussetzung habe ich beinahe schon in der Tasche. Oberstabsarzt Schleuter vom Lazarett in Potsdam und der Stellvertretende Standortkommandeur Nawralow vom russischen Lazarett Beelitz sind bereit, am Montagmorgen deine Versetzung als Mandy an das russische Lazarett zu genehmigen zu Ausbildungszwecken, wenn es uns gelingt sie beide heute zu überzeugen. Was sagst Du?"

Gesa
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