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Die Farben des Lebens

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Das Geld war endlich überwiesen worden. Tausend Euro war eine Menge Geld für einen ehemaligen Studenten der Betriebswirtschaft. Die nächste Zeit auf der Insel war finanziell gesichert. Aber es musste auch darüber hinaus noch für ein paar Monate reichen. Vielleicht würde er das Studium wieder aufnehmen.

Irgendwie war nach dem Vordiplom die Luft raus. Die Vorlesungen und Seminare, das tage- und manchmal nächtelange Lernen bei schlechter Luft und lauter Nachbarschaft, hatten ihn zum Schluss fast wahnsinnig gemacht. Im Studentenwohnheim ging zudem fast jeden Abend die Post ab. Insbesondere nach Abschluss von Klausuren und am Ende des Semesters sowieso.

Da kam die Einladung seines alten Kumpels Markus - mit dem er damals das Abitur gemacht hatte - mit auf die Insel zu gehen und mal auszuspannen, gerade recht. Markus hatte sich schon früh mit dem Verkauf von Ferienwohnungen und Immobilien an der Ostsee ein kleines Vermögen aufgebaut und sah nun die Chance mit einem größeren Investor zusammen im Süden sein Geld zu vermehren. Markus meinte, hier könne Ron die ersten Erfahrungen in seinem zukünftigen Metier geradezu vor Ort, also direkt am Puls des Geldes, wie er zu sagen pflegte, machen. Letztlich hat das Geld gereizt. Und Markus würde ihn nicht bescheißen, das wusste er. Schließlich holte er das Geld wie vereinbart von Markus´ Konto , das er für Ron eingerichtet hatte. Noch ein paar verkaufte Wohnungen und er hätte genügend Geld für den Rest des Studiums.

Maren ging durch den Torbogen in die Klubanlage. Palmen säumten den Weg zum Hauptgebäude. Die Sprinkleranlage zischelte wie eine Schlange und sorgte für kleine Regenbögen, die in der Luft flimmerten. An der Rezeption warteten die ersten Urlauber des heutigen Tages auf den Check in. Maren war bereits die zweite Wintersaison auf dieser Anlage. Eine sehr gepflegte, all inklusiv, fünf Sterne Klubanlage mit vielen Aktivitäten innerhalb und außerhalb. Sie war in einem Team mit fünf Frauen und sechs Männern eingeteilt, die teilweise das ganze Jahr in dieser Anlage ihren Job machten, da die Klubanlage wegen des hervorragenden Klimas ganzjährig ausgelastet war. Gut zahlende Gäste, besonders unter den Rentnern aus Deutschland und England, konnten sich hier einige Wochen und manchmal auch Monate leisten. Zum Zeitvertreib waren in den Hauptzeiten zusätzliche Animatoren eingestellt, die ihre Gäste bei guter Laune hielten. Maren war heute am Strand eingeteilt. Für die älteren Gäste gab es am Strand ein Barbecue. Damit nicht nur gegessen und getrunken wurde, spielte eine kleine Band einheimische Musik, zu der getanzt wurde.

Kleine gemeinsame Spiele unter der Leitung von zwei Animateuren rundeten die Sache ab. Maren setzte sich eine Sonnenkappe auf und mischte sich unter die

Gesellschaft.

Ron änderte seinen Plan und fuhr nicht wie geplant in die Nachbarstadt, um Markus zu besuchen. Schließlich war das Geld da und somit ein Gespräch nicht notwendig. Stattdessen zog es ihn an den Strand. Er fuhr mit dem Auto in Richtung Promenade. An jeder Ecke standen Verkäufer mit ihren kleinen und großen Ständen. Händler gingen den Touristen mit ihren Bauchläden hinterher und versuchten ihre Uhren und Sonnenbrillen an den Mann oder an die Frau zu bringen. Ron stellte den Wagen einige Seitenstraßen weiter ab und ging die winkeligen Gassen und Gässchen zurück zur Promenade.

Wie es wohl früher hier ausgesehen hat, fragte er sich beim Betrachten der alten Häuser. Es waren die Häuser von Fischern, die ihrer Arbeit durch die großen Fischfanggenossenschaften und deren Flotten beraubt, nunmehr dazu verurteilt waren, mit kleinen Bauchläden auf Kundenfang zu gehen. Nur einige wenige hielten durch, und man sah sie abends am Strand und am kleinen Hafen ihre Netze flicken. Diese Fischer waren es auch, die einige umliegenden Restaurants mit allerlei Meeresfrüchten versorgten und so den Lebensunterhalt für ihre Familien sicherten. Der Tourismus hatte sie noch nicht gänzlich zu Abhängigen gemacht. Noch nicht. Der Nachwuchs war entweder in die großen Städte auf dem Festland abgewandert und arbeitete dort in anderen Berufszweigen oder hatte sich mit dem Tourismus arrangiert und arbeitete in den umliegenden Hotels und Restaurants. Einige hatten ihre Häuser zu Pensionen oder gar die ehemaligen Ställe der Ziegen und Schweine zu kleinen Apartments umgebaut, wie auch das von Maren und Ron.

Ron schlenderte an den Ständen vorbei, schaute hier und da nach interessanten Angeboten an Musik, CDs und Klamotten. Die Hotelanlagen lagen alle oberhalb des Strandes, in einem durch eine Mauer abgeteiltes Areal. Die Klubanlage in der Maren ihren Job hatte, lag am Ende der Promenade direkt am Strand in einer bevorzugten Gegend außerhalb des Getümmels. Die Anlage hatte ihren eigenen

Strandabschnitt mit abgeteilten Poolbereichen, Tennisplätzen und Minigolf.

Ron beschloss den restlichen Nachmittag am Strand zu verbringen. Schließlich sind Semesterferien und vielleicht ergab sich ja die eine oder andere Gelegenheit dort ein paar nette Leute zu treffen.

Es wurde bereits sieben Uhr. Der Strand leerte sich zusehends. Die meisten Urlauber hatten sich bereits für den Abend eingekleidet und saßen an den Tischen in den Hoteleigenen Restaurants oder in den zahlreichen kleinen Bars die sich zwischen den Hotelanlagen am Strand verteilten. Zeit für den Einkauf,

dachte Ron und ging in einen nahe gelegenen Supermarkt. Er kaufte immer nur das notwendigste für den nächsten Tag ein, da bei diesem Klima, Obst und Gemüse schnell verdarben und der kleine Kühlschrank gerade einmal Platz für die schnell verderblichen Sachen wie Milch, Fleisch und Butter hatte. Zwei Flaschen Wein packte er noch dazu. Maren hatte morgen frei und am Sonntag wollte er auf Verkaufsgespräche verzichten. Vielleicht bot sich ja die Gelegenheit mit Maren die Insel ein wenig zu erkunden. Ein wenig Kultur tut auch ganz gut. Ron legte die Einkaufstüten auf den Rücksitz und fuhr zum Restaurant, in dem Maren am frühen Abend noch für zwei Stunden den Ausschank machte.

Er setzte sich an einen kleinen Tisch und schlug die Getränkekarte auf. Maren war noch nicht zu sehen. Wahrscheinlich war sie in der Küche, die sich direkt hinter dem Tresen in einem Nebenraum befand.

Alle Tische waren besetzt.

Er bestellte bei der Bedienung ein Bier. Es befanden sich überwiegend Touristen aus den umliegenden Hotels im Restaurant. Alle hatten sich in familiärer Garderobe gekleidet und waren bester Laune. Ein Gast hielt einer streunenden Katze einen Fischkopf hin. Eine kleine Combo spielte einheimische Folklore und altbekanntes Schlager. Maren kam aus der Küche mit einem großen Tablett sauberer Gläser. Sie hatte sich ihre blonden Haare zusammengesteckt. Nur ein paar Strähnchen hingen ihr an der Seite herunter, die sie zwischendurch mit einer schnellen Handbewegung hinter ihr Ohr klemmte. Sie hatte kein auffallendes Profil. Ihr Gesicht war eher eines von vielen Gesichtern, denen man tagtäglich begegnete. Nicht, dass sie unattraktiv auf die Männer gewirkt hätte. Nein. Sie war eher eine unauffällige Schönheit, eine Frau, die erst auf den zweiten Blick wirkte. Eine Frau mit einer klaren Ausdrucksweise, einer Unkompliziertheit und Direktheit im Umgang mit Menschen, bei denen sie so einen bleibenden Eindruck hinterließ. Vielleicht lag das ja an ihrer norddeutschen Herkunft. Man sagt diesem Menschenschlag ja nach, dass sie reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.

Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, so dass er sie noch ein wenig beobachten konnte. Sie war geschickt im Zapfen von Getränken, insbesondere von Bier.

Sie besaß schöne schlanke Finger, die alles was sie anfassten zerbrechlich und von Wert erscheinen ließ. Während Sie die Gläser füllte, blickte sie in die Runde der Tische, um beim Getränkeverzehr auf dem laufenden zu sein. Sie liebte keine Überraschungen. Sie erblickt Ron. Mit einem kurzen Lächeln begrüßte sie ihn und deutete auf ihre Armbanduhr. Er wusste, dass er zu früh war. Mit einer beschwichtigenden Handbewegung deutete er an, dass sie sich nicht zu beeilen brauchte. Das Restaurant war gut besucht und es war für ihn nicht so tragisch, wenn es etwas später werden sollte. Und schließlich bekam sie in dieser Zeit ein gutes Trinkgeld.

Mit etwas Verspätung kam Maren hinter dem Tresen hervor. Sie legte ihre Schürze ab, hing sich ihre Tasche um und ging Ron entgegen, der den letzten

Tropfen Bier aus seinem Glas trank. „Hallo Ron, sagte sie mit müder Stimme, ist ´n bisschen später geworden. Aber du siehst ja was hier los ist. Meine Ablösung ist auch etwas später eingetrudelt als erwartet."

„Ist schon o. k. erwiderte Ron, mach´ dir keine Gedanken".

Maren schlürfte in ihren Leinenschuhen zum Auto.

„Ich bin froh, wenn ich die Dinger heute Abend ausziehen kann," sagte sie mit einem frohen Unterton."

Ron startete den Wagen. Sein Einkauf lag noch auf der Rückbank.

„Es wäre wohl besser gewesen die Sachen vorher in den Kühlschrank zu packen", sagte er zu sich mit einem prüfenden Blick nach hinten. Die Butter hatte leider ihre ursprünglich, kubische Form aufgegeben, um sich in eine zweidimensionale, fließende Skulptur zu verwandeln.

„Morgen ist Sonntag und...", sagte er beiläufig, während er in den Rückspiegel schaute.

„Ich weiß, gab Maren zurück, und was weiter."

„Hast du etwas vor, fragte er. „Ja, seufzte Maren, ausschlafen. Bis in die Puppen".

Ron bog in die verwinkelte Gasse zu ihrem Apartment ein. Einige Einheimische saßen auf Stühlen vor ihren Häusern, tranken Wein und unterhielten sich. Ron parkte wie immer direkt vor ihrer Tür. Mit einem leichten Stöhnen auf den Lippen kroch Maren aus dem Auto.

„Mir tun die Füße vielleicht weh, stellte sie fest. „Ich freue mich schon auf die Dusche und auf mein Bett. Ein wenig Lesen und dann schlafen, das ist für heute alles".

Ron schloss die Tür auf. Während Maren sofort in Richtung Dusche verschwand, legte Ron die eingekauften Sachen in den kleinen Kühlschrank. Einen Vorteil hatte die neue Form der Butter, sie war jetzt so flach, dass er noch etwas darauflegen konnte. Eine Flasche Wein legte er noch dazu. Für die andere war kein Platz mehr.

Ron ging ins Nebenzimmer, wo ihre Betten standen. Von dort gelangte man in ein winziges Badezimmer. Er hörte das Wasser der Dusche plätschern. Er öffnete die Schiebetür einen Spalt und fragte Maren ohne einen Blick hineinzuwerfen, ob sie noch etwas essen wolle. Sie verneinte. Er schloss die Schiebetür. Auf ihrem Bett hatte sie sich ihre Sachen für die Nacht zurechtgelegt. Für Ron war das schon eine seltsame Situation. Noch nie zuvor hatte er auf diese Art eine Wohnung mit einem Mädchen geteilt. Maren störte ihn nicht. Sie war ein verträglicher Mensch. Er hatte sie gern. Doch es war für ihn halt eine Umstellung. Wäre sie ein Mann, dann wäre vieles weniger kompliziert.

Es ist doch schon ein Unterschied, ob auf dem Bett nebenan ein rosa Höschen mit Stickereien liegt, oder eine schlichte Unterhose mit Schlitz an der Vorderseite. Und schließlich waren da noch die Tampons, die in einer Schachtel neben seinem Rasierset lagen. Das vertrug sich für ihn irgendwie nicht. Das waren für ihn zwei verschiedene Welten. Und im übrigen konnte er sich nicht immer so geben, wie das bei Männern manchmal so übliche war. Er passte schon darauf auf, das er zum Beispiel seine Socken nicht einfach im Zimmer herumliegen ließ. Oder ob er nur in Unterhose und Unterhemd auf dem Bett herumlungerte und in seinen Büchern las. Unter Männern war das schon eher möglich, meinte er.

Maren kam aus dem Bad. Ron sah ihr an, dass sie für heute geschafft war.

„Ich gehe in die Küche und mache uns noch einen kalten Orangensaft", sagte er.

Er verließ das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Maren machte sich fertig fürs Bett. Wenig später kam er mit einem Glas Orangensaft zurück und öffnete vorsichtig die Tür. Sie lag bereits in ihrem Schlafsack mit einem Buch über Kunstgeschichte in der Hand. „Das ist lieb von dir," sagte sie und schaute ihn dabei an.

„Ich würde morgen gerne mit dir etwas unternehmen", gab er ihr zu verstehen. Ich habe gehört, das es hier ein paar Kilometer weiter in den Bergen ein altes Kloster mit alten Fresken geben soll. Du könntest mir vielleicht ein wenig Unterricht erteilen," sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen. Und anschließend machen wir noch einen Halt, in irgend einer Bucht. Ich habe eingekauft. Wir nehmen uns was zu essen mit. Hast du Lust."

„Warum nicht," erwiderte Maren. Sie kannte das Kloster zwar, wollte aber Ron den Spaß nicht verderben. „Ich setzte mich noch etwas vor den Fernseher. Mal sehen, was der deutsche Sender neues aus der Heimat bringt."

„In Ordnung", sagte Maren. Er verließ das Zimmer.

Ron suchte den passenden Fernsehkanal, stellte das Gerät leise und legte die Straßenkarte der Insel auf den Tisch, um sich ein wenig auf die morgige Fahrt vorzubereiten. Die Nachrichten brachten nichts sonderlich neues. Ron faltete die Karte zusammen und legte sie griffbereit zu den Autoschlüsseln neben den Fernseher. Es war bereits spät. Ron ging zur Schlafzimmertür und öffnete sie leise, um Maren nicht zu stören.

Sie schlief längst. Ihr Buch lag aufgeschlagen in ihrer Hand. Er nahm ihr das Buch vorsichtig aus der Hand und legte es auf den Stuhl neben ihrem Bett. Sie atmete ruhig. Einen Moment schaute er sie an. Ihr Kopf lag etwas zur Seite geneigt auf dem Kopfkissen. An ihrem schlanken Hals konnte er sehen wie gleichmäßig pulsierend das Blut durch ihre Adern strömte. Ihre Haare dufteten nach dem Pfirsichshampoo, was sie gerne benutzte und auch irgendwie zu ihr passte.

Ron machte das Licht aus, zog sich im Halbdunkel des Mondscheines bis auf die Unterhose aus und schlüpfte in seinen Schlafsack.

Die Erkenntnis

Der Sonntag machte seinem Namen alle Ehre. Es war keine Wolke am Himmel.

Von der See wehte eine schwache, kühle Brise. Ron war schon etwas früher aufgestanden und hatte etwas zu essen für unterwegs eingepackt. Das Auto war aufgetankt. Maren machte sich gerade im Bad zurecht. Die Kühlbox hatte er bereits gefüllt und ins Auto gebracht.

Maren schlüpfte in ihre Sportschuhe. Sie hatte ihr T-Shirt mit einem Knoten über ihre rosafarbenen Shorts zusammengebunden. „Es kann losgehen", trällerte sie fröhlich und setzte sich zu Ron ins Auto. Sie schaute ihn lächelnd an und setzte ihre Sonnenbrille auf.

„Na, dann los", sagte Ron und warf den ersten Gang ein.

Die Straße führte aus der Stadt zunächst in Richtung des neuen Baugebietes.

Da die meisten Straßen auf der Insel unbefestigt waren und teilweise durch Lavawüsten führten, fuhren hier die meisten Leute, wie auch Ron, kleine, offene Geländewagen, die mit den Gegebenheiten fertig wurden. Ron bog in eine Straße, die von der Küste aus landeinwärts die Hügel hinaufführte. Sie brauchten etwa fünfzehn Minuten um den höchsten Punkt der Hügelkette zu erreichen. Ron hielt kurz an. Sie blickten zurück auf das Meer, in denen sich die Wellen brachen und kleine Schaumteppiche zurückließen. Die Gischt peitschte über die Felsen, welche sich der Brandung trotzig in den Weg stellten. Das Neubaugebiet lag am Fuße der Hügelkette und war nur schwach an der rotbraunen Farbe der Rohbauwände zu erkennen.

Ron fuhr weiter in Richtung Inselmitte. Die Schotterstraße führte durch eine trostlose Einöde. Vulkane waren einst die Schöpfer dieser Landschaft. Sie waren nicht verschwunden, sondern schliefen im Innern der Insel. Sie warteten auf ihre Wiedergeburt, die sie manchmal durch kleinere Erdstöße androhten. In manchen Teilen der Insel gaben sie ihre bedrohliche Aktivität durch ständige Gasausbrüche zu erkennen. So gab es hier verschiedene Aussichtspunkte an denen man gefahrlos zuschauen konnte, wie Mutter Erde an sich arbeitete.

Aber das war nicht ihr eigentliches Ziel. Hier in der Einsamkeit gab es ein ehemaliges Franziskanerkloster aus dem fünfzehnten Jahrhundert, das für seine uralten Fresken bekannt war und nicht nur von Kunsthistorikern aus aller Welt besucht wurde. Sie erreichten die Anlage um die Mittagszeit. Die Sonne brannte auf die alten Schindeln der Dächer. Durch die Höhenlage hatte man jedoch nicht den Eindruck sie könne einem gefährlich werden. Es wehte hier ein ständiger Wind über die Hochebene.

Zur Vorsicht aber setzten Maren und Ron ihre Kappen auf und zogen eine dünne Jacke an, um der gnadenlosen Sonne nicht schutzlos ausgeliefert zu sein.

Die Klosteranlage war nur mäßig besucht. Die meisten Leute, die hierher kamen, waren Touristen, die mehr als nur Sonne, Strand und Party suchten. Die Kultur des Landes und besonders auf dieser Insel hatte weit mehr zu bieten als das. Nachdem sie die nähere Umgebung der Anlage erkundet hatten, betraten sie das Hauptschiff der Kirche durch die aus schwerem Holz gearbeitete Portaltür. Sie wurde von schweren, an ihren Enden in Kreuzform ausgearbeiteten, schmiedeeisernen Türbeschlägen in den Angeln gehalten. Sie machte den Eindruck eines Scheunentores. So wie auf Großvaters Hof. Es gab dort ein großes Scheunentor, bald drei Meter und fünfzig hoch und vier Meter breit, mit einer kleineren Türe in der Mitte. Eine Tür in einer Tür.

Wie viele Menschen durch diese Tür im Laufe der Jahrhunderte wohl gegangen sind, dachte Ron. Die schwere Tür viel ins Schloss.

Die Kirche, die aus einem einzigen lang gezogenen Hauptschiff bestand, war mit einer Holzbalkendecke versehen, in deren Felder noch schemenhaft die einst bunten und nunmehr verblassten Deckenmalereien zu sehen waren. Hin und wieder waren einzelne Figuren an ihrer Silhouette und den blassen Farbschichten zu erkennen. Franziskus in seiner braunen Kutte, wie er mit den Vögeln spricht. Ein Vogel auf einem Ast. An den Seiten befand sich ein Kreuzweg aus dem letzten Jahrhundert aus rotbraunen Tontafeln gebrannt.

Sie stachen dem Betrachter auf den getünchten Wänden sofort ins Auge.

Am Ende der Kirche befand sich der Altar inmitten einer kleinen Apsis, die aus großen und kleinen Felsbrocken gemauert war. Sie stammten aus der nahen Umgebung. Sie waren unverputzt und mussten wohl zur alten, ursprünglichen Bausubstanz der Kirche gehören. Über dem Altar hing ein Kreuz an dünnen Seilen. An ihm war ein Corpus angebracht. Er musste schon sehr alt sein, älter als das Holzkreuz an dem er befestigt war. Es fehlten bereits einige Glieder an Hän-den und Füßen. Die Oberfläche hatte Risse und man konnte erkennen, mit welcher alten Technik Kopf, Arme und Beine am Torso befestigt waren. Der Raum war mit Bänken und Stühlen ausgestattet. Ein Gestell, in dem alte, abgegriffene Bücher lagen, war mit Prospekten gefüllt.

Messen fanden hier nicht mehr statt. Seit über hundert Jahren gab es hier keine

Brüder mehr und der Weg dorthin war weit und für viele zu beschwerlich.

Maren saß auf einem Stuhl. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und betrachtete die Fresken an der Decke. Ron setzte sich einige Stuhlreihen hinter sie. Maren konnte sich verlieren in der Kunst der Maler der vergangenen Jahrhunderte. Sie bestaunte die Maltechnik dieser Menschen, die mit einfachsten Mitteln, mit Farben, die sie aus der Natur gewonnen hatten, solche wunderschönen Bilder schufen. Mit welcher Engelsgeduld haben wohl diese Künstler an den Deckenfresken gearbeitet. Sie erzählten Geschichten, ja ganze Autobiografien mit ihren Bildern und verewigten sie an den Decken von Kirchen und Klöstern. Sie zeigten das Leben, das Denken und Handeln der Menschen vergangener Zeiten. Es war spannend in ihren Bildern zu lesen.

Denn es waren ja nichts anderes als Bilderbücher. Bildergeschichten für Menschen, die nicht lesen oder schreiben konnten. Für Menschen, die nichts anderes waren, als Bauern und Handwerker. Die verbunden mit ihrem Boden, nichts anderes taten, als sich und ihre Traditionen zu bewahren. Damals, wie heute. Heute können - Gott sei dank- nicht nur die gelehrten Theologen lesen.

Diese alte Welt kennen zu lernen, dazu fühlte Maren sich berufen. Sie sah ab und zu in ein Buch, das sie mitgenommen hatte. Die Kunst war für sie mehr.