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Die FIONA-Trilogie - Das Attentat

Geschichte Info
Ein Messerattentat ändert ein Leben, privat und sexuell.
11.4k Wörter
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JoeMo1619
JoeMo1619
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Vorwort: Mit „Eine einsame Highland Farm" schreibe ich im Moment eine in dieser Form experimentelle Echtzeit-Romangeschichte, eine Idee, die von erfreulich vielen Lesern mit Spannung verfolgt wird. Viele warten mehr oder weniger ungeduldig auf die Fortsetzung. „2x2" sind in sich abgeschlossene Geschichten, die ebenfalls in Echtzeit ihre Fortsetzung finden werden, wenn die Zeit jeweils dafür reif ist. Deshalb habe ich mich entschlossen, die „Fiona-Trilogie" zeitlich in die Vor-Covid-Zeit zu legen, damit ich die drei etwa gleich langen Teile hintereinander schreiben und publizieren kann. Wenn diese Trilogie das Gefallen der Leserschaft findet, wird es eine zweite Trilogie geben, die dann in der irren und so vieles verändernden COVID-Zeit spielt. Viel Vergnügen.

(1) Ein Attentat und seine Folgen

© JoeMo1619

Nach zwölf Tagen stand ich endlich auf dem Parkplatz vor dem Portal des Cheltenham General Hospital und schaute meiner jetzt einundzwanzigjährigen Tochter Eileen zu, wie sie zwei Reisetaschen und meinen Morgenmantel in dem Kofferraum ihres Nissan Micra verstaute. Absolut unfreiwillig war ich genau diese zwölf Tage zuvor mit dem Notarztwagen unter Blaulicht und Sirenengeheul von meiner Schule hierher gefahren worden, um kurz darauf in einem eilig freigemachten OP einer Notoperation unterzogen zu werden, die mir letztlich das Leben gerettet hatte. Bis zum Einsetzen der Narkose hatte ich die Ereignisse des Tages wie in einem Dokumentarfilm im Gedächtnis. Nun hoffte ich, dass die Vorhersage der Trauma-Psychologin, die mich in den letzten Tagen betreut hatte, eintreffen würde.

„Das menschliche Gehirn ist in der Lage, mit entsprechender Hilfe tragische und dramatische Ereignisse so zu verarbeiten, dass sie das weitere Leben nicht weiter beeinträchtigen", hatte sie mir mehrfach erklärt. Hierfür sollte ich in den kommenden Wochen weiter ambulant psychologisch betreut werden.

Was war passiert? Seit vier Jahren leitete ich, Fiona Williamson, 47 Jahre alt, geschieden mit einer Tochter, eine private High School in Cheltenham als Schulleiterin. Daneben unterrichtete ich mit reduzierter Stundenzahl unverändert Englisch und Geschichte, weil mir die Arbeit als Lehrer insbesondere in den beiden höchsten Schulklassen unverändert Freude bereitete. Während der vierten Unterrichtsstunde war ich in einer dienstlichen Angelegenheit auf einem der Hauptgänge zu unserem Sportbereich unterwegs, als ich aus einem der Klassenräume plötzlich tumultartiges Geschrei hörte. Dann flog die Klassentür auf und ein junger Mann stolperte in den Gang, in der Hand haltend eines dieser speziellen japanischen Küchenmesser mit einer silbrig glänzenden, schrecklich großen und langen Klinge, von der, auf den ersten Blick erkennbar, Blut tropfte.

„Was ist da ....?" Ich hatte meine Frage noch nicht fertig ausgesprochen, als der junge Mann bereits vor mir stand und ohne weitere Ankündigung zustach. Ich bin mit 1,81 Metern eine hochgewachsene Frau, was zur Folge hatte, dass mich das Messer tief im Unterleib traf. Ich merkte, wie unmittelbar danach meine Knie nachgaben und ich mich, in mich verdrehend, auf den Boden des Korridors fiel; ein zweiter Messerstich traf mich Fallende dann hoch am Oberarm, der ein weiteres Vordringen der Klinge in Richtung meines Brustkorbs verhinderte. Dann rannte der junge Mann weiter, traf nach wenigen Schritten auf unseren Sportlehrer, der von dem Tumultgeräuschen angelockt, in den Gang gelaufen kam. Aufgrund welchen Zufalls Andrew Master einen Kricketschläger in der Hand hatte, wusste ich nicht; aber genau mit diesem Schläger setzte er den Amok laufenden Attentäter außer Gefecht und zertrümmerte dabei sein Knie, so das dieser fluchtunfähig geworden war.

Den vollständigen Tathergang hatte ich erst vor sechs Tagen von dem ermittelnden Chief-Inspektor anlässlich meiner ersten Vernehmung erfahren. Der Attentäter-Schüler, der eigentlich sehr zurückhaltende Sohn eines prominentesten Chefkochs und Restaurantbesitzers in Cheltenham, war plötzlich mit gezücktem Messer auf eine Mitschülerin losgegangen, hatte diese mit drei tiefen Stichen tödlich verletzt, hatte dann der unterrichtenden Lehrerin, die vergeblich versucht hatte dazwischenzutreten, mit einem Stich die Bauchschlagader durchtrennt und mich bei seiner beginnenden Flucht als drittes Opfer angegriffen. Meine Kollegin war noch im Klassenzimmer verstorben.

In meinem Fall war die Notfallambulanz nach wenigen Minuten vor Ort gewesen und hatte mich noch vor dem Verbluten rechtzeitig ins Krankenhaus geschafft. Bei der Not-OP hatte sich der Notfallchirurg nach kurzer Beratung mit dem Gynökologen des Krankenhaus entschlossen, mir die durch den Messerstich schwer geschädigte Gebärmutter zu entfernen; da zudem überraschenderweise zwei merkwürdig aussehende Zysten an meinen Eierstöcken erkannt worden waren, hatte man mir auch angesichts meines Alters meine gesamten weiblichen Organe entfernt. Bei der nachfolgenden Gewebs-untersuchung hatten sich die beiden zitronengroßen Geschwulste als gutartig erwiesen, aber ich war mit der Entscheidung der Ärzte absolut einverstanden.

Was mich in den letzten Krankenhaustagen nachhaltig erschreckt hatte, war die Berichterstattung in der zu Recht berüchtigten Boulevardpresse Englands. Andrew Master war zum Helden hochstilisiert worden, daneben hatten die Reporter die gesamte Privatsphäre von Lehrern, Schülern und Eltern in das von ihnen gefärbte Tageslicht gezerrt und breit gewalzt. Die Eltern des Attentäters hatten ihr bekanntes und hoch dekoriertes Restaurant vorübergehend geschlossen und waren mit unbekanntem Ziel verreist. Wie ich von der Stationsschwester erfahren hatte, hatten zwei Reporter sogar versucht, zu mir ins Krankenzimmer vorzudringen.

Die in der nächsten Woche beginnenden Herbstferien gaben mir die Gelegenheit, meine Zukunft zu überdenken. Bei meinem Besuch in meinem Schulleiterbüro und im Lehrerzimmer war ich mit Applaus und viel Zuspruch begrüßt worden. Aber ich hatte es vermieden, an den beiden verbliebenden Tagen zu unterrichten oder andere Dienstpflichten wahrzunehmen. Und ich musste mir eingestehen, dass ich ganz merkwürdige Angstgefühle in der Schule hatte und froh war, als ich wieder mein Zuhause erreicht hatte.

Eine Woche später rief plötzlich Rosi Mackenzie, die Nachbarin und enge Freundin meines seit langem verwitweten Vaters an. „Ich habe vor zwei Stunden den Notarzt gerufen. Ich habe Gary auf dem Boden seiner Scheune gefunden, der Notarzt vermutete einen Schlaganfall."

Ich stöhnte auf. „Wäre sein zweiter. Nicht gut!"

„Nein, wirklich nicht. Der Notarzt hat ihn versorgt und dann den Hubschrauber angefordert. Das kleine Krankenhaus in Broadford ist von solchen Fällen überfordert. Sie haben ihn direkt ins Raigmore-Hospital nach Inverness geflogen."

Mein Vater lebte seit dem Tod meiner Mutter vor fünfzehn Jahren allein in einem Croft-Cottage in Aird of Sleat an der Südspitze der zu den Inneren Hebriden gehörenden Isle of Skye. Die ganze Estate war ursprünglich von meinem Ur-Großvater aufgebaut worden. Der südliche Teil der großen schottischen Insel war als Clan Donald-Land bekannt, was sich auch in meinem Mädchenname Fiona Macdonald widerspiegelte. Mein Großvater hatte dann in den Nachkriegsjahren einen erheblichen Teil des Landes und die eigentliche Farm verkauft und nur dies Croft-Cottage mit dem deutlich kleineren Land als Zweithaus für Familienferien behalten. Aber dies Croft hatte eine bestechende Aussicht über den nach Süden herausgehenden Sound of Sleat rüber zur Festlandküste als auch zur Isle of Egg.

Rosis Nachricht alarmierte sowohl mich als auch meine Tochter. Schlagartig rückten meine eigenen Probleme in den Hintergrund.

„Ich habe echt Angst um Vater", hatte ich Eileen am Telefon gesagt. „Es ist sein zweiter Schlaganfall. Das ist meist sehr gefährlich." Wir beschlossen, auf dem schnellsten Weg nach Inverness zu reisen. Nach einem schnellen Internet-Check fanden wir einen direkten Abendflug von Birmingham nach Inverness und verabredeten uns am Flughafen.

Am darauffolgenden Morgen fuhren wir mit dem Taxi zum Zentral-Krankenhaus der schottischen Highlands. Eine unmittelbare Besuchsmöglichkeit war aus medizinischen Gründen nicht gegeben; wir konnten ihn nur durch eine Glasscheibe beobachten, wie er, an vielen Schläuchen und Maschinen hängend, in seinem Bett lag und schlief.

„Wenn ich ehrlich bin, muss ich Ihnen sagen, dass es nicht gut aussieht", sagte uns der behandelnde Arzt. „Wir tun alles, was für uns möglich ist. Aber der Schlaganfall hat zu einer Gehirnblutung geführt, die wichtige Hirnbereiche belastet."

„Und wenn Sie erfolgreich sind, wird er wieder allein leben können?"

„Können wir derzeit überhaupt nicht sagen. Den ersten Schlaganfall vor acht Jahren hat er erstaunlich gut überstanden. Diesmal bin ich leider ziemlich skeptisch."

Nach dem Krankenhausaufenthalt waren wir zum Mittagessen in ein Restaurant am River Ness gegangen und hielten Kriegsrat.

„Ich weiß, es ist gemein. Aber ich denke, es wäre wirklich besser, wenn Großvater stirbt", sagte meine Tochter plötzlich. „Ich denke, dass ein Lebensende als bettlägeriger Pflegefall eher Folter denn erstrebenswert ist."

Ich schaute Eileen im ersten Moment schockiert an, dachte dann aber nach. „Im Prinzip hast Du Recht. Ich habe solche Gedanken über mich selbst gehabt, als ich im Krankenhaus lag. ‚Entweder wieder vollständig gesund oder tot.'"

Während wir noch über unsere weiteren Pläne nachdachten, klingelte mein Mobiltelefon. „Sind Sie noch in Inverness?" fragte mich eine freundliche Frauenstimme. Ich bejahte. „Dann sollten Sie wieder ins Raigmore kommen. Der Arzt sagte, dass Ihr Vater wohl im Sterben liegt."

Diesmal ließ man Eileen und mich zu meinem Vater ins Zimmer. „Er ist ins Koma gefallen", erläuterte der Arzt, „und wir gehen davon aus, dass er daraus nicht mehr erwachen wird. Egal was wir machen."

„Dann soll er in Frieden sterben", war meine Reaktion. Ich hielt für die nächste halbe Stunde seine Hand, die sich eiskalt anfühlte. Dann zeigte das Überwachungsgerät für seinen Puls an, dass sein Herz den Betrieb eingestellt hatte.

Eileen und ich entschieden, uns einen Leihwagen zu nehmen und am nächsten Morgen nach Skye zu fahren. Ich wusste, dass mein Vater vor vielen Jahren einen Vertrag mit dem örtlichen Bestatter abgeschlossen hatte, so dass wir uns um keine Details kümmern mussten. Diese Information hatte ich bereits ans Krankenhaus weitergegeben, die routiniert alle notwenigen Schritte direkt mit dem Bestatter abklärten.

Unser Ziel war Vaters Cottage, das viele Jahre ein schönes Ferienziel für meine Tochter und mich gewesen war.

Rosi Mackenzie erwartete uns bereits. Ihr Croft-Cottage war der nächste Nachbar zu dem meines Vaters und mit seinen lila gestrichenen Fenstern und Türen eine deutlich sichtbare Deklaration ihrer sexuellen Zugehörigkeit. Rosi war nur wenige Jahre älter als ich und eine Schottland-weit bekannte Feministin und Vorkämpferin der LGBTQ-Bewegung. Auf der anderen Seite war sie eine hart arbeitende Crofterin, im Grundsatz hatte sie neben ihrer eigenen Landwirtschaft die meines Vaters und einer weiteren Nachbarin unter ihrer Fürsorge. Sie hatte zudem dafür gesorgt, dass diese drei Crofts sowie weiteres Land mit einer Gesamtfläche von rund 120 ha an der Südspitze von Skye nach der Gesetzesreform von 2003 in ihr jeweiliges grundrechtliches Eigentum übergegangen waren. Mein Vater hatte auf der anderen Seite durch seine kleine Buchhaltungs- und Steuerberatungspraxis, die er - nach dem Verkauf seiner eigentlichen Firma fünfzehn Jahre zuvor - für lokale Kunden bis zu seinem Lebensende betrieben hatte, für administrative und finanzielle Ordnung gesorgt.

Eileen und ich machten uns in Rosis angenehm warmer Küche bequem, tranken Tee und aßen auch schon zur Lunchtime selbstgebackene Scones.

„Gary war ein wunderbarer Mann", gestand mir Rosi, ein Kompliment, dass mich angesichts ihres lesbischen Hintergrundes überraschte. „Er war der einzige vertrauenswürdige Mann in unserem Buch- und Leseclub. Wir werden ihn sehr vermissen."

Rosis Aussage machte mich neugierig. „Ein feministischer Buch- und Leseclub mit einem männlichen Mitglied?"

Rosi lachte tief und hintergründig. „Da staunst Du? Du wusstest nicht, dass Dein Vater ein belesener Mann war?"

Eileen und ich schauten sie mehr als verblüfft an. „Als ich mich vorhin im Cottage umgeschaut habe, habe ich keine zehn Bücher gesehen."

„Brauchte er auch nicht. Die spezielle Lektüre unseres Clubs bekam er ja auch hier."

„Was für eine spezielle Lektüre?"

„Meine liebe Fiona. Lesbische Frauenlektüre. Und unsere vier Clubmitglieder probieren gern die gelesenen Anregungen in Praxis aus." Rosi lachte wieder auf ihre charakteristische Weise und schaute mich mit betont freundlichen Augen an. „Wir wissen beide, dass Garys erster Schlaganfall ihn vollständig impotent gemacht hatte. Das vereinfachte die Sache, er war praktisch unser fünftes Mitglied, im wahrsten Sinne des Wortes." Rosi griff nach der Teekanne und schenkte uns allen nach. Damit gewann sie auch kurz Zeit, in der sie überlegte, wie weit sie uns die Wahrheit erzählen sollte. Dann gab sie sich sichtbar einen Ruck. „Er machte seine fehlende Potenz durch sein unglaublich stimulierendes Geschick mit Mund, Zunge, Fingern, Händen und wer weiß noch was für zusätzliches Spielzeug wett." Sie nickte ein paar Mal nachdenklich. „Ja, ich bin mir sicher: wir werden ihn alle sehr vermissen."

Ich war in der Tat überrascht. Ich kannte die enge Freundschaft zwischen meinem Vater und Rosi, aber diese intimen Informationen waren neu für mich. Mein Vater hatte sich in einem Kreis lesbischer und bisexueller Frauen den Ersatz für sein verloren gegangenes Familien- und Liebesleben geschaffen und weder ich noch meine Tochter hatten je etwas bemerkt.

„Ein paar seiner Erlebnisse beziehungsweise Fantasien hat er in eigene Geschichten umgesetzt. Wahrscheinlich findest Du sie auf seinem Laptop. Ich habe aber ebenfalls einen kompletten Satz auf meinem PC hier, wenn Ihr sie irgendwann einmal lesen möchtet."

„Wenn etwas mehr Ruhe eingekehrt ist, sehr gerne." Ich war in der Tat neugierig geworden, diese mir total unbekannte Seite meines Vaters kennenzulernen.

„Erbst Du eigentlich Garys Besitz hier?" wechselte Rosi plötzlich das Thema.

„Soweit ich sein Testament kenne, ja. Wieso fragst Du?"

„Wäre schön, wenn Du es behalten würdest. Es würde mir und einigen anderen hier große Sorgen bereiten, wenn es an jemanden Wildfremden verkauft würde. In Ardvasar und Armadale haben mittlerweile viele Crofts den Besitzer gewechselt und sind dann entcroftet und in Ferienhäuser umgewandelt worden."

„Ich weiß, ehrlich gesagt, noch überhaupt nicht, was ich damit anfange. Wie Du mit Sicherheit aus der Presse entnommen hast, habe ich einige sehr schlimme Wochen hinter mir."

„Ja, habe ich. Gary hat auch mit mir darüber gesprochen. Er hat sich sehr große Sorgen um Dich gemacht, vielleicht hat dies auch den zweiten Anfall mit ausgelöst. Bist Du wieder gesund?"

„Medizinisch weitgehend. War eine radikale Operation, aber sie haben mir das Leben gerettet. Aber psychisch habe ich das Ganze beim besten Willen noch nicht verarbeitet. Ich bin aber in guter Betreuung."

Rosi lehnte sich zurück und schaute mich einen Augenblick prüfend an. „Musst Du wieder arbeiten?"

„Ich bin bis auf weiteres krank geschrieben. Vorläufig bis zum Schulhalbjahr. Wenn ich überhaupt in die Schule zurückkehren will. War ein sehr merkwürdiges Gefühl, als ich nach meiner Entlassung aus dem Hospital in meiner Schule war."

„Hast Du Angst gehabt?"

„Wenn ich ehrlich bin, ja."

Rosi holte tief Luft. „Du solltest Dir überlegen, ob Du nicht für eine Zeit hierher kommst. Unsere Claire ist die für die Inseln zuständige Psychologin im NHS und könnte Dich bestimmt gut betreuen. War früher in der Army und hat sehr große Trauma-Erfahrung." Rosi grinste. „Und ist ein ständiges Mitglied in unserem Buchclub."

Ich antwortete sehr zurückhaltend, dann glitt unser Gespräch auf andere Punkte ab.

Als ich mit Eileen wieder zurück im Cottage meines Vaters war und mit ihr zusammen begann, seine Hinterlassenschaft durchzusehen, griff meine Tochter den Punkt direkt auf. „Ich finde, dass Rosi einen großartigen Vorschlag gemacht hat, Mama. Hier hast Du genügend Abstand zu den Ereignissen aus der Schule und kannst in Ruhe überlegen, was Du in Zukunft machen willst. Und über Rosi und ihre Dr. Claire hättest Du auch sofort menschlichen Anschluss."

Ich lachte sie an. „Vielen Dank für den Ratschlag, Eileen. Hat nur einen Nachteil: ich gehöre nicht zu Rosis Lesbenzirkel."

„Du sollst Dich ja auch nicht sofort in ihre Betten legen. Du bist hier geboren und hast auf Skye Deine Kindheit verbracht. Ich glaube, dies spezielle Lebensumfeld hier würde Dir sehr gut tun, Abstand zu dem Attentat zu gewinnen."

„Und wo soll ich wohnen?"

„Hier, in Großvaters Cottage."

Ich schaute mich um und verzog mein Gesicht. „Da müsste ich aber erst einmal viel ändern, um das hier einigermaßen bewohnbar zu machen." Ich lachte leicht sarkastisch auf. „Man sieht an allen Ecken und Enden, dass hier ein dreiundsiebzigjähriger Witwer allein gelebt hat. Gottseidank war mein Vater ein sehr ordentlicher Mann, sonst würde das hier noch sehr viel schlimmer aussehen."

„War halt Buchhalter und Steuerberater. Da ist Ordnungssinn die Berufsvoraussetzung."

„Stimmt. Du bist ja aus demselben Holz geschnitzt." Ich stand auf und ging einmal bewusst durch das Cottage, um im Geiste zu überlegen, was ich alles sofort ändern müsste, um hier auch nur für ein paar Wochen oder Monate zu leben. Das Cottage hatte einen kleinen Eingangsvorbau, den man in Schottland schon aufgrund des nassen und windigen Alltagswetters für die Außenkleidung unbedingt brauchte. Im Erdgeschoss gab es dann zwei Zimmer, wovon eines als Wohn- und das andere als Arbeitszimmer gedient hatte, dazu gab es einen Flachdachanbau mit Küche und einem kleinen Bad, beides etwas altbacken, aber voll funktionsfähig. Daneben war ein weiterer Raum, der von meinem Vater als Abstellkammer für alles mögliche genutzt worden war. Im Dachgeschoss lagen die zwei Schlafzimmer und ein zweites kleines Bad. Ich kalkulierte das Cottage mit seinem nachträglichen Anbau auf ungefähr 100 m2, aber für eine Person, gegebenenfalls mit Gästen wäre das voll ausreichend.

„Also", setzte ich mich wieder zu Eileen an den Küchentisch, „das Haus bräuchte sofort einen hellen Innenanstrich, die Wände haben seit Jahrzehnten keine frische Farbe gesehen. Und ich bräuchte sofort ein neues Schlafzimmer. Vaters Bett und Schrank sind echt nur noch Schrott. Und ich werde umgehend in eine professionelle Tiefenreinigung des ganzen Hauses investieren", ergänzte ich. „Hier auf der Insel gibt es bestimmt örtliche Putzdienste, die die ganzen Ferienhäuser sauber machen."

Ich setzte mich mit Eileen hin und begann eine Liste von Maßnahmen und ein Budget aufzustellen. „Wird ein paar Tausend Pfund kosten", betrachtete ich am Ende unsere Arbeit.

„Lohnt sich aber, Mama. Ich würde auch sehr gern hierher kommen. Ist schon eine besonders schöne Lage."

Zurück in unserer Bed & Breakfast-Pension in Ardvasar diskutierten wir noch einige Stunden über Renovierungsideen, um aus dem Croft-Cottage ein attraktives Zweithaus zu machen. Am nächsten Tag sprach ich mit einem örtlichen Maler, den mir Rosi empfohlen hatte. Er machte mir sofort ein Angebot und sagte zu, die Arbeiten innerhalb von zehn Tagen zu erledigen. Zudem organisierte Rosi mir einen Handyman-Dienst, der die beiden unbrauchbaren Schlafzimmer im Obergeschoss noch vor den Malerarbeiten leerräumte und das Mobiliar entsorgte. Er würde auch die alten, mit Sicherheit entsetzlich unhygienischen Teppichböden im Obergeschoss herausreißen.

Somit blieben nur noch zwei Erstaufgaben zu lösen: erstens neue Fußböden in beiden Geschossen und zweitens der Kauf von zwei neuen Schlafzimmern. Zu meiner Überraschung konnte mir Rosi für die Fußböden ein anerkanntes Familienunternehmen in Kyle of Lochash empfehlen; auch hier konnte am Ende der Touristensaison zügig geliefert und montiert werden. Ich entschied mich im ganzen Haus für einen Holzlaminatfußboden, auf den man ganz nach Bedarf richtige Teppiche auslegen konnte.

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