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Die junge Gräfin Teil 01

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„Willkommen im Mittelalter", sagt Jasmin. Dazu dreht sie den Kopf zu mir zurück. Sie muss sehr laut sprechen, damit ich sie über den Lärm des Motorrades hinweg verstehe.

Ich staune nicht schlecht, als die Flügel wie von selbst aufschwingen und den Weg freigeben. Die alten Tore gleiten nahezu geräuschlos zur Seite. Kaum ist die Öffnung breit genug, dass wir mit dem Motorrad durchpassen, gibt Jasmin Gas und braust den Hügel hinauf.

Sie bringt das Motorrad vor einer sehr alt aussehenden Steinmauer zum Stehen und gibt mir zu verstehen, dass ich absteigen kann. Sie bockt die Maschine auf, öffnet eine Garage und stellt unser Fahrzeug hinein. Die Garage wurde nachträglich neben dem Gebäude errichtet. Sie ist neu und man sieht, dass sie aus einer ganz anderen Epoche stammt, wie die Burg. Wir nehmen beide den Helm ab. Diese legt Jasmin in der Garage auf einen Tisch und schließt ab.

„Das ist mein Reich", sagt sie.

Ich schaue sie verblüfft an. Was meint sie damit? Kann es wirklich sein, dass ihr das gesamte Anwesen gehört?

„Du wohnst hier?", frage ich.

„Ich bin hier aufgewachsen und habe das Land nach dem Tod meiner Eltern geerbt", antwortet sie.

„Deine Eltern sind gestorben? Das tut mir leid", versichere ich.

„Das ist inzwischen sieben Jahre her. Ich war damals sechzehn und ihr Tod hat mein Leben von einem Tag auf den anderen verändert", meint sie. „Den Tod kann niemand vorhersagen. Und das ist gut so."

„Du wohnst hier allein?"

„Nein, das nicht. Ich habe drei Angestellte. Eine Köchin, ein Hausmädchen und einen Butler, der sich um alles kümmert, was anfällt. Ich verwalte die Ländereien und mache die Buchhaltung", erklärt sie.

Ich staune nicht schlecht. Das hätte ich dem jungen Mädchen gar nicht zugetraut. Wozu arbeitet sie dann auch noch in unserer Firma?

„Wieviel Land gehört denn zum Anwesen?", frage ich. „Reicht wohl nicht zum Leben?"

„Wie kommst du darauf?", will sie wissen.

„Du gehst vermutlich deshalb arbeiten, weil die Ländereien nicht genug abwerfen?", mutmaße ich.

Jasmin lacht vergnügt auf. Ihr Lachen wirkt ansteckend und lockert die leicht angespannte Atmosphäre auf.

„Ich arbeite, damit ich unter Leute komme. Wie sonst hätte ich dich finden sollen?"

„Mich finden?", bin ich überrascht. „Hast du nach mir gesucht?"

„In gewisser Weise schon", weicht sie aus. "Nun ja, nicht dich im Speziellen. Du weißt schon was ich meine. Wenn ich hier Trübsal blase, finde ich nie nette Leute, mit denen ich mich abgeben könnte."

„Du findest mich also nett?"

„Ja, kann man so sagen", bestätigt sie. Ein Hauch von Rot überzieht einen kurzen Moment ihre Wangen.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass es hier einsam ist. Muss schwer gewesen sein, als deine Eltern gestorben sind."

„Ich denke manchmal noch mit Wehmut an die Zeit zurück, als ich ein kleines Mädchen war. Ich habe Tagelang in diesen Wälder herumgetollt. Ich hatte eine wunderbare Kindheit. Ich habe mich so frei gefühlt, wie sich ein Vogel frei fühlen kann, der hoch oben in den Lüften seine Kreise zieht. Von einem Tag auf den anderen war alles vorbei und das Leben hat mich eingeholt", erzählt sie. Ihre Augen werden feucht, während sie erzählt. „Es war ein Unfall, ein LKW hat an einer Kreuzung den Wagen meiner Eltern nicht kommen sehen und -- Peng -- sie waren nicht mehr da."

Es entsteht eine kurze Pause. Einen Moment lang wirkt Jasmin traurig und ist mit ihren Gedanken weit, weit weg. Doch schon im nächsten Augenblick ist sie wieder im Hier und Jetzt.

„Ich bin heute kein kleines Mädchen mehr!", antwortet sie trotzig. „Das Leben hat mich schnell älter werden lassen, aber gleichzeitig auch stark gemacht."

Ich würde sie am liebsten in den Arm nehmen und aufmuntern. Doch Jasmin fängt sich schneller, als ich meine Zurückhaltung überwinden kann. Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie nicht so stark ist, wie sie sich gibt. Ich bin sicher, Jasmin hat auch ihre weichen Seiten und möchte diese endlich zeigen können.

„Komm schon, wir werden zum Abendessen erwartet", meint sie. „Ich würde dir nicht raten, Helene, meine Köchin, zu verärgern, weil wir zu spät kommen. Das würde sie dir nie verzeihen."

Sie lacht dabei schon wieder vergnügt und geht auf das Burgtor zu. Ein leises Summen ertönt, als hätte jemand nur darauf gewartet, dass Jasmin die Klinke berührt. Eine kleinere Tür im großen Tor lässt sich öffnen und wir treten ein.

Wir stehen in einem Innenhof, der von massiven Steinmauern umgeben ist. Die Anlage macht einen ausgesprochen wehrhaften Eindruck und scheint sehr alt zu sein. Der Innenhof ist überraschend groß und mit zahlreichen Bäumen bewachsen. Während etwa ein Viertel von einer Außenmauer mit Wehrgang begrenzt wird, an die ein Burgfried anschließt, wird der restliche Teil von Gebäuden gesäumt.

Vor meinem geistigen Auge ziehen Ritter auf ihren Pferden vorbei, die in den Innenhof geritten kommen und ihre Tier an den Bäumen festbinden. Einen Moment lang träume ich einfach vor mich hin.

„Sag mir nicht, dass wir im Rittersaal speisen", sage ich.

„Ich dachte, wir beide können auch in einem kleineren Raum essen", antwortet Jasmin. Bei diesen Worten mimt sie die vornehme Dame und kichert dann im Anschluss daran. „Aber wenn es Majestät gefallen würde, können wir noch umdisponieren. Du bist wohl der romantische Typ."

„Nein, danke. Ein kleiner Raum reicht völlig. Ich kann mir nicht vorstellen, an einer langen Tafel zu sitzen, du an einem Ende und ich am anderen", wiegle ich ab.

„Das könnte dir im Rittersaal blühen", neckt sie mich. „Das wäre unpersönlich und einem Gespräch nicht förderlich."

Während dieses Gesprächs gehen wir auf das Haupthaus zu. Für mich ist die Situation ungewohnt. Ich bin unsicher, wie ich mich in diesem Ambiente verhalten soll. Ich war schließlich noch nie in einer Burg zum Abendessen eingeladen.

„Ich zeige dir das Schloss ein andermal. Bei Tag wäre ideal, auch wenn die Burg nachts viel spannender und geheimnisvoller wirkt", meint sie wie nebenbei.

„Sag nur, dass es hier spukt", scherze ich.

„Man erzählt sich seit Jahrhunderten, dass Herzogin Eulalia immer wieder ihre Scherze mit Gästen getrieben haben soll. Doch man hat schon länger nichts mehr von ihr gehört oder gesehen", antwortet sie ernst.

„Schon länger?", frage ich neugierig nach.

„Seit etwa hundertdreißig Jahren", meint Jasmin. Dabei grinst sie frech.

„Na dann wird sie nicht gerade heute Nacht wieder damit anfangen", erwidere ich.

Jasmin lacht mich an. Ihr Blick ist voller Wärme und Zuneigung. Kann es sein, dass sie mich mag? Wir gehen eine breite, überdachte Außentreppe nach oben und betreten über ein altes, mit wunderschönen Schnitzereien verziertes Tor das Gebäude. Wir gelangen direkt in einen großen Saal.

„Das ist der Rittersaal", erklärt mir Jasmin.

Im schwachen Licht des Abends wirkt der Raum unpersönlich. Eine lange Tafel steht vor dem Kamin. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei ausreichender Beleuchtung, einem großen Feuer im offenen Kamin und vielen Leuten, der Saal heimeliger und wärmer wirkt.

„Hier drinnen wurden früher rauschende Feste gefeiert", erzählt sie. „Das ist aber schon etwas länger her."

In Jasmins Stimme schwingt ein melancholischer Unterton mit. Sie denkt wohl an die Zeit mit ihren Eltern zurück. Sie sagt aber nichts weiter und wendet sich einer Treppe zu, die an einer Seitenwand des Saales nach oben führt. Dort angekommen, stehen wir auf einer kleinen Plattform und gelangen durch eine Tür in einen engen Gang.

„Hier sind die Zimmer", informiert sie mich.

Am Ende dieses Ganges führt eine Wendeltreppe wieder nach unten. Ich folge Jasmin in einen Raum, den ich als Jagdzimmer bezeichnen würde. Auf einer Seite steht ein Tisch, an dem locker acht Personen Platz nehmen könnten, auf der anderen lädt eine abgewetzte Ledercouch zum Lümmeln ein. Sie wirkt trotz ihres Alters edel und zeitlos. Im Kamin brennt ein Feuer und schenkt dem Raum nicht nur Wärme, sondern auch eine romantische Stimmung.

Die Wände werden von Trophäen und Jagdbildern geschmückt. Ich habe keine Ahnung, ob diese Kunstwerke von Wert sind. Sie schauen auf jeden Fall alt aus und passen in die Burg.

„Schön hier", sage ich.

„Es ist das Zimmer, in dem sich meine Eltern am liebsten aufgehalten haben", antwortet Jasmin. In ihrer Stimme schwingt erneut Wehmut mit.

„Sie fehlen dir", stelle ich fest.

„Natürlich fehlen sie mir", antwortet sie ruhig. „Ich bin zwar über ihren Tod hinweg, aber fehlen werden sie mir wohl ein Leben lang. So aus dem Leben gerissen zu werden ist für die, die zurück bleiben, grausam."

Jasmin ist traurig und ganz automatisch nehme ich sie diesmal in den Arm und drücke sie an mich. Ich fühle das Bedürfnis, sie zu trösten. Ich denke gar nicht lange nach, ob sie das auch will. Mir wird erst, als ich sie bereits im Arm halte, bewusst, dass meine gut gemeinte Geste von ihr auch als übergriffig empfunden werden könnte.

Zu meiner Erleichterung schaut sie mir überrascht, aber keineswegs abweisend in die Augen und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Ich kann in der Halsbeuge ihren Atem spüren. Er ist ruhig und regelmäßig. Wir verharren kurz in dieser Umarmung. Es ist ein sehr vertrauter Moment, den ich unglaublich genieße.

„Ich war noch verdammt jung", meint sie. „Und danach ganz allein."

Statt etwas zu sagen, streiche ich ihr mit einer Hand beruhigend über den Kopf. Das veranlasst sie zu mir hoch zu schauen. In ihrem Blick liegt Dankbarkeit. Sie scheint es zu schätzen, dass ich ihr Halt geben will. Sie löst sich schließlich mit sichtlichem Widerwillen von mir.

„Wir sollten zu Tisch gehen", meint sie. Ihre Stimme ist leicht belegt und sie muss sich räuspern

Jasmin deutet auf den Tisch, auf dem sich zwei Gedecke befinden. In der Mitte des Tisches stehen eine Flasche Wasser und eine Flasche Rotwein.

„Wo soll ich sitzen?", frage ich.

„Wo du möchtest. Bei uns geht es schon lange nicht mehr förmlich zu", antwortet sie. Sie lächelt und zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Ich passe genau genommen nicht wirklich hierher."

„Die Zeiten ändern sich. Das muss aber nicht schlecht sein", gebe ich zurück. „Hast du auch einen Adelstitel."

„Das willst du gar nicht wissen. Ich bin eine Gräfin Freifrau zu sowieso und von etwas anderem. Ich kann mir das selbst nie merken. Ich lege wenig Wert auf Titel. Mir ist viel wichtiger, wie ein Mensch ist und was für einen Charakter er hat."

---

Während wir uns an den Tisch setzen, kommt eine Frau in den Raum. Ich würde sie auf Mitte Vierzig schätzen.

„Guten Abend, Gräfin", grüßt sie steif. „Hatten Sie einen angenehmen Tag."

„Danke Helene, es ging so. Darf ich vorstellen, das ist Marc", antwortet Jasmin.

„Guten Abend Herr Marc", wendet sich die Köchin an mich.

„Guten Abend, Helene", grüße auch ich.

„Was gibt es Gutes?", erkundigt sich Jasmin. „Ich habe Hunger."

„Das freut mich. Es gibt als Vorspeise Bandnudeln mit Pfifferlingen, als Hauptgang habe ich Kalbsbäckchen zu bieten und als Nachspeise einen Kaiserschmarrn", informiert uns Helene.

„Mir bitte kleine Portionen. Sonst schaffe ich nicht alles", ersuche ich.

„Keinen Hunger?", neckt mich Jasmin. Dabei gibt sie Helene ein Zeichen und diese verschwindet.

Wenig später kommt ein junges Mädchen, das ich auf Mitte Zwanzig schätze und serviert uns die Bandnudeln.

„Guten Abend, Gräfin", grüßt auch sie sehr förmlich. „Guten Abend, Herr Marc."

„Guten Abend", antworten Jasmin und ich im Chor.

„Das ist Sofie, das Hausmädchen", informiert mich Jasmin. Sofie hat uns inzwischen wieder alleine gelassen. „Mahlzeit!"

„Mahlzeit!"

Ich nehme eine Gabel und koste die Bandnudeln. Sie schmecken wunderbar. Als unbedeutender Architekt habe ich wenig Erfahrung mit gehobener Küche. Ich könnte mir allerdings gut vorstellen, dass man dieses Gericht in einem Sternerestaurant serviert bekommen könnte.

„Isst du jeden Tag so lecker?", erkundige ich mich.

„Lecker schon, aber nicht drei Gänge. Das gibt es nur, wenn ich Gäste habe. Das kommt leider so gut wie nie vor", antwortet sie.

„Du lebst hier sehr zurückgezogen?"

„Viel zu einsam, für ein junges Mädchen. Ich habe zwar den Führerschein und besitze zwei Autos und das Motorrad, doch am Abend wegzufahren ist mir meist zu umständlich. Auch wenn ich mir vornehme, mehr zu unternehmen, ziehe ich es am Ende meist doch lieber vor, hier zu bleiben."

„An manchen Tagen schaffe auch ich es nicht, meinen inneren Schweinehund zu überwinden, noch einmal raus zu gehen. Dabei wohne ich mitten in der Stadt und alles liegt in meiner direkten Umgebung. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dir hier draußen, abseits jeder Zivilisation, noch viel schwerer fällt, sich aufzuraffen", pflichte ich ihr bei.

„Könntest du dir vorstellen, hier zu wohnen?", will Jasmin wissen.

Sie überrascht mich mit der Frage. Ich verstehe nämlich nicht ganz, was sie damit meint. Jasmin kann unmöglich fragen, ob ich bei ihr einziehen möchte. Vermutlich will sie nur theoretisch wissen, ob ich gerne hier wohnen würde, wäre ich an ihrer Stelle.

„Es ist sicher schön hier. Platz hast du auch genug. So auf Anhieb könnte ich nicht sagen, ob die Vorteile oder die Nachteile überwiegen", antworte ich.

„Ich meine, ob du dir vorstellen könntest, hier einzuziehen", wird sie deutlicher.

„Ich hier einziehen?"

„Ja, warum nicht?"

„Als Untermieter?"

Sie schaut mich mit einem tadelnden Blick an, wechselt dann aber da Thema. Wir sprechen nur noch über unpersönliche Dinge. Ihre Frage bleibt unbeantwortet und ich bin froh, weil ich nicht wüsste, was ich sagen soll. Irgendwie ist alles noch zu früh.

---

„Machen wir noch einen Verdauungsspaziergang?", will Jasmin wissen. Wir haben fertig gegessen und einen Kaffee getrunken. Ich bin pappsatt und ein paar Schritte würden mir sicher guttun.

„Ja gerne", antworte ich deshalb.

Jasmin steht auf und ich folge ihrem Beispiel. Sie führt mich zurück in den Gang, von dem die Zimmer abgehen.

„Warte bitte einen Moment. Ich ziehe mich schnell um", ersucht sie mich.

„Mach nur", antworte ich.

Jasmin entschwindet durch eine der Türen, kommt aber schon wenig später wieder zurück. Sie hat die Kleider gewechselt und trägt nun sehr knappe Jeans-Hotpants, mit allerlei Löchern und Rissen drinnen. Sie lassen ihre langen und perfekt geformten Beine voll zur Geltung kommen. Darüber trägt sie ein T-Shirt, das knapp unterhalb der Brüste endet und damit ihren Bauch freilässt. Ich kann sogar den Übergang ihrer süßen Möpse zum Brustkorb erahnen. An den Füßen hat sie Sneakers an. Sie sieht unglaublich jung und kess aus.

„Komm!", meint sie nur. Dabei lacht sie mich verheißungsvoll an.

Ich folge ihr hinaus in den Innenhof. Über das Tor verlassen wir die Burg und schlendern einen Waldweg entlang. Es beginnt bereits zu dämmern, doch der Vollmond steht bereits hoch am Himmel und übernimmt allmählich die Beleuchtung. Jasmin scheint eine unerschrockene, junge Frau zu sein. Zwar ist das Grundstück von einer hohen Mauer umgeben und sie kennt sich bestens aus, aber ich kenne wohl kein anderes Mädchen, das sich um diese Zeit noch in den Wald trauten würde.

Da fällt mir ein, dass sie erzählt hat, wie sie als Kind den ganzen Tag im Wald herumgetollt hat. Sie ist hier zu Hause und kennt vermutlich jeden Winkel dieses Waldes. Kein Wunder, dass sie keine Angst hat, auch nachts einen Spaziergang zu unternehmen.

Wir gehen eine Zeitlang völlig entspannt und schweigend nebeneinander her. Ich würde gerne den Arm um sie legen, traue mich aber nicht. Ich weiß nicht recht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll. Ich will nicht mit der Tür ins Haus fallen und sie abschrecken. Deshalb halte ich mich zurück. Ich hänge meinen Gedanken nach und nehme an, dass es Jasmin ähnlich ergeht. Beide sagen wir nichts. Trotzdem ist es kein peinliches Schweigen.

Als wir nach etwa zehn Minuten einen See erreichen, der vom silbernen Licht des Mondes beschienen wird, bleibe ich unwillkürlich stehen, um diese magische Stimmung auf mich wirken zu lassen. Die große weiße Scheibe spiegelt sich im ruhig daliegenden Wasser, das aussieht, wie ein großer schwarzer Spiegel. Die Stimmung wirkt irgendwie unrealistisch.

„Moment! Hier war ich schon einmal", stelle ich fest.

„Es gibt Orte, da hat man das Gefühl schon einmal gewesen zu sein", antwortet Jasmin. Sie sagt das auffallend beiläufig.

„Nein, ich war schon einmal hier. Letzte Nacht im Traum, um genau zu sein. Ich kann mich genau erinnern", versichere ich.

Ich bin ein wenig aufgeregt. Mir wird bewusst, dass das kein Zufall sein kann. Zwar verstehe ich nicht, wie ich einen Ort träumen kann, an dem ich noch nie war. Trotzdem muss es damit etwas auf sich haben.

„Du warst letzte Nacht hier?", meint sie. Jasmin hat einen zweifelnden Unterton in ihrer Stimme.

„Ganz sicher!", beteure ich.

„Erzähl mir!", fordert sie mich auf. Dabei beobachtet sie mich sehr eindringlich. Ihre wachen Augen fixieren die meinen.

Zum Glück ist es fast Nacht. So sieht Jasmin hoffentlich nicht, wie ich rot anlaufe. Ich kann ihr doch nie im Leben erzählen, was ich geträumt habe?

„Erzähl schon!", wird sie ungeduldig.

„Ich war mit dir hier."

„Was haben wir gemacht?"

„Wir sind spazieren gegangen und haben geredet."

„Und danach?", bohrt sie weiter.

„Danach ....", stottere ich. „Danach waren wir in einem Zimmer."

„Und hatten Sex?"

„Ja", bestätige ich kleinlaut. „Woher weißt du das?"

Jasmin ist stehen geblieben. Sie scheint genauso überrascht zu sein, wie ich. Wir stehen uns gegenüber und sind beide angespannt. Ich frage mich, wie sie wissen konnte, dass wir in meinem Traum miteinander geschlafen haben. Hat sie nur geraten? Eher nicht! Sie packt mich mit ihren Händen an den Schultern. Sie schaut mir geradewegs in die Augen. Mir ist nicht klar, ist sie überrascht oder sauer.

„Es war der geilste Fick, den du je hattest?", will sie wissen.

„Mein Gott, Jasmin! Du stellst Fragen!", reagiere ich peinlich berührt. So gut kennen wir uns schließlich auch wieder nicht. „Aber ja, es war atemberaubend schön!"

„Entschuldige, mir ist schon klar, dass wir bei einem Thema sind, das noch etwas früh ist anzusprechen, wenn man bedenkt, dass wir uns erst seit gestern kennen", gesteht sie.

Sie lässt mich los und dreht sich um. Jasmin schaut über den See und scheint sehr nachdenklich zu sein. Sie ist definitiv nicht sauer. Sie ist eher überrascht.

„Ziemt sich so etwas überhaupt für die Frau Gräfin", versuche ich die Situation mit einem Scherz aufzulockern.

„Lass das, mit der Frau Gräfin! Mach keine blöden Witze", reagiert sie unwirsch. Sie dreht sich um und gibt mir einen freundschaftlichen Fausthieb gegen die Schulter. „Komm mit, ich muss dir etwas erklären."

Sie nimmt meine Hand und zieht mich hinunter zum Ufer, wo sie sich auf einen großen Stein setzt. Mit der Hand klopft sie neben sich und gibt mir damit zu verstehen, dass ich mich neben sie setzen soll. Jasmin ist überraschend bestimmend. Ich kann mich ihrer Aura nicht entziehen und komme der Aufforderung nach. Sie dreht sich zu mir um und ergreift meine Hand.

„Du bist ein sehr sensibler Mann", stellt sie fest.

„Woher weißt du das? Wir kennen uns noch nicht lange genug, dass du das sagen könntest."

„Ich kenne dich besser, als du meinst. Außerdem sagt dein Traum sehr viel über dich aus. Nur sehr sensible Menschen sind dazu in der Lage", erklärt sie.

„Es träumen doch alle", bin ich verwundert.

„Das schon" meint sie. Sie lächelt mich unsicher an. Ich merke, dass sie nicht weiß, wie sie beginnen soll. Es entsteht deshalb eine längere Pause. Ihre Augen huschen nervös hin und her.

„Stopp! Ganz ruhig. Fang einfach von vorne an. Wir haben Zeit", schlage ich vor.

Jasmin fixiert mich mit ihrem Blick. Wenn ich mich nicht irre, erkenne ich eine rote Färbung in ihrem Gesicht. Ich kann das trotz des schwachen Mondlichtes erkennen.

„Gut", meint sie. „Von Anfang an."