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Die Kunststudentin

Geschichte Info
Während einer Aktzeichnung beginnt es zu knistern.
11.6k Wörter
4.76
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Vorwort

Von verschiedener Seite ist die Bitte an mich herangetragen worden, die ›Die Kunststudentin‹ aus der Erzählung, ›Die erotische Geschichte‹, herauszulösen und eigenständig zu veröffentlichen. Diesem Wunsch komme ich hiermit nach. Diese Fassung ist komplett überarbeitet und verfügt über einen Schluss.

Mein herzlicher Dank gilt Jochen, der auch diese Geschichte gegengelesen hat!

Wie immer freue ich mich über konstruktive Kritik!

Im April 2024 habe Kritik meiner Leserschaft aufgegriffen und die Geschichte leicht überarbeitet.

Copyright TiefImWesten, Dezember 2023 - April 2024

Die Kunststudentin

Laura rannte mit ihrer Zeichenmappe unter dem Arm die Treppe ihres Fakultätsgebäudes hinauf. Wieder einmal war sie knapp dran. Mit quietschenden Sohlen kam sie auf dem frisch gebohnerten Boden vor der Tür des Zeichensaals zum Stehen und warf einen Blick auf ihre Uhr. ›Verdammt, schon wieder fünf Minuten zu spät!‹, ärgerte sie sich. Sie öffnete die Tür und sah in den Kreis ihrer Kommilitonen. Erleichtert stellte sie fest, dass ihre Professorin, Frau Dr. Hufnagel, noch nicht eingetroffen war. Hinter sich hörte sie in diesem Moment schnelle Schritte den Gang entlang kommen. Sie drehte sich um und sah ihre Dozentin sich in Begleitung eines unbekannten jungen Mannes dem Saal nähern. Beiden hielt sie die Tür auf, begrüßte sie kurz und schloss diese hinter ihnen. Eilig ging sie den beiden hinterher, bog zu einem freien Platz ab und setzte sich. Außer Atem blickte sie kurz zu den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kurses. Sie vermied längeren Augenkontakt, da es ihr peinlich war, erneut auf den letzten Drücker gekommen zu sein. Wieder einmal hatte sie beim Zeichnen zu Hause die Uhr aus dem Blick verloren. Während sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen, glitt ihr Blick durch den Saal und sie fand, ihren früheren Eindruck bestätigt, dass dies ein trostloser Raum sei. Der Boden war mit einem Naturstein imitierenden Kunststoffbelag ausgelegt und die kahlen Wände in einem undefinierbaren hellgrau-weiß gestrichen. An der anderen Gangseite standen Staffeleien und Stühle eng zusammengerückt in Reserve. Auf ihrer Seite standen die Stühle, auf denen ihre Kommilitonen Platz genommen hatten weiter auseinander, mit jeweils einer Staffelei davor.

Mit einem, »Guten Tag zusammen!«, unterbrach die Dozentin Lauras Gedankengang und fuhr fort: »Nachdem wir uns die letzten Wochen mit Stillleben beschäftigt haben, beginnen wir heute mit dem Aktzeichnen.«

Ein leichtes Kichern lief durch die Runde und Frau Dr. Hufnagel zog die Brauen hoch. »Ja, ja! Es ist immer das Gleiche. Wenn ich das erste Mal das Wort Aktzeichnen erwähne, geht das Kichern los. Daran werde ich mich nie gewöhnen. Nun ja, vielleicht liegt das einfach am Altersunterschied. Sei's drum. Unser Modell heißt Johannes. Heute fangen sie mit Bleistift an, später gehen wir zu Kohle über. Ich hoffe, keiner hat seine Zeichensachen vergessen! Zur Erinnerung an alle: Hier gilt absolutes Handyverbot. Wenn eine oder einer von ihnen meint, es wäre eine schlaue Idee, eine Zeichnung mit einem hier erstellten Schnappschuss daheim zu vervollständigen, so sei demjenigen versichert, dass die Zeichnung dann mit ungenügend gewertet wird! Das dürfte allerdings ihr kleinstes Problem werden, da wir ausnahmslos jede erstellte Fotografie in diesem Saal zur Anzeige bringen! Dies geschieht vor allem zum Schutz unsere Modelle.« An Johannes gewandt setzte sie fort: »Zieh dich doch schon einmal um!«

Ein kurzer Schrecken durchfuhr Laura, als sie die unverblümte Drohung vernahm und sie sah, dass es den Kommilitonen ähnlich erging. Doch sie vergegenwärtigte sich, welche negativen Folgen es für die Modelle hätte, wenn Nacktaufnahmen von ihnen im Netz kursieren würden. Indes verschwand Johannes hinter einem Paravent auf der anderen Seite des Saals und die Dozentin ging auf weitere Details der heutigen Sitzung ein. Alle bereiteten ihre Staffelei vor und kurze Zeit später kam der junge Mann mit einem Bademantel und ein paar Schlappen bekleidet zurück.

»Wir fangen heute auf der Bank an«, sagte die Professorin. »Komm, Johannes, fass mal kurz mit an!«

Beide trugen eine an der Wand stehende Bank heran und stellten sie in den Mittelpunkt des lockeren Halbkreises, den die Staffeleien bildeten. Sie bestand aus dunklem Holz, Sitzfläche und Rückenlehne waren beplankt und die Armlehnen sowie die Lehne wiesen geschwungene Schnitzereien auf, die der Bank einen antiken Charakter gaben.

Als er ablegte, stand die Dozentin zwischen ihm und den Studierenden und erklärte ihm mit knappen Worten seine erste Pose. Danach wandte sie sich um und rief: »So meine Lieben, sie haben jetzt eine halbe Stunde Zeit! Danach machen wir fünf Minuten Pause und es folgt eine zweite Pose.«

Während Laura die Einteilung ihrer Zeichnung mit dünnen Strichen festlegte, fragte sie sich, was einen jungen Mann dazu bewog, sich vor einem unbekannten Publikum zu entkleiden und zeichnen zu lassen. Sie blickte zu ihm hinüber und versuchte, seine Mimik zu ergründen. Sein Gesicht glich einer starren Maske, welche einen festen Punkt schräg oben hinter ihr fixierte. Sie konnte sich nicht verkneifen, einen Blick auf seine Lenden fallen zu lassen. Doch eines seiner Beine verdeckte das Geschlecht. Sie verdrängte schnell alle Gedanken bezüglich seiner Nacktheit und konzentrierte sich darauf, in der gegebenen Zeit möglichst viel zu erreichen.

Nach der Pause setzte sich Johannes in einer anderen Pose auf die Bank, und alle beeilten sich, mit der Zeichnung so weit wie möglich zu kommen, da ihre Dozentin sie darauf hingewiesen hatte, dass sie alles Fehlende später aus dem Gedächtnis zu zeichnen hätten, weil es keine Wiederholung des Seminars geben würde.

An den folgenden zwei Zeichensitzungen konnte Laura nicht teilnehmen, da sie mit einer schweren Grippeinfektion ans Bett gefesselt war. Nach ihrer Genesung suchte sie die Professorin in ihrer Sprechstunde auf und erkundigte sich, ob sie für die fehlenden Zeichnungen mehr Zeit bekommen könnte, da sie aus gesundheitlichen Gründen nicht an den Stunden hatte teilnehmen können, wie ein vorgelegtes Attest bestätigte. Ihre Dozentin teilte ihr mit, dass eine verzögerte Abgabe nicht möglich wäre. Nach kurzem Überlegen bot sie jedoch an, Johannes zu fragen, ob er bereit wäre, eine außerordentliche Sitzung mit ihr abzuhalten. Laura bat darum, es zu versuchen und ergänzte, dass ihr jede Zeit recht wäre. Frau Dr. Hufnagel rief ihn an und erklärte die Situation. Er schlug den kommenden Samstagvormittag vor und Laura bestätigte den Termin mit einem Nicken. Es würde nur ein Problem geben, meinte die Dozentin, halb ins Telefon sprechend, halb an ihre Studentin gerichtet: Sie hatte niemanden, der als zusätzliche Person anwesend sein konnte. Zum Hintergrund erläuterte sie, dass die Statuten des Instituts es untersagten, dass sich ein Mann und eine Frau während einer Aktzeichensitzung alleine im Zeichensaal aufhielten. Laura entgegnete, dass sie diese Maßnahmen zur Sicherheit aller Beteiligten begrüßen würde, sie aber bei Johannes keine Bedenken hätte. Johannes sagte ebenfalls, dass er einverstanden wäre. Daraufhin hatte die Professorin keine Einwände und vereinbarte den konkreten Termin.

Am Samstag wollte Laura sich Johannes gegenüber für seine Mühe erkenntlich zeigen, kochte eine Thermoskanne Kaffee, besorgte etwas Obst und beim Bäcker frisches Laugengebäck. Das erste Mal in diesem Semester erschien sie sogar überpünktlich vor dem Zeichensaal. Wenig später kam Johannes den Gang entlang und begrüßte sie: »Na, guten Morgen! Du bist also die Studentin, der ich diesen Extra-Termin verdanke.«

Laura lief sofort knallrot an und entschuldigte sich stotternd: »Es tut mir leid, dass ich deinen Samstagmorgen kaputt gemacht habe. Ich war krank und konnte...«

»Mach dir keine Sorgen!«, unterbrach er sie lachend. »Du hast mich falsch verstanden. Mir kommt diese Extrasitzung sehr gelegen, da ich das Geld dringend brauche.«

Laura stieß erleichtert einen Seufzer aus und fügte hinzu: »Dann ist es ja gut. Ich dachte schon, ich würde dir große Umstände bereiten. Ich heiße übrigens Laura.«

»Freut mich, dich kennen zu lernen, Laura.«

Er entsperrte die Tür des Saals, ließ sie eintreten und schloss sie hinter ihr. Zusammen stellten sie die Bank an eine passende Stelle. Auf dem Weg zum Paravent rief er ihr zu: »Hol schon einmal deine Sachen raus! Ich bin gleich so weit.«

Sie beeilte sich bei ihren Vorbereitungen und sobald er auf der Bank seine erste Pose eingenommen hatte, fing sie mit dem Zeichnen an. Nachdem sie wenig später die Grundstruktur skizziert hatte, begann sie mit der Detailarbeit. Während einer regulären Zeichenstunde wäre sie nicht auf die Idee gekommen, mit dem Modell ins Gespräch zu kommen. Jetzt aber fragte sie nach einer Weile in die Stille des Raums hinein, die lediglich von den leisen Geräuschen ihrer Bleistiftstriche gestört wurde: »Johannes, wie wird man eigentlich Modell?«

Er schaute sie überrascht an, denn er war es nicht gewohnt, während der Sitzungen sich zu unterhalten. Tatsächlich war es das, was er an diesem Job so schätzte, dass es derart wenige Gelegenheiten gab, dem Zwang zu unterliegen, mit anderen zu sprechen. Daher zögerte einen Moment, bis er antwortete: »Es hat am schwarzen Brett einen Aushang gegeben, dass die Akademie für dieses Semester wieder ein Modell suchen würde. Da ich, wie schon erwähnt, das Geld dringend brauche, um meine Wohnungsmiete zu bezahlen, habe ich mich sofort gemeldet.«

»Gab es nicht viele, die die Stelle haben wollten?«

»Doch, schon!«

»Und welche Qualifikationen musstest du erfüllen, damit du sie bekommen hast?«

»Eigentlich keine. Mir sind jedenfalls keine bewusst.«

»Und... warum hast du sie im Endeffekt bekommen?«, fragte sie, während sie weiterzeichnete.

»Weil ich vermutlich der Einzige gewesen bin, der bereit war, auch als Aktmodell zu arbeiten.«

»Kein anderer hat dazu Lust gehabt?«, fragte sie.

»'Weiß ich nicht. Die Hufnagel... ich meine, Professor Hufnagel hat mir erzählt, dass sie absichtlich nichts von Aktmodell in die Anzeige geschrieben hat, da sich in früheren Fällen dann kaum jemand gemeldet hatte.«

»Verstehe ich nicht«, sagte Laura wie beiläufig, als sie weiter an ihrer Zeichnung arbeitete.

»Was verstehst du nicht?«

»Dass so viele damit Probleme haben, nackt auf einer Bank zu sitzen, eigentlich nichts zu tun und dafür noch Geld zu bekommen«, meinte sie und schaute zu ihm hinüber.

»Na... so selbstverständlich ist das ja auch wieder nicht. Etwas Überwindung hat mich das schon gekostet«, gab er zu. »Da ich aber nicht Bafög-berechtigt bin und meine Eltern der Meinung sind, dass es mir guttun würde, sowohl unter Menschen zu kommen als auch etwas für meinen Lebensunterhalt zu tun, habe ich hier zugesagt. Dabei ist mir schon klar, dass man es nicht -- wie du bereits erkannt hast -- als richtiges Arbeiten bezeichnen kann.«

»Warum nicht? Was ist denn schon dabei? Alle, die eine Sauna besuchen, sitzen auch nackt auf einer Holzbank.«

»Da hast du allerdings recht! So habe ich das bisher gar nicht gesehen. Außerdem muss man sogar noch etwas dafür bezahlen«, ergänzte er lachend und schaute sich in diesem Moment das erste Mal bewusst die Studentin an, die ihn soeben zeichnete. Wenn er einer Gruppe Modell saß, blendete er die einzelnen Teilnehmer komplett aus und hätte später von keiner Person sagen können, ob diese im Kurs war. Dem Wunsch seiner Eltern folgend, war er zwar von anderen Menschen umgeben, sprach mit diesen jedoch nicht, was ihm entgegenkam, da er sich damit ziemlich schwertat. Smalltalk hatte er noch nie beherrscht und wenn er stumm im Kreise mit anderen stand, fühlte er sich überflüssig.

Die jetzige Situation war anders: Ihm gegenüber befand sich nur eine einzige Studentin, Laura, wie er jetzt wusste, und sie hatte ihn ungefragt in ein Gespräch verwickelt. Dies entwickelte sich weniger unangenehm, als er es im ersten Moment befürchtet hatte. Er musterte sie aus dem Augenwinkel. Sie trug ihre dunklen, langen, glatten Haare in einem Pferdeschwanz, so dass ihr Gesicht gut zur Geltung kam. Im Vergleich zu ihren großen Augen hatte sie eine relativ kleine Nase. Ihre Lippen waren in der Mitte etwas breiter als in den Mundwinkeln, die Wangen bildeten jeweils eine fast gerade Linie, die am Kinn rund zusammen liefen. Ihm gefiel das Spiel ihrer Mimik, während sie konzentriert arbeitete. Ihre Kleidung hingegen überraschte ihn. Entweder besaß sie überhaupt kein Stilgefühl, oder sie zog sich absichtlich geschmacklos an. Ihr schlabbriges, verwaschenes T-Shirt passte farblich überhaupt nicht zu dem Rock, und die Farbe ihrer Sandalen biss sich mit beiden. Wo manche Frauen den Kontrast in ihrer Kleidung suchten, wirkte Lauras wie eine Mischung aus bieder und fast schäbig.

»Und dir macht das Aktmodell-Sitzen nichts aus?«, fragte sie und riss ihn aus seinen Gedanken. »Nicht dass ich mich beschweren würde, wie sollten wir sonst das Zeichnen lernen.«

Er zögerte so lange mit seiner Antwort, bis sie von ihrer Arbeit aufblickte und ihn ansah. Er schien bewusst ihrem Blick auszuweichen und sie gewann den Eindruck, dass es ihm unangenehm war, zu antworten. »Entschuldige bitte«, fuhr sie fort, »ich wollte dir nicht zu nah treten.«

»Ach, ist schon okay. Es ist mir nur..., wie soll ich es sagen..., ziemlich... peinlich, darüber zu sprechen.«

»Brauchst du ja nicht«, sagte sie, nahm das Zeichnen wieder auf und dachte sich, dass seine finanzielle Not sehr groß sein musste, wenn ihn das nackt Modell stehen doch eine solche Überwindung kostete.

»Ich kann's dir ja sagen. Wir sind ja unter uns. Ich..., ich habe Angst, mich lächerlich zu machen!«

Sie hielt erneut mit dem Zeichnen inne, tat einen Schritt neben die Staffelei und erkundigte sich »Womit solltest du dich denn lächerlich machen?«

»Ich habe immer Angst, dass..., dass sich bei mir ein gewisser Zustand einstellt, es alle sehen und sie sich dann über mich lustig machen!«, gestand er und richtete seinen Blick langsam, ja fast ängstlich auf sie. Als sie ihm verständnisvoll zunickte, gewann er langsam seine Zuversicht zurück und nahm seine Pose nach einer kurzen Pause wieder ein.

Laura fragte sich, wovon er so verklausuliert sprach, bis ihr aufging, was er gemeint hatte, schmunzelte leicht und kehrte zu ihrer Zeichnung zurück. Sie arbeitete noch einige Minuten weiter, bis sie ihm mitteilte: »Ich denke, ich habe jetzt das Wesentliche. Die letzten Details arbeite ich zu Hause nach. Ich will dir nicht mehr als nötig von deinem Samstag rauben.«

Er entspannte sich und meinte: »Ist nicht schlimm! Möchtest du eine Pause machen, bevor es weitergeht?«

»Wegen mir nicht. Ich bin gerade gut im Fluss. Aber wenn du eine brauchst? Bitte!«

»Nein, ich kann weitermachen.«

Während sie das Blatt wechselte, streckte er sich kurz und setzte sich in einer anderen Pose auf die Bank.

Sie begann mit schnellen Strichen, die Umrisse zu skizzieren. Währenddessen drängte sich der Gedanke von vorhin zurück in den Vordergrund: Der Grund für seine Befürchtung, sich lächerlich zu machen. Wie würde sie darauf reagieren, wenn es passieren würde? Auslachen würde sie ihn deswegen sicherlich nicht. Ob es ihm bereits einmal passiert war? Konnte sie ihn fragen..., durfte sie ihn so etwas fragen? Nach einer Weile gewann ihre Neugier: »Und, ist es schon einmal passiert?«

»Was?«

»Dass dieser gewisse Zustand eingetreten ist?«

»Warum möchtest du das wissen? Willst du dich etwa über mich lustig machen?«

»Nein, überhaupt nicht! Ganz im Gegenteil. Ich wollte mit der Frage zum Ausdruck bringen«, sagte sie schnell, »dass ich hoffe, andere haben sich deswegen noch nicht über dich lustig gemacht. Sorry... hab' ich mich schlecht ausgedrückt.«

»Äh... nein, ist mir noch nie passiert.«

»Und wenn schon«, fügte sie wie beiläufig nach einer kurzen Pause hinzu, »was wäre denn schon dabei? Ist doch was ganz Normales..., ohne das gäbe es uns alle nicht.«

»Du bist lustig, dir kann so etwas auch nicht passieren.«

»Was?... Ach so!... Nein..., beziehungsweise doch, im Sommer passiert mir das andauernd.«

»Bitte was?«, fragte er erstaunt, verließ seine Pose, schaute sich kurz im Saal um, -- wie um sich zu vergewissern, dass sie weiterhin alleine waren -- und kehrte zu ihr zurück: »Du hast im Sommer ständig eine..., eine Erektion?«

»Erektion?..., -- Nein..., natürlich nicht!«, lachte sie herzhaft laut auf. »Was ich meine: Wenn ich im Sommer mal ein T-Shirt mit etwas mehr Ausschnitt anziehe oder einen Minirock trage, dann schauen mich die Männer mit Stielaugen an. Das hasse ich, es ist so... vulgär.«

»Ja, das verstehe ich!«

»Wie, du verstehst, warum die Männer mich so direkt -- ja -- anglotzen, als wollten sie mir die Kleider vom Leib reißen?«

»Ja, das kann ich auch nachvollziehen.«

»Bitte? Ich höre doch wohl nicht richtig!«, sagte sie mit leicht verärgerten Ton.

»Lass mich erklären, was ich meine: Erstens meinte ich, dass ich verstehe, dass es dir genauso unangenehm ist, wenn Männer dich anglotzen, wie es mir unangenehm wäre, wenn mich der ganze Kurs... aus diesem Grund anstarren würde. Und als ich sagte, dass ich es nachvollziehen könnte, wollte ich damit ausdrücken, dass ich diese Männer verstehe, wenn sie... einer sommerlich gekleideten Frau lüstern nachschauen, die..., die ziemlich gut aussieht. Und wenn ich sage, dass ich es verstehe, meine ich nicht damit, dass ich es gutheiße.«

»Ah, jetzt wird da besser ein Schuh draus. Und danke dafür!«

»Wofür?«

»Für das ›ziemlich gut aussieht‹.«

Er schluckte kurz und fühlte, wie ihm Schamesröte in die Wangen fuhr. Es war überhaupt nicht seine Absicht gewesen, ihr ein Kompliment zu machen. Er hatte das Gefühl, etwas von seiner Beherrschtheit zu verlieren, daher schob er schnell hinterher: »Das ist mir so rausgerutscht. Ich hoffe, das empfindest du jetzt nicht als sexistischen Kommentar oder dumme Anmache.«

»Warum sollte ich?«

»Na, weil es für viele heute schon als verboten gilt, einer Frau ein Kompliment für ihr Aussehen zu machen. Sie sagen, es wäre eine unerwünschte sexuelle Annäherung und eine Reduzierung auf ihr Äußeres«, erklärte er und nahm erleichtert seine Pose wieder ein.

»Es kommt immer darauf an, wie es gemeint ist! Und was ist verkehrt daran, von einem nackten Mann ein Kompliment zu bekommen?«

»Häh?«

»Hallo..., das sollte ein Scherz sein!«

Ihm gefiel ihre Art, keck mit Worten umzugehen. Sie traf genau den Ton, den er als angenehm empfand. Andere schossen oft über das Ziel hinaus, wenn sie einen schnippischen Kommentar abgaben. Sie gar nicht. Ebenfalls hatte sie zuvor auf seine Offenheit hin etwas von sich preisgegeben, obwohl sie keine Veranlassung dazu hatte. Trotzdem hatte sie es getan! Sie war mit einem Mal für ihn mehr als irgendeine Studentin, die eine Zeichenklasse besuchte, und er verspürte den Wunsch, mehr über sie zu erfahren. Er haderte für einen Moment mit sich, bis er seine Scheu überwand und fragte: »Ist Kunst für dich Haupt- oder Nebenfach?«

»Hauptfach. Warum fragst du?«

Mit dieser Gegenfrage hatte er nicht gerechnet und da er sich scheute, ihr offen sein Interesse an ihr zu zeigen, antwortete er ausweichend: »Ich bin bisher mit keinem der Anderen aus dem Kurs ins Gespräch gekommen, obwohl ich schon das ganze Semester als Modell arbeite.«

»Woran liegt das?«

»Ich weiß nicht..., vermutlich... hauptsächlich wohl an mir«, gab er zögernd zu. Es war für ihn ungewohnt, dass sich jemand wirklich für ihn interessierte. Sie war anders! Sie nahm ihn so, wie er war, hörte zu und stellte ihn nicht sofort in Frage. Er fasste sich ein Herz und setzte fort: »Am Ende des Kurses beim wieder Anziehen lass ich mir immer extra Zeit, so dass alle den Saal bereits verlassen haben, wenn ich wieder hervorkomme.«

»Du willst also nicht mit ihnen ins Gespräch kommen?«, fragte sie und stellte es gleichermaßen fest.

»Ja und nein«, gestand er. »Eigentlich möchte ich schon wissen, weswegen sie Zeichnen lernen wollen und was sie sonst so machen. Aber ich habe dann Hemmungen, mich mit ihnen zu unterhalten, wo sie mich kurz zuvor noch nackt gesehen haben.«