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Die Violinistin und die Bassistin

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Sie schrieb mir einige Male, wie geil sie unseren Kurzurlaub gefunden hatte, und wie sehr sie ihr Leben hasste.

Ich bekam kurze Nachrichten, die ich teilweise nicht verstand. Aber es ging wohl immer darum, wer ihr wieder Unrecht getan hatte, was ihr Studium oder ihre Privatlehrer von ihr erwarteten. Sie schickte mir ihren Zeitplan und allerlei mehr, auf das ich meist aber nicht antwortete. Was sollte ich sagen? Okay, sie hatte viel zu tun. Aber wenn man gut sein wollte, dann musste man halt Zeit investieren, und wenn man sehr gut sein wollte, musste man sehr viel Zeit investieren. Ich konnte ihr da nicht so richtig folgen.

Es gab da diese Anekdote von so einem musikalischen Ausnahmetalent. Den Namen habe ich vergessen. Nach einem Konzert jedenfalls war eine Frau zu ihm gekommen und hatte ihm gesagt: „Ich würde mein Leben geben, wenn ich so wunderbar spielen könnte." Der Musiker hatte darauf geantwortet: „Ich habe das getan!"

Man musste immer weiter üben. Musik ist nicht wie Fahrradfahren. Musik ist ständiges Üben. Wenn man eine Weile aussetzt, verliert man es wieder.

Man muss dran bleiben.

Mein Leben war in diesem Moment ebenso stressig, und so nahm ich ihre Beschwerden nicht so ernst, und ich hatte auch nach dieser intensiven Woche, in der wir immer aufeinander gehockt hatten, gar nicht den Bedarf, noch mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Wenn ich abends nachhause kam, legte ich mal gerne die Füße hoch und machte die Glotze an. Irgendwann hatte ich auch mal genug Leute gesehen. Und auch Joelle bat mich nicht um ein Treffen, es ging ihr also ähnlich.

Mir schien, dass wir beide ein wenig Abstand brauchten voneinander. Ich hatte das Gefühl, dass wir aus Mallorca in zwei unterschiedliche Welten zurückkamen. Meins bestand aus Arbeit, Geld verdienen, aber auch dem Nachgehen meiner Hobbys. Ich war insgesamt zufrieden. Es war anstrengend, aber auch befriedigend. Ich erwartete nichts Unrealistisches und wurde daher auch nicht enttäuscht. Das Leben war, wie ich es mir machte, und verdammt viele Leute hatten ein schlechteres als ich. Ich hatte allen Grund, zufrieden zu sein. Joelle aber haderte mit sich und all den Ansprüchen, die man an sie richtete.

Erstaunlicherweise sah ich sie das nächste Mal im Fernsehen. Ein lokaler Sender hatte so etwas wie eine Homestory mit ihr gemacht, hatte sie interviewt und war ihr eine Weile gefolgt.

Es war gut gemacht, und auch ich lernte eine Menge über sie. Wie zeitaufwendig ihr Alltag war, wie viel sie übte, wie ihr Tag durchgeplant war. Sie schien mir fast so etwas wie ein Rennpferd zu sein, eine Ware, die man veredelte, um mehr Geld mit ihr zu verdienen. Sie hatte einen Manager und nicht nur einen, sondern gleich mehrere Lehrer.

Ich war überrascht. Sie hatte bislang immer Zeit für mich gefunden, aber scheinbar hatte sie dafür eine Menge Termine umschichten müssen, denn laut des Berichts über sie war ihr ganzer Tag durchgeplant.

Sie erzählte sogar von unserer Woche auf Mallorca. Natürlich kam ich nicht drin vor, aber sie erzählte, dass diese Woche quasi ihr Jahresurlaub gewesen wäre. Allerdings sagte sie auch, dass sie selbst in dieser Woche die Violine stets dabei gehabt und jeden Tag geübt hätte. Das war definitiv nicht wahr. Ich wusste nicht, warum sie log. Vielleicht wollte sie der Öffentlichkeit zeigen, wie hart sie arbeitete, vielleicht hatte sie aber auch all den Leuten, die auf sie aufpassten, zu üben versprochen.

Es war interessant, was ich alles über sie erfuhr, und ich bekam ein vollkommen neues Bild von ihr. Vieles wurde mir nun klarer, und ich musste gestehen, dass sie mir Leid tat. Denn wie sie mit Musik umging, das war meiner Meinung nach nicht normal, das war nicht schön oder gesund. Joelle erzählte in dem Interview, dass sie die klassische Musik liebte, aber in der Zeit, in der wir zusammen waren, beschäftigte sie sich nie damit. Sie hörte auf ihrem iPhone keine klassische Musik. Wenn wir zusammen waren, kam diese Musik nicht vor.

Ihr Interviewer fragte, ob sie auch moderne Musik hörte, aber sie verneinte, meinte, dass die alte Musik so komplex und facettenreich wäre, dass sie so viel zu lernen hätte. Sie hätte keine Zeit, sich mit moderner Musik zu beschäftigen. Auch das war nicht wahr.

Ich hätte mich betrogen fühlen können. Ich hätte mich angelogen fühlen können. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie nicht mich anlog, sondern ihren Interviewer, ihre Lehrer, ihre Eltern, das Management und die Zuschauer.

Wusste ich mehr über sie als alle anderen Menschen auf der Welt? Das schmeichelte mir für einen Augenblick, bis ich merkte, dass sie natürlich auch mich belog. Sie schien zu niemandem so richtig ehrlich zu sein. Zu mir vielleicht etwas weniger unehrlich als zu anderen. War das schon eine Auszeichnung? Ich wusste es nicht.

Das Interview wurde unterbrochen. Dann wurde sie mit ihrer Familie gezeigt.

Ich sah zum ersten Mal ihre Eltern, die darüber schwärmten, wie stolz sie auf Joelles Erfolge waren. Sie waren mir zutiefst unsympathisch in ihrer hölzernen und arroganten Art, und ich fand in ihren Bewegungen und ihren Worten eine Reihe von Eigenschaften, die sich auch Joelle angeeignet hatte.

Sie wurde einige Male mit Ann Sophie Mutter verglichen. Joelle wäre die neue Ann Sophie Mutter oder die spirituelle Nachfolgerin oder die geistige Tochter. Die Begriffe tauchten alle auf. Es waren Zitate von scheinbar bekannten Kennern der klassischen Musik. Ich kannte keinen davon.

Den Namen Ann Sophie Mutter hatte ich schon einmal gehört, aber ich musste ihn googlen. Wikipedia sagt, dass sie eine deutsche Geigerin ist und zu den erfolgreichsten Musikerinnen weltweit gehört.

Okay, das waren große Fußstapfen, in die man Joelle stellte. Ich konnte gut verstehen, dass da eine Menge Druck auf ihr lag. Das wäre so, als würde man mich als Bassistin mit Paul McCartney zusammen erwähnen. So von wegen erfolgreichste Bassistin weltweit. Niemand käme auf diese Idee. Ich war einfach nur eine von Millionen Bassistinnen auf der Welt. Joelle aber war etwas Einzigartiges. Eine neue Hoffnung. So wie auf Luke Skywalker als letztem Jedi-Ritter die Verantwortung für die gesamte Galaxie lag, lastete auf Joelle die Hoffnung der Violinenmusik. Ich wollte nicht gerne in ihren Schuhen stecken, obwohl ich ganz nebenbei auch gerne Prinzessin Leia geküsst hätte.

Während des Interviews versuchte sie immer wieder diese Hoffnungen herunterzuspielen. Der unbedarfte Zuschauer hätte das vielleicht als Bescheidenheit gedeutet, aber ich glaubte, Joelle etwas besser zu kennen. Meiner Meinung nach wollte sie dieses Etikett wirklich nicht. Sie wollte etwas anderes.

Sie hatte mal vorgeschlagen, dass wir uns verkleiden sollten und in der Fußgängerzone spielen sollten. Sie Violine, ich Kontrabass.

„Meinetwegen spiele ich auch Gitarre! Ich bin mittlerweile echt ganz gut geworden und spiele immer, wenn ich keine Lust habe, die Violine zu üben. Es ist meine Form der Rebellion!"

„Deine Form der Rebellion? Als du die Gibson gekauft hast, hast du mir erzählt, dass dein Lehrer dir geraten hat, ein anderes Instrument zu spielen!"

„Ach, das war gelogen! Bist du wahnsinnig! Die lassen mich nichts anderes spielen. Die sagen, so lange ich dies und das noch nicht kann, ist überhaupt nicht daran zu denken. Allenfalls darf ich Klavier spielen! Wenn du wüsstest. Ich habe als kleines Mädchen Tennis gespielt, aber das musste ich aufgeben, weil man davon zu viele Muskeln bekommt, und dann sind die Finger nicht mehr so geschmeidig! ‚Sonst kriegst du Hände wie ein Metzger', hieß es. Gitarre ist auch nicht gut. Ich soll mich auf mein Instrument konzentrieren. Eine Gitarre verlangt eine ganz andere Spieltechnik. Das mit der Violine zu vermischen muss für mein Spiel total schädlich sein! Niemand hat mir erlaubt, Gitarre zu spielen. Es ist mir sogar verboten. Aber es ist Rock'n Roll. Rebellion, right?"

Sie hatte mich belogen. Ich nahm es ihr nicht übel. Ich fand es sogar ganz charmant, dass sie sich mit Musik gegen ihre Musiklehrer auflehnte.

„Das wäre doch bestimmt lustig.", meinte sie. „Wir beide im langen Trenchcoat mit Perücke, Sonnenbrille und falschem Schnurrbart! Keiner würde uns erkennen! Wir würden einfach spielen."

Die Idee mit dem Spielen in der Fußgängerzone war jedenfalls nicht so prall. Ich hatte das mal gemacht, und es war schrecklich peinlich und erfolglos gewesen. Ich war dazu nicht geschaffen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie es war. Ich hatte die Idee ganz schnell abgebügelt. Ich war ein wenig zu weit in meiner Karriere, um darauf angewiesen zu sein, aber noch nicht weit genug entfernt, um das als witzige Erfahrung zu verbuchen. Ich schlug ihr vor, dass sie sich allein mit der Violine in die Fußgängerzone stellen sollte, aber das wollte sie nicht.

All diese Erinnerungen kamen mir, während ich sie da im Fernsehen sah.

Am Ende des Berichts sah ich sie sogar in den Armen eines jungen Mannes. Er wurde nicht vorgestellt, aber ich vermutete, dass das ihr Freund war, ihr vorgeschobener Fake-Freund. Sie sahen nett zusammen aus, und doch bildete ich mir ein, dass sie in seinen Armen etwas angespannt war, als wäre ihr das alles nicht so ganz angenehm.

Ich fühlte mich im ersten Moment ein wenig komisch, sie in den Armen irgendeines Typens zu sehen, aber mir war relativ schnell klar, dass das alles nur Show war. Ich erinnerte mich, wie sie ihren Bräutigam in ihrer Story dargestellt hatte. Als einen Typen, vor dem man fliehen sollte.

Sie hatte ansonsten nie über ihn gesprochen. Einmal hatte ich nach ihm gefragt, in erster Linie aus Interesse und nur in zweiter aus Eifersucht. Aber sie hatte gemeint, er wäre nur Staffage. Ein potemkinsches Dorf in Menschengestalt. Okay, nickte ich und googelte später, was ein potemkinsches Dorf war. Den Ausdruck hatte ich schon mal gehört, aber ich wollte gerne genau wissen, was er war. Der Sage nach hatte dieser Potemkin irgendeiner russischen Katharina Zarin das Land zeigen wollen, und weil es so versifft war, hatte er einfach Kulissen aufgestellt und bemalt, die im Vorbeifahren wie blühende Landschaften aussahen. Dass ihr Freund nur eine Fassade war, um irgendwen zu täuschen, damit konnte ich leben. Da musste ich nicht neidisch sein. Ich hätte noch gerne gewusst, ob sie es miteinander trieben, aber ich traute mich nicht zu fragen, weil ich nicht eifersüchtig wirken wollte. Ich vertraute ihr.

Diese Sendung jedenfalls gab mir zu denken, und ich rief Joelle an.

Ihr Telefon war besetzt. Ich versuchte es ein paarmal, aber nahm an, dass alle möglichen Freunde und Bekannten sie anriefen, um mit ihr über diese Fernsehsendung zu reden.

Da ich mich nicht einreihen wollte in diese Gruppe der Bewunderer, schrieb ich ihr nur eine Whatsapp-Nachricht:

„Habe dein Interview gesehen. Du Lügnerin! Melde dich, wenn du Zeit und Lust hast."

„Ich will dich sehen!", antwortete sie relativ schnell.

„Ich dich auch!"

Aber das dauerte noch etwas. Sie rief mich einige Tage später an. Ich saß gerade in einer ziemlich leeren Bahn und sie wartete scheinbar auf den Beginn einer Stunde mit ihrem Lehrer.

„Du hast ein echtes Scheißleben.", meinte ich lakonisch.

„Da sagst du was!"

„Aber ich muss gestehen, ich habe ganz neuen Respekt bekommen. Du hast ja einen verdammt vollen Terminkalender!"

„Er ist verdammt voll, das kann ich dir sagen!"

„Muss ich mich ja fast geschmeichelt fühlen, dass du mir so viel Zeit schenkst."

„Ich schicke dir eine Rechnung. Aber die könntest du mit deiner Tanzmusik nie im Leben bezahlen."

„Mit meiner Tanzmusik? Ist das Trashtalk? Du bist ja witzig!"

„Und das lässt du dir gefallen?"

„Soll ich dich aufs Bett schnallen und kitzeln, bis du es nicht mehr erträgst?"

„Fände ich gut."

„Bis du dich einnässt?"

„Du meinst, bis ich mich vor Lachen bepisse? Igitt!"

„Dafür, dass du solch eine tolle Erziehung genossen hast, bist du manchmal ziemlich billig in deiner Ausdrucksweise."

„Findest du? Gehöre ich dafür bestraft?"

„Du bettelst quasi danach!"

„Und, was soll ich deiner Meinung nach mit dir machen?"

„Warum fesselst du mich nicht wirklich ans Bett. Arme und Beine an die Bettpfosten, dass ich total hilflos bin."

„Und dann?"

„Und dann schneidest du mir ganz langsam mit einer Schere die Klamotten vom Leib. Ich bettele um meine teuren Klamotten. Aber dir ist es total egal. Du schneidest weiter und meinst nur:

‚Hörst du das Geräusch des zerreißenden Stoffs? Klingt fast so, als würde man 100 Euro Scheine zerschneiden. Fast so teuer wie dein Geklimper auf der kostbaren Geige aus dem Mittelalter!' Du lachst, und ich winsele nur.

Selbst meine Jacke zerschneidest du. Ein richtig teures Teil. Leder. Du musst dich anstrengen und meinst:

‚Wenn ich mir hier die Hand verletze an deinen Klamotten, dann wirst du so richtig büßen!'

Du reißt mir die Fetzen meiner Jeans vom Leib. Ich könnte heulen. Selbst meine Schuhe und Socken. Mein Shirt. Am Ende liege ich vor dir nur im Slip und im BH. Ich zerre an den Fesseln, aber keine Chance!

Ich bettele noch lauter: ‚Wie soll ich nachhause kommen, wenn du all meine Klamotten zerschneidest? Ich kann doch nicht nackt nachhause fahren!'

‚Ist mir scheißegal', sagst du, und ich glaube dir.

Am Ende schneidest du mir den Slip durch und zerrst den Stoff zwischen meinen Beinen hervor, bevor ich auch nur die Hüften anheben kann, um es leichter zu machen. Du riechst an dem Stoff.

‚Für deine ganze Bettelei bist du ganz schön feucht? Oder heulst du in deine Unterwäsche?'

Du lachst, dann legst du mir den Stoff mit meiner Feuchtigkeit aufs Gesicht. Ich rieche mich selbst. Es ist erniedrigend.

Du sagst: ‚Ich würde dir das Teil ja in den Mund stecken, aber ich mag es, wenn du winselst und bettelst.' Es macht mich total scharf. Kann man von seinen eigenen Düften scharf werden? Scheinbar schon.

‚Du bist so ein Luder!', meinst du, und du hast Recht. Ich bin ein Luder. Du machst ein paar Kommentare zu meiner Körbchengröße, dann fliegt der zerschnittene BH in eine Ecke.

Ich fühle mich so wehrlos, so hilflos. Du bist total angezogen, und ich bin total nackt. Ich kann mich nicht bewegen, habe keine Chance. Ich bin dir total ausgeliefert! Ich winde mich in den Fesseln, aber ich kann mich nicht befreien. Ich bin so hilflos!"

Und dann war es still. Ich schaute auf das Display, ob die Verbindung abgebrochen war, ob ich keinen Empfang mehr hatte. Aber alles schien normal zu sein.

Ich war total scharf von ihrer Erzählung geworden. Mitten in der Bahn saß ich. Am liebsten hätte ich ins Telefon gebrüllt, sie solle weitermachen. Meine linke Hand lag schon zwischen meinen Schenkeln, und ich musste mich durch einen schnellen Blick vergewissern, dass mich niemand beobachtete. Aber das Abteil war ziemlich leer, und die wenigen Fahrgäste waren alle mit etwas anderem beschäftigt. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass diese Scheren-Sache gar nicht so originell war, dass das meine Idee war. Aber wen interessierte das? Es war trotzdem verdammt geil.

Ich wollte gerade ins Telefon zischen, dass sie weitermachen solle, da hörte ich, dass sie sprach. Ihr Lehrer war scheinbar in den Raum gekommen und wollte mit der Stunde beginnen.

Ich hörte noch ein paar Augenblicke zu, wie Joelle und ein Mann sich begrüßten, und dann legte sie auf.

Und ich blieb zurück in der Bahn mitten in der Stadt und aufgegeilt. Es war total unfair! Dieses kleine Miststück, dachte ich. Wie kommt die dazu, mich hier so heiß zu machen, nur um mich dann hängen zu lassen?

Kapitel 27

„Ich bin es so leid!"

„Was denn?"

Wir saßen an dem Teich, an dem wir zum ersten Mal miteinander gespielt hatten. Sie hatte mich abgeholt und wir waren rausgefahren in dieses Refugium.

„Mein ganzes Leben!"

„Dein ganzes Leben! Wow, das ist eine Menge!"

„Das ist nicht witzig!"

„Okay, tut mir leid!"

Ich wollte das nicht leicht nehmen, aber es war auch nicht immer leicht, ihre Launen zu ertragen.

„Vielleicht sollten wir das wirklich machen."

„Was denn?"

„Du fesselst mich einfach für ein paar Wochen an ein Bett und machst mich zu deiner Sexsklavin!"

Ich lachte. „Meinst du das ernst?"

„Total. Ich kann dieses Leben nicht mehr ertragen. Jede Minute ist verplant. Immer nur üben und lernen und studieren und für andere Leute spielen! Wenn ich sehe, wie viele Menschen es besser haben als ich, dann ist das so unfair! Ich will endlich machen, was ich will!"

„Ich versteh dich ja. Aber auf der anderen Seite muss man halt arbeiten, wenn man über die Runden kommen will."

„So redet mein Vater auch. Bist du jetzt auch so eine Spießerin?

Ich seufzte. Jetzt hatte sie Recht. Ich wollte nicht so klingen, aber ich hatte gerade Kassensturz gemacht und war zu dem Schluss gekommen, dass ich noch etwas mehr Geld verdienen musste, wenn es nicht knapp werden sollte. Das war der Grund, weshalb ich so altklug sprach.

„Okay, du hast Recht", lenkte ich ein. „Ich klinge spießig."

„Wir könnten das doch echt machen! Du fesselst mich für ein paar Wochen an dein Bett. Wir spielen so was wie eine Entführung vor, kassieren ein oder zwei Millionen und verschwinden dann in die USA und leben unser Leben, wie ich mir das vorgestellt habe."

„Das ist ein echt guter Plan!"

„Findest du?"

Ich sah sie an, sie schien das ernst zu meinen. Zumindest erkannte ich kein Anzeichen von Ironie in ihrer Stimme. „Du willst, dass ich dich entführe und ein paar Millionen erpresse? Dass die gesamte Polizei in Deutschland und dem Rest der Welt hinter uns her ist? Auf Entführung steht nicht viel weniger als auf Mord, wenn ich das richtig sehe. Das ist dein Plan?"

„Wenn du es so sagst, dann hört es sich nicht so toll an. Aber so ein bisschen Thelma und Louise, das wäre doch was!"

„Die gehen am Ende drauf."

„Tun wir das nicht alle? Aber Hand in Hand. Mit dir würde ich gerne Hand in Hand auf der Flucht drauf gehen."

„Du bist süß."

„Vielleicht ist es nicht so ein toller Plan."

„Aber wäre das nicht eine coole Idee? Du und ich?"

„Mit den Millionen deines Vaters? Ich glaube, wenn du unabhängig sein willst, dann musst du das ohne das Geld deines Vaters tun."

Sie seufzte.

„Du hast ja Recht. Aber deine kleine Sklavin, die kann ich doch sein! Wäre das nicht toll? Du verdienst das Geld, und wenn du nachhause kommst, dann wartet deine nackte Sklavin auf dich, und wir wälzen uns in den Laken oder du arbeitest deinen Frust an mir ab. Das wäre doch was!"

„Baby, du bist keine Sexsklavin, die nichts Besseres zu tun hat, als auf ihre Herrin zu warten. Du bist ein kluger Mensch, du hast ne Menge drauf. Du würdest dich bald zu Tode langweilen. Das hier ist ein Spielchen, und wir sollten es auch so halten. Es geht doch nur um ein bisschen Spaß."

Sie seufzte und nickte.

„Du hast Recht. Ich meine ja nur, ich will das nicht. Diesen goldenen Käfig."

Kapitel 28

Ich hörte den Aufzug kommen.

Sie konnte was erleben! Immerhin hatte sie mir versprochen, die Treppe zu nehmen statt des Aufzugs!

Aber als ich die Tür öffnete, da fiel sie mir heulend in die Arme.

Ich wusste nicht, was los war, ich wusste nicht, was passiert war. Ich hielt sie einfach fest und ließ sie sich ausheulen. Sie schluchzte, und ich verstand nichts. Ich hielt sie einfach in den Armen und wartete, dass sie sich beruhigte.

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sprechen konnte. Mit verheulten Augen und belegter Stimme erzählte sie, dass ihr Lehrer sie runtergemacht hatte, weil sie irgendeine scheißkomplizierte Passage in einem scheißschweren Stück nicht hinbekam. Was sollte ich dazu sagen? Manche Sachen sind einfach zu schwer für einen, egal, wie lange und oft man übte. Ich hätte ihr den Tipp gegeben, einfach ein paar Noten auszulassen oder ein bisschen zu improvisieren. Aber das funktionierte bei klassischer Musik scheinbar nicht. War das ein Grund, so ein Drama zu veranstalten? Ich wusste es nicht. Für mich nicht, aber meine Welt war auch nicht so kompliziert wie Joelles. Ich verstand es nicht, aber ich litt mit ihr. Sie tat mir leid, und ich musste mich wieder daran erinnern, dass nicht alles so einfach war, wie ich es mir machte.

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